Kirchengeschichte erfahren

FMG-Wallfahrt 2012

 

1. Die Madonna im Fenster. Am 17. Januar 1797 nachmittags sah in Absam in Tirol das 18-jährige Bauernmädchen Rosina Bucher, das beim Nähen war, auf einmal im Schein der tiefer stehenden Sonne in der Fenster­scheibe der Stube das Bild eines Frauenkopfes, die Stirn von einem Tuch umhüllt. Das erschreckte sie, da das Bild sich auch nicht wegwischen ließ. Die Nachricht verbreitete sich, und man erkannte darin ein Bildnis der GOTTESmutter. Einige Tage später kam der Innsbrucker Dekan und nahm das Bild, wohl versiegelt, mit sich; am 21. Februar untersuchte eine vom zuständigen Fürstbischof von Brixen eingesetzte Kommission die Scheibe. Alle Versuche, das Bild abzuwischen, abzuschleifen oder abzukratzen, blieben erfolglos. Dennoch äußerte sich die Kommission negativ bezüglich eines übernatürlichen Ursprungs, doch die Bevölkerung sah in der Erscheinung des Bildes ein Zeichen, insbesondere auch aufgrund Sieges des Tiroler Landsturms gegen die Bedrohung durch französische und bayerische Truppen, der der Herz-JESU-Weihe Tirols im Vorjahr und eben dem Absamer Marienbild zugeschrieben wurde. Die Familie hatte die Rückgabe des Glasbildes erreicht, und am 24. Juni wur­de das Bild der Madonna in festlichem Zug in die Kirche übertragen, wozu das fürstbischöfliche Ordinariat in Brixen nachträglich die Erlaubnis erteilte. Die Wallfahrt gewann großen Zulauf; auch aus dem österreichischen Kaiserhaus kamen 1848 mehrfach Besucher, einschließlich Kaiser Ferdinand. Die Gläubigen bezeugen Gebetserhörungen durch zahlreiche Votivtafeln.

Die Pfarrkirche mit dem Kirchenpatron St. Michael – wie andere Wallfahrtskirchen beliebt für Trauungen; auch die Großeltern des Papstes hatten hier geheiratet – wurde im Jahr 2000 zur Basilika erhoben. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert; der Turm wurde nach einem Erdbeben 1670 erneuert. - Hier in Absam, nahe Hall in Tirol nördlich von Innsbruck im Inntal gelegen, feierten wir am Pfingstmontag die erste Pilgermesse und begaben uns so, von Maria, der „Mutter der Kirche“, geleitet, auf unseren Weg zu einer Reihe von heiligen Stätten in Italien, um als Teil der „pilgernden Kirche“ ein wenig in die Geschichte von Glaubenszeugnis und Glaubenskampf der Kirche und der Heiligen einzutauchen.

 

2. Ort der Stigmatisation. Am Erdbebengebiet bei Modena vorbei – von der Autobahn aus merkten wir nichts von den Schäden vom 20. Mai – übernachteten wir zwischen Bologna und Florenz und machten uns am zweiten Tag auf zu den Höhen des „Verna“ im toskanischen Apennin (nahe Chiusi della Verna, „Monte Penna“, 1283 m). 1213 hatte Graf Orlando di Chiusi den Berg dem hl. Franziskus geschenkt, für den er ein bevorzugter Ort des Gebetes war. Am 14. September 1224 empfing der Heilige hier in einer Vision die Wund­male CHRISTI. – Vor der hl. Messe in einer Kapelle unter der Basilika schauten wir uns ein wenig um – vom Platz vor der Basilika mit dem wunderbaren Weitblick, durch den 80 m langen Gang mit Fresken aus dem Leben des hl. Franziskus, vorbei am sog. „Bett des hl. Franz“ - einer Felshöhle; durch die Kreuzkapelle (an der Stelle, wo Franziskus 1224 während der Fastenzeit zu Ehren des hl. Michael in einer rohen Hütte hauste), in der eine Statue des Heiligen mit den Wundmalen und einem Falken auf einem Baumstumpf steht, durch eine Tür, über der die älteste marmorne Darstellung der Stigmatisation (Franziskus mit dem Cherubim) angebracht ist, in die Stigmatisa­tionskapelle: vorn eine Kreuzigungsdarstellung in Terra­kotta von A. della Robbio, am Boden der Fels gekennzeichnet, wo der Heilige die Vision CHRISTI in Gestalt eines Cherubim hatte und die Wundmale empfing. Nebenräume erinnern an den hl. Bonaventura, der da öfter zu Gebet und Betrachtung weilte und an den hl. Antonius von Padua, der hier im Jahr vor seinem Tod einige Monate sich aufgehalten hatte. Auch kann man den steilen Abfall des Felsens dort betrachten. Wieder zur Basilika zurückkehrend kommt man noch vorbei an der Magdalenenkapelle an der Stelle der 1. Hütte des Poverello (und unterhalb von ihr der Felsplatz des Sasso spicco, wo der Heilige das Leiden CHRISTI betrachtete und beweinte). In der Basilika selber finden sich mehrere schöne Terrakotta-Altarreliefs und rechts in der „Reliquienkapelle“ der Habit und andere Gebrauchsgegenstände des hl. Franziskus sowie ein Bronzereliquiar mit vom Blut seiner Seitenwunde getränktem Leinen. Unter einem Altar auf der linken Seite sind die sterblichen Überreste des seligen Johannes della Verna, eines Franziskaner-Priesters, der hier etwa drei Jahrzehnte lebte und wirkte (1289-1322).

Nach der Mittagsrast auf dem Parkplatz fuhren wir dann in Serpentinen in östlicher Richtung hinab in das obere Tibertal und vorbei an der Stadt Sansepolcro südwärts. Wenige Tage vorher hatte Papst Benedikt einen Pastoralbesuch in der Bischofsstadt Arezzo und in Sansepolcro gemacht; sein Hubschrauber-Abstecher auf La Verna war durch das stürmische, neblige Wetter nicht möglich gewesen. Wir aber hatten sonniges Wetter, und erst am Abend im Hotel erfuhren wir, dass an diesem Vormittag ein erneutes, schweres Erdbeben die Emilia Romagna heimgesucht hatte und auch in der Toscana zu spüren gewesen war – wir hatten nichts davon bemerkt.

 

3. Leidenswerkzeuge dem Herzen eingeprägt. Dieser Tag hatte für uns noch zwei Ziele: zunächst die schon im Umbrien liegende Stadt Città di Castello (40.000 Ein­wohner), wo wir am Kloster der Klarissen-Kapuzinerinnen (Monastero S. Veronica, Via XI Settembre 21 A) anklopften und nach kurzem Warten die Tür zu den Erdgeschoß-Räumen des Klausur-Klosters und zur kleinen Kirche geöffnet bekamen. Hier lebte seit 1677 die hl. Veronica Giuliani (27.12.1660-6.7.1727) 50 Jahre bei den Kapuzinerinnen. Ursula – so ihr Taufname – wuchs in einer tiefreligiösen Familie auf; als die Mutter 40-jährig starb, zeigte sie ihren fünf Töchtern das Kruzifix und empfahl jede von ihnen in eine der fünf Wunden JESU. Der sechsjährigen Ursula fiel die Seitenwunde zu. Später empfing sie die Wundmale CHRISTI an ihrem Leib und trug sie 30 Jahre; auf kirchlichen Befehl hin wurde sie schweren Prüfungen unterworfen; sie ertrug alle Demüti­gungen mit Demut und heiterer Ruhe. Später wurden ihre Stigmata als echt anerkannt und Veronica wurde sogar Äbtissin. Im Auftrag GOTTES und der Oberen schrieb sie ihre außergewöhnlichen mystischen Erfahrungen auf. Die Leidenswerkzeuge der Passion JESU (Kreuz, Lanze, Nägel, Geißel usw.) fand man bei der Obduktion nach ihrem Tod in ihr Herz eingeprägt. 1839 wurde sie heilig­gesprochen. - In einem Ausstellungsraum sind Ge­brauchsgegenstände der Heiligen, die Totenmaske, ein Reliquiar mit einem Teil ihres Herzens, Gemälde der Heiligen, ein Kruzifix, das zu ihr sprach, usw. zu sehen. Ihr mit Wachs überzogener Leib liegt in der kleinen Klos­terkirche im Schrein unter dem Altar. An einem Seiten­altar ist die selige Florida Cevoli dargestellt; ihre Reliqui­en liegen in einer Urne unter dem Altar. Schwester Flori­da (11.11.1685-12.6.1767, seliggespr. 1993) war Mitar­beiterin der Äbtissin Veronica; sie war selber mit Charismen beschenkt, so der Gabe der Prophetie.

