GOTT ruft aus jedem Volk

FMG-Wallfahrt 2011

 

1. In der Lesung vom Pfingstmontag aus der Apostelgeschichte (10,34f) drückt Petrus sein Begreifen aus, dass GOTT „in jedem Volk willkommen ist, wer Ihn fürchtet und tut, was recht ist“. Das ist eine ähnliche Erfahrung, wie sie die Menschen in Jerusalem machten, als sie beim Pfingstereignis die Apostel in ihren eigenen Sprachen reden hörten: Die Kirche verkündet die Wahrheit CHRISTI in allen Sprachen. Diese Erfahrung machten wir ein klein wenig in der Begegnung mit den Orten und Personen der Heiligen und Seligen auf dieser Viel-Länder-Wallfahrt: Heilige aus dem Ladinischen in Südtirol, aus Slowenien, Kroatien und Ungarn zeigten die zeit- und völkerumspannende Realität der Berufung zur Heiligkeit in der Kirche.

 

2. Erste Station war – nahe dem Achensee - Eben in Tirol, wo in der schönen Barockkirche von 1738 (die dritte Kirche seit einem Rupertskirchlein Ende des 9. Jh.) am Hochaltar die Reliquien der hl. Notburga in einem Glasschrein aufrecht stehen, in kostbarem Brokat, mit ihrem Symbol, der Sichel. Schwester Konstantia erzählte uns vor der hl. Messe einiges über Person und Geschichte der Heiligen. Um 1265 in Rattenberg geboren, war sie Dienstmagd (oder mehr – Verwal­terin) auf einem gräflichen Schloss Rottenburg im Unterinntal und dann bei einem Bauern in Eben. Ihre Wohltätigkeit gegenüber Armen wird gerühmt (als der Geiz der Herrin ihr das untersagte, gab sie von dem, was sie sich selber vom Mund absparte). Zuletzt wieder als Magd auf dem Schloss, starb sie am 14. September 1313 und wurde, wo zwei Ochsen den Wagen mit ihrem Leichnam hinzogen, „auf der Eben“, bestattet. 1735 wurden die Gebeine erhoben und 1738 in die neu­errichtete Kirche gebracht. Die Überlieferung sagt, der dienst­gebende Bauer habe nach dem Aveläuten am Samstag, also dem Beginn des Sonntags, die Fortsetzung der Erntearbeit verlangt. Da sei die Sichel, als Zeichen der Sonntagsheiligung, in der Luft schweben geblieben. Ihr Kult wurde 1862 approbiert.

 

3. Hatte sich schon in Eben mal leicht ein Regen angekündigt, so wurde er in Südtirol heftiger. Vor Brixen bogen wir ins Pustertal ab und da wieder ins Gadertal in den Dolomiten, das Herz der ladinischen Sprachinsel. Auf der Gadertalstraße, die während des 1. Weltkriegs von russischen Kriegsgefangenen gebaut worden war (aber 2006 neu gebaut), fuhren wir hinauf bis Pedraces (Abtei/Badia) und in den Weiler Oies, wo am 15. April 1852 der hl. Josef Freinademetz geboren ist. Die Steyler Missionare, denen der Bauernsohn, der 1875 in Brixen zum Priester geweiht wurde, beitrat, hüten das Geburtshaus und eine daneben anstelle der Scheune erbaute Kirche. Einer der Patres erzählte uns vom Leben des Heiligen, der 1879 nach China ausgesandt wurde und dort bis zu seinem Tod am 28. Januar 1908 unermüdlich missionarisch wirkte (1975 selig-, 2003 heiliggesprochen). Er verschenkte sein Herz so an seinen Wirkungsbereich, dass er sagen konnte: „Ich will auch im Himmel ein Chinese sein!“ (Übrigens hatte sich ein Südtiroler Teilnehmer einer früheren FMG-Wallfahrt auch nach Oies aufgemacht, um unsere Gruppe zu treffen.)

 

4. Über Osttirol fuhren wir dann an diesem Pfingstmontag weiter nach Kärnten und nahmen Nachtquartier im Bildungs­haus Tainach (wo in jener Nacht auch der Freiburger Erz­bischof Zollitsch auf dem Weg nach Serbien nächtigte). Ein heftiger Gewitterschauer begleitete uns das letzte Wegstück, doch am folgenden Tag konnten wir uns ohne Regen auf­machen zur Wallfahrtskirche Maria Saal und dann zum Dom von Gurk.

Auf einer Anhöhe im Osten des Kärntner „Zollfeldes“ - dort gab es schon 300 vor CHRISTUS ein keltisches Königreich und dann die römische Provinz Norikum mit der Hauptstadt Virunum, das im 3. Jahrhundert Bischofssitz wurde - erhebt sich die Wallfahrtskirche von Maria Saal wie eine Burg. Das römisch-keltische Christentum war beim Einfall der heidnischen Slawen um 590 zugrunde gegangen, und Mitte des 8. Jahr­hunderts kam aus Salzburg der hl. Chorbischof Modestus mit Gefährten hierher, um zu christianisieren. Er erbaute eine Marienkirche als Stützpunkt (Maria Saal - abgeleitet von der keltischen Bezeichnung „in Zol“ für waldreiche Gegend). Modestus kam vielleicht aus Irland, er starb vor 784 und wurde als „Apostel Kärntens“ in der von ihm erbauten Kirche beige­setzt (Gebeine in einem römischen steinernen Kindersarg unter einem romanischen Tischaltar in der Mitte des nördlichen Seitenschiffs; daneben eine spätgotische Schnitzfigur des hl. Bischofs). Ungefähr 200 Jahre war Maria Saal Bischofssitz. Es blieb auch danach zentrales Heiligtum des Landes und war, als in der sog. Reformation fast ganz Kärnten protestantisch wurde, katholisches Bollwerk, von dem die katholische Reform (sog. Gegenreformation) ausging. Die heutige Kirche geht ins 15. Jahrhundert zurück, hat Türken- und Ungarneinfälle und einen Brand 1669 überstanden. In die Außenwand sind römi­sche Reliefs eingelassen. Das Mariengnadenbild auf dem Hochaltar, eine steinerne, farbige Madonna mit Kind (1420), bzw. eine ältere Vorgängerin, wird legendär mit dem hl. Adalbert von Prag in Verbindung gebracht. Bis heute ist Maria Saal auch Wallfahrtsziel der Slowenen.

