(FMG-INFORMATION 107, Dezember 2012)

 

 

Entlarvender Relativismus

 

von Edward P. Sri

 

 

Die Zeitschrift der amerikanischen Vereinigung „Catholics United for the Faith“, Lay Witness, veröffentlichte in der Nummer vom Juli/August 2012 einen Artikel von Edward P. Sri, College-Leiter und Professor für Theologie und Hl. Schrift am Augustinus-Institut in Denver, Colorado (www. augustineinstitute.org) und Buchautor. Er lebt mit seiner Frau und sechs Kindern in Littleton, Colorado. Wir haben in der Vergangenheit schon den einen oder anderen Aufsatz von Sri in deutscher Übersetzung übernommen (vgl. FMG-INFORMATION 89/28ff, 96/28ff, 100/29f und 101/26f.), weil wir seine klare und spritzige Feder schätzen. Diesmal schildert er ein Gespräch mit einem jungen Mann, der einen moralischen Relativismus vertrat.

 

 

»„Dr. Sri, Sie halten mich also für einen Relativisten?“ - Das war die seltsame Frage, die mir vor Jahren in New York City auf einer katholischen Tagung gestellt wurde. Ich hatte gerade mei­nen Vortrag zum Thema ‚moralischer Relativismus‘ beendet, als ein energischer junger Mann mich inmitten einer Menge von etwa 1000 Tagungsteilnehmer stellte. Er schwenkte einen Spiralblock in der Hand und zeigte mir aufgeregt die vielen Notizen, die er während meines Vortrages gemacht hatte. Er bedankte sich für meinen Vortrag; und dann, vor den Augen mehrerer Dutzend Leute, die um uns herumstanden, begann er seine ungewöhnlichen persönlichen Fragen zu stellen.

„Ihr Vortrag hat mich neugierig gemacht, ob ich vielleicht selber ein Relativist bin. Was meinen Sie?“

„Nun, ich kenne Sie ja doch gar nicht“, antwortete ich, unsicher, was ich denn darauf sagen sollte. „Aber Sie sind doch hier auf einer katholischen Veranstaltung.  Sind sie ein praktizierender Katholik?“

„Ja, ich bin Katholik“, sagte er. „Ich gehe zur heiligen Messe, ich gehe zur eucharistischen Anbetung und ich besuche auch gern solche Tagungen wie diese.“

„Gut. Und glauben Sie auch alles, was die Kirche lehrt? Neh­men wir mal ein große aktuelle moralische Frage: Glauben Sie, dass Abtreibung falsch ist?“

„O ja, für mich ist Abtreibung auf jeden Fall falsch.“

Diese zwei kleinen Worte „für mich“ wirkten auf mich wie ein rotes Tuch. Ich fragte nach.

„Was meinen Sie, wenn Sie sagen, die Abtreibung sei falsch für Sie? Denken Sie nicht, dass Abtreibung für einen jeden falsch ist?“

„Nun, ich denke, Abtreibung ist schrecklich: Ich bin dagegen“, sagte er. „Aber das ist meine Wahrheit. Wenn ein anderer denkt, Abtreibung sei okay, ist das seine Wahrheit. Auch wenn ich Abtreibung nicht mag, meine ich, für ihn würde sie okay sein.“

Seine Antwort machte eines sehr deutlich, und ich sagte es ihm auch: „Sie sind ein Relativist, wenn Sie so denken.“ Wir be­gannen nun eine hitzige Debatte darüber, ob das Baby im Mutterschoß in der Realität ein Baby sei oder nur nach seiner persönlichen Ansicht. Aber das führte nicht viel weiter. Der jun­ge Mann hielt daran fest, dass das Baby „für ihn“ ein unschul­diges menschliches Wesen sei, aber dass es für andere nicht so sein könne. Also wechselte ich das Thema, um etwas anzu­sprechen, das ihn persönlicher betraf.

„Sie sagen, Sie gehen zur heiligen Messe und zur eucharis­tischen Anbetung. Glauben Sie, dass JESUS wirklich gegen­wärtig ist in der heiligen Eucharistie?“

„Ja, das glaube ich. Ich gehe gern zur Anbetung.“

„Was würden Sie dann denken, wenn jemand die heilige Eucharistie entweiht? Wäre das denn moralisch falsch?“

„O, ja, für mich wäre die Entweihung der heiligen Eucharistie sehr schlimm.“

„Was meinen Sie mit für mich? Wäre es nicht ein großes moralisches Übel, wenn irgendjemand die heilige Eucharistie ent­weiht?“

„Ich würde es hassen, wenn jemand dies täte. Das wäre schrecklich… Aber ich glaube, es ist schrecklich, weil ich ein Katholik bin und an die Realpräsenz glaube. Wenn jemand ein Atheist wäre und nicht an die heilige Eucharistie glaubte, wäre es nichts Böses.“

 

Die „zwei Türme“

Seine Antwort intensivierte noch mehr das Gespräch. Ich war entsetzt über das, was er sagte! Dutzende weiterer Personen um uns herum hörten sich diese eskalierende Debatte an. Wir befanden uns in einem Konferenzzentrum in Newark, New Jersey, und standen dort in der großen Eingangshalle mit großen Fenstern, mit Blick über den Hudson River nach Manhattan. Der 11. September mit seinen Terroristenangriffen war gerade mal zwei Jahre her. Ich wies mit dem Finger zum Fenster und sagte mit erhobener, ärgerlicher Stimme: „Schauen Sie hinaus: Es ist noch nicht lange her, da standen dort drüben im unteren Manhattan zwei Türme, und Terroristen rasten mit Flugzeugen in diese Gebäude. Tausende von Menschen star­ben an diesem Tag. Sind Sie bereit, vor ein Kind hinzutreten, das seine Mutter oder seinen Vater im World Trade Center verloren hat, ihm in die Augen zu schauen und ihm zu sagen, dass das, was die Terroristen getan hatten, nicht falsch ge­wesen war, weil die Terroristen dachten, ‚für sie“ sei das etwas Gutes gewesen? Könnten Sie das wirklich tun?“

Er war sichtlich erschrocken über dieses Szenarium und er­widerte nervös; „O! - Das ist…, das ist etwas sehr Persönliches. Ich habe an diesem Tag Freunde verloren, die sich in den beiden Türmen befanden. O, das wäre wirklich schwer, sehr schwer.“ Und weiterhin stotterte er, was für ein schrecklicher Tag  dieser 11. September war.

„Es wäre für mich sehr, sehr schwer, das zu tun. Aber –  wenn ich ehrlich sein soll – ja, ich müsste diesen Kindern sagen, dass für die Terroristen es nicht falsch war, so zu handeln...“

Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Da war ein junger Mann auf einer katholischen Tagung, der die eucharistische An­betung mag und mir sagte, dass er den Kindern in die Augen schauen und ihnen sagen könnte, dass die Terroristen, die ihre Eltern getötet hatten, überhaupt nicht Falsches getan hatten. An diesem Punkt brauchte ich einen „Plan B“. Entsetzt antwor­tete ich ihm:

„Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich Ihnen dazu noch sagen könnte. Aber auf eine Sache, die Sie mir heute gesagt haben, möchte ich zurückkommen. Sie sagten, Sie lieben JESUS in der heiligen Eucharistie. Hier ist eine Anbetungskapelle, spezi­ell für diesen Kongress hergerichtet. Lassen Sie uns gemein­sam dort hingehen. Ich möchte, dass Sie zu JESUS in der heiligen Eucharistie gehen und Ihn betend fragen, ob Ihre relati­vistischen Ansichten gut sind.“

Er stimmte zu. Wir knieten uns beide im Anbetungsraum nieder und sprachen ein kurzes Gebet zusammen. Er dankte mir für das Gespräch und sagte, dass er hier eine Weile bleiben und beten werde. Als ich ihn verließ, bemerkte ich, wie er wieder seinen Spiralblock herausnahm und zu schreiben begann.

