Die GOTTESmutter und Heilige in Südfrankreich
FMG-Wallfahrt 2009
1. Mitreißende Fastenpredigten eines Kapuziners im Jahr 1600 weckten den Wunsch der Bürger der Stadt Feldkirch nach einem Kapuzinerkloster, das 1605 eingeweiht wurde; und rund 15 Jahre später war der frühere Sigmaringer Bürgermeisterssohn und Advokat Markus Roy (+1577), seit 1612 Priester und Kapuziner mit dem Ordensnamen Fidelis (von Sigmaringen), hier Guardian. Von hier aus predigte er an vielen Orten im damals österreichisch besetzten Graubünden, um die dortigen Protestanten wieder für den katholischen Glauben zu gewinnen. Am 24. April 1622 war er nach Seewis im Prättigau eingeladen, doch dort kam es zum Vorgehen einer Rotte von etwa 25 Mann gegen ihn, die ihn zwingen wollten, den reformierten Glauben anzunehmen; als er sich weigerte, wurde er niedergeschlagen und zu Tod verletzt. Ein Protestant begrub ihn ehrfürchtig in Seewis; später kamen seine Gebeine nach Chur und sein Haupt in das Kapuzinerkloster Feldkirch, wo wir es nach unserer ersten Pilgermesse am Pfingstmontag in der an die Kapuzinerkirche angebauten Fideliskapelle sehen und verehren konnten. Nebenan gibt es auch Bildnisse und Erinnerungsgegenstände wie Kutte und Messgewand des ersten Kapuzinermärtyrers, der 1746 heiliggesprochen wurde.
2. Über Liechtensteiner Gebiet fuhr unser vollbesetzter Reisebus dann weiter in die Schweiz, wo wir nordwestlich des Zuger Sees, im aargauischen „Freiamt“, im Ort Auw kurz Station machten. Auw ist der Geburtsort der im Oktober 2008 heiliggesprochenen Ordensgründerin Maria Bernarda Bütler (+1848). Neunzehnjährig war sie bei den Kapuzinerinnen in Altstätten eingetreten und wurde Novizenmeisterin und Oberin. 1888 machte sie sich mit sechs weiteren Schwestern auf nach Südamerika – erst Ecuador, dann durch politische Umstände gezwungen Kolumbien. Sie gründete die selbständige Ordensgemeinschaft der „Franziskaner Missionsschwestern von Maria Hilf“ und starb nach einem erfüllten Leben am 19. Mai 1924. Ihr Leben war dem Dienst an den Armen gewidmet, ihr Herz stand in einem beständigen Zwiegespräch mit CHRISTUS, wie auf Anordnung des Beichtvaters Niedergeschriebenes bezeugt. Ihr Grab ist im Mutterhaus in Cartagena; die Pfarrkirche St. Nikolaus hat in der Nähe des Taufsteins eine kleine Gedenkstätte, die seit der Heiligsprechung eine größere Reliquie (einen Teil eines Fußknochens) birgt. Etliche aus unserer Pilgergruppe begaben sich auch zum Geburtshaus der Heiligen, in dem ein Raum ihr Gedenken bewahrt.
3. Danach durchfuhren wir die Schweiz und querten südlich von Genf die französische Grenze. Das Beten des Wundenrosenkranzes verband uns mit der Dienerin GOTTES Sr. Maria-Marthe Chambon (1841-1907), deren Grab wir eigentlich am nächsten Tag aufsuchen wollten. Doch waren ihre Reliquien nach der Auflösung des Klosters St. Pierre d’Albigny vor drei Jahren nach Marclaz bei Thonon-les-Bains übertragen worden, und zu einem Abstecher dorthin fehlte uns heute die Zeit.
4. Am Abend erreichten wir dann in Annecy-le-Vieux unser Quartier, ein kirchliches Bildungshaus – in der weitläufigen 20.000-Einwohner-Gemeinde mit dem Bus nicht schnell erreichbar. Annecy-le-Vieux liegt am Berghang nordöstlich der Stadt Annecy an der Stelle eines Landgutes des Römers Annicius und gab der anfangs des 12. Jh. entstandenen Bischofstadt den Namen. Auf dem Friedhof des Ortes besuchten wir am nächsten Morgen die Grabstätte der Familie De Guigné, in der der Leib der verehrungswürdigen „kleinen Anna“ liegt. Anna de Guigné, 1911 hier geboren, hatte durch den Tod des Vaters im 1. Weltkrieg mit der hl. Erstkommunion zu einer innigen CHRISTUS-Beziehung gefunden und war am 14. Januar 1922 nach kurzer Krankheit in der Wintervilla der Familie in Cannes gestorben.