 

5. In Maria Saal hatten wir nur eine Stippvisite gemacht, um dann in Gurk Zeit zu haben zur Feier der hl. Messe in der 100-säuligen Krypta der hl. Hemma. Mitten im kleinen Gurktal ragt eine mächtige romanische Pfeilerbasilika mit zwei 60 m hohen Türmen auf – gestiftet 1043 von der hl. Hemma als Benedikti­nerinnenkloster – aus dem eine Bischofskirche mit einem Chorherrenkonvent wurde. Hemma, um 980 geboren, mit Graf Wilhelm von der Sann glücklich verheiratet, verlor Mann und zwei Söhne früh durch unglückliche Umstände. Sie nahm es als Fügung GOTTES an und wirkte, Gutes tuend, als „Mutter Kärntens“. 1045 starb sie; ihre Gebeine ruhen seit 1174 in der Krypta des Gurker Domes (über dem romanischen Hemma-Sarkophag erhebt sich ein Altar mit einer Figurengruppe von Glaube, Hoffnung und der hl. Hemma als Liebe, 1720). In der Führung wurden wir auch hingewiesen auf den außerhalb des Rokokogitters des Grabes stehenden „Wunderstein“, von dem aus die hl. Hemma die Bauarbeiten an ihrer Marienkirche beaufsichtigt haben soll. Ihre Verehrung als Heilige wurde 1938 kirchlich bestätigt. Überwältigend ist der frühbarocke gewaltige Hochaltar der Kirche: Maria als Königin des Himmels, von Rosenkranz und Engeln umgeben, darunter Apostel am leeren Grab, vier Evangelisten, vier abendländische Kirchenväter und weitere Heiligenfiguren: insgesamt 72 Vollfiguren.

 

6. Nach der Mittagspause – etliche Pilger hatten auch Wasser aus der Hemmaquelle im Quellhäuschen in der Nähe der Kirchenapsis geholt – fuhren wir dann, an Klagenfurt und Villach vorbei, auf der Autobahn durch den Karawankentunnel weiter nach Slowenien. Dieses kleine Land, vor knapp 20 Jahren selbständig geworden und seit 2004 EU-Mitglied (seit 2007 mit Euro), hat nur gut 2 Millionen Einwohner (knapp 60% sind katholisch). Rund 30 km nach der Grenze liegt Brezje mit seiner Maria-Hilf-Basilika an der Straße, das „slowenische Lourdes“, von der Bischofskonferenz im Jahr 2000 zum natio­nalen Heiligtum der Slowenen erklärt. 1800 wurde einer St. Veitskirche eine Marienkapelle angebaut, und 1814 schuf ein Maler aufgrund eines Gelübdes für sie das Marienbild (nach dem Innsbrucker Maria-Hilf-Bild von Lukas Cranach). Heilungs­wunder zogen nach 1863 immer mehr Pilger hierher, und 1898 kamen Franziskaner nach Brezje und erbauten ein Kloster und die heutige, 1900 eingeweihte Neurenaissance-Kirche, die 1988 vom Papst zur „basilica minor“ erhoben wurde. Ein Denkmal davor erinnert an den Besuch des sel. Johannes Paul II. im Jahr 1996.

 

7. Die Fahrt zum Quartier unmittelbar an der Adriaküste, an der Ostseite Istriens, ging über kurvenreiche Straßen und eine Grenzkontrolle, weil ja der EU-Beitritt Kroatiens lange verzögert wurde (Kroatien hat noch eine eigene Währung, 1 Euro entspricht 7,30 Kuna, doch wurden meist Euro genommen). Kroatien hat rund 4 ½ Millionen Einwohner, etwa 88 % sind katholisch. In dem geistlichen Haus in Lovran konnten wir auch zwei Ordensschwestern der „Schwestern vom Hlst. Herzen JESU“, einer Diözesangemeinschaft von Rijeka, begegnen, mit denen ein Mitpilger Kontakte hatte, da sie lange in Deutschland gewirkt hatten (Neuss und Karlsfeld). Auch zur hl. Messe am folgenden Morgen im Marienheiligtum Trsat in Rijeka kamen einige der Schwestern.

Die Gnadenkapelle des auf 135 m über dem Meere gelegenen Marienheiligtums von Trsat ist dem Heiligen Haus von Naza­reth in Loreto nachgebildet. Ein Gemälde im Heiligtum stellt die legendäre Szene dar, wie der hl. Franziskus von Assisi 1212 auf der Fahrt nach Syrien in der Adria Schiffbruch erlitt und an dieser Küste in einer Vision die Überführung des Heiligen Hauses von Nazareth schaute. Nach der Überlieferung wurde am 10. Mai 1291 das Hl. Haus wunderbar hierher übertragen, dreieinhalb Jahre später nach Italien (Loreto) weiter gebracht. Im selben Jahr 1294 wird von einer Abordnung berichtet, die Fürst Nikola I. Frankopan nach Nazareth gesandt hatte, um die Zusammenhänge zu prüfen. Wenn auch die Übertragung des Hl. Hauses durch die Engel nach Loreto (und vorher nach Trsat), die lange als legendär betrachtet wurde, nach neuer Auffassung durch Kreuzfahrer (eine Familie namens Angeli) geschehen sei, so haben doch Päpste und Heilige durch Jahr­hunderte die wunderbare Übertragung für echt gehalten (bis hin zur Erklärung der Madonna von Loreto zur Patronin der Flug­reisenden!). Jedenfalls schickte Papst Urban V. 1367 durch seinen Legaten den immer noch um den Verlust trauernden Bewohnern von Trsat ein Gnadenbild, das seitdem hier als „Mutter der Gnade“ verehrt wird (1715 gekrönt). Aus der Kapelle wurde 1453 eine Kirche, die in den folgenden Jahrhun­derten mehrfach vergrößert und ausgestattet wurde. Hinter dem anschließenden Franziskanerkloster fügt sich heute für die großen Pilgertage ein Park mit Freialtar an.

 

8. Der Nachmittag gehörte dann der kroatischen Hauptstadt Zagreb (knapp 780 000 Einwohner, mit dem Großraum 1,2 Millionen). Die Stadt hat ihren Ursprung in der Gründung des Bistums durch den hl. ungarischen König Ladislaus 1093 auf dem „Kaptol“-Hügel und der von Handwerkern, Kaufleuten und Adeligen besiedelten Ansiedlung (der „Oberstadt“) auf dem Gradec-Hügel, die in der Geschichte vielfach in Rivalität lebten und erst 1850 vereinigt wurden. Die spätromanische Kathedrale von 1217 wurde von den Tataren im 13. Jahrhundert zerstört; ein neuer Bau dauerte dann bis ins 14./15. Jahrhundert hinein und erlitt beim Erdbeben 1880 schwere Zerstörungen, so dass der heutige Dom Ende des 19. Jahr­hunderts im neugotischen Stil errichtet wurde. Die Kathedrale – ihre 108 m hohen Türme ragen weit über die Stadt empor – ist der GOTTESmutter und den hll. ungarischen Königen Stephan und Ladislaus geweiht. Eine barocke Marmorkanzel stammt noch von 1696, Altäre und Chorgestühl sind aus verschiedenen Zeiten. An der Rückwand des rechten Seitenschiffs erinnert eine glagolitische große Inschrift von 1941 an die Christiani­sierung der Kroaten ab 641. Glagolitisch ist eine altslawische, noch vor der kyrillischen Schrift entstandene Schrift. In der Apsis des Domes ist der Sarkophag des seligen Zagreber Erzbischofs und Märtyrerkardinals Alois Stepinac (1997 geschaffen; unter der Totenmaske und den roten Pontifikal­gewändern im Glasschrein finden sich die Reliquien des Seligen. Stepinac, 1898 geboren, wurde 1934 Koadjutor und 1937 Erzbischof von Zagreb. Er verteidigte während des 2. Weltkriegs tapfer den Glauben und die Menschenwürde, ohne auf nationale oder konfessionelle Zugehörigkeit zu achten. Obwohl er dem mit den Nazis verbundenen Ustascha-Regime missfiel, wurde er dann vom kommunistischen Regime ver­leumdet und in einem Schauprozess 1946 zu 16 Jahren Haft und Zwangsarbeit verurteilt, von denen er fünf Jahre im Gefängnis und den Rest in Hausarrest in seinem Heimatort verbrachte. Am 10. Februar 1960 starb er, von Krankheiten zermürbt, als Folge der Torturen der Haft. 1998 sprach Johannes Paul II. ihn selig.

