(FMG-INFORMATION 101, November 2010)

 

Die Mäßigung und die Kunst des Essens

 

In der FMG-INFORMATION 100 hatten wir einen Aufsatz von Edward P. Sri über die Tugend der Mäßigung aufgenommen, in dem es um die Mäßigung im Allgemeinen ging und deren schlechtes „Image“. Der folgende Beitrag – übersetzt aus der Mai/Juni-Nummer der CUF-Zeitschrift „Lay Witness“ - befasst sich mit dem Aspekt der Mäßigung im Bezug auf die Nahrungsaufnahme. Der Autor, Edward Sri, Laie und Familienvater, ist College-Leiter und Professor für Theologie und Hl. Schrift am Augustinus-Institut in Denver, Colorado, USA.

 

Von EDWARD P. SRI

 

»Der heilige Paulus verglich einmal den christlichen Weg mit einem Rennen, für das sich die Athleten vorbereiten, damit sie einen Preis gewinnen. „Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis ge­winnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt. Jeder Wettkämpfer lebt aber völlig enthaltsam.“ (1 Kor 9,24-25)

Tatsächlich ist Selbstdisziplin entscheidend sowohl für den Sportler als auch für den Christen, insbesondere wenn es um das Essen geht. Genauso wie Sportler ihre Ernährung beachten und sich selbst beim Essen beherrschen müssen, so können Menschen nicht essen, was sie wollen, wann sie wollen und wie viel sie wollen, wenn sie ein erfolgreiches Leben führen wollen.

Wie in unserer letzten Betrachtung besprochen, ist die Mäßigung die Tugend, die unser Verlangen nach Vergnügen mäßigt, vor allem die Vergnügungen, die mit Essen, Trinken und Sex zu tun haben. Mäßigung verringert auch den Schmerz und die Frustration, die wir möglicherweise erfahren, wenn wir ohne solche Freuden auskommen müssen und unser Verlangen unerfüllt bleibt.

Ohne Mäßigung neigen wir dazu, mürrisch, ärgerlich oder barsch zu anderen zu sein, weil unser Verlangen nach Vergnügen nicht erfüllt wird. Ohne Mäßigung werden wir Sklaven unserer Lust und stellen fest, dass wir leicht abgelenkt werden von dem Guten, das wir tun sollen (es ist schwierig, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, wenn wir unaufhörlich an den Kuchen in der Betriebskantine denken oder an die frische Packung Chips im Schrank). Zu wenig Mäßigung macht uns auch selbstsüchtig, indem wir unsere eigenen Wünsche nach Vergnügen über das Wohl der anderen stellen (ich bin nicht so aufmerksam für die Nöte der anderen, wenn ich nur daran denke, meinen eigenen Magen zu füllen oder meinen Durst zu löschen).

 

Ich – ein Vielfraß?

Gregor der Große beschrieb die Gefräßigkeit als einen „Feind in uns“, der gezähmt werden muss, ehe andere geistige Kämpfe erfolgreich bestritten werden können. Er sagte: „Solange der Magen nicht beherrscht wird, führen alle Tugenden zu nichts.“

Gefräßigkeit ist ein ungeregeltes Verlangen nach Essen und Trinken. Manche Menschen, die nicht übergewichtig sind, könnten meinen, dass sie sich über dieses Laster keine Sorgen machen müssen. Dennoch können schlanke Menschen, die nicht viel essen, in Wirklichkeit gefräßiger sein als jemand, der fettleibig ist. Es gibt mehr Wege, auf denen man in Gefräßigkeit verfallen kann, als sich zu überessen. Thomas von Aquin erklärt, dass man, um die Falle der Gefräßigkeit zu umgehen, nicht nur beachten muss, wie viel man isst, sondern auch was, wie und wie oft man isst.

 

Wie viel esse ich? Es gibt zwei Fragen, die wir uns in diesem Zusammenhang stellen müssen: Erstens, esse ich zu gierig – mehr als mir zukommt – so dass andere am Tisch oder bei der Veranstaltung nicht in der Lage sind, genau soviel zu bekommen? Das Buch Jesus Sirach erinnert uns daran: „Wohin schon ein anderer blickt, dahin streck deine Hand nicht aus, sonst triffst du mit ihm in der Schüssel zusammen.“ (Sir 31,14)

Zweitens, esse ich mehr als ich nötig habe? Es ist nicht falsch, seinen Hunger bis zu einem gewissen Grad zu stillen und geeignete Nahrung aufzunehmen. Aber ist es für mich einfach, den Tisch zu verlassen, wenn ich nicht ganz satt bin? Wenn ich meinen Magen oft bis ans Maximum fülle, ist es ein Zeichen für meine übergroße Anhänglichkeit an Essen und auch eine Form von Gefräßigkeit.