5. Südlich über Annecy ist weithin die Heimsuchungs-Basilika zu sehen. Für die Schreine der Heiligen Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal 1922-1930 mit einem Schwesternkloster erbaut (das sich früher mitten in der Stadt befand), beeindruckt das große Apsis-Mosaik – die Geheimnisse der hlst. DREIFALTIGKEIT und der Erlösung zugleich darstellend. Franz von Sales (*1567) war nach einer durch die Hingabe an die GOTTESmutter beendeten Krise (infolge der calvinischen Vorherbestimmungslehre) 1594 Priester geworden und hatte sich unter großen Mühen und Gefahren um die Rekatholisierung des Chablais, der Landschaft südlich des Genfer Sees, gemüht, schließlich mit großem Erfolg. 1599 wurde er Koadjutor und drei Jahre später Nachfolger des in Annecy residierenden Bischofs von Genf. Konsequent führte er die Reformbeschlüsse des Konzils von Trient durch, war gesuchter Prediger und geistlicher Schriftsteller („Philothea“!). Am 28.12.1622 starb er in Lyon. – Nach 1604 war er Seelenführer von Johanna Franziska von Chantal geworden, war mit ihr in einer geistlichen Freundschaft verbunden und gründete mit ihr 1610 den Orden der Heimsuchung Mariens (Salesianerinnen). Die Tochter des burgundischen Parlamentspräsidenten Frémyot (*1572) hatte in der Ehe mit Baron de Chantal sechs Kinder; als ihr Mann durch ein Jagdunglück starb, widmete sie sich ganz der Erziehung ihrer Kinder und bat GOTT um einen Seelenführer. Bei einer Predigt erkannte sie im Bischof von Sales den ihr verheißenen Seelenführer; vom Briefwechsel sind fast nur seine Briefe erhalten. Als sie auf einer Visitationsreise am 13.12.1641 in Moulins starb, hatte ihr Orden bereits 87 Niederlassungen. - Nach der Feier in der Basilika der Pilgermesse war Gelegenheit, das kleine Museum neben dem Klosterladen zu besuchen – mit Darstellungen und früheren Schreinen der beiden Heiligen, und auf dem Platz vor der Kirche mit Blick auf Stadt und See ein etwas frühes Mittagspicknick einzunehmen. Dann fuhren wir über Chambery, Grenoble und Gap – an den Bergen von La Salette vorbei – zum Marienwallfahrtsort Notre Dame du Laus.
6. Le Laus hatte erst im letzten Jahr Schlagzeilen gemacht, weil die Marienerscheinungen 1664 in einem offiziellen Akt vom Bischof von Gap-Embrun anerkannt wurden; zwar schien die Anerkennung schon seit langem gegeben, doch im Zug des Seligsprechungsverfahrens für die Seherin erwies sich dieses bischöfliche Dekret offenbar für notwendig (am 24.4.09 bestätigte der Hl. Vater den „heroischen Tugendgrad“). Der Wallfahrtort Le Laus liegt in den französischen Alpen in 910 m Höhe. In dem kleinen Dorf Saint-Etienne-le-Laus (damals St-Etienne d’Avancon) auf der gegenüberliegenden Talseite wurde Benoite Rencurel am 16.9.1647 geboren. Als 7-Jährige verlor sie ihren Vater, als junges Mädchen hütete sie für die Bauern des Dorfes Schafe. Vom Mai 1664 an (an der Stelle „Fours“ in der Nähe des Dorfes) erschien ihr zunächst vier Monate lang täglich eine „schöne Dame“, erst wortlos, dann das Mädchen erzieherisch auf die künftige Mission vorbereitend. Sie nannte sich dann die „Frau Maria“, die „Mutter JESU“. Nach einer Unterbrechung der Erscheinungen sah Benoite die GOTTESmutter dann wieder und wurde zur Kapelle „Le Laus“ gewiesen: „Ich habe meinen Sohn gebeten, mir Le Laus für die Bekehrung der Sünder zu geben, und Er hat meine Bitte erfüllt. Viele werden hier zu Ihm zurückfinden.