 

9. Nach der Kathedrale besuchten wir die nahegelegene Franziskaner-Kirche; das Kloster wurde vermutlich schon zu Lebzeiten des hl. Franz von Assisi gegründet, eine Kapelle erinnert an die Zelle, die er der Überlieferung nach bei einem Aufenthalt hier bewohnt haben soll. In der „Oberstadt“ beteten wir dann beim MutterGOTTES-Bild am „Steinernen Tor“ (Kamenita vrata), dem einzigen erhaltenen Tor aus dem 12. Jh. Das Gnadenbild war bei einem Brand 1731 unversehrt geblieben und wird seither als wundertätig viel verehrt, wie Votivbilder bezeugen. Die spätromanische Markuskirche im Regierungsbezirk, deren Dach mit farbigen glasierten Ziegeln bedeckt ist, konnten wir nur bis durch die Sperrwand hinten ein wenig anschauen, und die barocke Katharinenkirche zeigte uns leider nur die Fassade – auf einer Terrasse daneben aber einen Blick hinüber zum Kaptol und auf die Unterstadt. Mit der alten Seil-Schienenbahn überwanden wir dann den Höhen­unterschied von rund 30 m zur Unterstadt und wanderten über den Zagreber Hauptplatz Trg bana Jelacica – wo zwei Wochen vorher der Hl. Vater bei seinem Kroatienbesuch die Jugend um sich gesammelt hatte – zur Herz-JESU-Basilika in der Palmo­tic-Straße. Dieser 1902 erbaute historizistische Kirchenbau birgt in einer Seitenkapelle rechts das Grab des jungen Seligen Dr. Ivan Merz. 1896 in Banja Luka in eine wohlhabende, liberale Familie hinein geboren, fand er vor allem durch einen Lehrer zu einem lebendigen Glauben und zu einem religiösen Vollkommenheitsstreben, von dem seine Tagebucheintragun­gen Zeugnis ablegen. Von der Sittenlosigkeit an der Militär­akademie abgestoßen, studierte er u. a. in Wien und Paris Literatur und arbeitete als Gymnasiallehrer in Zagreb. Als glühender Laienapostel gab er der katholischen Jugend und der Katholischen Aktion Kroatiens maßgebende Anstöße und starb am 10. Mai 1928 infolge einer akuten Erkrankung. 2003 wurde er seliggesprochen.

 

10. Nach der Übernachtung in einem Bildungshaus der Vinzentinerinnen (mit einem alten Schloss, mit Hilfe von Renovabis restauriert bzw. gebaut) im Umland von Zagreb fuhren wir am folgenden Tag schon wieder nach Slowenien zurück. Ziel war eine kleine Marienwallfahrtskirche nördlich von Trebnje, in Zaplaz, über dem Ort Catez in 540 m Höhe gelegen. Die Wallfahrt ist seit 150 Jahren bezeugt, angeblich entstand sie zur selben Zeit wie die Maria-Hilf-Wallfahrt nach Brezje, um 1800. Die beiden Glockentürme wurden 1926 gebaut. Erst drei Wochen vorher waren hierher die Reliquien des jungen slowenischen Blutzeugen Lojze Grozdé feierlich übertragen worden, anlässlich seines liturgischen Gedenktages am 27. Mai. Im Juni 2010 war er seliggesprochen worden. Aloisius hatte sich als Schüler/Student der Katholischen Aktion ange­schlossen und hatte in der Marianischen Kongregation Verant­wortung getragen. Er war ein glühender Verehrer der hl. Eucharistie („die Sonne meines Lebens“) und der hlst. Herzen JESU und Mariens und verbreitete diese Verehrung unter seinen Klassenkameraden und Altersgenossen, um viele junge Menschen zu CHRISTUS zu führen. Kommunistische Parti­sanen nahmen ihn am 1. Januar 1943 auf dem Weg in seinen Heimatort fest und folterten ihn als angeblichen Spion grausam bis zum Tod. Dabei hatten sie bei ihm ein lateinisches Missale, die „Nachfolge CHRISTI“ und ein Buch über Fatima gefunden und ihn als überzeugten katholischen Bekenner gehasst. (vgl. das „Porträt“ in der FMG-INFORMATION 100, Juli 2010). Als sein Gedenktag wurde sein Geburts- und Tauftag festgelegt, der 27. Mai. Hier feierten wir die hl. Messe, und über­raschenderweise hatte sich der Sekretär des Bischofs von Novo Mesto als Konzelebrant eingefunden, der uns freundl­icherweise im Vorfeld schon Informationen über den Seligen und über den Ort seines Grabes bzw. seiner Reliquien zur Verfügung gestellt hatte. Die Diözese Novo Mesto (137.000 Katholiken) ist erst 2006 von Papst Benedikt errichtet worden.

 

11. Eine weitere Station in Slowenien war dann Maribor (Marburg) an der Drau, die zweitgrößte Stadt des Landes (117.000 Einwohner), die bis 1919 zur „Untersteiermark“ gehörte. In der Kathedralkirche des hl. Johannes des Täufers (im 12. Jh. als romanische Pfeilerbasilika gebaut, im 16. Jh. erneuert, nun vorwiegend gotischer Bau) befindet sich in der linken (Querschiff-)Kapelle der Grabaltar des seligen Bischofs Anton Maria Slomšek. 1862 in Ponikva in Slowenien geboren, hatte er 1824 in Klagenfurt die Priesterweihe empfan­gen. Nach mehreren Seelsorgsstationen, wo er sich unter anderem um das Volksschulwesen in seiner Heimat verdient gemacht und selber Schulbücher in slowenischer Sprache verfasst hatte, wurde er 1859 in Salzburg zum Bischof von St. Ändrä im Lavanttal geweiht. 1859 verlegte er den Sitz der Diözese Lavant nach Marburg, um damit alle in der Steiermark beheimateten Slowenen in ihrer eigenen Diözese zu vereinen. Slomšek war ein fruchtbarer religiöser Schriftsteller und Dichter, der die Volksmissionen förderte und eine Bruderschaft der hl. Cyrill und Methodius zur Förderung der Einheit mit der Orthodoxie gründete. In zahlreichen Hirtenbriefen war er um die Heiligung der Menschen, die Förderung der Priesterberufungen usw. besorgt. Slomšek starb im Ruf der Heiligkeit am 24. September 1862 in Maribor. 1999 wurde er seliggesprochen.