 

4. Bischof des 12. Jahrhunderts. Etwa 50 km entfernt von Città di Castello liegt die Kleinstadt Gubbio (ca. 33.000 Einwohner), schon im 3. Jh. v. Chr. ein Zentrum der Umbrer. In den „Fioretti“ des hl. Franziskus wird die Geschichte der Zähmung eines mörderischen Wolfes durch den Heiligen von Assisi erzählt. Dem Wolf von Gubbio sind wir nicht mehr begegnet, wohl aber haben wir einen heiligen Bischof von Gubbio besucht: St. Ubald. Die Kirche mit seinen Reliquien liegt auf einer Bergeshöhe (Monte Ingino, 827 m) hoch über dem mittelalterlichen Stadtkern. Ubald, um 1080 in Gubbio geboren, war Prior an der Kathedrale seiner Heimatstadt und führte da nach dem Vorbild der Regularkanoniker von Ravenna das gemeinschaftliche Leben der Priester ein. Zum Bischof der im 5. Jh. gebildeten und heute noch bestehenden Diözese ernannt, änderte er nichts an seiner ge­wohnten Lebensform. Er starb am 16. Mai 1160. Die Basilika S. Ubaldo wird seit dem 13. Jh. erwähnt; im 16. Jh. wurde ein Chorherrenkloster gebaut, wo später Passionisten und dann Franziskaner lebten. Über dem Hauptaltar ist in einem neugotischen Schrein der unversehrte Leib – der Blumenschmuck vor dem Altar beinhaltete zu unserer Überraschung auch Zitronen; die bunten Glasfenster von 1922 schildern Szenen aus seinem Leben. Auffallend sind im rechten Seitenschiff der fünfschiffigen Kirche drei etwa 5 m hohe hölzerne „Kerzen“ (Ceri), die am 15. Mai zum Fest des Heiligen jeweils von einer Mannschaft von Männern in einem Festzug mitgetragen werden. Sie werden gekrönt von Statuen des hl. Ubald, des hl. Antonius und des hl. Georg. (Aus Gubbio wurde auch im vergangenen Jahr vom „größten Weihnachtsbaum der Welt“ berichtet, einem am ganzen Berg­hang in Christbaumform aus über 500 Leuchten aufgebauten Lichterspektakel, das am 7.12.2011 vom Hl. Vater von Rom aus entzündet wurde.) Im Dreifaltigkeitskloster in Gubbio lebte übrigens die ehrwürdige Klara Isabella Gherzi, eine mit reichen charismatischen Gaben beschenkte Klarissen-Äbtissin (1742-1800), deren Seligsprechungsprozess eingeleitet ist.

 

5. Kirche in der Kirche. Am Abend langten wir dann in Santa Maria degli Angeli an, der Stadt am Fuß von Assisi, die von der  Basilika über dem Portiunkula-Kirchlein ihren Namen hat; hier hatten wir für zwei Tage unser Quartier. Vor dem Abendessen bzw. auch am Morgen des folgenden und übernächsten Tages war Gelegenheit, die großartige Basilika (1569-1679 erbaut) mit der Kuppel über der Portiunkulakapelle aufzusuchen. Sie war von Franziskus wiederhergestellt worden, hier hatte er seine ersten Gefährten empfangen und den Orden gegründet, hier hatte er 1211 der hl. Klara das Ordensgewand übergeben (Anlass für die Feier des 800. Jubiläums ihrer Bekehrung und Weihe mit einem Jubi­läumsjahr, das gerade in Assisi begangen wird, vgl. dazu Botschaft des Hl. Vaters vom 1.4.2012). Papst Honorius III. hatte auf seine Bitte hin den Portiunkula-Ablass gewährt. Rechts in der Apsis der Basilika ist die Kapelle des Transitus (Sterbezelle) die an den Tod des hl. Franziskus am 3. Oktober 1226 erinnert. Eine Krypta unter der Apsis bewahrt einen Teil der ursprünglichen Mauern; im angebauten ehemaligen Konvent befindet sich der Rosengarten (mit den dornenlosen Rosen, die an Franziskus erinnern, einer Statue des Heiligen, wo sich Tauben niedergelassen haben, und einer dem hl. Bonaventura geweihten Kapelle).

 

6. Ein vielverehrter hl. Nikolaus. Ehe wir uns am Donnerstag in die Stadt des Poverello selber aufmachten, gehörte der Mittwoch, von S. Maria degli Angeli aus, noch der Wallfahrt zu drei anderen Orten und Heiligen. Erstes Ziel war Tolentino, etwa 90 km entfernt schon in der Nachbarregion der Marken gelegen, eine alte Kleinstadt mit etwa 20.000 Einwohnern auch mit Wurzeln weit in vorchristlicher Zeit. Der auf das 5. Jh. zurückgehende Bischofssitz Tolentino war 1586 nach Macerata verlegt und 1986 mit weiteren Diözesen (Osimo-Cingoli, Recanati, San Severino-Treia) vereinigt worden. In der nach ihm benannten Basilika liegen in einem Schrein in der Krypta die Reliquien des hl. Nikolaus von Tolentino. 1240 in einem kleinen Ort in der Nähe in einfachen Verhältnissen geboren, schloss er sich noch als Jugendlicher dem Orden der Augustiner(-Eremiten) an, wirkte als Prediger und Beichtvater in zahlreichen Orten und lebte von 1275 bis zu seinem Tod am 10. September 1305 in Tolentino. Als treuer Ordensmann lebte er sein Ordensversprechen, suchte Kranke und Notleidende auf und half ihnen, wirkte sehr fruchtbar als Prediger und Seelenführer. Im Spätmittelalter galt er als einer der großen Nothelfer der abendländischen Christenheit und Fürbitter für die Einheit mit der Ostkirche. GOTT hatte ihn schon zu Lebzeiten mit der Gabe der Wunder beschenkt, die sich auch nach seinem Tod zahlreich fortsetzten. 1446 wurde er heiliggesprochen. Wir feierten die hl. Messe in der Basilika (1465 eingeweiht, reich ornamentierte Holzdecke); danach erklärte uns ein Augustiner die „Kapelle der Arme“, die „große Kapelle“, die anschließenden Räume mit Bildern des Heiligen und Votivtafeln, religiöser Kunst, einem sehr gut gemachten Diorama, das 28 Szenen aus dem Leben der Heiligen darstellt und Krippendarstellungen.

 

Die „Kapelle der hl. Arme“, im 15./16. Jh. errichtet, hat ihren Namen von einer Eisentruhe hinter dem Altar, in der die bei einem Diebstahlsversuch abgetrennten Arme des Heiligen über Jahrhunderte aufbewahrt waren; es wurden über die Jahrhunderte hin immer wieder Blutwunder an den Armen berichtet, die auf kirchengeschichtliche Ereignisse hin gedeutet wurden, zuletzt 1939). Die „große Kapelle“ (Cappellone) wurde 1330 an dem Ort, wo Nikolaus 1305 beigesetzt wurde, errichtet; sie ist mit beeindruckenden Freskenzyklen geschmückt (Leben Mariens; Geschehnisse aus dem Leben JESU; Szenen aus dem Leben des hl. Nikolaus. Die 1345 verborgenen und dann verschollenen Gebeine des Heiligen wurden erst 1926 bei Grabungen wieder gefunden; dafür wurde dann 1926-32 die Krypta erbaut, wo sie - nun zusammen mit den Armen - in einem Schrein ruhen. Der Augustiner, der uns schließlich zur Krypta führte, gab uns auch noch je eines der gesegneten kleinen „Panini“; der Heilige war von einer schweren Krankheit genesen, als er auf Geheiß der GOTTESmutter frisches Brot in Wasser tauchte und zu sich nahm. In der Folge erfuhren immer wieder Kranke Hilfe durch die in Erinnerung daran geweihten Miniaturgebäcke. - Übrigens wurde Nikolaus von Tolentino im 18. Jh. zum Mitpatron Bayerns erwählt, nachdem ein Stück blutgetränkter Seide, mit der seine Arme umhüllt waren, damals in die Augustinerkirche in München gelangte.

 

7. Patron Europas. Am Nachmittag erreichten wir dann Norcia, das antike Nursia, den Geburtsort des hl. Benedikt und seiner Zwillingsschwester Scholastika. Norcia ist eine Stadt mit 5000 Einwohnern im Süden Umbriens, am Fuß der Sibyllinischen Berge. Die Ursprünge der kleinen Stadt gehen auf die Zeit der Sabiner zurück, im 3. Jh. vor Chr. wurde es von den Römern erobert, im 6. Jh. n. Chr. von den Langobarden, dann von Goten und Sarazenen. Die heutige Stadtmauer entstand um 1200, als die Stadt sich langsam wieder aufwärts entwickelte. Wir umrundeten mit unserem Bus diese Stadtmauer, um den Busparkplatz zu finden, von dem aus wir einige Straßenzüge hinaufwanderten zur zentra­len Piazza San Benedetto mit einem Denkmal des heiligen Ordensstifters und Patrons Europas. Dort steht, neben dem Palazzo Comunale die Basilika S. Benedetto, erbaut nach der Überlieferung an der Stelle des Geburtshauses. In der Krypta sind Reste eines römischen Gebäudes sichtbar, das im 6. Jh. zu einer Kapelle zum Gedenken an den hl. Benedikt wurde. Ein teilweise erhaltenes Fresko links von der Apsis der Krypta stellt die Geburt JESU und die der beiden Geschwister dar. Jahrhundertelang hatten Benediktinermönche dieses Heiligtum betreut, bis sie 1810 unter Napoleon vertrieben wurden. Seit dem Jahr 2000 hat sich dort eine neue, international zusammengesetzte benediktinische Gemeinschaft niedergelassen, die ihre Verbundenheit mit dem Hl. Vater betont und vom Hl. Stuhl ausdrücklich mit der Pflege der beiden Formen des römischen Messritus betraut ist (vgl. DT 21.7.11 und osbnorcia.org). – Benedikt und Scholastika sind hier um 480 geboren; Benedikt zog sich dann als Student in Rom – angewidert von der sittenlosen Umgebung – in die Einsamkeit bei Subiaco zurück, gründete mit Gefährten 12 kleine Klöster und übersiedelte 529 nach Monte Cassino, wo er am 21. März 547 starb. Die hl. Scholastika wurde schon als Kind GOTT geweiht; über ihr Leben weiß man wenig, sie lebte wohl in einem Kloster bei Subiaco und später bei Montecassino. Papst Gregor der Große berichtet von ihrem letzten Treffen mit ihrem Bruder kurz vor ihrem Tod um 547.