 

Eine Maske, um andere Absichten zu verbergen

Als ich am nächsten Tag die Schlussmesse dieser Tagung verließ, kam der junge Mann eilig auf mich zu und rief: „Dr. Sri, Dr. Sri!“ Und er schwenkte wieder seinen Spiralblock. Er zeigte mir alle Seiten, die er in der Anbetungskapelle in der vergange­nen Nacht aufgeschrieben hatte. „Ich war dort noch stunden­lang und hab geschrieben und geschrieben und nachgedacht über unser Gespräch. Ich bin so froh, dass ich Sie vor Ihrer Ab­reise noch angetroffen habe. Ich möchte Ihnen etwas sagen.“

Er holte Luft und begann, in ruhigem Ton zu sprechen. „Ich er­kannte letzte Nacht, dass ich nicht wirklich ein Relativist bin, Dr. Sri. Der einzige Grund dafür, dass ich versucht hatte einer zu sein, war…“ – er hielt etwas inne und schaute zu Boden, ehe er weitersprach. „Der einzige Grund dafür, dass ich versucht habe, ein Relativist zu sein, ist, dass ich in der Lage sein wollte zu sa­gen, dass vorehelicher Geschlechtsverkehr okay sei…“  Dann schaute er wieder auf, blickte mir direkt in die Augen und sagte: „Ich wollte in der Lage sein zu behaupten, dass vorehelicher Geschlechtsverkehr für mich okay ist...“

Welch ein ehrlicher, demütiger junger Mann! Ich war tief beein­druckt, wie er zugab, was tatsächlich hinter relativistischen Standpunkten lauert. Er hatte versucht, sein Geschlechtsver­halten zu rechtfertigen, und moralischer Relativismus war ein bequemer Weg dazu. Indem er für den Relativismus eintrat und leugnete, dass es eine wirkliche ethische Norm gibt, der alle fol­gen müssten, konnte er sein Gewissen beruhigen und sich für vorehelichen Geschlechtsverkehr entschuldigen. Dieser junge Mann hatte den Mut, dies zu erkennen, und begann seiner Sehnsucht zu folgen, fortan ein keuscheres Leben zu führen.

Aber nicht jeder Mensch ist bereit, sein Verhalten zu ändern und sich an GOTTES Moralgesetz zu halten. Viele andere würden es vorziehen, das moralische Gesetz überhaupt zu leugnen, um bei ihrem unmoralischen Verhalten zu bleiben. In welche Sünde auch immer sich ein Mensch verstricken kann – zum Beispiel Empfängnisverhütung, Pornografie, eheliche Un­treue oder vorehelicher Geschlechtsverkehr – , es ist leichter, ein Relativist zu sein und zu sagen, jeder kann seine persön­liche Moral selber gestalten, als seine Lebensführung zu än­dern und ein unmoralisches Verhalten aufzugeben.

Dies erinnert an das, was Papst Benedikt einmal sagte und „die Diktatur des Relativismus“ nannte. „Heute“, sagte er, „errichten wir eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig an­erkennt und deren letztes Ziel einzig aus dem Ego und den Wünschen des Menschen besteht.“ In diesem Sinne ist der erste Diktator bei einer relativistischen Sicht das eigene Ich. Und so dient der Relativismus oft nur als eine Maske, um die Selbstsucht zu überdecken oder eine bestimmte Sünde als vernünftig hinzustellen.

 

Wenn es ein bestimmtes Verhalten gibt, von dem man tief drinnen weiß, dass es falsch ist, das man aber nicht ändern will, dann ist moralischer Relativismus ein sehr attraktiver Stand­punkt, denn er befreit den Menschen, irgendeiner moralischen Norm folgen zu müssen! Er kann in seinem Leben weiterhin tun, was er will, und sich dabei okay fühlen, denn mit dem Relativismus kann er für sich selber entscheiden, was richtig oder falsch ist für sein Leben.

Das ist ein wichtiger Punkt, der heutzutage zu betonen ist: Für jene, die ihr Leben nicht in Einklang mit der Morallehre CHRISTI bringen wollen, ist der Relativismus eine sehr be­quemer Weg, um ihre Lebensweise zu rechtfertigen. In der Tat ist zumindest einer der Gründe, warum der Relativismus heute so populär ist, nicht, dass er ein gut durchdachtes, vernünftiges System der Ethik wäre, sondern weil er den Menschen erlaubt, ihre unmoralische Handlungen zu entschuldigen.«

 

 

 

Gerechte Gründe

 

Papst Paul VI. spricht in der Enzyklika „Humanae vitae“ von „gerechten Gründen“ 1, die es erlauben, in der Abfolge der Geburten Abstände einzuhalten und den ehelichen Verkehr auf die empfängnisfreien Zeiten zu beschränken – ein Verhalten, das nach den Worten des Lehramtes kein Eingreifen in den natürlichen Ablauf mit Empfängnisverhütungsmitteln bedeutet, sondern einen rechtmäßigen Gebrauch einer den Eheleuten „von der Natur gegebenen Möglichkeit“. In der Zeitschrift „Lay Witness“ (Juli/August 2012) der amerikanischen Vereinigung „Catholics United for the Faith“ findet sich der Artikel eines amerikanischen Ehepaars Jennifer und Greg Willits, der sich mit dieser Frage der „Gründe“ beschäftigt. Die Autoren sind Eltern von fünf Kindern, sie sind Buchautoren, betreuen eine tägliche Rundfunksendung und haben mehrere Apostolats­initiativen begründet.

 

 

Der Aufsatz von Jennifer und Greg Willits schildert zu­nächst die persönliche Vorgeschichte.

Im Jahr 1999 wendete sich Jennifer wieder voll der katholischen Kirche zu, wobei – so schreibt sie – sie sich „verpflichtete, entsprechend den Lehren CHRISTI und Seiner heiligen Katholischen Kirche zu leben, nicht gemäß der Klugheit der Welt“. Sie beide wollten daher mehr über die Lehre der Kirche zur Empfängnisregelung erfahren. Am liebsten wäre es ihnen gewesen – wie bei einer Hauptfigur in einem Film, die durch einen Kabelanschluss am Hinterkopf in Minutenschnelle „volle Kenntnis komplexer Pläne und der dafür notwendigen Fertig­keiten erlangte“ – sozusagen „wireless“ (kabellos) „in wenigen Minuten die gesamte Lehre CHRISTI und die Fähigkeit, sie in die Tat umzusetzen“, downloaden (herunterladen) zu können. Doch sie wussten, sie mussten es „auf die gute alte Art“ lernen – durch Lesen, Fragen. Sie nahmen an einem Kurs für Natür­liche Empfängnisregelung teil. Schockiert waren sie von der Weisung, die ersten dreißig Tage enthaltsam zu leben, damit die Frau zunächst einmal ihren Zyklus beobachten und auf­zeichnen konnte. Sie zweifelten, ob sie den Lehrer recht verstanden hätten, waren aber doch entschlossen, es zu versu­chen. „So begannen sehr schwierige dreißig Tage. Wir waren jung und auf der religiösen Ebene unreif; zudem hatten wir Jahre hinter uns, in denen wir mithilfe von Empfängnisverhü­tung Sex hatten, wann immer wir wollten.“ Es waren Wochen voll Spannungen und Leiden „bei Greg mehr körperlich, bei mir mehr psychisch“, doch sie „wuchsen mehr zusammen“, wie es ihnen versprochen worden war. „Diese herausfordernde Erfah­rung gab uns Zeit, die wertvolle Gabe unserer Geschlechtlich­keit mehr wertzuschätzen, und ebenso einander“. Und ihr Ler­nen ging auch nach dem ersten Kurs noch weiter mit dem Kennenlernen einer anderen NFP-Methode. „Wir haben jetzt immer noch regelmäßig Diskussionen und beten um den rich­tigen Zeitpunkt, um neues Leben in Ehrlichkeit und Würde willkommen zu heißen. Es ist unser Wunsch, GOTT in alle Aspekte unseres Ehelebens einzubeziehen. Wir achten auf den natürlichen Fruchtbarkeitszyklus meines Körpers und sind gleichzeitig für neues Leben offen; unsere Ehe ist nie besser gewesen.“

 

Dann wird die kirchliche Lehre zur natürlichen Empfängnis­regelung (NER) im Gegensatz zur Verhütung behandelt:

„Da ich nun unsere Verantwortung dafür verstehe, einander ganz zu lieben, bis hin zu unserer GOTTgegebenen Frucht­barkeit, sehe ich Verhütung als eine Krankheit, von der unsere Kultur befallen ist. Manche Methoden verändern den weiblichen Hormonhaushalt, andere sind Formen der Verstümmelung der Fortpflanzungsorgane, und wieder andere bauen physische Hindernisse für die Empfängnis auf. Aber alle haben dasselbe Ziel: die lebensspendende Liebe zu verhindern und die Emp­fängnis in eine unwillkommene und negative Folge umzu­definieren.“

Es sei doch wirklich ungerecht, ein unschuldiges Kind „als eine negative Folge“ zu bezeichnen. Schon die Psalmen nennen Kinder „eine Gabe des HERRN“ (Ps 127). Doch es sei eine falsche Vorstellung, die Kirche würde lehren, dass alle verhei­rateten Paare sich ständig fortpflanzen und riesige Kinder­zahlen haben müssten. Der Katechismus der Katholischen Kirche wird zitiert: „Die Empfängnisregelung stellt einen der Aspekte verantwortlicher Elternschaft dar. Auch wenn die Absicht der beiden Gatten gut ist, sind sie doch nicht berechtigt, sich sittlich unzulässiger Mittel zu bedienen (z. B. direkte Sterili­sation oder Verhütungsmittel).“ (KKK 2399).

GOTT habe „den weiblichen Zyklus so geschaffen, dass er ein erkennbares Zeitfenster der Fruchtbarkeit umfasst. Wenn ein verheiratetes Paar einen ernsten Grund hat, eine Schwanger­schaft zu vermeiden, leben sie einfach während der fruchtbaren Zeit, die vier bis neun Tage dauern kann, enthaltsam. Während dieser kurzen Zeit der Enthaltsamkeit bietet sich dem Paar eine wunderbare Möglichkeit, die Liebe zueinander auf einer nicht-sexuellen Ebene zu entdecken.“ 2

 

Die Frage nach den „gerechten Gründen“

Jennifer Willits stellt zunächst fest, dass „ernsthaft“ 3 ein rela­tives, je nach Situation unterschiedlich deutbares Wort sei. Die Gründe für Enthaltsamkeit könnten von Ehepaar zu Ehepaar stark variieren. „Die Inanspruchnahme geistlicher Führung durch einen Priester, der die Lehre der Kirche kennt und unter­stützt, zusätzlich zur Verwendung von Hilfsmitteln wie dem Ka­techismus der Katholischen Kirche, wird Paaren verstehen helfen, ob ihre persönlichen Gründe zur Vermeidung einer Schwangerschaft tatsächlich ernst sind und nicht ihrer Selbst­sucht entspringen. Die entscheidende Frage, die sich ein Paar stellen muss, ist: ‚Warum würden wir diesen Monat neues Leben nicht willkommen heißen?’ Dann sollte das Paar die Ant­wort auf egoistische Motive überprüfen.“

„Falls hinter dem Grund nicht mehr steckt als ‚momentan keine Lust auf ein Kind’, könnte es sein, dass das Paar aus falschen Gründen eine Schwangerschaft vermeidet. Die Kirche kann in diesem Punkt keine absoluten Gründe anbieten, denn keine Liste von Gründen wäre auf alle Fälle anwendbar, die sich bei verschiedenen Paaren ergeben könnten. Die Kirche kann nur mit einigen Beispielen die Richtung vorgeben, wie z. B. die kör­perliche und seelische Gesundheit der Mutter und die schlechte finanzielle Situation. Falls es rechtmäßige Gründe so wie diese gibt, ist das Paar gerechtfertigt, die Natürliche Empfängnis­regelung anzuwenden.“

Jennifer Willits war anfangs verärgert, weil sie meinte, die Kir­che versuche sie „zu zwingen, mehr Kinder zu haben als ich glaubte großziehen zu können“, doch nach einiger Zeit verstand sie, dass die Kirche einfach wollte, dass „ich zur Ruhe komme, dafür offen bin, GOTT meine Fruchtbarkeit anzuvertrauen, und mit dem Fruchtbarkeitszyklus meines Körpers zusammenarbei­te. Mit der rechten inneren Einstellung enthaltsam zu leben, während man im häufigen Gebet erkennt, dass das Aufziehen eines Kindes jetzt nicht klug wäre, wird zur perfekten Familiengröße führen.“

Dazu gehöre das Wissen, dass es manchmal doch zu einer Empfängnis kommen könne, obgleich das Ehepaar sie vermei­den wollte. Es gebe verschiedene Gründe dafür – dass das Paar nicht genügend in NER unterrichtet sei, dass die Frau sich bei der Beobachtung des Zyklus irre, dass vielleicht häufige Reisen dies schwierig machten… „Wie auch immer, falls es zu einer Schwangerschaft kommt, führt uns die katholische Lehre zur richtigen Antwort: auf GOTTES Vorsehung zu vertrauen und das neue Leben als ein Geschenk anzunehmen. Das ist gerade der Kern der Offenheit für neues Leben.“

Das Ehepaar Willits habe „bis heute vier ungeplante Schwangerschaften in unserer Ehe erlebt. Mit anderen Worten, uns wurde viermal die Gelegenheit gegeben, auf diese lebensverändernde Neuigkeit zu antworten. Unsere Reaktion auf jede dieser Überraschungsschwangerschaften war peinlicherweise dieselbe – Schock, gefolgt von einer kurzen Zeit der Nieder­geschlagenheit, da wir uns nicht für ein weiteres Kind bereit fühlten. Aber jedes Mal wandten wir uns zumindest mit unseren Sorgen im Gebet an unseren VATER. Danach konnten wir unsere Niedergeschlagenheit in freudige Erwartung in Hinblick auf das neue Leben wandeln. Aber die bloße Offenheit für das Leben bedeutet nicht, dass wir eine Garantie hatten, es zu be­kommen.“ Drei dieser vier überraschenden Schwangerschaften hätten in Fehlgeburten geendet, wo es jeweils nicht leicht ge­wesen sei, darin GOTTES Güte zu erkennen. In der Rückschau auf diese schweren Momente würden sie die Führung GOTTES erkennen. „Wir werden nie genau wissen, warum GOTT sich entschieden hat, diese neu geschaffenen Seelen zu sich zu­rückzurufen, aber eine Tatsache ist uns klar: Er gewährte mir das Privileg, sie in meinem Mutterleib willkommen zu heißen und ihnen ein Zuhause zu geben. Er gab mir die Möglichkeit, eine Bindung zu diesen Kindern aufzubauen, wenngleich nur jeweils für zwei Monate. Er gab mir die Möglichkeit, aufs Neue Seine schöpferische Kraft zu bestaunen. Anstatt diesen drei Kindern unzählige Jahre Mutter zu sein, wurden mir acht wun­derbare Wochen gegeben. Acht Wochen, die ich für den Rest meines Lebens wertschätzen werde.“

Zur großen Freude und Überraschung habe ihnen die dritte „un­geplante“ Schwangerschaft ein schönes, gesundes Mädchen geschenkt, ihr fünftes Kind nach vier Buben. Sie habe durch ihre Gegenwart reine und unschuldige Freude in die Familie gebracht, und „all die Gründe, die damals gegen eine Schwan­gerschaft sprachen, erwiesen sich später als vollkommen unbegründet.“

Jennifer: „Wer bin ich, dass ich sagen könnte: ‚Die Zahl der Kin­der in meiner Familie soll zwei (oder vier oder sechs) nicht übersteigen’? GOTT kennt die ideale Kinderzahl für meine Familie, genauso wie für Ihre Familie. Er bittet uns nur, Ihm gehorsam zu sein und Ihm diesen Teil unseres Lebens anzuver­trauen.