 

12. Auf der Weiterfahrt nach Graz machten wir noch einen Abstecher in den Markt St. Stefan im Rosental mit dem Grab einer Reinheitsmärtyrin. St. Stefan im Rosental hat rund 3.800 Einwohner; aus dem Ortsteil Lichtenegg stammt der Salzburger Erzbischof Kothgasser. Auf dem an einem Abhang gelegenen Dorffriedhof findet sich, etwas oberhalb des Kriegerdenkmals, noch nach über 100 Jahren das Grab der Reinheitsmärtyrin Anna Suppan. 1891 im etwa fünf Kilometer entfernten Wörth bei Gnas geboren, wurde die 18-Jährige am 20. März 1910 unterwegs überfallen, in der tapferen Abwehr des Vergewaltigungsversuchs tödlich verletzt und starb nach geduldig ertragenem Leiden am 26. März. Leider wurde kein Seligsprechungsprozess durchgeführt (vgl. „Das Porträt“ in FMG-INFORMATION 103).

 

13. Zwanzig Kilometer nördlich, auf Graz zu, liegt der Markt St. Marein (1200 Einwohner) mit einer spätgotischen Pfarrkirche (1550), die von einer Nischenmauer mit Schießscharten umgeben ist. Auf der anderen Straßenseite liegt etwas ober­halb der Friedhof; auf ihm besuchten wir die Grabanlage eines heiligmäßigen Mädchens: Maria Lichtenegger (zugleich Priestergrab des Ortes und Familiengrabstätte Lichtenegger). 1906 als Tochter des Tischlers und Bürgermeisters Wilhelm Lichtenegger geboren - als einziges Kind, weil der Vater in einer lebensgefährlichen Erkrankung der Mutter das Ver­sprechen einer Josefsehe gemacht hatte - fiel sie schon als Kind durch Freundlichkeit, Güte und Frömmigkeit auf. Von der Erstkommunion mit neun Jahren an kommunizierte sie täglich. Sie war sangesfrohes Mitglied des Kirchenchores, arbeitete nach der Volksschulzeit im elterlichen Haus. Schon früh legte sie das private Gelübde der Jungfräulichkeit um des Himmel­reiches willen ab. Im Mai 1923 erkrankte Maria an einer schwe­ren Nervenentzündung, der eine Hirnhautentzündung und eine Lungenentzündung und partielle Taubheit folgten. Trotz stärks­ter Schmerzen ertrug sie die Leiden während des zwei­monatigen Krankenlagers bis zu ihrem Tod am 8. Juli 1923 mit großer Geduld und opferte sie für die Mitmenschen, besonders die Sünder, auf. Zahlreiche Gebetserhörungen wurden ihrer Fürsprache zugeschrieben, und 1956 der Seligsprechungs­prozess eingeleitet. Von einem Fortschritt des Verfahrens ist leider nichts bekannt.

 

14. Unser Quartier in Graz erreichten wir gerade vor einem heftigen Gewitterregen. Zu einem Besuch in der Klosterkirche der „Grazer Schulschwestern“ reichte die Zeit nicht mehr – wir hätten dort das Grab der 1937 im Alter von 33 Jahren ver­storbenen Schwester Dr. Klara Fietz besuchen können, die aus dem Sudetenland stammte und hier in den Orden eintrat und als Lehrerin wirkte, zugleich aber ein verborgenes mystisches Leben führte. 1996 wurde der heroische Tugendgrad für sie anerkannt.

Am Morgen des Freitags verließen wir Graz in Richtung der im südlichen Burgenland gelegenen Stadt Güssing, die unterhalb einer auf steilem vulkanischem Kegel gelegenen Burg steht. Diese gehörte von 1524 bis 1870 dem ungarischen Adels­geschlecht der Batthyány, die in der „Gegenreformation“ hier ein Franziskanerkloster gegründet hatten. Die Klosterkirche Mariae Heimsuchung, 1652 geweiht, wurde auch die Grablege der Familie. Hier fand in der Gruft auch Fürst Dr. Ladislaus Batthyány-Strattmann 1931 seine Grabstätte. Im Zug des Seligsprechungsverfahrens wurde sie 1988 in den hinteren Teil der Kirche verlegt. Zu Ehren dieses im Jahr 2003 seliggesprochenen Arztes und Familienvaters feierten wir hier unsere Pilgermesse und erfuhren, dass besonders aus Ungarn viele Pilger hierherkommen. Ladislaus Batthyány-Strattmann  wurde 1870 in Dunakiliti, Ungarn, geboren; er entstammte einer gescheiterten Ehe, verbummelte seine Studienzeit mit verschiedenen Fächern, aber auch mit Liebschaften, ehe er sich 25jährig zum Medizinstudium entschloss. 1898 heiratete er eine tiefgläubige Grafentochter. Durch ihren Glauben angeleitet, erlebte er eine Bekehrung, wurde beständig, zügelte sein aufbrausendes Temperament und führte eine beispielhafte Ehe, die mit 13 Kindern gesegnet war. Neben seiner Familie widmete er sich mit Hingabe seinem Beruf als Arzt; er errichtete aus eigenen Mitteln zwei Krankenhäuser, war ein weithin gesuchter Arzt, führte jährlich Hunderte Augenoperationen durch, behandelte Arme kostenlos, ja beschenkte sie noch. Er wusste sich in seinem ärztlichen Tun ganz mit CHRISTUS verbunden. Trotz seiner vielen Arbeit besuchte er täglich die hl. Messe. Nach 14 Monaten schweren Leidens starb er an Blasenkrebs am 22. Januar 1931 in Wien im Ruf der Heiligkeit.

 

15. In Ungarn machten wir in der Nähe der Bischofsstadt Veszprém die Mittagsrast und trafen dann am frühen Nach­mittag in dem Ort Litér am Friedhof mit dem Erzbischöflichen Delegaten Szakacs und einem priesterlichen Mitarbeiter, der in München studiert hatte, zusammen, um am Grab der Rein­heitsmärtyrin Magdolna Bódi zu beten, etwas vom Seligsprechungsprozess zu erfahren und die Mordstelle im Hof des damaligen Schlosses, der heutigen Schule, aufzusuchen. Magda Bódi, Arbeiterin und sozial-katechetisch tätig, war am 23. März 1945 von einem russischen Soldaten bei der Verteidigung ihrer Reinheit erschossen worden (vgl. das FMG-Buch „Mein HERR und mein König“). Am 8. August 2011 wäre ihr 90. Geburtstag.

 

16. Nächstes Ziel war Stuhlweißenburg (Székesfehérvár), eine Stadt mit gut 100.000 Einwohnern, das 970 vom Ungarnfürsten Géza zur ersten ungarischen Hauptstadt er­hoben wurde. Sein Sohn, der hl. König Stephan I. erhob die Siedlung zur Stadt und errichtete eine Basilika, in der bis 1526 43 ungarische Könige gekrönt und fünfzehn, darunter der hl. Stephan, bestattet wurden. Auch der Sohn Stephans und seiner Frau, der seligen Gisela, der heilige Emmerich (* um 1007, + am 2.9.1031 infolge eine Jagdunfalls), wurde wohl hier geboren und hier bestattet. Bei der Türkenbesatzung 1543 wurden fast alle bedeutenden Gebäude zerstört.