“ Auf Scharen von Pilgern, kirchliche Befragungen, Heilungswunder (auch durch das Öl der Ewig-Licht-Lampe der Kapelle, wie Maria es verheißen hatte) folgte dann 1666-69 der Bau der Kirche, zu der Tausende Menschen strömten. Benoite gab auf Wunsch Mariens das Viehhüten auf und widmete sich dem Wallfahrtsdienst und einem Bußleben (über Jahre hin litt sie die Passion CHRISTI mit); sie erhielt die Gabe der Herzensschau, um die Sünder zur Beichte führen zu können (es kam vor, dass sie Pilger von der Kommunionbank zurückriss und aufforderte, nochmals zu beichten und diese oder jene verheimlichte Schuld zu bekennen!). Sie hatte zeitweise unter Feindseligkeiten der Jansenisten zu leiden, aber auch an Bedrängnissen durch den Teufel, wobei Engel ihr zur Seite standen und ihr die hl. Kommunion reichten. Am 28. Dezember 1718 ging Benoite 71-jährig heim. – Als wir am Nachmittag ankamen, war durch eine Baustelle die Buszufahrt zum Pilgerhaus versperrt, was uns Zeitverlust bereitete. So war keine Gelegenheit mehr, etwa zur Erscheinungsstelle „Pindreau“ zu wandern, doch konnten das Sterbezimmer Benoites und natürlich die Wallfahrtskirche über der „chapelle de Bon Recontre“ besucht werden. Nach dem Abendessen zeigte uns eine (aus Deutschland stammende) Schwester der „Benediktinerinnen von Sacré Coeur“, die seit Herbst 2008 in Le Laus tätig sind, ein Video über Ort und Geschichte (der deutsche Text hat leider einige sprachliche Schnitzer, und die deutschen Untertitel mancher Teile des Videos sind nur schwer ganz lesbar). Am folgenden Morgen feierten wir in der „Chapelle des Anges“ vor der Apsis der Kirche die hl. Messe. Hier befindet sich das einzige Gemälde von Benoite (mit der GOTTESmutter) aus der alten Zeit.
7. Nächstes Ziel war dann – nach mehrstündiger Busfahrt in Richtung Mittelmeer – die Stadt Saint-Maximin-la-Sainte-Baume nordöstlich von Marseille. Die Kleinstadt ist vor allem durch die Basilika Sainte-Madeleine bekannt – die größte gotische Kirche der Provence. Die Kirche neben dem „Königlichen Konvent“ (bis 1957 Dominikanerkloster) hat eine bis in frühchristliche Zeit zurückreichende Geschichte. An der Kirche wurde von 1295 bis 1532 gebaut, nachdem Prinz Karl von Salerno, Sohn Karls I. von Anjou und Bruder des hl. Ludwig, 1279 Ausgrabungen vornehmen ließ und dabei die Reliquien der hl. Maria Magdalena wiederfand, die einer Überlieferung nach anfangs des 8. Jahrhunderts zur Sicherung vor den Sarazenen vergraben wurden. In der heutigen Krypta der Basilika – beim Hinabsteigen kommt man an einer Steinskulptur der hl. Maria Magdalena vorbei – finden sich vier Steinsarkophage aus dem 4. (bzw. einer 5.) Jahrhundert, darunter der des hl. Maximin, und die Hauptreliquie der biblischen Maria Magdalena sowie ein Reliquiar mit einem Stück von der Stirn der Heiligen, wo der auferstandene CHRISTUS sie beim „Noli me tangere“ berührt habe; andere Reliquien von ihr sind nach der Broschüre von dort in einem Sarkophag auf dem Hochaltar. Die Basilika birgt ein herrliches Chorgestühl aus Nussholz mit 22 Reliefmedaillons, die die Heiligen und Seligen des Dominikanerordens abbilden, und eine recht große Barockorgel. In einer der zahlreichen Kapellen der Seitenschiffe findet man zwei Reliquienschränke mit vielen leeren Plätzen, da die Basilika 1793 geplündert wurde. Die Legende erzählt, dass ein steuerloses Boot mit den drei Marien (Maria Magdalena, Maria Kleophas und Maria Salome) sowie mit Lazarus und Martha und weiteren Heiligen bei Les-Saintes-Maries-de-la-Mar in der Provence an Land gestoßen sei. Maria Magdalena habe in einer Grotte (provencalisch ‚baoumo’) 30 Jahre ein asketisches Leben geführt und sei dann zum Sterben an den Ort St-Maximin (zum 1. Bischof der Gegend) gekommen und hier begraben worden. Allerdings entwickelte sich