Was esse ich? Neige ich dazu, nur teure und erlesene Speisen zu verzehren? Bin ich ein wählerischer Esser? Esse ich nur bestimmte Arten von Nahrungsmitteln oder bestimmte Markenprodukte, oder möchte ich immer meine Mahlzeiten in einer gewissen Art zubereitet haben? Wenn ich Essen vorgesetzt bekomme, das ich nicht gerne mag („Es ist nicht biologisch!“, „Es ist ein seltsames ausländisches Essen, das ich noch nie gegessen habe!“, „O nein, so viel Gemüse!“), versuche ich dennoch, es mit Freude zu essen und meine Dankbarkeit zu zeigen gegenüber denen, die es zubereitet haben? Oder beschwere ich mich über das Essen in der Kantine oder auf dem Tisch zu Hause? Stelle ich fest, dass ich – wenn ich zwar nicht laut etwas sage - innerlich jammere, dass es nicht das Essen ist, das ich möchte?

Wenn ich auf eine dieser Fragen „ja“ geantwortet habe, ist es wahrscheinlich ein Zeichen dafür, dass ich zu sehr an bestimmten Speisen hänge und dass das Laster der Gefräßigkeit meine Seele im Griff hat.

Natürlich haben manche Leute bestimmte Diätbedürfnisse. Jemand mit Herzbeschwerden zum Beispiel soll cholesterin­reiches Essen vermeiden. Und jemand mit anaphylaktischer Erdnussallergie muss manchmal seine Gastgeber über seine lebensbedrohende Einschränkung informieren. Aber bin ich, wenn es um meinem eigenen Geschmack geht, bereit, mir selber abzusterben bei bestimmten Gelegenheiten, um anderen den Vortritt zu lassen oder um die, die mir etwas anbieten, zu ehren?

Denk daran, wie sich andere Leute fühlen, wenn sie unsere heikle Einstellung bemerken. Wenn unser Ehegatte, unsere Eltern oder Gastgeber für uns eine Mahlzeit bereiten und sie unseren aufwendigen Geschmack bemerken, können sie sich peinlich oder unbehaglich fühlen. Sie können sich unter Druck gesetzt fühlen, wenn sie versuchen, unseren Ansprüchen ge­recht zu werden. Unsere Heikelkeit könnte sogar dafür sorgen, dass sie sich schlecht fühlen, dass sie nicht das gleiche „hohe Niveau“ beim Essen haben wie wir.

Wie esse ich? Esse ich zu schnell? Aus katholischer Sicht ist eine Mahlzeit mehr als nur eine Gelegenheit, unseren Hunger zu stillen und unseren Leib zu ernähren. Eine Mahlzeit ist Zeit, die man mit anderen verbringen und in der man ins Gespräch kommen kann. Wenn Menschen zu hastig essen, sind sie je­doch so darauf konzentriert, ihren Magen zu füllen, dass es ihnen nicht leicht fällt, anderen Aufmerksamkeit zu schenken. Im Grunde genommen denken sie nicht an die Bedürfnisse anderer am Tisch. Statt freundlich den Wünschen anderer nach Wasser, Wein oder Brot zuvorzukommen, ist der unersättliche Mensch mehr damit beschäftigt, seinen eigenen Teller mit dem zu füllen, was er haben möchte. Darüber hinaus ist es schwierig, sich mit anderen Menschen am Tisch zu unterhalten, wenn jemand so sehr damit beschäftigt ist, seinen Mund voll zu bekommen. Das Essen wird für einen solchen Menschen mehr zu einer Zeit zur Befriedigung seines eigenen Appetits als zu einer Gelegenheit, sich mit anderen zu unterhalten. Statt dass man wirklich an einer Mahlzeit teilhat und eine Tischgemeinschaft bildet, wie es sich für Menschen gehört, essen manche Menschen wie Tiere, die nur zufällig den gemeinsamen Futtertrog teilen, nur auf ihr eigenes Futter schauen, sich das Maul füllen und nicht einmal Augenkontakt mit anderen herstellen. Außerdem: wenn ein Mensch zu schnell isst, freut er sich auch nicht an der Nahrung. GOTT schenkt uns Freude am guten Essen; wir sollten unsere Speise langsam essen, so dass wir sie tatsächlich genießen können. Wer es beim Essen immer eilig hat, ist nicht wirklich in der Lage, die Freude eines guten Essens auszukosten.