Wir waren dankbar, dass wir sogleich die Gedenkkirche des Bischofs Ottokár Prohászka fanden (Kaszap István u.1). Die von einer 52 Meter hohen Kuppel überragte, 1933 erbaute klassizistischen Kirche vom Guten Hirten hat zum Innenhof eine Vorhalle, in der sich, von vielen Votivtafeln und Blumen umgeben, das Grab des heiligmäßigen jungen Stephan Kaszap befindet. Als Sohn eines Postbeamten 1916 in Székesfehérvar geboren, wuchs er in einer kinderreichen, gläubigen Familie auf. Er war Pfadfinder, sportlich als Eiskunstläufer und Sieger in Geräteturnmeisterschaften. Nach dem Abitur trat er 1934 in Budapest in den Jesuitenorden ein. Sein Glaube entfaltete sich besonders in einer intensiven Verehrung des Heiligsten Herzens JESU. Bald schon wurde der sportliche junge Mann von schweren Erkrankungen (bakterielle und viruelle Infektionen, Geschwüre, gefährliche Operation) heim­gesucht und musste deshalb aus dem Noviziat nach Hause zurückkehren, doch schon im Dezember 1935 musste er wieder ins Krankenhaus, wo er am 17.12.1935 starb. Der Ruf der Heiligkeit verbreitete sich, Heilungen an seinem Grab wurden gemeldet. 1942 leitete man den Seligsprechungs­prozess ein.

 

17. Am Abend erreichten wir dann Esztergom (deutsch: Gran). Die Stadt mit 30.000 Einwohnern wird auf einem 160 m hohen Felshügel von der Basilika und den Resten einer Burg überragt. 973 schlug Fürst Géza hier seine Residenz auf und begann die Organisation Ungarns als Staatswesen und die Christianisie­rung. Hier kam sein Sohn Stephan der Heilige zur Welt und wurde am Weihnachtstag des Jahres 1000 gekrönt. Von den Mongolen wurde der Ort zerstört, die Burg aber nicht eingenommen. Die Türken aber eroberten die Burg 1543. Auf dem Burgberg, von dem man eine hervorragende Aussicht auf die Donau und das gegenüberliegende slowakische Ufer hat, wurde von 1822 bis 1856 auf den Grundmauern einer von Stephan 1010 gestifteten St. Adalbert-Kathedrale ein gewalti­ger klassizistischer Dom mit einer 107 m hohen Kuppel er­richtet. Das Hochaltarbild ist eine Kopie von Tizians „Mariae Himmelfahrt“. An einem kleinen Altar, vor dem rechten Seiten­altar mit einem Bild des hl. Stephan, der seligen Gisela und dem hl. Sohn Emmerich zu Füßen der GOTTESmutter, wird eine Reliquie verehrt, die nach einer Tafel vom seligen Zoltán Lajos Meszlényi stammt, einem Bischof und Märtyrer: 1892 geboren und 1915 in Innsbruck zum Priester geweiht, war er 1937 Weihbischof von Esztergom geworden. Nach der Ver­haftung Kardinal Mindszentys hatte er stellvertretend die Leitung übernommen, war aber schon nach 12 Tagen verhaftet und in ein Lager verschleppt worden, wo er am 4. März 1951 an den Folterqualen starb. Er wurde 2009 in Esztergom seliggesprochen. Seit Wahlspruch war „fidenter ac fideliter“ („mit Vertrauen und Treue“).

In der hallenartigen Krypta sind die Gräber der Erzbischöfe von Esztergom, zentral das von Jozsef Kardinal Mindszenty. 1892 als Jozsef Pehm in Csehimindszent als Bauernsohn geboren, wurde er 1915 in Szombathely zum Priester geweiht. Schon in der kurzen kommunistischen Zeit 1919 war er verhaftet worden. 1941 legte er den Familiennamen Pehm wegen dessen deutschen Wortstammes ab und nannte sich nach dem Geburtsort. 1944 wurde er zum Bischof von Veszprém und 1945 zum Erzbischof von Esztergom ernannt. Wegen seines Auftretens gegen Ungerechtigkeit wurde er mehrmals inhaftiert (1919 von Kommunisten, 1944 durch die nationalsozialistische Regierung, am 26. Dezember 1948 vom kommunistischen Regime). In einem Schauprozess wurde er – nach Folter und Drogenverabreichung – im Februar 1949 zu lebenslanger Haft verurteilt. Beim Beginn des Ungarischen Volksaufstandes im Oktober 1956 wurde er aus dem Gefängnis befreit und musste, als die Sowjettruppen den Aufstand niederschlugen, in die amerikanische Botschaft flüchten. Erst 1971 verließ er im Gehorsam gegen Papst Paul VI. sein isoliertes Asyl und die Heimat. Am 6. Mai 1975 starb er in Wien, wurde zuerst in Mariazell beigesetzt und 1991 nach Esztergom überführt. Sein Seligsprechungsprozess ist eingeleitet.

 

18. Wir wohnten unterhalb der Basilika in einem kirchlichen Hotel (neben dem früheren Priesterseminar, das jahrzehnte­lang von den Sowjettruppen besetzt war) und konnten am Mor­gen des Samstags die Basilika besuchen und auch am Grab des Märtyrer-Kardinals beten. Danach machte sich unser Pilgerbus auf nach Budapest (1,7 Millionen Einwohner), wo wir in der St. Stephan-Basilika – in der „Kapelle der Heiligen Rechten“ mit der Handreliquie des hl. Stephan - die heilige Messe feierten. Die prächtige Basilika selber (Neorenaissance, Einweihung 1905, 96 m hohe Kuppel) konnten wir, weil ein großer GOTTESdienst stattfand, nur hinten betreten und so die Details nur teilweise und von Ferne sehen: Am Hauptaltar der Basilika steht eine wuchtige Statue Stephans, an Tragepfeilern der Kuppel der hl. Bischof Gerhard von Csanád (ungar. Gellért; aus Venedig stammend, +1046 als Märtyrer) und der hl. Emmerich (Szt. Imre; 1007-1031, Sohn von Stephan und Gisela), ferner der hl. König Ladislaus (1040-1095) und die hl. Elisabeth von Thüringen (1207-1231), die ja aus Ungarn stammte. Stephan I. war als Fünfjähriger von einem Passauer Missionar getauft und vermutlich von Bischof Adalbert von Prag gefirmt worden; 995 mit Gisela vermählt, folgte er 997 seinem Vater als Fürst der Ungarn nach, besiegte die rivalisierenden Stammesfürsten und förderte, 1000 zum König gekrönt, tatkräftig die Christianisierung seines Volkes. Er starb am 15.8.1038. (An ungarischen Heiligen seien noch die hl. Marga­reta erwähnt, Tochter König Bélas IV., Gebets- und Sühne­leben als Dominikanerin, 1242-1270; sowie ihre Schwestern, die hl. Polenherzogin Kinga, 1224-1292, und die sel. Polen­herzogin Jolenta, 1235-1298, und schließlich die sel. Helena von Ungarn, eine Dominikanerin in Veszprém, Mystikerin und Erzieherin der hl. Margareta, +1270. Erwähnt sei auch die Heimsuchungsschwester Maria Margit Bogner, 1905-1933, die auch die „kleine Therese von Ungarn“ genannt wird und deren Seligsprechungsprozess eingeleitet ist.)