 

8. Die Heilige mit der Stirnwunde. Nur etwa 20 km von Norcia entfernt liegt Cascia, ein Ort mit rund 3000 Einwohnern, aber ein vielbesuchtes Wallfahrtsziel. Vom Busparkplatz aus helfen Rolltreppe und Aufzug, den Weg zur Anhöhe mit der Basilika der hl. Rita zu überwinden. Auf dem Weg trifft man zuerst auf den Eingang der Unterkirche, die 1988 unter der ab 1937 auf dem Gelände der alten Augustinerkirche erbauten Basilika eröffnet wurde. Im rechten Querschiff finden sich dort ein Steinsarkophag mit den Reliquien des sel. Simon Fidati und darüber in einem Tabernakel aus Stein und Kristall ein seit 1220 bewahrtes eucharistisches Wunder. Ein Priester in Siena hatte eine hl. Hostie für einen Kranken einfach in sein Brevier gelegt und erlebte dann, dass sie zu Blut wurde und das Profil eines menschlichen Antlitzes zeigte. Er berichtete das Geschehen dem sel. Simon Fidati, einem berühmten Augustinerpriester (1285-2.2.1348), der die Reliquie in die Augustinuskirche seiner Heimatstadt Cascia brachte. Papst Bonifatius IX. hatte das eucharistische Wunder 1389 als authentisch be­stätigt. Zwei Marmorplatten rechts und links von Sarkophag und Tabernakel stellen die aufgeschlagenen Brevier­seiten dar und bilden, vergrößert, die Blutflecken ab.

Im gegenüberliegenden linken Querschiff birgt ein Schrein den Leib der seligen M. Teresa Fasce (geboren 1881 bei Genua, gestorben am 18. Januar 1947 in Cascia). Diese Ordensfrau hatte ihr Leben der Förderung der Verehrung der hl. Rita gewidmet, eine Zeitschrift dafür gegründet, ein Werk für arme Kinder errichtet und für den Bau des neuen Heiligtums der hl. Rita gewirkt. 1997 war sie seliggesprochen worden.

 

Der Schrein mit den Reliquien der hl. Rita (Gesicht, Hände und Füße mumifiziert, unter dem Kleid das ganze Skelett) befindet sich in der eigentlichen, 1947 eingeweihten Basilika in der linken Apsis der hl. Rita hinter einem schmiedeeisernen Gitter. Eine Augustinerin gab dort an Pilger die gesegneten „Rita-Rosen“ ab. Rita, ca. 1381 im nahegelegenen kleinen Ort Roccaporena geboren, hatte ihrer Ordensberufung erst nach der Ermordung ihres Gatten und dem Tod ihrer beiden Söhne (sie bat GOTT, sie lieber zu sich zu nehmen, als dass sie in den Rachekreislauf verwickelt würden) und gegen viele Widerstände bei den Augustinerinnen in Cascia folgen können. Etwa 15 von den 40 Ordensjahren trug sie ein Wundmal von der Dornenkrone CHRISTI an ihrer Stirn. Sie starb am 22. Mai 1457 und wurde 1900 heiliggesprochen. - Die Basilika in Form eines griechischen Kreuzes besteht aus einer zentralen Kuppel und vier großen Apsiden. In der Kuppel ist die Glorie des hl. Augustinus und einiger Augustinerheiligen dargestellt, im Bereich der Empore sind Abbildungen weiterer Augustinerheiliger, darunter des sel. Friedrich von Regensburg. Nahe der Kirche ist das Kloster der hl. Rita; der antike Teil geht auf 1200 zurück. Im Innenhof sieht man unter anderem den Brunnen, aus dem die hl. Rita Wasser schöpfte.

 

9. Die Stadt des Poverello. Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Bus von Santa Maria degli Angeli hinauf nach Assisi. Wir hatten die Freude, die hl. Messe in der Krypta der Franziskus-Basilika vor dem Grab des Heiligen feiern zu können. Franziskus Bernardone wurde am 26.9.1182 in Assisi geboren, 1205 begann er sein Leben der Nachfolge des armen CHRISTUS, 1209/10 wurde seine erste Regel vom Papst bestätigt, 1224 empfing er die Stigmen und starb am 3.10.1226).

Mit Blick darauf, dass einige Kirchen über Mittag geschlossen sind, wanderten wir dann zunächst durch die Stadt zur Chiesa Nuova, die im 17. Jh. auf den Ruinen des Hauses des Pietro Bernardone erbaut ist. So steht davor auch die Statuengruppe der Eltern des hl. Franz. Zur Bekräftigung der Überlieferung wird im linken hin­teren Pfeiler ein kleiner Karzer gezeigt, in dem Franziskus von seinem Vater eingesperrt war (und von der Mutter freigelassen wurde); Beim 2. Pfeiler ist der Zutritt zu den Resten des Wohnhauses (mit einer sog. „Totentür“) und zur alten Gasse, wo das Geschäft des Tuchhändlers gewesen sei.

 

Nächstes Ziel war die Kirche Santa Chiara, von 1257 bis 1265 erbaut. Vorher stand hier das Kirchlein San Giorgio, in dem Franziskus vier Jahre lang beigesetzt war und wo auch 1228 seine Heiligsprechung durch Papst Gregor IX. stattfand. Auch die hl. Klara war da bestattet, bis die ihr geweihte gotische Kirche fertig war. An der schlichten Fassade zeigt sie eine wunderschöne Fensterrose. Im Innern schließt sich rechts die beinahe einem Seitenschiff ähnliche Kapelle an, in der das Kreuz hängt, das im Kirchlein San Damiano zu Franziskus gesprochen hatte. Waren früher im hinteren Teil Andenken (Kleidungsstücke u. a.) an den hl. Franziskus zu sehen, so sind diese nun in einem Raum auf dem Weg zur Krypta zu besichtigen. In ihr liegen in einem Glassarg die Gebeine der hl. Klara, die man 1850 wieder entdeckt hatte; sechs Jahrhunderte hatten sie direkt unter dem Hochaltar gelegen in dem Steinsarkophag, der sich nun in der Mitte der 1850-72 erbauten Krypta erhebt. - Die hl. Klara, 1194 in adeligem Elternhaus geboren, war vom Ideal des zwölf Jahre älteren Franziskus beindruckt, floh 1212 aus dem Elternhaus, um das Ordenskleid zu nehmen. Mit ihrer Schwester Agnes (diese wurde neben ihr in S. Chiara beigesetzt, 1197-1253, als Hl. verehrt) ließ sie sich beim Kirchlein S. Damiano nieder und wurde zur Begründerin des Klarissenordens, später schlossen sich auch ihre Mutter Ortolana und ihre andere Schwester Beatrix an. Etwa vom 30. Lebensjahr an war sie krank und starb am 11. August 1253 (1255 heiliggesprochen).

Danach stiegen wir zur Kathedrale San Rufino, die im 12./13. Jh. im romanischen Stil erbaut ist. Rufinus war ein Märtyrer (+239), vielleicht auch 1. Bischof von Assisi. Rechts hinten steht der Taufstein, in dem Franziskus, Klara, der spätere hl. Gabriel Possenti und angeblich auch der Stauferkaiser Friedrich II. (1194-1250) getauft wurden. Rechts neben dem Dom waren Gemälde des sel. Johannes Paul II. ausgestellt.

Die Mittagspause bei der von Palästen eingerahmten Piazza del Comune (mit der Kirche Santa Maria sopra Minerva in einem römischen Minervatempel) war leider durch die überlauten Musikdarbietungen irgendeines Jugendfestivals recht unruhig.

 

Danach konnte nochmals die Basilika des hl. Franziskus aufgesucht werden – mit der Betrachtung der nach dem Erdbeben von 1997 weitgehend wiederhergestellten Fresken von Giotto in der Oberkirche und der Fresken verschiedener Künstler in der Unterkirche.

Den Grundstein für die Basilika hatte ja Gregor IX. 1228 selber gelegt; den Bau führte Bruder Elias von Assisi durch, Generalminister des Franziskanerordens. 1230 war die (romanische) Unterkirche schon soweit fertiggestellt, dass der Leichnam des hl. Franziskus hierher überführt werden konnte; die genaue Stelle hielt man aber geheim, sie wurde erst 1818 genau unter dem Altar der Unterkirche entdeckt und dann dafür die Krypta geschaffen. Die Oberkirche (gotisch) war 1236 unter Dach. 1253 kam der Papst zur Weihe der beiden Kirchen persönlich nach Assisi. Nach den bewegenden Eindrücken in der Franziskusbasilika wanderten wir – mit dem Ausblick weit ins Tal – wieder das Wegstück zum Busparkplatz hinab und brachen auf in Richtung Rom.