später ein Streit mit dem burgundischen Ort Vézelay, der die Reliquien Maria Magdalenas ab dem 8. Jahrhundert zu besitzen behauptete. Jedenfalls ist der provencalische Ort seit Jahrhunderten von der Verehrung der hl. Maria Magdalena geprägt und geheiligt – die Echtheit der Gebeine ist unwahrscheinlich (nach einem Zeugnis des Gregor von Tours [6. Jh.] ist sie in Ephesus begraben; ihre Reliquien kamen um 1100 nach Konstantinopel, könnten bei der Plünderung der Stadt durch Kreuzfahrer 1204 ins Abendland gekommen sein). Unklar ist ja auch die Person der hl. Maria Magdalena, die eine bestimmte Tradition mit der Schwester von Lazarus und Martha und mit der namenlosen Sünderin des Evangeliums gleichsetzt. Das Evangelium selber schildert uns Maria von Magdala als Frau, die JESUS von Dämonen befreite (Mk 16,9), die mit anderen Frauen JESUS und den Jüngern nachfolgte und sie unterstützte, die beim Kreuz und Begräbnis war (Mk 15,40ff); und Maria Magdalena ist insbesondere die erste Verkünderin der Auferstehung CHRISTI (Mk 16,1-8). – Unser Weg vom Parkplatz zur Basilika führte durch einen großen Markt mit vielen Ständen auf Plätzen und Straßen der Innenstadt. Für einen Besuch in der Grotte der hl. Maria Magdalena im weiter als vermutet entfernten Sainte-Baume-Massif (30 min Fahrtzeit, 20 min Aufstieg…) fehlte uns leider die Zeit, so dass wir uns nach der mittäglichen Stärkung am Bus weiter auf den Weg machten in Richtung Südwesten.
8. Vorbei an Nimes, Montpellier (hl. Rochus!) und Narbonne reisten wir nach Carcassonne – bei der Planung der Wallfahrtsroute eigentlich ohne Absicht gewählt, nur wegen des hier gefundenen Quartiers in einem Exerzitienhaus, das sich nun als früheres Kapuzinerkloster herausstellte (seit 1592) mit einer Kirche „Notre Dame de L’Abbaye“ aus dem 8. Jh., wo Papst Urban II. 1096 vor der Kreuzzugspredigt zelebriert hatte. Carcassonne, von dem Römern im 1. Jh. v. Chr. gegründet, bietet die Altstadt wie eine große Burg dar – eine Festungsstadt mit zwei Mauerringen, zwischen Westgoten und Chlodwig umkämpft, von den Mauren bis 751 gehalten und 793 kurzzeitig zurückerobert, im 12. Jh. ein Zentrum der Albigenser.
9. Wir fuhren am nächsten Tag weiter ins 100 km entfernte an der Garonne gelegene Toulouse, die viertgrößte Stadt Frankreichs (knapp 500.000). Die Römer hatten 106 v. Chr. die keltische Siedlung erobert und ausgebaut; im 3. Jh. christianisierte der hl. Saturnin (Bischof und Märtyrer, 29.11.), an den die große romanische Basilika Saint Sernin (11. Jh.) erinnert. Die Kathedrale von Toulouse, St. Etienne, ist gotisch (11.-17. Jh.), und ebenso die Kirche des alten Dominikanerklosters Les Jacobins, die wir aufsuchten, weil sich in ihr seit 1369 die Reliquien des hl. Thomas von Aquin befinden. (Übrigens: Die „Jakobiner“ der französischen Revolution hatten den Namen von ihrem Versammlungsort im Dominikanerkloster S. Jacques in Paris.) Die Toulouser Kirche wurde im 13. und 14. Jh. vollkommen aus roten Ziegelsteinen hergestellt; berühmt ist die „Palme“, eine Säule, die mit 22 Rippen das kunstvolle gotische Deckengewölbe im Chor stützt. Thomas von Aquin, der herausragende Theologe und tieffromme Heilige, 1225 auf der väterlichen Burg Rocasecca bei Montecassino geboren, war gegen den Widerstand seiner Familie in den jungen Dominikanerorden eingetreten, hatte bei Albertus Magnus in Paris und Köln studiert und in Paris, Rom, wieder Paris und Neapel gelehrt. Auf dem Weg zum Konzil von Lyon starb er am 7.3.1274 in Fossanuova südöstlich von Rom; 1323 wurde er heiliggesprochen und 1369 seine Gebeine nach Toulouse überführt.