 

19. Danach statteten wir dem Burghügel in dem am Westufer der Donau gelegenen Buda (Dreifaltigkeitssäule, Liebfrauen- oder Matthiaskirche, Fischerbastei mit Reiterstandbild Stephans I.). einen Besuch ab, schauten auf die Donau mit ihren Brücken, auf das Parlamentsgebäude in Pest gegenüber usw. - und machten am Bus Mittagsrast. Beim Wegfahren zeigte sich eine Parkgebühren-Mautstelle stur: man war nicht bereit, ein paar fehlende Forint in Euro (oder Cent; 100 Forint sind etwa 38 Cent) anzunehmen, und das im vereinten Europa!

 

20. Anderthalb Stunden später waren wir in Györ/Raab, an der Mündung von Raab, Rabnitz und Marcal in die Donau gelegen. König Stephan hatte um 1000 an der Stelle einer keltischen und römischen Stadt ein Bistum gestiftet. Auf dem Domkapitel­hügel liegen Bischöfliche Burg und Liebfrauendom. Im Grund eine romanische dreischiffige Basilika, hat die Kirche durch viele Jahrhunderte Veränderungen und Anbauten erfahren. In der gotischen Ladislaus-Kapelle wird das kostbarste Stück des Domschatzes aufbewahrt, eine im 14. Jh. geschaffene gotische Reliquienbüste des hl. Königs Ladislaus (+1095). Ladislaus, um 1040 als Sohn des Königs Béla I. geboren, wurde nach dem Tod seines Bruders Géza I. 1077 zum König ausgerufen. Nach Kämpfen nach innen und außen konnte er das schwer gefährdete Werk König Stephans I. wieder festigen und vollenden, indem er durch strenge Gesetze die christliche Staatsordnung und die öffentliche Sicherheit wiederherstellte. 1090 gründete er das Bistum Agram (Zagreb); er erwirkte die Heiligsprechung Stephans, Emmerichs und dessen Erziehers, des Bischofs Gerhard. Er starb am 29.7.1095 bei Neutra (Slowakei) und wurde 1192 heiliggesprochen.

An der Rückwand dieser Ladislauskapelle steht der große Marmorsarkophag des 1997 seliggesprochenen Bischofs Vilmos (Wilhelm) Apor. 1892 geboren, adeliger Herkunft, wurde er 1941 Bischof von Györ. Während der Besetzung Ungarns durch die Hitler-Truppen und unter der mit den Nationalsozialisten sympathisierenden Pfeilkreuzler-Regierung wandte er sich mutig gegen Unmenschlichkeit und trat u. a. für die verfolgten Juden ein. Von randalierenden russischen Solda­ten wurde er am Karfreitag 1945 tödlich verwundet, weil er sich schützend vor die Reinheit von Frauen und Mädchen stellte; in der Nacht zum Ostermontag, am 2. April, starb er. - Der Altar in der Apsis des linken Kirchenschiffes (mit dem Allerheiligsten) birgt ein Mariengnadenbild, von dem eine Beschreibung be­richtet, dass es durch einen aus der Katholikenverfolgung in Irland geflohenen Bischof 1649 hierher kam und am 17. März 1697, dem Patrickstag, als der Höhepunkt einer neuen blutigen Verfolgungswelle in Irland war, drei Stunden lang blutige Tränen weinte.

 

21. Am Samstagabend, in Wien (2,6 Millionen Einwohner), erklommen wir per Bus noch – bei Regen – den Kahlenberg (483 m), wo die polnische St. Josefskirche (es war gerade hl. Messe) an die Befreiung Wiens 1683 erinnert. 1629 hatten sich hier Kamaldulenser niedergelassen, eine eremitische Ordens­gemeinschaft. Nach Plünderungen durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg 1642 fiel ihre Kirche 1683 den umher­schweifenden türkischen Horden zum Opfer. Kara Mustapha, der Feldherr Sultan Suleimans „des Prächtigen“, belagerte mit 200.000 Mann Wien über zwei Monate lang. Unter Führung des polnischen Königs Jan Sobieski kam dann auf Betreiben Papst Innozenz’ XI. ein Entsatzheer mit 30.000 polnischen und 46.000 österreichischen und bayerischen Soldaten. Sie nah­men den Kahlenberg ein und bereiteten sich hier auf die Entscheidungsschlacht am 12. September vor. In den Ruinen der Josefskirche feierte der päpstliche Gesandte Markus von Aviano die hl. Messe, wobei der polnische König ministrierte. Am Abend, als die gewaltige türkische Übermacht in die Flucht geschlagen war, konnte Sobieski an den Papst schreiben: „Venimus, vidimus, DEUS vicit“ (als Abwandlung eines Cäsarwortes: Wir kamen, wir sahen, GOTT aber siegte)! Der Sieg wurde dem Gebet und der Hilfe Mariens zugeschrieben und mit dem Mariae-Namen-Fest beantwortet.

Danach steuerten wir unser Quartier für zwei Nächte, das Pallottihaus, an. Am folgenden Morgen, dem DREIFALTIG­KEITSfest, feierten wir in der zum Haus gehörenden Kirche die hl. Messe und fuhren dann mit der U-Bahn in die Wiener Innenstadt, um hier zu Fuß zu pilgern.

 

22. Erstes Ziel war das GOTTEShaus St. Maria am Gestade - über römischen Grundmauern als älteste Wiener Marienkirche erbaut, nach Zerstörungen in der heutigen Gestalt von 1330 bis 1417 gebaut, während der napoleonischen Besetzung Militär­magazin und Stallung, 1812 wiederhergestellt und 1820 den Redemptoristen übergeben. Sie birgt seit 1862 das Grab des „Apostels von Wien“, des hl. Klemens Maria Hofbauer (1751-1820), der als spätberufener Bäcker im Redemptoristenorden Priester wurde, fast 20 Jahre segensreich in Warschau wirkte, nach der Vertreibung unter Napoleon in Wien neu im Kleinen begann. Alle Enttäuschungen und Rückschläge vermochten es nicht, seinen Apostelmut zu brechen. Von Beichtstuhl und Kanzel aus wurde er zum eigentlichen Überwinder von Auf­klärung, Josephinismus und Jansenismus in Österreich. – Wir hatten die Freude, im längeren Zeitabstand zwischen den Sonntagsmessen in Ruhe in der Kirche beten, die Kirche beschauen und den hl. Klemens Maria – er starb am 15. März 1820 - um Fürbitte anrufen zu können. - Noch ein anderer heiligmäßiger Redemptorist ist in dieser Kirche begraben: P. Wilhelm Janauschek (1859-1926), mit wichtigen Leitungs­ämtern im Orden betraut, segensreicher Volksmissionar, Exerzitienmeister und Seelenführer; persönlich ein Mann des Gebetes, der Sammlung, der sein Temperament in der Gewalt hatte. Sein Seligsprechungsprozess läuft.