 

10. Passionsmystik. Zwei Stationen machten wir auf dem Weg südwärts: Zunächst einen Abstecher nach Montefalco, südwestlich von Foligno gelegen. Hier wird auch eine hl. Klara verehrt, allerdings eine augustinische Mystikerin, deren Lebenszeit an die der hl. Klara von Assisi anschließt: 1228 geboren, lebte sie schon als Kind mit ihrer Schwester (sel. Johanna von Montefalco) und weiteren Frauen als Reklusin. Die Gemeinschaft wurde 1290 in ein Augustinerinnenkloster umgewandelt, 1291 folgte Klara ihrer Schwester als Äbtissin. Sie übte ein Apostolat der Fürsorge für die Armen, des fürbittenden Gebets und der Hilfe für viele Ratsuchende bis hinauf zu Bischöfen aus. Schon von früh auf waren Exstasen und Visionen bei ihr häufig; elf Jahre durchlitt sie eine tiefe Nacht der Seele; sie hatte die Herzensschau, sagte Dinge voraus, die sie natürlicherweise nicht wissen konnte. Sie lebte in der beständigen Betrachtung der Passion CHRISTI und empfing eine eigentümliche Stigmatisation ihres Herzens, weshalb sie auch Klara vom Kreuz genannt wird. Nach ihrem Tod am 17. August 1308 setzte eine Schwester ihr Wort: „Wenn ihr das Kreuz CHRISTI sucht, nehmt mein Herz“ um, indem sie die Brust der Heiligen öffnete und ihr Herz herausnahm; auf dem sich „Zeichen“ der Passion fanden. 1303 hatte Klara eine Kirche gebaut, von der noch die heutige Kreuzkapelle (in der die Heilige starb) mit Fresken von 1333 und der Chor der Nonnen erhalten sind. Die heutige Kirche stammt aus dem 18. Jh. Rechts ist der Grabaltar mit dem Körper der Heiligen.

 

11. Ein seliger Landpfarrer. Nur wenige Kilometer von Montefalco entfernt liegt bei Trevi das Dorf Cannaiola. In der Pfarrkirche (die auch die Reliquien eines Märtyrers Maricius birgt) ist der Schrein des im hohen Alter von 94 Jahren in Spoleto verstorbenen Pfarrers Pietro Bonilli, der 1988 seliggesprochen wurde. Der Bauernsohn, 1841 geboren, hegte eine besondere Verehrung der Hl. Familie. Nach seiner Priesterweihe 1863 wirkte er 35 Jahre in Cannaiola, einer sehr armen und zudem zer­strittenen Pfarrei, Mit Eifer und Klugheit wirkte er sehr fruchtbar. 1872 sammelte er gleichgesinnte Priester, die als „Missionare der Hl. Familie“ in Volksmissionen wirkten. Für sein Werk der Katechese und religiösen Unter­weisung bediente er sich auch der Presse und richtete in seinem Pfarrhaus eine bescheidene Druckerei ein. 1884 nahm er ein Waisenkind auf; daraus entwickelte sich ein Waisenhaus, zu dessen Fortbestand er 1888 die religiöse Gemeinschaft der „Schwestern von der Hl. Familie“ gründete, die heute über 100 Niederlassungen hat. 1898 wurde Bonilli zum Regens des Priesterseminars von Spoleto und zum Beichtvater in der Domkirche berufen und wirkte hier noch segensreich bis zu seinem Tod am 5. Januar 1935. – Bemerkenswert ist die Darstellung der Hl. Familie in der gleichnamigen Kapelle der Pfarrkirche: JESUS ist, zwischen Maria und Josef, als Jugendlicher mit dem hlst. Herzen dargestellt.

 

12. Die Reliquien waren weg! Am folgenden Tag fuhren wir, nach der Übernachtung in Rom, nach Nettuno ans Tyrrhenische Meer hinaus, um bei unserer Patronin, der hl. Maria Goretti, die heilige Messe zu feiern. Zu unserer Überraschung fanden wir den Glassarkophag unter dem Altar der Krypta der Kirche Madonna delle Grazie leer (nur ein Foto der sonst hier befindlichen Gestalt mit den Reliquien war aufgestellt sowie drei Kapseln mit Haaren, der Marienmedaille und Fragmente vom Beerdigungs­kleid der Heiligen waren darin). Ein Plakat besagte, dass sich die Reliquien der Heiligen auf Pilgerfahrt in Kanada befänden (18. Mai bis 7. Juni 2012). Recherchen im Internet ergaben dann, dass der Schrein der Reinheits­märtyrin erstmals außerhalb Italiens in einer Reihe von Pfarreien der kanadischen Diözesen Toronto, Edmonton und Ottawa auf Pilgerreise war. – Im hinteren Teil der Krypta von Nettuno ist seit unserem letzten Besuch ein kleines Diorama eingerichtet worden, das einige Szenen aus dem Leben der Märtyrin vergegenwärtigt. Im Raum neben der Kirche (vor dem Verkaufsraum), der den Operationstisch, das erste Denkmal der Heiligen usw. beherbergt, war eine Wanderausstellung aufgebaut – große Tafeln, die mit Bildern und Texten über Leben und Verehrung der jungen Heiligen informieren.

 

Nächste Station unserer Pilgerfahrt war dann die „Cascina antica“ im ca. 12 km entfernten Le Ferriere, das Wohngebäude der Gorettis von 1899 bis 1902, wo am 5. Juli 1902 Alessandro den Anschlag auf die knapp 12jährige Marietta unternahm und sie in der Verteidigung ihrer jungfräulichen Reinheit tödlich verwundet wurde, sodass sie am folgenden Tag im Krankenhaus in Nettuno starb.

Wir beteten im Oratorium, der ehemaligen Wohnküche, und hielten dann auf dem zugehörigen Parkplatz Mittags­pause. (Als Veränderung sei vermerkt, dass neben der Treppe, die jetzt den Zugang zu den Räumen im 1. Stock bildet, ein Aufzug gebaut wurde.)

 

13. Hier starb der Völkerapostel. Am Nachmittag fuhren wir wieder nach Rom zurück. Erste Station war dort der Parkplatz bei der Erscheinungsstätte Mariens im Jahr 1947 in Tre Fontane. Wir besuchten die Kapelle an der Erscheinungsgrotte, die durch einen Zeltvorbau erweitert ist und wo wir das Allerheiligste ausgesetzt fanden und eine Zeit der Anbetung verbringen durften. – Bruno Cornacchiola, in desolaten Verhältnissen aufgewachsen, war im spanischen Bürgerkrieg und danach von kommunistischen Ideen, aber auch von den Gedanken eines fanatischen Protestanten mit Hass gegen die katholische Kirche und besonders den Papst erfüllt worden. So agitierte er in Italien gegen die Kirche und plante, den Papst zu töten.

Am 12. April 1947 ging er mit seinen drei Kindern zum Eukalyptuswäldchen bei Tre Fontane, um – während die Kinder spielten – an einem Vortrag zu arbeiten. Da er­schien ihm in der Grotte die GOTTESmutter, offenbarte sich als „Jungfrau der Offenbarung“ und belehrte ihn über den katholischen Glauben. Bruno konnte 1949 Pius XII. begegnen und ihm den Dolch der geplanten Ermordung übergeben; zur Erscheinung in Tre Fontane nahm die Kirche zwar nie endgültig Stellung, doch wurde die Marienverehrung an der Erscheinungsgrotte schon bald erlaubt.

 

Nach unserem kurzen Aufenthalt an dieser Marienstätte überquerten wir die Straße – die Via Laurentina – und wanderten hinein zum Kloster Tre Fontane. Der Name kommt von jener Stelle, an der nach der Überlieferung der hl. Paulus das Martyrium durch Enthauptung erlitt und wo an den Stellen, wo sein Haupt dreimal aufsprang, Quellen entsprangen. Ursprünglich nannte man den Ort „ad aquas salvias“ (an den gesunden oder lebendigen Wassern). Wir mussten uns ein wenig gedulden, bis um 15 Uhr die Chiesa del martirio di San Paolo aufgesperrt wurde. Es ist die älteste der drei Kirchen in diesem Bereich (6. Jh., der heutige Bau 16. Jh., 1867 restauriert); an den drei überlieferten Quellstellen in verschiedenen Ebenen steht jeweils ein Altar – das Wasser fließt offenbar seit 1950 nicht mehr. Zwei Marmorreliefs schildern die Martyrien von Petrus und Paulus; nahe dem Eingang wurde 1867 ein antikes farbiges Mosaik aus Ostia (2. Jh.) eingebaut, das die vier Jahreszeiten darstellt.

Die eigentliche Klosterkirche der hll. Vinzenz und Anastasius wurde 625 von Papst Honorius I. erbaut, damals waren die Reliquien des hl. Märtyrers Anastasius des Persers hierher gebracht worden; 1370 kamen Reliquien des hl. Vinzenz von Saragossa (Diakon und Märtyrer +304) hinzu. Erbaut für Zisterzienser, lebten später Franziskaner in diesem Kloster und seit 1868 Trappisten.