10. Etwa 20 km westlich von Toulouse liegt der Ort Pibrac, wo wir an diesem Tag die heilige Messe feierten: bei den Reliquien der hl. Germana Cousin, einer Halbwaise, die viel Misshandlung zu erdulden hatte, aber in inniger Vereinigung mit dem eucharistischen HEILAND lebte und am 15. Juni 1601 22-jährig auf ihrem Strohlager im Viehstall starb. 1644 fand man ihren Leib unverwest; es entwickelte sich eine große Verehrung, so dass 1967, zur Hundertjahrfeier der Heiligsprechung, eine neuromanisch-byzantinische Basilika eingeweiht wurde, die mit der Pfarrkirche St-Sauveur et Sainte Marie-Madeleine, in der der Reliquienschrein der Heiligen steht, durch eine baumgesäumte Esplanade verbunden ist (vgl. dazu „Das Porträt“!).
11. Nach der Mittagsrast am Parkplatz im Zentrum von Pibrac waren es dann gut 200 km bis Lourdes, das wir aber zunächst nur berührten, um zum etwa 15 km entfernten Bétharram zu fahren, einem früher vielbesuchten Marienheiligtum, wo der hl. Michel Garicoits gewirkt und die Kongregation der „Priester des hl. Herzens JESU“ gegründet hat. Als Menschen sich einem hellen Licht an einem Felsen näherten, sahen sie ein Bild der GOTTESmutter und bauten eine Kapelle, so wird der Ursprung überliefert. Von 1616 wird dann ein Wunder mit einem Holzkreuz auf einem Berg erzählt (und danach ein Kreuzweg erbaut, 1793 vernichtet, von Michel Garicoits 1840-45 erneuert), und ein drittes wunderbares Ereignis war die Rettung eines jungen Mädchens, das in das wirbelnde Wasser des Gave fiel, aber von Maria vor dem Ertrinken gerettet wurde, die ihr einen Zweig reichte. Betharram wurde zu einem bedeutenden Marienwallfahrtsort. In der barocken Marienkirche ziehen die Retabeln eines großen Hochaltars den Blick an, und Figuren der Heiligen Anna und Joachim, Elisabeth und Zacharias umgeben die Jungfrau mit dem Kind („Notre Dame du beau Rameau“ = „vom schönen Zweig“, im Dialekt: „bet arram“). An die Marienkirche schließt die neue Kapelle des hl. Michael an (1925) – mit dem Reliquienschrein des hl. Michel Garicoits unter einer Kuppel mit einem bunten runden Glasfenster. In weiteren Räumen befindet sich ein Museum mit Bildern, Paramenten und zahlreichen vielfältigen Objekten künstlerischer, historischer und geologischer Art, die offenbar von den Missionaren der Kongregation in aller Welt gesammelt wurden. Ein freundlicher Mann führte uns auch ein Stockwerk höher in einen Kapellenraum, an den das Sterbezimmer des hl. Michel anschließt.
Michael Garicoits wurde 1797 in Ibarre (Südwest-Frankreich, unweit der spanischen Grenze) in einer treukatholischen Landfamilie in den Wirren der Französischen Revolution geboren. Seine Erstkommunion mit 14 Jahren ließ ihn die Berufung zum Priestertum erkennen, doch nur mit Hilfe des Pfarrers konnte er trotz der Armut die Ausbildung erhalten. 1823 in Bayonne zum Priester geweiht, wurde er bald Theologieprofessor und Leiter des Priesterseminars von Betharram, das dann aber verlegt wurde. Er bekämpfte die gallikanischen und jansenistischen Strömungen in der Kirche Frankreichs, sammelte eine Gemeinschaft um sich zur Betreuung der Pilger, für Exerzitien und für die Erneuerung und Ausbreitung des Glaubens. Er war einer der ersten Priester, die an die Echtheit der Erscheinungen Mariens 1858 in Lourdes glaubten – er kannte Bernadette, die öfters nach Betharram pilgerte. Am 14.5.1863 starb er; 1923 wurde er selig- und 1947 heiliggesprochen. Die Ordenssatzungen, an die der Jesuiten angelehnt, wurden schließlich unter seinem 2. Nachfolger in der Ordensleitung, August Etchécopar (1830-1897, Seligsprechungsprozess eingeleitet) von Rom anerkannt. Dabei spielte auch die selige Miriam von Abelin (1846-1875) eine Rolle, die ja einige Zeit in Südfrankreich war und 1867 bei den Karmelitinnen von Pau eintrat.