 

23. Nächstes Ziel war die Jesuitenkirche. Kaiser Ferdinand II. hatte sie gestiftet, als er den Jesuiten die Universität anvertraute; im frühbarocken Stil wurde das prächtige GOTTEShaus zwischen 1623 und 1631 errichtet und im Inneren von dem berühmten Bildhauer und Maler Andrea Pozzo, einem Meister der Scheinarchitektur – einem Jesuiten­bruder - ausgestaltet. An der Fassade stehen die Statuen der beiden Kirchenpatrone Ignatius von Loyola und Franz Xaver. Wir trafen auf ein festliches Hochamt mit Chor und Orchester, dem wir aber nur kurze Zeit hinten – ohne zu stören – beiwohnen konnten.

 

24. Als wir an der nicht weit entfernten Dominikanerkirche „Sta. Maria Rotonda“ ankamen, zog gerade eine lange Prozession von Konzelebranten nach einem Primizamt aus der Kirche. Wir hatten die Freude, uns zum Primizsegen bei drei am Vortag in dieser Kirche geweihten Dominikaner-Neu­priestern anstellen zu können. – Die Dominikaner kamen 1226, noch zu Lebzeiten des hl. Dominikus, nach Wien. Die heutige große Kreuzkuppelkirche, Maria vom Rosenkranz geweiht, wurde 1630-34 bzw. bis 1674 anlässlich eines Gelübdes des späteren Kaisers Ferdinand III. erbaut.

 

25. Danach stand der Stephansdom und die Mittagspause auf dem Plan. Das rückwärtige Haupttor und die beiden „Heidentürme“ an seiner Seite gehören noch zum alten, spätromanischen Kirchenbau um 1200. 1340 war dann der dreischiffige Chor eingeweiht worden; der mittlere dreischiffige Bau entstand von 1420 bis 1450. Der 136 m hohe Südturm wurde vor 1433 erbaut, der Nordturm 1511 bei 68 m eingestellt. Im Inneren des Doms trifft man rechts gleich auf den Altar mit dem Gnadenbild „Maria Pötsch“, einer aus dem ungarischen Pécs kommenden Ikone, die seit der entscheidenden Schlacht bei Zenta im Türkenkrieg, wo sie zwei Wochen lang Tränen geweint haben soll, hochverehrt ist. Der barocke Hochaltar ist aus schwarzem Marmor (1647) und zeigt im Bild die Steinigung des Kirchenpatrons St. Stephanus, in der Apsis des linken Seitenschiffs zieht der „Wiener Neustädter Altar“ (1447) die Blicke auf sich.

 

26. Die Franziskanerkirche (1603-11) war das nächste Ziel. Der hl. Johannes von Kapistran hatte Mitte des 15. Jh. ein erstes Kloster der Franziskaner in Wien gegründet; später übernahmen sie ein leerstehendes Büßerinnenkloster zum hl. Hieronymus, wobei die Kirche 1607 neu im Renaissancestil (mit gotischen Elementen) errichtet wurde. Den Hochaltar schuf 1707 Andrea Pozzo, der Meister der Scheinarchitektur. Unter der Kanzel ist die Grabstätte von P. Petrus Pavlicek. Der Gründer des Rosenkranz-Sühnekreuzzuges wird von vielen als heiligmäßig verehrt, so dass der Seligsprechungsprozess 2001 nach Rom ging. Am 6.1.1902 in Innsbruck geboren, war er nach dem Schulbesuch in Wien und Olmütz Arbeiter und trat 1921 aus der Kirche aus. Er ließ sich in Frankreich und England zum Künstler ausbilden, erfuhr 1933 in Brünn und Prag Krankheit und Bekehrung, kehrte 1935 in die Kirche zurück und trat 1937 bei den Franziskanern in Prag ein, wo er 1941 die Priesterweihe empfing. 1946 empfing er in Mariazell den Anruf Mariens, einen Gebetssturm um die Befreiung Österreichs von der teilweisen russischen Besetzung und um den Weltfrieden zu entfachen. Am 14.12.1982 starb er in Wien.

 

27. Die Kapuzinerkirche (1622-32) birgt das Grab des seligen Marcus von Aviano (17.11.1631-13.8.1699): Er war ein charis­matischer italienischer Kapuziner, der als Volksprediger die Länder Mitteleuropas durchzog und zahlreiche Bekehrungen bewirkte und als Päpstlicher Legat und Berater des Kaisers an der Befreiung Wiens von der Türkenbelagerung – und damit an der Rettung des christlichen Abendlandes – entscheidend beteiligt war. 2003 wurde er seliggesprochen.

Ein Teil unserer Pilgergruppe stieg dann auch hinab in die „Kapuzinergruft“, die berühmte Grablege der Habsburger. Über 350 Jahre wurden hier alle regierenden Herrscher und ihre nächsten Verwandten bestattet; am prächtigsten ist sicherlich der Doppelsarkophag Maria Theresias und ihres Gatten. 1999 wurde hier auch Kaiserin Zita, die Witwe des sel. Kaisers Karl I., bestattet, eine tiefgläubige Frau an der Seite des letzten österreichischen Kaisers und ungarischen Königs, der ja auf Madeira bestattet ist.

 

28. Über die Augustinerkirche (in die Hofburg integriert, 1330-39 erbaut, Hofpfarrkirche und Hochzeitskirche des Herrscher­hauses) und Michaelerkirche (spätromanisch-frühgotischer Ursprung, am barocken Hochaltar der Engelsturz und Mariengnadenbild) wanderten wir über den „Graben“ (mit der barocken Pestsäule, DREIFALTIGKEITSsäule, 1686) durch die sonntägliche, touristisch belebte Innenstadt zur Peterskirche (dem dritten Kirchenbau an dieser Stelle – erste Kirche Wiens am römischen Lager, durch einen romanischen dreischiffigen Bau ersetzt, dann der heutige längsovale barocke Bau 1733 Meisterwerk zu Ehren der hlst. DREIFALTIGKEIT und des hl. Petrus eingeweiht. Wir konnten uns dort dem angestimmten Rosenkranzgebet anschließen. Danach war es Zeit, mit der U-Bahn wieder zu unserem Quartier zurückzukehren.