Die dritte Kirche im Gebiet von Tre Fontane trägt den Namen Santa Maria Scala Coeli (Maria von der Himmelsstiege), der sich von einer Vision des hl. Bernhard von Clairvaux ableitet, der 1183 sah, wie die GOTTESmutter Arme Seelen im Himmel empfing. Die Kirche steht an der Stelle, wo nach der Tradition auf Befehl von Kaiser Diokletian ein Tribun Zeno mit über 10.000 Soldaten das Martyrium erlitten haben soll. Die heutige achteckige kleine Kirche wurde im 16. Jahrhundert von Giacomo della Porta erbaut. Altäre sind dem hl. Zeno, der GOTTESmutter und dem hl. Bernhard ge­weiht. Eine kleine Krypta liegt auf der Ebene des alten Friedhofs, wo Zeno und seine Gefährten gestorben sein sollen; an einem Altar dort hat nach der Tradition der hl. Bernhard die hl. Messe gefeiert, bei der er die erwähnte Vision hatte; eine Öffnung lässt einen heidnischen Altar sehen, eine andere führt in den kleinen Raum, der als das kurzzeitige Gefängnis des hl. Paulus vor seiner Enthauptung gilt.

 

14. Die große Paulsbasilika. Sagt die Überlieferung, dass Paulus – wohl im Jahr 67 nach Chr. - in Tre Fontane gestorben ist, so ist sein Grab weiter stadteinwärts (aber noch außerhalb der Stadtmauern) bezeugt in einer Nekropole, über der die große Patriarchalbasilika Sankt Paul vor den Mauern (mit angeschlossenem Benedik­tinerkloster) entstanden ist. Papst Silvester I. hat sie nach der Überlieferung 324 eingeweiht. Nach Erweiterungen und Zerstörungen in den Jahrhunderten hatte ein großer Brand am 16.7.1823 fast die ganze Basilika zerstört; Leo XII. ließ sie wiederaufbauen; 1854 wurde der Gesamtbau dann eingeweiht. Der Westvorhof mit 156 Säulen wurde 1892 bis 1928 geschaffen. - Hier hatten wir einige Zeit, den großen fünfschiffigen Kirchenbau, zu besichtigen (die Alabasterfenster, die Kassettendecke mit Stuck und Gold, die Gemälde mit Szenen aus dem Leben des hl. Paulus, den Fries mit den Porträts aller bisherigen Päpste, die Sakramentskapelle mit dem Holzkreuz, das zur hl. Bir­gitta gesprochen hat, die hohe Osterleuchter-Säule, gegen Eintritt den Kreuzgang und eine Ausstellung zum Jubi­läum des II. Vatikanums) und an der Confessio vor dem Sarkophag mit den Reliquien des hl. Paulus zu beten. Am Apsisaltar feierte gerade eine Anzahl junger (Neu-?) Priester die hl. Messe.

 

15. Ein junger Märtyrer. Letzte Station an diesem Tag war dann die kleine Basilika San Pancrazio, westlich des Gianicolo-Hügels nahe dem Park der Villa Doria Pamphili. Hier gab es an der antiken Via Aurelia ein Gräberfeld und Katakomben, wo im 3. Jh. der Märtyrer Pankratius be­stattet wurde, der an diesem Ort enthauptet worden war. In der Kirche gibt es einen Zugang zu den Katakomben, der uns allerdings versperrt blieb. Die Verehrung des jugendlichen Märtyrers ist ab dem 5. Jh. bezeugt und die Kirche wurde spätestens unter Papst Symmachus (489-514) errichtet, vielleicht aber ein älterer Bau nur erweitert. Gregor der Große (590-604) richtete dort eine Mönchsgemeinschaft ein; von ihm gibt es auch eine Predigt vom Jahrestag des Martyriums, dem 12. Mai. Honorius I. (624-638) baute die Kirche um und schuf eine halbkreisförmige Confessio über dem Grab. Die heutige barocke Innenausstattung stammt aus dem 17. Jh.

Während der Plünderung Roms durch die Truppen Napoleons wurden die Reliquien des jugendlichen Märtyrers entweiht und zerstreut; im Jahr 1816 gelang es den Karmeliten, die seit dem 17. Jh. die Kirche betreuen (heute polnische), vieles davon wieder zusammenzutragen, wo sie heute, zusam­men mit Reliquien anderer Märtyrer, in einer Urne unter dem Hochaltar ruhen. Die Reliquie seines Hauptes aber, die seit 850 in der Lateranbasilika aufbewahrt wurde, kam 1966 (oder 1973?) hierher zurück; sie ist in einem silbernen büstenförmigen Reliquiar im rechten Seiten­schiff zur Verehrung ausgestellt. – Vom hl. Pankratius erzählt eine Passio aus dem 6. Jh, dass er in Sinnada in Phrygien (Türkei) zur Welt kam und früh die Eltern verlor, die Besitz in Rom hatten. Ein Onkel, Dionysius, nahm sich seiner an und brachte den Jungen nach Rom, wo sie den auf dem Celiushügel in ihrer Nachbarschaft wohnenden Papst Cornelius (251-253) kennenlernten und durch ihn zum Glauben geführt wurden. In einer Christenverfolgung habe der Kaiser den Jungen mit Verlockungen vom Glauben abbringen wollen, doch der 14-Jährige sei standhaft geblieben und habe dem Kaiser sogar die Falschheit des Götzenkultes vorgehalten, der ihn daraufhin enthaupten ließ – sei es um 258 oder 304. Eine adelige Christin, Ottavilla, habe den Leichnam auf ihrem Grundstück dort beisetzen lassen. – Wir konnten nur kurz in der Kirche verweilen, weil bald die Abendmesse begann, doch hatten wir die Freude, den eucharistischen Segen zum Abschluss einer Anbetung zu empfangen und vor der Hauptesreliquie zu beten. Nach dem üblichen „Sturm“ auf Bildchen und Devotionalien brachte uns unser Bus dann zum Quartier.

 

16. Sankt Andreas im Tal. Für den nächsten Tag, Samstag, war ein Pilgerweg in der römischen Innenstadt vorgesehen, die wir mit dem Stadtbus erreichten. Erste Station war die Kirche Sant’ Andrea della Valle. Nach dem Vorbild von Il GESÙ zwischen 1590 und 1660 im barocken Stil erbaut, ist sie die Mutterkirche des Theatinerordens. Vorher stand hier die antike Kirche San Sebastiano, wo der Legende nach die römische Matrone Luciana den durchbohrten Körpers des hl. Märtyrers gefunden haben soll. Sant’ Andrea hat nach dem Petersdom die größte Kuppel Roms; das Kuppelfresko stellt die Glorie des Paradieses (von G. Lanfranco) dar. Domenichino malte in die Zwickel die Evangelisten und ins Apsisgewölbe Szenen aus dem Leben des hl. Andreas (Kreuzigung, Grablegung). In der Kirche ist seit 1971 (vorher in einer anderen römischen Kirche) der Reliquienschrein des hl. Giuseppe Maria Tomasi (1649-1.1.1713), eines aus einem adeligen Haus in Sizilien stammenden hochgebildeten und tieffrommen Theatinerpriesters, der sich besonders mit liturgischer Forschung einen Namen machte und zum Kardinal ernannt wurde (1986 heiliggesprochen).

 

17. Gründer der ersten kostenlosen Volksschule. Ein paar Schritte entfernt, auf der anderen Straßenseite, steht die Kirche San Pantaleo. Schon im 12. Jh. wird sie erwähnt, und 1614 übertrug sie Papst Paul V. an Joseph von Calasanza, dem Gründer des Piaristenordens. Die heutige Kirche wurde 1681-1689 erbaut; die Fassade entstand 1806. Das Innere ist spätbarock-klassizistisch; das Deckenfresko zeigt den „Triumph des Namens Mariae“ von F. Gherardi. Das Stuckrelief des Hochaltars zeigt den „hl. Joseph von Calasanza und seine Schüler“, verbunden mit der „Madonna der Piaristen“. In der Porphyrurne unter dem Altar sind die Reliquien des hl. Joseph von Calasanza. Die Kapelle links ist dem Kirchenpatron St. Pantaleon geweiht.  Pantaleon lebte in der 2. Hälfte des 3. Jh. in Nikomedien (Kleinasien). Die Überlieferung beschreibt ihn als Sohn einer Christin, der wegen seines medizinischen Wissens von Kaiser Maximian zum Leibarzt berufen, aber wegen seiner Weigerung von Götzenopfern verurteilt und enthauptet wurde. Er wird seit dem 4./5. Jh. als Patron der Ärzte verehrt.

Josef von Calasanza wurde 1556 in Nordspanien in ein­flussreicher Familie geboren, wurde Priester, verschenkte beim Tod des Vaters sein Erbe und ging nach Rom. In der Sorge um verwahrloste, obdachlose Kinder gründete er die erste unentgeltliche Schule Europas, zunächst in Trastevere. Er führte mit seinen Gefährten ein gemeinschaftliches Leben, aus dem sich die Genossenschaft der „Regularkleriker von den Frommen Schulen“, nach ihm Piaristen genannt. Er durchlitt auch Verleumdung, Verurteilung und Rehabilitierung. 92-jährig starb er am 25. August 1648.

In einem Seitenalter hat auch der sel. Petrus Casani seine letzte Ruhestätte. 1520 in Lucca geboren, war er Mitglied der vom hl. Johannes Leonardi (vgl. Nr. 23) gegründeten „Gesellschaft der GOTTESmutter“ geworden und blieb nach der zeitweiligen Vereinigung dieser Gemeinschaft mit dem Piaristenorden dort. Er war treuer Mitarbeiter des hl. Josef von Calasanza, auch als dieser ungerecht verleumdet wurde; er starb am 13.10.1647.