12. Am späten Nachmittag bezogen wir dann unser Hotel in Lourdes. 1858 war hier zwischen 11. Februar und 16. Juli die allerseligste Jungfrau 18mal der vierzehnjährigen Bernadette erschienen, hatte zur Buße aufgerufen und sich als die „Unbefleckte Empfängnis“ bezeichnet, und seither sind viele Millionen Menschen hier gewesen, darunter viele Leidende, und nicht wenige haben sich des Wassers aus der Quelle bedient, die Bernadette auf Weisung Mariens freilegte. Von etwa 30.000 berichteten Heilungen wurden 2.000 von der Ärztekommission als „medizinisch unerklärlich“ bezeichnet, und davon wiederum hat die Kirche 67 als Wunder anerkannt. – Wir hatten nach dem Abendessen die Möglichkeit, an der Lichterprozession um 21 Uhr teilzunehmen. Allerdings endete sie in einem (Gewitter-)Regen, der auch am folgenden Tag immer wieder Feuchtigkeit von oben brachte. Unsere Pilgermesse feierten wir an diesem Herz-JESU-Freitag – weil das Jahr nach dem Jubiläumsjahr von Lourdes dem „Weg der Bernadette“ gewidmet ist – zu Ehren der hl. Bernadette Soubirous (1844-1879, heiliggesprochen 1933, Gedenktag 16. April), und zwar in der St.-Gabriel-Kapelle neben der „Krypta“ (der mittleren der drei Kirchenebenen, 1866 eingeweiht). Darüber steht die 1866-1871 erbaute Basilika von der Unbefleckten Empfängnis, und darunter die Rosenkranzbasilika, an deren Fassade erst vor kurzem neue Mosaike angebracht wurden, die die lichtreichen Rosenkranzgeheimnisse darstellen – im Innern der Basilika stellen ja 15 Seitenkapellen die 15 bisherigen Rosenkranzgeheimnisse dar. Nach unserer hl. Messe war Zeit für unsere Pilger zum persönlichen Gebet und dazu, sich im Heiligen Bezirk umzuschauen – etwa ans andere Gave-Ufer hinüberzugehen, wo die 1989 erbaute moderne St.-Bernadette-Kirche mit der angebauten Anbetungskapelle steht, daneben das der Grotte von Massabielle gegenüberliegende Gelände mit einem Freialtar, mit Kreuzwegstationen (2003-2008) für die Kranken, mit einem „Wasserweg“ von 9 Stationen und dem Anbetungszelt. Hinter der Grotte – wo viele Pilger sich zur hl. Messe eingefunden hatten - sind die Bäder, wo von 9-11 und 14-16 Uhr die Möglichkeit war, ins heilende Wasser von Lourdes einzutauchen. Um 11.30 Uhr beteten jene unserer Pilgergruppe, denen dies möglich war, bei leichtem Nieselregen entlang der großen Kreuzwegstationen am Berg oberhalb der Basilika der Unbefleckten Empfängnis den Kreuzweg. Auch der Nachmittag konnte nach freiem Ermessen verbracht werden, etwa um die frühere Wohnung der Soubirous, die Mühle Boly, zu besuchen, das Cachot – wo die Familie 1856 bis 1858 im ehemaligen Gefängnisraum wohnte –, und die 1903 eingeweihte Pfarrkirche (mit dem Taufbecken der alten Kirche). Um 17 Uhr begann die tägliche Eucharistische Prozession mit Krankensegnung – wegen des Regens als Feier mit Gebeten und Liedern vor dem ausgesetzen Allerheiligsten in der unterirdischen großen Basilika Pius X. von 1958. Viele begaben sich auch am Abend nochmals zum Hl. Bezirk, um mit Regenschirm und Kerze an der Lichterprozession teilzunehmen.