Wann esse ich? Muss ich immer essen, wenn ich Hunger verspüre? In unserer Familie hatten unsere kleinen Kinder alle eine schwierige Zeit, während sie lernten, ihren Wunsch nach etwas zu trinken oder zu essen richtig auszudrücken. In diesen Monaten der Übergangszeit schrien sie, sobald sie den kleinsten Anflug von Appetit oder Durst verspürten, laut mit schmerzerfüllter Stimme, als ob es etwas ganz Schlimmes wäre: „Ich habe einen solchen Hunger!“ oder „Saft, Saft!“ Und natürlich erwarteten sie, dass ihr Hunger oder Durst sofort gestillt würde. In ähnlicher Weise wird unser Verlangen, wenn wir es nicht zügeln, wie ein kleines Kind in uns, das schreit: „Ich will Schokolade!“ oder „Ich brauche meinen Caffè Latte“ oder „Ich will meine Pommes von McDonald’s und zwar sofort!“ Und wie ein unerzogenes kleines Kind lassen wir zu, dass unsere Bedürfnisse uns beherrschen. Wir essen zum Beispiel den ganzen Tag hindurch, weil ein klein wenig Hunger zu schlimm wäre. Oder wir essen, bevor die anderen an den Tisch gehen. Oder wir stellen auf einmal fest, dass wir für zehn Minuten unsere Arbeit unterbrechen oder die nächste Autobahnausfahrt nehmen, um in ein Imbissrestaurant zu gehen. Oder Geld ausgeben für Sachen, die wir gar nicht geplant hatten, alles nur um die unablässig fordernde Stimme unseres Appetits zum Schweigen zu bringen.

 

Fasten

Fasten ist die Tugend, die wir brauchen, um unseren Willen von der Versklavung an unseren Appetit zu befreien. Thomas von Aquin sagt, dass Fasten die Gelüste des Fleisches zügelt. Indem wir mehr oder weniger regelmäßig von Essen und Trinken absehen, trainieren wir unseren Willen, „nein“ zu unserem Hunger und Durst zu sagen. Das Ergebnis ist, dass unser Wille gestärkt wird und dass wir weniger in Gefahr sind, von unserem Appetit gesteuert zu werden oder frustriert zu sein, wenn dieser nicht sofort befriedigt wird.

Wenn wir uns weigern, unserem Appetit für Kleinigkeiten, wie Schokolade in der Fastenzeit oder Fleisch am Freitag nachzugeben, bekommen wir größere Selbstbeherrschung. Das ist ein Grund, weshalb die Kirche gewisse Zeiten wie die Fasten­zeit oder Freitage als spezielle Tage der Buße bezeichnet, so dass wir regelmäßig die Gelegenheit haben, Selbstbeherrschung zu üben und so in der Mäßigung fortzuschreiten.

 

Trunkenheit und Nüchternheit

Zum Schluss noch etwas über Trunkenheit und Nüchternheit. Nüchternheit ist die Tugend, die unseren Alkoholkonsum mäßigt. Das Trinken von Alkohol an sich ist nicht unmoralisch, aber Trunkenheit ist es sehr wohl. Trunkenheit – Trinken bis zu dem Punkt, an dem wir nicht mehr fähig sind, unseren Verstand zu benutzen, und die Kontrolle verlieren – ist nach Thomas von Aquin eine Todsünde. Der heilige Paulus be­schreibt Trunkenheit als eine der Sünden, die vom Reich GOTTES trennen (1 Kor 6,10; Gal 5,21). Thomas von Aquin erklärt, dass – wenn ein Mann sich bewusst ist, dass seine Trinkgewohnheit unmäßig ist und zur Vergiftung führt, er aber lieber betrunken sein will als mit dem Trinken aufzuhören – seine Trunkenheit eine Todsünde ist, weil er „wissentlich und willentlich sich selbst des Gebrauchs seines Verstandes beraubt (durch den er mutige Taten ausführt und die Sünde meidet) und so tödlich sündigt, schon indem er Gefahr läuft, in Sünde zu fallen“ (Summa Theol. II-II,150.2).