 

18. Die versteckte Basilika. Wenige Meter entfernt, wieder auf der Südseite der Straße, erhebt sich der Palazzo della Cancelleria, ein Frührenaissancebau (1485-1611), der nach den Lateranverträgen zum exterritorialen Gebiet des Hl. Stuhls gehört. Er birgt, von außen praktisch nicht als Kirche sichtbar, die viel ältere Basilika San Lorenzo in Damaso. Sie ist dem römischen Diakon und Märtyrer Laurentius geweiht (er ruht in S. Lorenzo fuori la Mura) und wurde nach der Überlieferung von Papst Damasus I. um 380 in seinem Haus errichtet (daher „in Damaso“). Im 15. Jh. wurde die Kirche während der Bauarbeiten am Palazzo della Cancelleria erneuert. Unter dem Hochaltar ruhen die Reliquien des hl. Papstes Damasus I. (305-384, Papst von 366 bis 384); er war als vormaliger Diakon des Papstes Liberius zum Papst gewählt worden, hatte aber mit einem Gegenpapst Ursinus zu tun. Damasus beauftragte den hl. Hieronymus mit der neuen Bibelübersetzung ins Lateinische, der Vulgata; er wirkte zur Überwindung des Arianismus, vertrat den priesterlichen Zölibat und die Vorrangstellung des römischen Bischofs. Auch die Reliquien eines hl. Märtyrers Eutychius sind unter dem Hochaltar.

Die Kapelle „della Concezione“ im linken Seitenschiff vorne birgt ein Marienbild aus dem 12. Jh. („Madonna delle Gioie“ (Madonna der Freuden); hinten ist der Altar des hlst. Sakramentes mit einer Abendmahlsdarstellung. Gegenüber, im rechten Schiff hinten, ist der Altar des hl. Nikolaus (Madonnenbild mit Nikolaus und hl. Philipp Neri), der Altar in der Apsis des rechten Seitenschiffs ist der Rosenkranzkönigin geweiht. Das rechte Schiff öffnet sich auch zu einigen Seitenkapellen; eine davon birgt ein Kruzifix, von dem auch gesagt wird, dass es zur hl. Birgitta sprach.

 

19. Über dem „Tor zur Unterwelt“.  Hauptziel an diesem Vormittag war die Kirche S. Maria in Vallicella oder Chiesa Nuova, eine der großen römischen Barockkirchen. „Vallicella“ bezieht sich auf ein kleines Tal, einen von Schwefelquellen gespeisten Weiher, dem Dämpfe entstiegen, so dass man sich dort in der Antike einen Eingang zur Unterwelt vorstellte. Anstelle eines älteren Baues aus dem 12. Jh. hatte der hl. Philipp Neri eine „neue Kirche“ von 1575 bis 1605 bauen lassen. Es wurde eine dreischiffige, kreuzförmige Pfeilerbasilika mit einer hohen Kuppel über der Vierung, ausgeschmückt mit reichlich Blattgold und Stuck, von Pietro da Cortona mit monumentalen Fresken ausgemalt. So zeigt das Fresko im Langhaus, wie die GOTTESmutter dem hl. Philipp Neri erscheint und vor einem Dacheinsturz der Vorgängerkirche warnt; das bezieht sich auf ein wundertätiges Marienbild der alten Kirche, das einst nach einem zorni­gen Steinwurf geblutet haben soll. Die Apsis schmückt eine „Aufnahme Mariens in den Himmel“. Die Kirche enthält drei auf Schiefer gemalte Frühwerke von P. P. Rubens, die in den Hochaltar eingearbeitet sind. Sie zeigen die Darstellung des erwähnten Gnadenbildes „Maria mit den Engeln“, den hl. Gregor zwischen den Heiligen Maurus und Papinianus und die hl. Domitilla zwischen den Heiligen Nereus und Achilleus. Im Hochaltar befindet sich das Grab der hll. Märtyrer Papias und Maurus (+um 304).

Links vom Presbyterium liegt die Kapelle des hl. Philipp. Seit 1922 ruht er hier in einem gläsernen Schrein unter dem Altar, das Gesicht mit einer Silbermaske überzogen. Hier konnten wir die hl. Messe feiern.

 „Pippo Buono“, wie Philipp Neri genannt wurde, ist eine der großen Heiligengestalten Roms im 16. Jh., der mit Schlagfertigkeit, Humor und großem Seeleneifer für eine Erneuerung des Glaubens und der Sitten wirkte. 1515 in Florenz geboren, gab er die Geschäftsstellung bei einem Kaufmann und Erbvetter in Cassino auf, führte in Rom als Hauslehrer ein Leben der Abtötung, des Gebets und der Nächstenliebe, und wirkte als Laienapostel besonders für die Jugend, ehe er 36jährig das Priestertum empfing. Mit seiner Liebenswürdigkeit und seinem Humor und neuen Seelsorgemethoden gewann er großen Einfluss auf weite Kreise. Ignatius von Loyola, Karl Borromäus, Camillus von Lellis, Franz von Sales und der fromme Kirchengeschichtler Baronius (der in der Chiesa Nuova rechts vorn begraben ist), zählten zu seinem Freundeskreis. Aus der Gemeinschaft der Priester um ihn entstanden die „Oratorianer“. Der „Apostel Roms“ starb am 26. Mai 1595.

 

20. Viele Kirchen. Angeblich hat Rom 1000 Kirchen. Ein paar davon sahen wir – wenigstens von außen, als wir uns nach einer Mittagspause wieder sammelten, um von der Piazza della Chiesa Nuova durch einige Innenstadt­straßen zu wandern, mit kurzen Stopps bei einigen der zahlreichen Kirchen dieser Gegend, die aber am frühen Nachmittag noch nicht (oder überhaupt nur gelegentlich) geöffnet sind: die Kirche Spirito Santo dei Napolitani (Via Giulia; 16./18. Jh., nach Wasserschäden 1986 neu eröffnet; hier war der hl. Vinzenz Pallotti Pfarrer); S. Maria di Monserrato (Via Giulia 151, 16. Jh., seit 1807 spanische Nationalkirche); S. Tommaso di Canterbury (Via di Monserrato 45; 14./15. Jh., Kollegiatskirche des Englischen Kollegs); S. Girolamo della Carità (Via di Monserrato 62, Bruderschaftskirche der Erzbruderschaft der Mildtätigkeit, 1524 gegründet; der Vorgängerbau war erster römischer Aufenthaltsort des hl. Philipp Neri; jetziger Bau 1654/1660), S. Brigida (Piazza Farnese; an der Stelle eines schwedischen Hospizes, 14./15. Jh., seit 1931 Sitz der Birgittinnen in Rom); Santissima Trinità dei Pellegrini, Kirche des von Philipp Neri gegründeten Pilgerhospizes, 16. Jh., 1870 geschlossen, profan genutzt, seit 2008 Personalpfarrei der Petrusbruderschaft).

 

 

21. Gebürtiger Römer. Besuchen konnten wir dann – durch Voranmeldung – die Kirche San Salvatore in Onda (Via die Pettinari 51). Der Name „HEILAND auf den Wellen“ bezieht sich wahrscheinlich auf die Nähe des Tiber und seine Überschwemmungen; rund 500 Jahre hatten hier Franziskanerkonventualen gewohnt; 1846 wurde die Kirche dem hl. Vinzenz Pallotti und seiner Gemeinschaft übergeben. Unter dem Altar liegen in einem Glasschrein die Reliquien dieses Heiligen, in der Apsis befindet sich das pallottinische Marienbild. P. Joseph Schwind, ein ehemaliger Südamerika-Missionar, der jetzt die Kirche betreut, erzählte von der Geschichte der Kirche und vom hl. Vinzenz Pallotti und führte uns – nachdem wir gemeinsam den Rosenkranz gebetet hatten – in die Räume, in denen der hl. Gründer gelebt hatte, gestorben war und wo Andenken an ihn gezeigt werden. Übrigens hatte der junge Priester Karol Wojtyla 1946 am Anfang seines Studiums in Rom einige Wochen im Haus gelebt.  

Auf der rechten Seite in der Kirche befindet sich das Grab der ehrwürdigen Elisabeth Sanna (1788 auf Sardinien geboren, behinderte Mutter und Witwe, die ihre Kinder ihrem priesterlichen Bruder anvertraute und aufbrach, um nach Jerusalem zu pilgern; sie erkrankte auf der Über­fahrt nach Italien, lebte fast mittellos nahe St. Peter in Rom, fand erst in der Begegnung mit Vinzenz Pallotti Klarheit, wurde eines der ersten Mitglieder des Pallottinischen „Katholischen Apostolats“, starb 17.2. 1857; ihr Seligsprechungsprozess ist eingeleitet.)

Vinzenz Pallotti war 1795 in einer wohlhabenden, kinderreichen Kaufmannsfamilie in Rom geboren. 1818 wurde er Priester, wirkte in Rom als Seelsorger der Jugend, der Kranken und Gefangenen, als Exerzitienmeister, Volksmissionar und Beichtvater. 1835 gründete er die „Gesellschaft der Kath. Apostolats“ mit einer Priester- und einer Schwesterngemeinschaft und dem Laienapostolat. Er starb am 22. Januar 1850 und wurde 1963 heiliggesprochen.