Die Natürliche Empfängnisregelung bedeute nicht eine Aus­richtung an einer „Liste von Regeln“, sondern „GOTT zu lieben und in unserer Familienplanung mit Ihm zusammenarbeiten zu wollen. Dadurch öffnen wir uns für Seinen Segen und für Gnaden, die uns Freude bereiten in dieser von der Sünde ge­zeichneten Welt und uns helfen, alle Herausforderungen zu meistern, die das Aufziehen von Kindern bringen mag. Einfach gesagt, wenn wir Ihm in allem gehorchen und vertrauen, sogar im Bereich unserer Fruchtbarkeit, wird Er Seine liebende Vor­sehung walten lassen.“

 

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Anmerkungen:

1 Zur Formulierung „gerechte Gründe“: In der deutschen Fassung, wie sie sich auch z. B. auf der Internetseite des Vatikans findet, sind die be­treffenden Sätze in Nr. 16 der Enzyklika ‚Humanae vitae’ (HV) so über­setzt: „Wenn also gerechte Gründe dafür sprechen, Abstände einzuhalten in der Reihenfolge der Geburten – Gründe, die sich aus der körperlichen oder seelischen Situation der Gatten oder aus äußeren Verhältnissen ergeben –, ist es nach kirchlicher Lehre den Gatten erlaubt, dem natürlichen Zyklus der Zeugungsfunktionen zu folgen, dabei den ehelichen Verkehr auf die empfängnisfreien Zeiten zu beschränken und die Kinderzahl so zu planen, dass die oben dargelegten sittlichen Grundsätze nicht verletzt werden.“

Und weiter, noch in Nr. 16, heißt es dann: „Jedoch ist zu bemerken, dass nur im ersten Fall die Gatten sich in fruchtbaren Zeiten des ehe­lichen Verkehrs enthalten können, wenn aus berechtigten Gründen keine weiteren Kinder mehr wünschenswert sind…“

Noch zweimal kommen in HV Nr. 16 „Gründe“ vor: einmal „gute“ Grün­de, sei es für Verhütung, sei es für natürliche Empfängnisregelung; das andere Mal heißt es – nach der offiziellen 1968 von den deutschen Bischöfen approbierten Übersetzung –, dass für die Verhütung „immer wieder ehrbare und schwerwiegende Gründe“ angeführt würden. Der lateinische Originaltext sagt aber hier: „probabiles rationes“ bzw. „argu­menta quae honesta et gravia videantur“; die englische, französische und italienische Fassung lautet ebenso: „may appear to be upright and serious“, „peuvent paraitre honnétes et sérieuses“, „possano apparire oneste e gravi“ – also „Argumente, die scheinbar ehrbar und schwer­wiegend sind“. Während die Gründe, die laut „Humanae vitae“ für die Verhütung ins Feld geführt werden, also durchaus skeptisch gesehen werden, müssen die „Gründe“, die die natürliche Empfängnisregelung moralisch legitimieren, „iustus - gerecht, rechtmäßig, wohlbegründet, triftig“ sein.

2 Das 2. Vatikanum (Gaudium et spes, 50) sagt, dass die Eheleute an der Liebe des Schöpfers mitwirken und bezüglich der Größe der Familie „in einer auf GOTT hinhörenden Ehrfurcht durch gemeinsame Über­legung versuchen (müssen), sich ein sachgerechtes Urteil zu bilden… (und es) im Angesicht GOTTES … letztlich selbst fällen, … nicht nach eigener Willkür, (sondern indem) sie sich vielmehr leiten lassen von einem Gewissen, das sich auszurichten hat am GÖTTlichen Gesetz, (und) hören auf das Lehramt der Kirche…“. Das Konzil verweist auch auf „Vertrauen auf die GÖTTliche Vorsehung und Opfergesinnung“ und das Streben nach Vollkommenheit in CHRISTUS, „indem sie in hoch­herziger menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit Kindern das Leben schenken“ auch „in gemeinsamer kluger Beratung eine größere Zahl von Kindern“.

3 „serious“ wird im Aufsatz gebraucht, der englische Text von „Humanae vitae auf der Vatikanseite verwendet hier „well-grounded reasons“, dem lateinischen Urtext getreuer wäre „gerecht“!)

 

 

 

Verhütung und „Humanae vitae“

ein geschichtlicher Rückblick

 

Vom 25. Juli 1968 datiert die Eheenzyklika Pauls VI. „Humanae vitae“. Das war kurz nach dem Abschluss des „Jahres des Glaubens“, das Papst Paul VI. 1967 ausgerufen hatte aus Anlass der 1900-Jahr-Feier des Martyriums der Apostel Petrus und Paulus. Grund für den Papst war die Glaubenssituation in der Kirche in der Zeit nach dem am 8. Dezember 1965 beendeten 2. Vatikanischen Konzils. Das feierliche „Credo des GOTTESvolkes“, das der Papst am Ende dieses „Jahres des Glaubens“ vorlegte, um den überlieferten Glauben der Kirche zu bekräftigen, ging aber in der öffentlichen Wahrnehmung gewisser­maßen unter durch die ausbrechende öffentliche Empörung über „Humanae vitae“. – Zur Vorgeschichte greifen wir, wie in den beiden vorstehenden Beiträgen, auf einen Artikel der amerikanischen CUF-Zeitschrift „Lay Witness“ zurück, da diese Juli-August-Ausgabe 2012 sich besonders mit Fragen von Ehe und Familie befasst. Steven Schultz, ein früherer Pilot und nun freier Schriftsteller mit einem Masterabschluss in Theologe, geht darin der Geschichte der Eheenzyklika „Humanae vitae“ von Papst Paul VI. nach.

 

 

Schultz erinnert zunächst daran, dass die eigentliche „sexuelle Revolution“ in den USA nicht erst in den 60er oder richtiger frü­hen 70er Jahren des 20. Jahrhunderts stattgefunden, sondern bereits um 1890 begonnen habe. Damals habe es – im Zug der industriellen Revolution – eine starke Bevölkerungsbewegung von den Dörfern in die städtischen Ballungsgebiete geben. Und damit eine Entfernung von der täglichen Berührung mit des Schöpfung GOTTES und dem Naturgesetz. Das habe eine allmähliche Liberalisierung der Sexualmoral mit sich gebracht. Und der Zusammenbruch in den 20er bis 40er Jahren sei noch radikaler gewesen als Ende der 60er Jahre. Beim Aufkommen neuer Methoden der „Geburtenkontrolle“ hielten die meisten christlichen Kirchen die Ablehnung des Gebrauchs künstlicher Verhütungsmittel aufrecht, da diese den außerehelichen Ver­kehr förderten. 1930 aber wandte sich die anglikanische Kirche in der Lambeth-Konferenz von dieser gemeinsamen Überzeu­gung ab und erklärte, die Verhütung in der Ehe sei gerecht­fertigt, wenn ernste ökonomische oder medizinische Gründe vorlägen.

 

Papst Pius XI. antwortete 1930 gewissermaßen darauf mit der Eheenzyklika „Casti Connubii“. Darin – so Schultz - „be­tonte er die Heiligkeit der Ehe und bekräftigte erneut die tradi­tionelle katholische Ablehnung sowohl der künstlichen Geburtenkontrolle wie auch der Abtreibung. Der Papst appellierte an die Regierungen, nach Maßgabe der Kirche Gesetze zu erlassen, die die Würde der Ehe und die Heiligkeit des Lebens  schützten. Nach seinem Tode im Jahre 1939 führte sein Nach­folger, Papst Pius XII, den Kampf für das anerkannte traditio­nelle katholische Verständnis der menschlichen Geschlechtlichkeit und der Ehezwecke fort. Während dieser ganzen Zeit nahmen die Katholiken diese Lehre praktisch ohne Wider­spruch oder offenen Protest an. Eine erste ernsthafte Debatte unter Katholiken über die Ethik der Geburtenkontrolle ergab sich, als in den 1930er Jahren die Kalender-Rhythmus-Methode zur Empfängnisregelung entwickelt wurde. Als Mittel der Familienplanung beruhte sie auf einer Beschränkung des ehelichen Umgangs auf die unfruchtbaren Zeiten innerhalb der Periode der Frau, die durch die Aufzeichnung ihres Menstru­ationszyklus bestimmt wurden. Die Erlaubtheit dieser Methode für katholische Ehepaare war unter den Theologen strittig, bis Papst Pius XII 1951 die Frage entschied, indem er erklärte, dass ein solches Mittel zur Vermeidung einer Schwangerschaft nicht verboten sei, solange es den eigentlichen Ehezweck nicht künstlich behindere. Aus ernsthaften medizinischen, wirt­schaftlichen oder sozialen Gründen, so sagte der Papst, könnten katholische Ehepaare sich der natürlichen Familienplanung bedienen.“