Wie sagte ein ehemaliger Student während der Vorlesung einmal: „Es ist schon schwer genug, sich zu bemühen, ein guter Christ zu sein, wenn wir nüchtern sind!“ Tatsächlich ist es schon schwer, der Tugend nachzustreben, wenn wir unseren Verstand vollständig zur Verfügung haben. Sich willentlich in einen Zustand zu versetzen, der daran hindert, den Verstand zu gebrauchen, wie es der Fall ist, wenn jemand betrunken ist, beeinträchtigt unsere Fähigkeit, das Gute zu tun und die Sünde zu meiden, noch mehr.«

 

 

 

Erik Peterson und die „Theologie des Kleides“

 

Papst Benedikt XVI. würdigte am 25. Oktober 2010, anlässlich der Audienz für die Teilnehmer eines Symposions, den Theologen Erik Peterson anlässlich dessen 120. Geburts- und 50. Todestages, indem er auf eigene Erfahrungen hinwies. Er sei 1951 als Kaplan auf Eric Peterson gestoßen und habe ihn „mit wachsender Begeisterung gelesen“ und sich von ihm ergreifen lassen: „Denn hier war die Theologie, nach der ich suchte: Theologie, die einerseits den ganzen historischen Ernst aufbringt, Texte zu verstehen, zu untersuchen, sie mit allem Ernst historischer Forschung zu analysieren, und die doch nicht in der Vergangenheit stehen bleibt, sondern die Selbstüberschreitung des Buchstabens mitvollzieht…, sich von ihr mitnehmen lässt und damit in die Berührung mit dem kommt, von dem her sie stammt – mit dem lebendigen GOTT… So habe ich an ihm wesentlich und tiefer gelernt, was eigentlich Theologie ist, und auch Bewunderung dafür gehabt, dass hier nicht nur Gedachtes gesagt wird, sondern dass dieses Buch Ausdruck eines Weges, die Passion seines eigenen Lebens war.“ Peterson war in Hamburg geboren und hatte als evangelischer Professor für Neues Testament und alte Kirchengeschichte gewirkt, ehe er 1930 zur katholischen Kirche konvertierte und seinen Lehrstuhl verlor. Er lebte dann mit seiner Familie in Rom, wo er ab 1947 als Professor für altchristliche Liturgie und Religionsgeschichte wirkte. Am 26. Oktober 1960 starb er wiederum in Hamburg.

Diese Heraushebung Petersons durch den Hl. Vater ist uns Anlass, einen Artikel erneut abzudrucken, den wir in der FMG-INFORMATION 60 (Dezember 1996) veröffentlicht hatten. Peterson hatte in seinen 1956 veröffentlichten „Marginalien zur Theologie“ eine „Theologie des Kleides“ vorgelegt. Diese ungewöhnliche Formulierung mag an das Wort des hl. Paulus im Römerbrief erinnern, dass wir als Getaufte „CHRISTUS anziehen“ sollen (Röm 13,14). Der Apostel ergänzt dann im 2. Korintherbrief: „Wir wissen: Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnung von GOTT, ein nicht von Menschenhand errichtetes Haus im Himmel. Im gegenwärtigen Zustand seufzen wir und sehnen uns danach, mit dem himmlischen Haus überkleidet zu werden. So bekleidet, werden wir nicht nackt erscheinen. Solange wir nämlich in diesem Zelt leben, seufzen wir unter schwerem Druck, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit so das Sterbliche vom Leben verschlungen wird.“ (2 Kor 5,1-4). Es geht also beim Kleid (auch beim Anliegen unseres Faltblattes „Dein Kleid spricht“) nicht nur um die moralische Ebene, sondern um das Sein des gefallenen und erlösten Menschen.

 

Peterson beginnt seinen Aufsatz mit der Feststellung, dass die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zum Kleid außerhalb der Kirche gewöhnlich als eine indifferente Angelegenheit behandelt, während sie im christlichen Raum nicht selten als ein rein moralisches Problem angesehen werde (was ja heute weithin auch nicht mehr zutrifft!). Doch, so sagt der Theologe, die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zum Kleid sei vielmehr ein Problem der Metaphysik und der Theologie. »Die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu dem Kleide rührt an die zentralsten Wahrheiten des christlichen Glaubens überhaupt.«