 

29. Unbesucht bleiben mussten in Wien leider diesmal die Kirche der Kalasantiner am Mariahilfer Gürtel mit dem Grab des 1998 seliggesprochenen Ordensgründers P. Antonius Maria Schwartz (1852-15.9.1929), die Erinnerungen an die ebenfalls 1998 seliggesprochene Ordensfrau Maria Restituta (Helene) Kafka (*1894), Mitglied der „Franziskanerinnen von der christlichen Liebe“ („Hartmannschwestern“ genannt nach der Mutterhausadresse), Operationsschwester, wegen „Lan­desverrats“ von den Nazis am 30.3.1943 hingerichtet; sowie der Dienerin GOTTES Hildegard Burjan (1883-11.6.1933), einer sozial engagierten Frau und Gründerin der Schwes­terngemeinschaft „Caritas Socialis“, deren Seligsprechung bald ansteht.

 

30. Am folgenden Morgen feierten wir die hl. Messe in der Schlosskirche Hetzendorf, unweit des Schlosses Schönbrunn, die letzte heilige Messe unserer Pilgerfahrt. Das Schloss hatte Kaiserin Maria Theresia von einem Grafen übernommen und als Witwensitz für ihre Mutter ausgebaut; die Schlosskirche Hetzendorf wurde 1745 eingeweiht zu Ehren der hlst. DREIFALTIGKEIT und war zugleich Hetzendorfer Pfarrkirche. Nach dem Bau einer eigenen Pfarrkirche wurde die Schlosskirche wegen der zeitweiligen Anwesenheit von Mitgliedern des Erz­hauses – das nachmalige Kaiserpaar Karl und Zita wohnte z. B. hier – als Hofkaplanei weitergeführt. Nach den Umwäl­zungen des 1. Weltkriegs kamen fremde Mieter und es drohte eine Profanisierung. Einer Bitte Kaiser Karls entsprechend übernahm ein Prälat des österreichischen Bundesheeres das Rektorat; durch einen Bombenangriff 1944 wurde die Schlosskirche beschädigt. 2008 verfügte Erzbischof Schönborn auf Vorschlag des damaligen Rektors Prof. DDr. Alfred Kolaska die Schlosskirche auch „Seliger Kaiser Karl–Gedächtniskirche“ zu nennen, hatte doch Karl hier zeitweise die hl. Messe besucht und auch ministriert.  So konnten wir abschließend auch dieses Seligen liturgisch gedenken: 1887 in Persenbeug/NÖ geboren, bewusst katholisch erzogen mit einer großen Liebe zur hlst. Eucharistie und zur GOTTESmutter, wurde er aufgrund der Prophezeiung einer stigmatisierten Ordensfrau („große Leiden und Angriffe“) von eine Gruppe betender Menschen begleitet. 1911 heiratete er Prinzessin Zita von Bourbon; in gut zehn Jahren vorbildlicher Ehe wurden ihnen acht Kinder geschenkt. Am 28.6.1914 wurde Karl, infolge der Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajewo, zum Thronfolger. Als Kaiser Franz Joseph starb, wurde Karl am 21.11.1916 mitten im 1. Weltkrieg Kaiser von Österreich und am 30.12.1916 König von Ungarn. Er verstand seine Herrscherwürde als un­verzichtbaren, geheiligten Auftrag, schuf eine der katholischen Soziallehre entsprechende Sozialgesetzgebung und versuchte vor allem, zum Frieden zu wirken. Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie wurde er schließlich 1921 von den Siegermächten auf die portugiesische Insel Madeira verbannt, wo er in Armut lebte und am 1. April 1922 in Funchal starb. Bei der Seligsprechung 2004 stellte Papst Johannes Paul II. heraus, dass Karls „ernstes Bestreben war, der Berufung des Christen zur Heiligkeit auch in seinem politischen Handeln zu folgen“ (Gedenktag ist sein Hochzeitstag, 21.10.).

 

31. Auf der Heimfahrt in Richtung München stand noch eine Station auf dem Programm: die oberösterreichische Landes­hauptstadt Linz (190.000 Einwohner) mit dem neugotischen Maria-Empfängnis-Dom – ein erstaunliches Bauwerk, wenn man die Entstehungszeit 1862 bis 1924 bedenkt. Die Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis 1854 war dem Linzer Bischof Franz Josef Rudigier Anlass, für die 70 Jahre zuvor selbständig gewordene Diözese einen neuen Dom zu bauen. Die Gläubigen unterstützten den Plan des heiligmäßigen Bischofs mit ihren Spenden. Rudigier, 1811 in Vorarlberg geboren und 1835 in Brixen zum Priester geweiht, wurde 1853 Linzer Oberhirte. In einer Zeit, da die Nachwehen des aufklärerischen Josephinismus das religiöse Leben lähm­ten, widerstand der fromme und mildtätige Bischof mutig dem liberalen Zeitgeist. Als er bei der Einführung der Zivilehe 1858 die katholische Auffassung in einem Hirtenbrief offen darlegte, wurde er verhaftet und „wegen Störung der öffentlichen Ruhe“ zu 14 Tagen Kerkerstrafe verurteilt, die ihm der Kaiser zwar erließ. Doch auf das Volk wirkte der Vorfall sehr beeindruckend und wirkte zur Auferstehung eines Glaubensbewusstseins. Rudigier starb am 29.11.1884 und wurde in seinem Dom beigesetzt; sein Seligsprechungsprozess läuft. Der Sarkophag befindet sich in der Apsis des Domes. - Einige Schautafeln im Dom (anlässlich des 100. Geburtstages Rudigiers) doku­mentieren, dass in Linz heute vom kirchentreuen Geist Rudigiers nicht viel geblieben ist: da ist von „Restauration“ die Rede, mit der sich die Kirche „die Chance auf eine selbst­kritisch-konstruktive Antwort“ auf die Veränderungen vergeben habe, „Papalismus, Dogmatismus und Marianismus“ seien verstärkt worden, das Marien-Dogma von 1854 habe der „Abstützung des römischen Systems“ gedient. So zu lesen in der Bischofskirche von Linz!

Im vorderen Teil des Linzer Domes wurde 2007 eine schwarze Stele aufgestellt, die an den seligen Franz Jägerstetter erinnert. Der Landwirt aus dem Dorf St. Radegund in Ober­österreich (er war 1907 als uneheliches Kind geboren, war 1933 Vater einer unehelichen Tochter geworden und hatte sich erst durch seinen Heirat und den Einfluss seiner Frau zu einem anständigen, tieffrommen Mann gewandelt), erkannte nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich 1938 immer klarer die Gottlosigkeit des Systems; er leistete zwar sechsmonatigen Militärdienst, lehnte aber bei der Wie­dereinberufung den Dienst mit der Waffe aus Gewissensüberzeugung ab, weil er GOTT mehr gehorchen müsse. So wurde er in Berlin zum Tod verurteilt und am 9. August 1943 in Brandenburg enthauptet. 2007 wurde er in Linz selig­gesprochen. Die erwähnte Stele im Dom enthält eine Reliquie des Seligen (Knochensplitter aus seiner Urne, von der Witwe dem Bischof übergeben) sowie eine handschriftliche Auf­zeichnung Jägerstetters von einem Traum im Januar 1938, den er als Warnung vor dem Nationalsozialismus verstand).

Am Abend erreichten wir München – nach acht gefüllten, anstrengenden, aber auch geistlich aufbauenden und ermutigenden Tagen.

 

  

 

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