 

22. Vorbei an S. Carlo ai Catinari (Piazza Benedetto Cairoli; 17. Jh., der Beiname kam von umliegenden Werkstätten, in denen Krüge und Waschbecken – “catini“- hergestellt wurden; Barockfassade, Fresken von Domenichino); S. Paolo alla Regola (am gleichnamigen Platz, 13. Jh./17.Jh., einem alten jüdischen Viertel nahe dem späteren Ghetto, der Überlieferung nach der Ort, wo Paulus unter Bewachung in Rom lebte; der Name „Regola“ kommt vom feinen Sand am Tiberufer: lat. arenula), S. Caterina dei Funari (Via dei Funari, 12./16. Jh.; 1536 übertrug Papst Paul III. die Kirche dem hl. Ignatius von Loyola, der hier eine Unterkunft für notleidende Mädchen gründete).

 

23. Patron der Apotheker. Geöffnet fanden wir dann – es war inzwischen nach 16 Uhr – die Kirche S. Maria in Campitelli (auch S. Maria in Portico) am gleichnamigen Platz, den sie mit ihrer imposanten barocken Fassade beherrscht. Eines der bedeutendsten Bauwerke des römi­schen Barock. In der alten Kirche S. Maria in Portico be­fand sich ein Gnadenbild Mariens, das mit einer Marienerscheinung vor einer römischen Patrizierin Galla im Jahr 524 in Verbindung gebracht wird; dass es sich im Pestjahr 1656 wundertätig zeigte; war Anlass zum Kirchenneubau. Das Gnadenbild befindet sich über dem Hochaltar. Die Kirche hat einen ungewöhnlichen Grundriss durch unterschiedlich große Seitenkapellen, von denen zwei im hinteren Teil der Kirche wie ein Querschiff wirken.

Die linke dieser Kapellen ist dem hl. Johannes Leonardi geweiht, dessen Reliquien in einem Schrein ruhen. Geboren 1541 in der Nähe von Lucca, schloss sich der junge Apotheker einer jungen dominikanischen Laienvereinigung an, entschied sich aber dann dafür, den Apothekerberuf mit dem Priestertum zu tauschen. 1572 geweiht, gründete er im Geist des Konzils von Trient die erste „Gesellschaft der christlichen Lehre“ und die „Kleriker der Mutter GOTTES“, wurde dann von Papst Klemens VIII. nach Rom gerufen, um Klöster zu reformieren. 1601 wurde ihm S. Maria in Portico anvertraut; er gründete 1603 das Kolleg der „Propaganda Fidei“, den Ursprung der Institution, die 1627 zur päpstlichen Kongregation zur Ausbreitung des Glaubens wurde. Am 9. Oktober 1609 starb Johannes Leonardi, der sich bei der Hilfe für an einer Grippe­epidemie Erkrankte angesteckt hatte. 1938 wurde er heiliggesprochen; 2006 erklärte ihn Benedikt XVI. zum Patron der Apotheker. Im Priesterjahr widmete der Hl. Vater seiner „leuchtenden Gestalt“ eine eigene Mittwochskatechese (7.10.2009)

 

24. Nikolaus von Myra. Durch die Via del Teatro Marcello (dieses 13 v. Chr. erbaute Theater fasste 10-15.000 Zuschauer, im Unterschied zum Colosseum mit etwa 50.000 Plätzen) wanderten wir, schon etwas müde geworden, noch zur Kirche S. Nicola in Carcere, die auf den Grundmauern einer römischen Tempelanlage wohl im 8. Jh. erbaut wurde; ihre romanische Gestalt erhielt sie im 12. Jh., mit Veränderungen im 16. Jh. Die Fassade von Giacomo della Porta stammt aus dem Jahr 1599. Ihr Patronat erhielt sie, als im Jahr 1087 die Gebeine des hl. Nikolaus von Myra ins süditalienische Bari gebracht worden waren und dieser Heilige noch beliebter wurde; zudem lag sie in einem von vielen Griechen bewohnten römischen Stadtteil. (In der Krypta befinden sich in zwei Altären die Reliquien der hll. Märtyrer Florus und Severinus.)

 

25. Die schiffsähnliche Insel. Unweit der Kirche S. Nicola führt der Ponte Fabricio (62 v. Chr. errichtet) hinüber auf die Tiberinsel. Diese kleine Flussinsel (270 m lang, bis zu 67 m breit) war in der antiken Zeit wegen der leichteren Flussüberquerung ein strategisch wichtiger Punkt. Zudem wurde die Insel im 3. Jh. v. Chr. zum Kultplatz des Heilgottes Aesculap. Seit 1582 befindet sich dort im nördlichen Teil der Insel ein von den Barm­herzigen Brüdern geführtes Krankenhaus. Den Südteil der Insel nimmt die Kirche San Bartolomeo all’Isola ein.

Die Kirche und ein Kloster wurden im Jahr 1000 im Auftrag von Kaiser Otto III. errichtet. Umbauten wurden im 16. Jh. vorgenommen; 1623/24 wurde die Hauptfassade errichtet. Das Innere wurde 1720/29 barockisiert und 1852/65 im Stil des Historismus umgestaltet. 983 hatte Otto II. die Gebeine des hl. Apostels Bartholomäus nach Rom gebracht (Mt 10,3; möglicherweise identisch mit Nathanael bei Joh 1,45; 21,2; nach der Über­lieferung verkündete er das Evangelium in Indien, Meso­potamien und Armenien, wo er durch Abziehen seiner Haut das Martyrium erlitt). Die Reliquien werden in einer antiken Marmorwanne im Hochaltar von San Bartolomeo all’Isola aufbewahrt. Im Altar des rechten Seitenschiffs sind auch die Reliquien einer hl. Jungfrau und Märtyrin Theodora. Seit 1993 wird die Kirche von der Gemein­schaft Sant’ Egidio betreut; im Jahr 2002 widmete der sel. Johannes Paul II. sie den Märtyrern des 20. Jahrhun­derts. In den Seitenkapellen wurden Erinnerungsstücke an sie – auch an nicht seliggesprochene – aufgestellt.

Diese Kirche war unser letztes Wallfahrtsziel am Samstag der Pfingstwoche. Danach fuhren wir mit dem Stadtbus wieder zurück zu unserem Quartier.

 

26. Der DREIFALTIGKEITSsonntag begann mit der Feier des hl. Opfers in unserem Quartier. Danach räum­ten wir wieder einmal die Zimmer, beluden unseren Reisebus, und fuhren zunächst zum Petersplatz. Der Vor­mittag gehörte dann dem Besuch des Petersdomes mit all seinen Altären und Heiligen; einige Pilger suchten auch den deutschen Friedhof auf (auf dem Gebiet des Neronischen Zirkus, wo Petrus und die römischen

Protomärtyrer 67 n. Chr. starben). Da wir recht früh dran waren, dauerte die Sicherheitsprüfung vor dem Einlass in den Dom nicht lange; später sah man lange Schlangen dort stehen.

Das Grab des 2011 seliggesprochenen Johannes Paul II. (+1905) befindet sich in der Sebastianskapelle, rechts hinten gleich nach der Pietà des Michelangelo. Der Schrein des sel. Papstes Innozenz XI. (1611-1689, Papst ab 1676, Reformpapst, wirkte mit zur Befreiung Wiens von der Türkenbelagerung 1683, führte Fest Mariae Namen ein), der früher an dieser Stelle war, befin­det sich nun links vorn (an der nach hinten gerichteten Seite des hinteren linken Vierungspfeilers). Der Schrein des sel. Johannes XXIII. (+1958) ist am entsprechenden Altar des rechten Vierungspfeilers. 

Abgesehen vom hl. Petrus (Grab direkt unter dem Papst­altar) sind im Petersdom viele weitere Heilige beigesetzt, so z. B.: hll. Apostel Simon und Judas Thaddäus (unter dem Josefsaltar im linken Querschiff), hl. Leo der Große (+461), hl. Gregor der Große (+604), hl. Bonifatius IV. (+615), hl. Leo II. (+683), hl. Leo III. (816), hl. Leo IV. (855), hl. Leo IX. (+1054), hl. Pius X. (+1914), Grabaltar in der Kapelle Mariae Opferung, dem Grab von Joh. Paul II. direkt gegenüber, hl. Gregor von Nazianz (+389) und hl. Johannes Chrysostomus (+438) [(alle?) Reliquien der beiden wurden 2004 von Joh. Paul II. dem orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel übergegeben]; hl. Märtyrerbischof Josaphat Kuncewicz (+1623), hll. Märtyrer Processus und Martinianus, hl. Jungfrau und Märtyrin Petronilla, weitere 32 hl. Päpste (deren Grabstellen im Petersdom unzugänglich oder nicht mehr bekannt sind).

Wegen heiliger Messen am Altar der Kathedra Petri und an anderen Altären im Petersdom bzw. wegen Beicht­gelegenheit waren Teile der Basilika an diesem Vormittag nicht allgemein zugänglich, auch die Grotten unter St. Peter (mit dem Grab des ehrwürdigen Dieners GOTTES Pius XII., des Dieners GOTTES Paul VI. usw.) wurden erst am Nachmittag geöffnet.

Papst Benedikt XVI. selber war an diesem Tag beim Weltfamilientreffen in Mailand; der GOTTESdienst von dort wurde auf die Bildschirme auf dem Petersplatz über­tragen.

 

27. Umkehr und Buße. Am Nachmittag machten wir dann von der Autobahn Richtung Norden einen Abstecher in die Stadt Cortona, nördlich des Trasi­menischen Sees; eine etruskische Gründung, 310 v. Chr. von den Römern erobert, seit 1325 Bischofssitz (1986 mit Sansepolcro und Arezzo vereinigt), mit ca. 23.000 Einwohnern. Aber nicht das am Berghang gelegene Städtchen war unser Ziel, sondern die Anhöhe darüber mit dem Heiligtum der hl. Margareta von Cortona.