 

Pius XII. sprach in einer Ansprache an Hebammen am 29. 10. 1951 von „ernsten Beweggründen“ (die medizinischer, eugeni­scher, wirtschaftlicher oder sozialer Natur sein können), bei de­nen „die Einhaltung der unfruchtbaren Zeiten sittlich erlaubt sein kann; und unter den erwähnten Bedingungen ist sie es tatsächlich. Wenn dagegen nach vernünftigem und billigem Ur­teil derartige persönliche oder aus den äußeren Verhältnissen sich herleitende gewichtige Gründe nicht vorliegen, so kann der Wille der Gatten, gewohnheitsmäßig der Fruchtbarkeit ihrer Vereinigung aus dem Weg zu gehen, während sie fortfahren, die volle Befriedigung ihre Naturtriebes in Anspruch zu nehmen, nur von einer falschen Wertung des Lebens und von Beweg­gründen kommen, die außerhalb der richtigen ethischen Maß­stäbe liegen.“

Diese Zulassung der Zeitwahlmethode, so Schultz, sei als pastorale Geste begrüßt worden, doch habe man bald entdeckt, dass diese Methode nicht sehr zuverlässig war (nach dem da­maligen Stand; der Papst hatte auch die Hoffnung ausge­sprochen, dass es „der medizinischen Wissenschaft gelingt, diesem erlaubten Verhalten eine genügend sichere Grundlage zu geben“ [26.11.1951, was ja inzwischen zutrifft.)

 

Die Pille

1952 wurde dann das erste progesteronhaltige Mittel zur oralen Empfängnisverhütung, die sog. Pille, entwickelt, die 1957 von der Arzneimittelbehörde der USA, der „Food and Drug Adminis­tration“ zur Behandlung von Menstruationsstörungen und 1960 als Kontrazeptivum zugelassen wurde; dem folgten bis Mitte der 60er Jahre die Zulassung überall in Nordamerika und Europa. Die weltweite Akzeptanz dieses Verhütungsmittels zog sich bis in die 70er Jahre hin. Das setzte innerhalb der Kirche eine neue ethische Debatte in Gang. Theologen, die in den Progesteronmitteln die Lösung für die „Verhütungsprobleme“ von Katholiken sahen, argumentierten, die unfruchtbare Perio­de der Frau werde nur ausgedehnt; so seien sie gemäß „Casti connubii“ erlaubt (doch erkannte man dann, so Schultz, dass in manchen Fällen auch durch die Verhinderung der Einnistung eine abtreibende Wirkung vorlag). Ein weiteres Argument war, Eheleute würden künstliche Verhütungsmittel aus den gleichen von Pius XII. erlaubten ethischen Gründen einsetzen, so sollte sie ebenso erlaubt sein. Da nun viele, auch prominente Theo­logen, die Erlaubtheit künstlicher Verhütungsmethoden vertra­ten, begannen viele ansonsten gute Katholiken orale Ver­hütungsmittel zu gebrauchen, und Katholiken im medizinischen Dienst und Laien, die die theologische Debatte verfolgten, fühlten sich in ihrer eigenen Ansicht bestätigt. Eine bedeutende Zahl von Priestern tolerierte nach und nach diese Praxis, und viele erwarteten, dass die Kirche die Anwendung der künst­lichen Geburtenkontrolle für erlaubt erklären würde.

 

Die Antwort des Papstes

Eine von Papst Johannes XXIII. beauftragte Päpstliche Studien­kommission für Familie, Bevölkerung und Geburtenprobleme sollte die Bevölkerungspolitik der Vereinten Nationen erfor­schen und eine Empfehlung für den Aktionskurs der Kirche formulieren; sie kam erstmals 1963 zusammen und setzte ihre Treffen unter Papst Paul VI. mit stark erweiterter Mitgliederzahl, Laien eingeschlossen, fort. Im Schlussbericht vom 23. Juni 1966 empfahl die Mehrheit der Kommissionsmitglieder, die Lehre der Kirche zu ändern und den Gebrauch der künstlichen Verhütung in der Ehe zu erlauben. Kardinal Karl Wojtyla, der spätere Papst Johannes Paul II, damals Erzbischof von Krakau, war eine vernehmliche Stimme unter der Minderheit, die argumentierte, dass die Lehre der Kirche sich vom Gesetz GOTTES herleite und nicht nach der Laune des Menschen ver­ändert werden könne.

Dieser Schlussbericht, nur vertraulich für Paul VI. bestimmt, wurde der Zeitschrift „Nation Catholic Reporter“ zugespielt und rief weltweit Schlagzeilen und die breite Erwartung der Erlaubnis der künstlichen Verhütungsmittel hervor, die Aus­sagen von Theologen noch förderten. Als Paul VI., der in seiner Verantwortung vor GOTT erkannte, dass er nicht die Vollmacht habe, das Gesetz GOTTES aufzuheben, dann am 25. Juli 1968 die Enzyklika „Humanae vitae“ veröffentlichte, war dies wie der Einschlag einer Bombe, weil die theologischen Dissidenten sich von der klaren und strengen Verteidigung der traditionellen katholischen Lehre durch den Papst „betrogen“ fühlten.

 

Der Aufstand gegen Humanae Vitae

Steven Schultz schildert die Reaktion: „Da so viele Autoritäten das Gefühl hatten, sie hätten das Gesicht verloren, war die Reaktion auf ‚Humanae vitae’ unmittelbar und feindselig. In der ‚New York Times’ erschien ein ganzseitiger Artikel, der die Enzyklika schon Stunden nach ihrer Veröffentlichung verleum­dete. Die Verurteilungen kamen aus allen Lagern: Laientum, Medien und Geistlichkeit. Prominente Theologen verzichteten auf Lehrstellen, Priester verbarrikadierten sich zum Protest in Kirchen. Katholische Studenten (die früher zu den größten Unterstützern des authentischen katholischen Lehramts gehört hatten) gründeten ‚Katholische Verhütungszentren’ vor den ört­lichen Kirchen, und die Medien starteten ihren unvermeidlichen Feldzug.

Obwohl nur sehr wenige Gegner die Enzyklika wirklich selber lasen und sich stattdessen damit begnügten, was ihrer Ver­mutung nach darin stand, beschworen sie eine größere Krise herauf, die wir heute noch spüren: So die Vorstellung, dass das Lehramt nur noch dazu dient, den Katholiken ‚Vorschläge’ bezüglich ihres Glaubens zu machen und nicht die letzte Autorität des wahren Glaubens zu sein“. Zu ergänzen ist, dass diese Einstellung, die verbindliche kirchliche Lehre nur noch als eine unter mehreren Meinungen („Vorschlägen“) zu werten, gestützt wurde durch eine aufkommende falsche Sicht des „Ge­wissens“, wie sie nicht zuletzt bischöfliche Stellungnahmen wie die anführende „Königsteiner Erklärung“ der Deutschen Bi­schofskonferenz vom 30. August 1968 förderten.

Der Artikel von Schultz befasst sich in einem zweiten Teil mit einer gläubigen Analyse des Textes von „Humanae vitae“.  Er schließt mit folgendem Resümee: „Wie von Papst Paul VI. vorausgesagt, zeitigte die breite Akzeptanz und Anwendung der künstlichen Verhütung ernste Konsequenzen. Der Papst warnte vor einem Einbruch ehelicher Untreue und einer gene­rellen Lockerung moralischer Standards (HV 17). Es erinnerte daran, dass sein Schreiben weder das Naturgesetz noch das Sittengesetz erst schuf: ‚Die Kirche ist ja nicht Urheberin dieser beiden Gesetze; sie kann deshalb darüber nicht nach eigenem Ermessen entscheiden, sondern nur Wächterin und Auslegerin sein; niemals darf sie etwas für erlaubt erklären, was in Wirk­lichkeit unerlaubt ist, weil das seiner Natur nach dem wahren Wohl des Menschen widerspricht’ (HV 18). Wenn wir die Sexualethik der Kirche  betend betrachten, wie wir sie in ‚Humanae Vitae’ niedergelegt und in den Schriften anderer bestätigt fin­den, lernen wir verstehen, dass die Kirche sich nicht unserer Freiheit in den Weg stellt, sondern uns im Gegenteil ihre Lehren übergibt, um uns von der Dunkelheit zu befreien. Wir müssen den Zwiespalt überwinden und das authentisch Wahre suchen Denn nur im Lichte der Wahrheit können wir zur Freiheit ge­langen.