Am nächsten Morgen – Herz-Marien-Samstag – feierten wir früh die hl. Messe in derselben Kapelle, diesmal als Messe zu Unserer Lieben Frau von Lourdes, und verstauten dann nach dem Frühstück unser Gepäck wieder in unserem Pilgerbus. (Ein Hinweis: Im Ordner mit den deutschsprachigen Messtexten, der den Priestern zur Verfügung gestellt wird, fand sich auch als klarstellender Hinweis vor der Kommunionspendung dieser Satz: „Eingeladen zum Empfang der hl. Kommunion sind alle katholischen Christen, die dazu berechtigt sind.“)
13. Dann ging es auf der Autobahn über Toulouse nordwärts. Ein ursprünglich geplanter Abstecher in die Bischofsstadt Cahors, wo wir am Grab des sel. Bischofs Alanus de Solminihac (1593-1659) die hl. Messe feiern wollten, scheiterte an einer Firmmesse dort. So kamen wir am frühen Nachmittag in Rocamadour an, hielten Mittagspicknick am Bus und durchstreiften dann den kleinen Ort, über dem sich wie an den Kalkfelsen geklebt das alte Heiligtum befindet. Mit dem Aufzug ersparten wir uns den Weg über die „Grand Escalier“ und besuchten die Erlöser-Basilika mit der angebauten Kapelle Notre Dame (und davor am Felsen das ehemalige Grab des hl. Amadour), einige weitere Kapellen; in der des hl. Amadour wurde – inmitten dieses Touristenortes – das ausgesetzte Allerheiligste angebetet. Die Überlieferung berichtet von der Auffindung des erhaltenen Leichnams des Amadour im Jahr 1166, in dem die Legende den Zachäus des Evangeliums sieht, dem die GOTTESmutter aufgetragen habe, nach Gallien zu gehen. Noch im 16. Jh. war der unversehrte Leichnam offenbar erhalten, danach scheint er zerstört worden zu sein. Heilige und Könige werden unter den zahlreichen Wallfahrern der Jahrhunderte genannt. Seit dem 17. Jh. ist das Gnadenbild der „Schwarzen Jungfrau“ mit dem JESUSkind bezeugt.
14. Etwa 20 km östlich der Stadt Limoges – ein Kutschentyp der Gegend gab der Auto-„Limousine“ den Namen! – liegt der Ort Saint-Léonard-de-Noblat mit der romanischen Stiftskirche (11./12. Jh.), die dem hl. Leonhard geweiht ist. Sein Grab findet sich im südlichen Seitenschiff; dort sind auch Ketten angebracht. Für die Reliquien ist der Schrein auf dem Hochaltar (18. Jh.) unter der Statue des Heiligen bestimmt (nach dem Prospekt seien sie heute in einer Glasvitrine neben der Sakristei). Über das Leben des Heiligen; der am 6. November gefeiert wird, gibt es kaum sichere Nachrichten; er lebte als Einsiedler wohl im 6. Jh. Eine Vita aus dem 11. Jh. lässt ihn aus einem fränkischen Adelsgeschlecht stammen, der Schüler des hl. Bischofs Remigius gewesen sei. Neben vielen Wundern wird ihm besondere Fürsorge für Gefangene zugeschrieben, und von den Votiv-Ketten her entwickelte sich wohl das Patronat für Vieh (Leonhardi-Ritte etc.).
15. Quartier bezogen wir dann in Lussac außerhalb von St-Léonard in einem von Augustinerinnen geführten Bildungshaus. In der Hauskapelle feierten wir auch am DREIFALTIGKEITSsonntag die hl. Messe, um dann quer durch Frankreich bis in die Nähe von Besancon zu fahren, allerdings mit den zwei Stationen Paray-le-Monial und Dijon. Der Sonntagnachmittag in Paray-le-Monial war sehr ruhig. Von der Herz-JESU-Basilika (früher Notre Dame), der im 11./12. Jh. etwa gleichzeitig mit Cluny in burgundisch-romanischem Stil erbauten Pfeilerbasilika wanderten wir zur Kapelle des Heimsuchungsklosters. Hier war 1671 die 24-jährige hl. Margareta Maria Alacoque eingetreten; in die ersten Ordensjahre fielen die großen Herz-JESU-Visionen, die wichtigste zur Einführung des Herz-JESU-Festes am 16.6.1675. In vielen Missdeutungen und Prüfungen fand die Margareta Maria Stärkung und Hilfe, als P. Claudius de la Colombière, oder örtliche Jesuitenobere, ihr Seelenführer wurde. Unter einer neuen Oberin konnte die Seherin das Anliegen im Orden verbreiten; am 16. Oktober 1690 