Margareta, aus einfachen Verhältnissen, früh Halbwaise, lebte vom 16. bis 25. Lebensjahr mit einem Adeligen zusammen, in Luxus, aber in einem Leben „in Sünde und Schande“, wie sie selber später sagte. Sie bekam einen Sohn. Dann führte der Hund des Liebhabers sie zu seinem Leichnam – er war ermordet worden. Dieses Erlebnis bewirkte eine tiefe Umkehr. Als der Vater, von der Stiefmutter aufgehetzt, ihr die Rückkehr ins Eltern­haus verweigerte, ging sie nach Cortona; sie führte ein strenges Bußleben und wurde nach drei Jahren in den Dritten Orden des hl. Franziskus aufgenommen. Sie gründete mit Hilfe einer adeligen Dame in Cortona ein Krankenhaus und lebte 16 Jahre in der Stadt. Als ihre mystischen Erfahrungen zunahmen und kaum mehr vor der Öffentlichkeit zu verbergen waren, entschloss sie sich auf Weisung CHRISTI hin, unterhalb der Burgruine auf dem Berg in eine karge Zelle zu ziehen und lebte dort neun Jahre wie eine Reklusin dem Gebet, der Buße, mit mystischen Erfahrungen, aber auch Nachstellungen des bösen Feindes. Am 22. Februar 1297 starb sie im Ruf der Heiligkeit und wurde 1728 heiliggesprochen. – Man baute am Ort ihrer Beisetzung eine Kirche – die Rosette an der Fassade stammt aus dieser Zeit –, und erweiterte diese im 18. Jh. mit einem Querschiff und später zu einer dreischiffigen Basilika. Unter dem Hochaltar wird der unverweste, mumifizierte Leib der Heiligen verehrt, rechts davon ein Holzkreuz von 1200, das oft zu ihr gesprochen hatte.

 

28. Erdbebenschäden. Bei unserem letzten Ziel am folgenden Tag stießen wir dann auf Auswirkungen des Erdbebens vom Pfingstdienstag. Wir waren in der Kirche des hl. Andreas in Mantua zur hl. Messe angemeldet, fanden aber – nach einem Weg durch die Stadt im heftigen Regen, und einem kurzen Besuch im romani­schen Dom - eine Kirche vor, deren Schiff gänzlich ein­gerüstet und verschalt und deren vorderer Bereich (Querschiff unter der Kuppel) abgesperrt war. Auch die Krypta durfte von den Pilgern nicht betreten werden: Das Erdbeben – das ja im Epizentrum nordöstlich von Modena insgesamt 17 Tote gefordert hatte – hatte an einigen historischen Gebäuden der Stadt (Weltkulturerbe!) Risse und Schäden hervorgerufen, so auch in Sant’ Andrea. So feierten wir unsere letzte Pilgermesse auf einem kleinen Tischchen vor einem kleinen Nottabernakel (wie die Gläubigen aus Mantua vor uns).

Mantua (48.000 Einwohner), von den Etruskern gegründet, war  seit dem 14. Jh. Herzogtum der Gonzaga (der hl. Aloisius, der sich auch zeitweise hier aufgehalten hatte, stammte aus einer Seitenlinie der Gonzaga). 1810 ließ Napoleon hier den Führer des Tiroler Aufstandes, Andreas Hofer, hinrichten (in der Zitadelle, die jenseits des seit Jahrhunderten zu einem See gestauten Flusses Mincio der Stadt im Norden gegenüberliegt). Die Basilika Sant’ Andrea wurde im 15. Jh. gebaut, die heutige Gestalt mit Vierung und Tambourkuppel entstand im 18. Jh. Die Krypta wurde im 16. Jh. geschaffen, um dort die „Blutreliquie“ aufzubewahren; auch die Reliquien des hl. Longinus werden in einer Seitenkapelle von Sant’ Andrea verehrt (die uns aber auch durch die Verschalung der Kirche verschlossen war).

Der hl. Longinus von Jerusalem wird im römischen Martyrologium am 16. Oktober aufgeführt, als Soldat, der mit der Lanze die Seite CHRISTI am Kreuz öffnete. Sein Name entstammt offenbar dem apokryphen sog. Nikodemusevangelium; er wird – in der orientalischen Tradition – identifiziert mit dem Soldaten, der mit dem Speer in die Seite JESU stieß (Joh 19,34), und in der westlichen Tradition auch mit dem römischen Hauptmann, der die GOTTESSOHNschaft JESU bezeug­te (Mt 27,54; Mk 15,39). Nach seiner Taufe sei er nach Cäsarea in Kappadozien gegangen, habe dort den Glauben verkündet und das Martyrium erlitten – 37 n. Chr. Chr.

Legendäre Überlieferung erzählt auch, dass die Flüssigkeit aus der Seite JESU ein Augenleiden des Longinus geheilt habe; er habe das mit Erde vermischte Blut gesammelt. Die Legende von Mantua sieht ihn dann Palästina verlassen, um hierher zu kommen, hier das Evangelium zu verkünden; dann habe er vor einer Reise nach Cäsarea in Kappadozien das Blut CHRISTI hier vergraben. Nach dem Märtyrertod in Cäsarea seien seine Reliquien nach Mantua gekommen (oder, in einer anderen Version, Longinus habe hier in Mantua das Martyrium erlitten und vorher die Hl.-Blut-Reliquie ver­graben). Historisch wahrscheinlich ist, dass die Reliquien des hl. Longinus 553 als Gegengeschenk von Konstan­tinopel nach Mantua kamen und, bei der Belagerung durch die Langobarden 580 an einem geheimen Ort verborgen wurden und 804 wieder aufgefunden wurden (aufgrund einer Vision eines frommen Mannes, Adilbero, der dabei das Augenlicht wiedererlangt habe). Papst Leo III und Kaiser Karl der Große ließen die Reliquie daraufhin prüfen (angeblich kamen sie selber nach Mantua). 804 wurde auch die Diözese Mantua errichtet. Als 923 die Ungarn Mantua belagerten, wurde die Hl.-Blut-Reliquie in zwei Teilen wiederum verborgen: der größere Teil, zusammen mit den Longinus-Reliquien, im Garten des Andreashospitals, ein kleinerer Teil in einer alten Kirche des hl. Paulus, nahe der Kathedrale (aufge­funden 1479). Der größere Teil wurde 1048 wiedergefunden; Papst Leo IX. berief eine Kirchensynode nach Mantua ein und wollte die Reliquie des kostbaren Blutes nach Rom mitnehmen. Wegen des Widerstands der Mantuaner kam es zu einer weiteren Teilung: ein Teil der Hl.-Blut-Reliquie verblieb in Mantua, ein anderer Teil gelangte nach Rom. Von dem Teil in Mantua wurde 1055 wiederum ein Teil an Kaiser Heinrich III. gegeben, nach dessen Tod er über Graf Balduin V. von Flandern und seine Verwandte Judith an den Herzog Welf IV. von Bayern kam, der sie 1090/94 dem Abt des Klosters Weingarten übergab (daraus datiert der Weingartener Blutritt).

Der in Mantua verbliebene Teil und der 1479 wiedergefundene ursprünglich kleinere Teil sind nun in zwei Ge­fäßen in einem verschlossenen Schrein in der eigens dafür errichteten Krypta aufbewahrt (auf dem Schrein-Altar stehen zwei Nachbildungen dieser Gefäße). Diese werden nur am Karfreitag während einer Prozession den Gläubigen gezeigt (die zahlreichen Schlüssel des Schreins sind zwischen Bischof, Stadtpräfekt, Domkapitel und Pfarrer von St. Andreas aufgeteilt, so dass nur alle zusammen öffnen können).

(In Mantua wird auch eine sel. Osanna (oder Hosanna) Andreasi verehrt, die als Patrizierstochter 1449 geboren, dem 3. dominikanischen Orden beitrat. Da sie nach dem Tod der Eltern für ihre Geschwister sorgte, musste sie lange auf das volle Leben nach den Gelübden warten. Sie erhielt die Stigmen, erlebte die Passion des HERRN und lebte ohne Nahrung. Am 18. Juni 1505 starb sie und wurde in der Kirche S. Domenico beigesetzt; 1814 kamen ihre Reliquien in die Kathedrale; ihr Kult wurde 1695 für den Dominikanerorden und die Diözese Mantua bestätigt.)

 

So beschlossen wir unsere diesjährige Wallfahrt – vor der nunmehr weitgehend regenfreien Weiterfahrt nach München – mit der Feier des hl. Messopfers, in dem der Leib und das kostbare Blut CHRISTI immer wieder vergegenwärtigt werden. Es war eine Erfahrung der wechselvollen Geschichte der Kirche und auch der Gegenwart, eine Begegnung mit den Heiligen vieler Jahrhunderte und dem auch in unserer Zeit gelebten und angefochtenen Glauben, mit dem Wissen, dass die Gnade des HERRN auf vielen Wegen wirkt und auch den Menschen unserer Tage durch die Vermittlung der Kirche angeboten ist, damit sie sich für sie und für die Liebe und das Erbarmen des DREIFALTIGEN GOTTES entscheiden.

 

   

 Zurück