Wir verweisen hier auch auf die FMG-Broschüre „Liebe die aufs Ganze geht“ mit der Enzyklika, dem Hirtenwort des damaligen Erzbischofs von Denver und heutigen Erzbischofs von Philadel­phia, Charles J. Chaput, und mit Erfahrungsberichten von Eheleuten und einer Ärztin.

 

Anmerkung: Es gibt heute auch mitunter Äußerungen, die auch die moralische Erlaubtheit der Zeitwahl (also zeitweiser Enthaltsamkeit in den empfängnisfreien Zeiten) in Frage stellen.

Nun kann man weder Papst Pius XII. in seinen sorgfältig vor­bereiteten Ansprachen, in denen er zu aktuellen theologischen Fragestellungen lehramtlich Antwort gab, noch Papst Paul VI., dem ja von den Verhütungspropagandisten in der Kirche auch das lange „Zögern“ vorgeworfen wurde, unterstellen, sie hätten vorschnell entschieden. Im Übrigen gibt es begründete Äuße­rungen von Theologen und Bischöfen, die die Lehre von „Humanae vitae“, auch wenn sie nicht „ex cathedra“ vorgelegt wurde, als dauernde Lehre des ordentlichen Lehramtes der Kirche als unfehlbar werten (vgl. z.B. FMG-INFORMATION 90 S. 14).

Noch weniger kann man der Natürlichen Empfängnisregelung (NER) so, wie sie Pius XII. und Paul VI. bei gerechten Gründen als erlaubt lehrten, den massiven Rückgang der Kinderzahlen auch bei Katholiken zuschreiben. Dieser ist eine Folge des Einbruchs der breiten Verhütungspraxis mit empfängnisver­hütenden (und auch frühabtreibenden) Mitteln, in geringerem Maß vielleicht auch einer Anwendung der NER in der Ver­hütungsmentalität, die die wirkliche Offenheit jedes ehelichen Aktes für neues Leben und die Notwendigkeit gerechter, schwerwiegender Gründe missachtet oder nicht gelehrt bekom­men hat.

 

 

 

In Kürze

 

 

Organtransplantation 1

Aarhus, Dänemark. Von einem 19-jährigen Mädchen, das im Oktober 2011 nach einem schweren Autounfall im Koma lag und von den Ärzten als der Hirntod-Diagnose nahe einge­schätzt und für die „Organspende“ vorgesehen wurde, das aber wieder gesund wurde, berichtete die englische Zeitung „Daily Mail“ (www. dailymail.co.uk/news/article-2219085/Carina-Melchior-The-girl-wouldnt-die-Miracle-Danish-girl-woke-doctors-prepared-organs-donated.html, 17.10.2012). Drei Tage nach der Einlieferung der Schwerverletz­ten ins Krankenhaus hatten die Ärzte das Nachlassen der Hirn­tätigkeit festgestellt und die Eltern zur Zustimmung zur „Organ­spende“ angesprochen. Die Familie hatte sich schon verab­schiedet, als sie vom Krankenhaus angerufen wurde, dass das Mädchen plötzlich die Augen geöffnet habe und ihre Beine be­wege. Die heute 20-Jährige erholt sich nun in einem Rehabili­tationszentrum; in einem Videofilm auf der Internetseite der Zei­tung wird sie befragt; sie hofft, sich ganz zu erholen, selbstän­dig zu wohnen, zu reiten, und als Grafik-Designerin zu arbei­ten. Die Eltern wollen gegenüber dem Krankenhaus Klage er­heben. Ein dänischer Arzt bedauerte die „Kommunikations­mängel“ gegenüber den Eltern; das Mädchen sei nicht hirntot erklärt worden, doch seien die Vorbereitungen für diesen er­warteten Fall getroffen worden.

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Organtransplantation 2

Vallendar. Die Soziologin und Gesundheitswissenschaftlerin Alexandra Manzei, die an der Phil. Theol. Hochschule Vallen­dar lehrt, forderte in einem Interview mit der „Tagespost“ (4.9.2012) eine ehrliche Aufklärung über die Bedingungen, unter denen eine Organspende stattfindet, sowie über den Hirntod. Manzei, die als Krankenschwester jahrelang mit dem Thema zu tun gehabt hatte, forderte angesichts der Organspende-Skan­dale „schärfere Kontrollen und härtere Strafen“. Sie kritisierte, dass man Menschen, „die eine Organspende für sich ablehnen, indirekt die moralische Schuld für den sogenannten ‚Tod auf der Warteliste’“ gebe. Es werde nie ausreichend Organe für alle bedürftigen Patienten geben. Schätzungen gingen von 1800 bis 4000 potentiellen Hirntoten in Deutschland aus, denen etwa 15.000 Patienten, die ein Organ erhalten wollten, gegen­überstünden. Der Bedarf an Organen steige, je „erfolgreicher“ die Transplantationsmedizin sei; so werde die Schere zwischen Organbedarf und Spenderorganen immer weiter auseinander­klaffen. Die Professorin forderte, staatlicherseits müssten drin­gend Alternativen zur Organtransplantation gefördert werden. Ferner sprach sie sich für eine ehrliche Aufklärung über die Voraussetzungen der Organspende aus. „Seit 20 und mehr Jahren wird den Menschen gesagt, dass es sich bei Hirntoten um ganz normale Leichen handele. Das ist aber nicht der Fall.“ Leichenteile aber könne man nicht verpflanzen; das sei nur möglich mit Organen von einem lebenden Organis­mus, „entweder von Lebendspendern oder von hirntoten Pati­enten – die eben noch keine Leichen sind“. Das „Hirntodkon­zept“ bezeichne die Übereinkunft, dass „der irreversible Ausfall der Gehirnfunktionen mit dem Tod des Menschen identisch“ sei, doch zeigten neue Studien, dass es keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Ausfall des Gehirns und dem Sterben des gesamten Organismus gebe. Eine um­fangreiche Studie beschreibe 175 Fälle, bei denen „nach dem Abstellen der Beatmung nicht sofort der Tod eingetreten“ war; zwischen „Hirntod“ und Herzstillstand hätten Zeiträume von mehr als einer Woche bis zu 14 Jahren gelegen.

Kommentar: Das Interview gibt interessante Informationen, doch verwundert, dass für eine Professorin an einer Phil. Theol. Hochschule die Frage nach der medizinischen Tötung durch die Organentnahme überhaupt keine Rolle zu spielen scheint!

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Organtransplantation 3

Würzburg. In einer Rezension in der „Tagespost“ (29.9.2012) wird das Buch „Plädoyer für das Leben. Philosophisch und theologisch“ von Professor Manfred Balkenohl besprochen, in dem der Schwerpunkt auf der Hirntod-Problematik liege. „Nicht nur, dass die technischen Apparaturen und Methoden fraglich und unzuverlässig seien, sondern Studien belegen zahlreiche Fälle, in denen der Hirntote nach dem Abschalten der Geräte von zwei Wochen bis zu 14 Jahren weitergelebt habe“. „Balkenohl berichtet auch von einem Hirntoten, der wieder aufgewacht sei und nur aufgrund einer Verzögerung seine Organe noch nicht entnommen bekommen habe.“