starb sie mit 43 Jahren (1864 selig-, 1920 heiliggesprochen). Der Schrein mit dem Leib der Heiligen steht in einer kleinen Kapelle rechts in der Erscheinungskapelle; über dem Hauptaltar zeigt ein Gemälde die Heilige im Kreis anderer Herz-JESU-Verehrer vor dem ihr erscheinenden HERRN. Nächstes Ziel war die Kapelle „La Colombière“, dessen Reliquien hier in einem Glasschrein ruhen (nach der Seligsprechung von 1929 bis 1932 gebaut; die Heiligsprechung von Claude de la Colombière war 1992). Der Jesuit stammte aus Südfrankreich (*1641), war 1658 in den Orden eingetreten und 1669 zum Priester geweiht; 1675 wurde er erster SJ-Oberer in Paray. Doch schon 1676 wurde er ins anglikanische England gesandt als Prediger am Hof des (katholischen) Herzogs von York. 1678 unschuldig der Beteiligung an einem Komplott gegen König und Parlament beschuldigt, wurde er eingekerkert, was seine Gesundheit zerrüttete. Zwar wurde er bald wieder freigelassen, doch starb er, nach Frankreich zurückgekehrt, bereits am 15.2.1682. Mosaike und Fenster seiner kuppelüberwölbten Grabkapelle zeigen ein Herz-JESU-Bild, biblische Motive und Jesuitenheilige (neben dem hl. Claudius u. a. Franz von Sales, Francois Regis, Aloisius von Gonzaga und Stanislaus Kostka). Manche aus der Pilgergruppe fanden auch zur Kapelle St. Jean hinter der Basilika, wo das Allerheiligste zur Anbetung ausgesetzt war.
16. In Dijon, der historischen Hauptstadt Burgunds, mit etwa 150.000 Einwohnern, suchten wir in der Innenstadt die Kirche Saint-Michel auf, die größte Pfarrkirche der Stadt, ein spätgotischer Bau (1497-1525). Im nördlichen Querhaus findet sich, in die Wand eingelassen, der Schrein mit den Reliquien der seligen Elisabeth Catez von der hlst. DREIFALTIGKEIT. 1880 wurde sie als Tochter eines Offiziers geboren und wuchs in Dijon auf; sie war musisch sehr begabt, gewann als Dreizehnjährige den 1. Preis für Klavier am Konservatorium. Aber die Hingabe an CHRISTUS war stärker als der Wunsch nach einer Karriere als Pianistin, so dass sie 1901 in den Karmel von Dijon eintrat und 1903 ihre Gelübde ablegte. Schon am 9. November 1906 vollendete sich ihr Leben nach einem einjährigen Leiden an der Addison-Krankheit. Wie die hl. Therese von Lisieux war sie überzeugt, nach ihrem Tod vom Himmel aus eine Mission zu haben; 1984 wurde sie seliggesprochen. Ihre rekonstruierte Zelle und andere Erinnerungsgegenstände findet man im heutigen Karmel in Flavignerot bei Dijon, ihre Gebeine aber in der Kirche St-Michel in Dijon.
17. Die letzte Übernachtung auf unserer Wallfahrt war im „Foyer Sainte-Anne“, einem Exerzitienhaus in Montferrand-le-Chateau nahe Besancon, und die letzte hl. Messe feierten wir am folgenden Tag in der Wallfahrtskirche Maria Linden in Ottersweier (bei Baden-Baden): Ein Marienbild, in der Höhlung einer Linde von der Baumrinde umwachsen, machte mit lieblichem Gesang auf sich aufmerksam, so dass der Vater eines Hirtenmädchens beim Fällen des Baumes das Bild freilegte. Einer Holzkapelle folgte 1484 mit Erlaubnis des damals zuständigen Bischofs von Straßburg dort, „wo die Jungfrau Maria sich durch Wunder bereits geoffenbart hat“, ein Kirchenbau, auf den der gotische Chor der heutigen barocken Wallfahrtskirche zurückgeht (1756-64 unter den damaligen Wallfahrtsseelsorgern aus dem Jesuitenorden).
Nach Maria Linden verließen uns die ersten der Pilger; die übrigen erreichten am späten Nachmittag den Ausgangspunkt München: Die Wallfahrt hatte unter anderem zu einigen bei uns ziemlich unbekannten Heiligen geführt, war aber insgesamt besonders unter marianischem Vorzeichen gestanden: Le Laus, Lourdes, Rocamadour, Maria Linden… Als „Mutter der Kirche“ geht die allerseligste Jungfrau uns ja auf unserem Pilger-Lebensweg voraus, mütterlich besorgt um das leibliche und mehr noch um das seelische Heil!