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Organtransplantation 4

Frankfurt. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 18.08.2012 (www. faz.net/aktuelle/politik/inland/organspende-hirntod-1186…) zeigte der 30-jährige Redakteur Alard von Kittlitz auf, dass Kranke, bei denen Ärzte Anzeichen für einen bevorstehenden „Hirntod“ sehen, nicht mehr „patientenzentriert“ (also in der Hoffnung auf Überleben), sondern „spendezentriert“ behan­delt würden, weil die behandelnden Ärzte zugleich z. B. als „Transplantationsbeauftragte“ tätig seien. Es gebe keine gesetz­liche Regelung, die die Patienten schützen würde. Von Kittlitz weist auch darauf hin, dass der Arzt die Angehörigen eines Patienten, den er für eine Organspende in Betracht zieht, nicht um Erlaubnis für eine Hirntoddiagnose bitten müsse; doch könne eine Hirntoddiagnose sogar sehr schädlich sein. Damit der Test durchgeführt werden kann, würden keine Schmerz­mittel und keine Muskelrelaxantien mehr gegeben, sondern andere Medikamente, die die Organe auf die Entnahme vor­bereiteten. Von Kittlitz schreibt auch: „Seit der Verabschiedung des [Transplantations-] Gesetzes 1997 haben auch zahlreiche Wissenschaftler gesagt, dass sie nicht glauben, dass ein Mensch nach dem Hirntod tot ist. [Der Neurologe Andreas] Zieger, der 1996 im Gesundheitsausschuss als Experte zum Thema Hirntod gehört wurde, sagt, dass schon damals die Hälf­te der Anwesenden angekündigt habe, ‚dass das Hirntodkon­zept durch die Neurowissenschaften binnen zehn Jahren hin­fällig gemacht werden würde, weil das Gehirn nicht alle Körper­prozesse steuert’. Es ging um die Frage, ob ein Ausfall des Hirns die Lebensfähigkeit des gesamten Organismus beendet. Der Hirntodexperte Alan Shewmon verwies schon 1998 auf Fälle, in denen der Kreislauf von Hirntoten noch 14 Jahre nach der Diagnose selbständig funktionierte.“

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Organtransplantation 5

Würzburg. In einem Kommentar nimmt Stefan Rehder in der „Tagespost“ vom 9.10.2012 zu den immer neuen Meldungen über Organspende-Skandale (in Göttingen, Regensburg, Mün­chen) Stellung: „Niemand… mag mehr glauben, dass es sich bei den bislang aufgedeckten Manipulationen um Einzelfälle handelt.“ Es werde schon die nächste Eskalationsstufe sichtbar, da die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ am 7. Oktober „eine Debatte über sogenannte ‚Non-Heart-Beating Donors’ eröffnet habe – Patienten, „die nicht einmal ‚hirntot’ sind, son­dern ‚nur’ einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten haben’“. Diese würden bereits in vielen Ländern nicht mehr wiederbelebt, um ihnen frische Organe entnehmen zu können. All das zeige, „wie unerbittlich der Kampf um die Verteilung von Überlebens­chancen in überalterten hedonistischen Gesellschaften geführt werden wird.“ Verglichen mit dem hier heraufziehenden Sturm, seien die aufgedeckten Manipulationen bei der Organverteilung „beinahe harmlos“.

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Organtransplantation 6

Frankfurt. Am 28. Oktober 2012 äußerte sich in der „Frank­furter Allgemeinen Sonntagszeitung“ der Medizin-Professor und Publizist Dr. Axel Bauer zur Hirntod-Diskussion auf dem Hintergrund der am 25. Mai im Bundestag verabschiedeten Änderung des Transplantationsgesetzes, nach dem nun die Krankenkassen alle zwei Jahre ihre Versicherten anschreiben und nach der Bereitschaft zur Organspende befragen müssen. Prof. Bauer schreibt dort, die aus der Hirntod-Definition „resul­tierende ethische und rechtliche Grundsatzfrage“ werde im Gesetz wie in der öffentlichen Diskussion ausgeblendet: „Han­delt es sich beim ‚Hirntod’ lediglich um den kompletten Funkti­onsausfall eines wichtigen Organs, oder stirbt mit dem Gehirn auch die Seele des Menschen, sofern dieser – aus der religi­ösen Sphäre stammende Ausdruck – in einer säkularen Gesell­schaft überhaupt zulässig ist?“ Unsere Gesellschaft schreibe hier „der naturwissenschaftlichen Medizin eine Entscheidungs­kompetenz zu, die einem Definitionsmonopol über das Ende des menschlichen Lebens gleichkommt“. Der Ausfall der Ge­hirnfunktionen sei im Gesetz als Todeszeitpunkt festgeschrie­ben, „damit die Ärzte im Falle einer Organentnahme nicht den Tod des Patienten verursachen müssen“ [- rechtlich gesehen]. Auf diese Weise wird einer „zweckgebundenen Indienstnahme des Hirntodkonzepts Vorschub geleistet. Es entstehe der Ein­druck, „der Organspender solle dadurch, dass man ihn formal ‚für tot erklärt’, zu fremden Zwecken instrumentalisiert werden“ (vgl. Kultur und Medien, 30.10.12).

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Organtransplantation 7

Peking. In der Volksrepublik China sollen in den nächsten fünf Jahren schrittweise Organentnahmen bei Hingerichteten eingestellt werden. Wanh Haibo, Direktor des vom chinesischen Gesundheitsministeriums abhängigen „China Organ Transplant Response System Centre“ kündigte ein neues landesweites System für Organspenden an und gestand ein, ein System, das sich ausschließlich auf die Organentnahme bei zum Tode Verurteilten stütze, sei untragbar. Die Zahl der zum Tod Verurteilten, an denen in den vergangenen Jahren Organentnahmen durchgeführt wurden, beläuft sich nach diesen Angaben auf 8.000 bis 10.000 Gefangene. – Das kommunistische China, das nach den USA an 2. Stelle bei Organtransplantationen steht, wurde wegen des Umgangs mit Gefangenen mehrfach inter­national kritisiert; ein UN-Sonderbeauftragter schrieb in seinem Bericht, dass die chinesische Regierung „Druck auf die Gefan­genen ausübt, um ihre Bereitschaft zur Organspende zu er­zwingen“. – Die „Internationale Gesellschaft für Menschen­rechte“ warnte vor Leichtgläubigkeit gegenüber den Ankün­digungen. Während die Wartezeiten für eine Lebertransplan­tation in Europa in der Regel mehrere Jahre dauere, hätten sie in einigen chinesischen Transplantationszentren durchschnitt­lich nur zwei Wochen gedauert. Es gebe Indizien, dass in China politische Gefangene womöglich nur deswegen hingerichtet werden, um ihre Organe verkaufen zu können. (Vgl. www. katholisches.info/2012/11/04/vr-china…, IGFM 7.11.2012)

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Organtransplantation 8

Ludwigshafen. Bei einem „Bioethischen Kolloquium“ zum The­ma „Organspende – Zwischen Nächstenliebe und Herausforde­rung“ äußerten die Referenten deutliche Kritik an der Hirn­todkonzeption. Nach einem Bericht der „Tagespost“ (15.11.2012) sagte bei dem von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach und dem Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen veranstalteten Kolloquium Chefarzt S. Sahm vom Offenbacher Ketteler-Krankenhaus, Mediziner, die sich das Recht herausnähmen, den Tod des Menschen mit dem „Hirntod“ gleichzusetzen, seien „anmaßend“. Die Harvard-Kommission habe damit 1968 „die Tür zur Fremdnutzung an­derer Personen“ weit geöffnet. Wenn es unklar sei, so Sahm, ob es sich bei einem Hirntoten um einen Toten oder Lebenden handle, müsse man sich „klar auf die Seite des Lebens stellen.“ – Der Heidelberger Medizinethiker Axel Bauer kritisierte die durch den Gesetzgeber eingeführte „Zwangsbefragung“, mit der die Menschen zu einer Entscheidung für die Organspende gedrängt werden sollten, wobei die Zweifel an der Hirntod­konzeption wohl den Menschen nicht aufgezeigt würden. Man gehe nur vom Aspekt des „Organmangels“ aus. Dieser „empfängerzentrierten Sichtweise“ müsse man auch aus christlicher Perspektive eine Absage erteilen. Der Bonner Moraltheologe Gerhard Höver stellte eine zunehmende Sensibilität in kirchlichen Kreisen für die ethische Problematik des Hirntodkrite­riums fest; Papst Benedikt XVI. hätte eine „gewisse Korrektur an den kühnen Aussagen“ von Johannes Paul II. vollzogen. Der Verfassungsrechtler Wolfram Höfling sah Hirntote auch als „lebende Menschen“ und bezeichnete das deutsche Transplan­tationsgesetz als „Glanzstück legistischer Trickserei“. In der Dis­kussion vertrat der Potsdamer Philosophieprofessor Ralf Stoecker seine These, der „Hirntod“ sei ein „Zwischenstadium zwi­schen Tod und Leben“; man solle die Hirntod-Debatte hinter sich lassen; es spreche nichts gegen Organentnahme, auch wenn durch sie „hirntote“ Menschen zu toten Menschen würden.

In einem Schlusswort bezeichnete der Speyerer Bischof Karl-Heinz-Wiesemann nach dem Bericht der „Tagespost“ die Organspende als „Akt der Nächstenliebe“, doch dürfe nicht mit Verweis darauf die umstrittene Frage nach dem Zeitpunkt des Todes übergangen werden. Wiesemann nannte die Organ­spende „einen Akt großer Selbstlosigkeit“, der immer freiwillig sein müsse.

Kommentar: Unverständlich ist, dass wiederum ein Bischof zwar immerhin die Frage nach dem Todeszeitpunkt noch nicht geklärt sieht, aber dennoch von Nächstenliebe und Selbst­losigkeit spricht. Die GOTTESliebe, nämlich die Achtung des 5. Gebotes, nach dem nur GOTT der Herr über das Leben ist und der Mensch nicht in eine Beendigung seines Lebens einwilligen darf, bleibt außer Betracht.

Wenn kürzlich die Aussage des EKD-Ratsvorsitzenden Präses Schneider, er würde im Extremfall auch Schwerkranke seel­sorgerlich begleiten, die sich zum Suizid entschieden haben, zu Recht heftig kritisiert wurde – von konservativer protestanti­scher Seite, aber auch z. B. von Bischof Algermissen, Fulda („schwere Belastung für die Ökumene“’) –, so stellt sich die Frage, ob der Denkansatz wirklich so weit entfernt ist von dem Gedanken, die Einwilligung zur eigenen Tötung im Fall des so­genannten „Hirntods“ – und sei es, um einem anderen Schwer­kranken damit eine Zeit des Weiterlebens zu ermöglichen – als Akt der Nächstenliebe zu preisen. Denn selbst wenn es noch zweifelhaft wäre, ob ein „Hirntoter“ tot oder lebendig ist: Muss nicht auch nur die Möglichkeit, einen noch Lebenden zu töten, unbedingt gemieden werden? Der Katechismus und der Hl. Vater sagen ganz klar, dass nach dem 5. Gebot nur einem Toten Organe entnommen werden dürfen.

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Intoleranz gegen Christen in Deutschland

Wien. Nach einer Meldung von kath.net (12.10.2012) hat das „Dokumentationsarchiv der Intoleranz gegen Christen“ bei den Vereinten Nationen eine Beschwerdeschrift eingereicht. Darin werden sechs Arten von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland aufgelistet, so steigender Vandalismus gegen christliche Andachtsstätten und Friedhöfe, die Gefährdung der Gewissensfreiheit gegen Apotheker, die Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung etwa vor Abtreibungskliniken, körperliche und verbale Gewalt von antireligiösen Gruppen sowie das Verbot von Home­schooling und die ZwangsschulSE:

„Das Verbot des Homeschooling verletzt grundsätzliche Elternrechte. Wer dagegen verstößt, muss Geldstrafen bezah­len, selbst Haftstrafen wurden schon ausgesprochen. Heim­schulunterricht ist in vielen anderen Ländern eine völlige Selbstverständlichkeit. Das Verbot des Heimschulunterrichts reicht zurück auf das Reichschulgesetz des Jahres 1938 und damit in das Naziregime. Der UN-Sonderberichterstatter Vernor Munez bemängelte bereits im Jahr 2006 eine ‚Kriminalisierung des Heimunterrichts’ in Deutschland. Doch seither gab es keine Verbesserungen.“ – „Die Verpflichtung zum schulischen Sexualunterricht verletzt die Elternrechte. Die Unterrichtsein­heiten basieren in der Praxis meist auf liberalen Moralvorgaben und vermitteln praktisch keine Grenzen. Die Themen ‚Reinheit’, ‚Enthaltsamkeit’, ‚Natürliche Fruchtbarkeit’, der Platz der Sexua­lität im Streben nach Glück werden normalerweise nicht thema­tisiert. Dies bringt christliche Eltern in ein Dilemma, denn wenn sie ihre Kinder diesem Unterricht fernhalten, müssen sie Buß­gelder bezahlen.“                                                                                         

 

 

 

 

Vorwort der FMG-INFORMATION 107

 

 

Liebe Freunde und Mitarbeiter, verehrte Leser und Förderer!

Sehr geehrte Abgeordnete, hochwürdigste Bischöfe!

 

 Das Zweite Vatikanische Konzil, an dessen Beginn vor 50 Jahren gerade erinnert wurde, lehrt über die Ehe, dass sie „im Hinblick auf das Wohl der Gatten und der Nachkommenschaft sowie auf das Wohl der Gesellschaft nicht mehr menschlicher Willkür“ unterliegt, weil GOTT selbst ihr „Urheber“ ist und sie „mit verschiedenen Gütern und Zielen ausgestattet“ hat, die „von größter Bedeutung für den Fortbestand der Menschheit, für den persönlichen Fortschritt der einzelnen Familienmitglieder und für ihr ewiges Heil; für die Würde, die Festigkeit, den Frieden und das Wohlergehen der Familie selbst und der ganzen menschlichen Gesellschaft“ sind (Gaudium et spes, 48).

Und: „Da die Eltern ihren Kindern das Leben schenkten, haben sie die überaus schwere Verpflichtung zur Kindererziehung. Daher müssen sie als die ersten und bevorzugten Erzieher ihrer Kinder anerkannt werden. Ihr Erziehungswirken ist so entscheidend, dass es dort, wo es fehlt, kaum zu ersetzen ist“ (Gravissimum educationis, 3).

 Das gilt heute nicht weniger, da lautstarke politische Kräfte die Ehe umdefinieren wollen und insbesondere die Sorge für das Auf­wachsen der Kinder und deren Erziehung immer mehr den Eltern ent­ziehen. Die unsägliche Debatte um das sog. „Betreuungsgeld“ hat das wieder aufgezeigt. Dieses kleine Zeichen für die Wahlfreiheit der Eltern fand letztlich nur durch koalitionstaktische Absprachen eine Mehrheit. Doch es bleibt erschreckend, welche zerstörerische Ab­wertung der Erziehungsleistung der Eltern in den Köpfen mancher Abgeordneter (aber ebenso Wirtschaftsmanager, Journalisten usw.) herrscht.

Diese Ausgabe der FMG-INFORMATION enthält unter den verschiedenen Beiträgen insbesondere das pastorale Lehrschreiben eines amerikanischen Erzbischofs über Ehe und Familie, dessen luzide Darlegung wir Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehlen.

Auch die Beiträge zur ehelichen Fruchtbarkeit („Humanae vitae“, Verhütung, „Gerechte Gründe“ für die Natürliche Empfängnisregelung“ möchten wir herausheben.

 Noch viel Material lag uns vor, das wir gerne in die FMG-INFORMATION aufgenommen hätten, doch müssen wir uns bescheiden mit dem, was wir Ihnen in dieser Ausgabe wieder übergeben können.

 Wir haben in vielen vergangenen Ausgaben der FMG-INFORMATION nicht mehr eingeladen, unsere Arbeit durch Spenden zu unterstützen. Viele tun das ohnehin, insbesondere wenn sie etwas von unserem Schriften- und Medienangebot bestellen. Doch die Zahl der Interessenten und Spender sinkt, sei es, weil manche sterben, sei es auch, weil die heutige Geisteshaltung bei anderen die Offenheit für unser Anliegen der reinen, gläubigen Erziehung und für unseren publizistischen Einsatz schwinden lässt. So bitten wir diesmal ausdrücklich wieder, die Fortführung unserer Arbeit durch Ihre Spende freundlicherweise zu unterstützen. Ein herzliches Vergelt’s GOTT dafür!

Wir wünschen Ihnen einen gesegneten Advent, ein gnadenreiches Weihnachtsfest in diesem „Jahr des Glaubens“ und GOTTES Segen für 2013.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr FREUNDESKREIS MARIA GORETTI e. V., München

    

 

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