»Die theologische Überlegung über das Verhältnis von Mensch und Kleid wird ihren Ausgangspunkt selbstverständlich immer in der biblischen Erzählung vom Sündenfall nehmen. Das Charakteristische an dieser Erzählung ist, dass es Nacktheit erst nach dem Sündenfall gibt. Vor dem Sündenfall gab es wohl Unbekleidetheit, aber diese Unbekleidetheit war noch keine Nacktheit. Die Nacktheit setzt wohl Unbekleidetheit voraus, aber sie ist nicht mit ihr identisch. Das Wahrnehmen der Nacktheit ist an diesen geistigen Akt, den die Hl. Schrift das „Aufgetanwerden der Augen“ nennt, gebunden. Die Nacktheit wird also „bemerkt“, während das Unbekleidetsein unbemerkt geblieben ist. Die Nacktheit nach dem Sündenfall konnte jedoch nur dann bemerkt werden, wenn eine Veränderung im Sein der ersten Menschen eingetreten war. Diese Veränderung im Sein des Menschen durch den Fall muss Adam und Eva in ihrer gesamten Natur betroffen haben. Es muss, mit anderen Worten, eine metaphysische, eine die Seins­weise des Menschen berührende Veränderung eingetreten sein und nicht bloß eine moralische... Das heißt nun aber: Adam und Eva haben den menschlichen Leib nach dem Sündenfall in einer anderen Weise „gehabt“ als vorher... Jetzt erst wird der Leib in seiner ganzen Körperlichkeit - mit Einschluss seiner Geschlechtlichkeit -, jetzt erst in seiner ganzen „Nacktheit“ sichtbar. Von einer Nacktheit des Körpers zu sprechen, die sichtbar geworden ist, weil einem „die Augen aufge­tan“ worden sind, hat aber nur unter der Annahme einer vorausgegangenen Entkleidung einen Sinn. Erst die Entblößung des Leibes führt zu der Wahrnehmung des nackten Körpers und so musste denn auch zuerst die „Entblößung“ des Leibes der ersten Menschen eingetreten sein, ehe sie sich der „Nacktheit“ ihres Körpers bewusst werden konnten. Diese „Aufdeckung“ des Leibes..., die als Folge der ersten Sünde für die jetzt „aufgetanen Augen“ sichtbar wird, lässt sich nur unter der Annahme begreifen, dass vor dem Sündenfall „bedeckt“ war, was jetzt „aufgedeckt“ wird, dass vorher verhüllt war und bekleidet war, was jetzt enthüllt und entkleidet wird. Der Leib war vor dem Sündenfall in einer anderen Weise für den Menschen da, weil der Mensch in einer anderen Weise für GOTT da war... Dieses „Nicht-Nacktsein“ des Leibes, bei äußerer Unbekleidetheit, erklärt sich daraus, dass die über­natürliche Gnade die menschliche Person wie mit einem Gewande umhüllte. Der Mensch stand nicht nur im Licht der GÖTTlichen Glorie, nein, er war mit der Glorie GOTTES bekleidet. Aber der Mensch verlor die GÖTTliche Glorie durch die Sünde, und nun wird in seiner Natur ein Leib ohne GÖTTliche Glorie sichtbar: das Nackte des rein Körperlichen, die Entblößung des rein Funktionellen, ein Körper, dem der Adel fehlt, da die letzte Würde des Leibes in der verlorenen GÖTTlichen Glorie beschlossen war.

Der Mensch im Paradiese trug keine geschaffenen Kleider, auch nicht die geschaffenen Kleider seiner „Tugenden“ - kann doch die Tugend zum „habitus“ des Menschen werden -, sondern die übernatürliche Gerechtigkeit war sein Gewand, Unschuld und Unvergänglichkeit sein Kleid. Darum ist das Offenbarwerden der körperlichen Nacktheit auch immer zugleich ein Offenbarwerden der fehlenden Gerechtigkeit, Unschuld und Unvergänglichkeit.

Weil der Mensch durch den Fall in seinem Sein „entblößt“ wird, darum wird die „Blöße“ des Körpers durch das Kleid zugedeckt. Weil die „Aufdeckung“ des Leibes „die Scham“ sichtbar werden lässt, darum ist es ein Gebot des „Schamgefühls“, den Körper zu bedecken. Weil der Leib nicht mehr unschuldig und unvergänglich ist, darum wird er mit einem Gewande verhüllt. Die Verderbnis wird versteckt gehalten, und über die Verwesung breitet man ein Tuch.

Der locus communis (Gemeinplatz) „Kleider machen Leute“ birgt einen tiefen theologischen Sinn. Nicht nur „Leute“, sondern auch den Menschen „‚macht“ das Kleid, und das darum, weil der Mensch nicht durch sich selbst interpretierbar ist, weil das natürliche Sein des Menschen seiner eigenen Bestimmung nach auf die Hinzufügung der Gnade und die Vollendung durch sie hingeordnet ist. Darum ist Adam also mit übernatürlicher Gerechtigkeit, Unschuld und Unvergänglichkeit ‚bekleidet’, weil erst das Kleid seine „Würde“ erkennen lässt, und sichtbar macht, wozu der Mensch durch das Geschenk der Gnade und Glorie von GOTT bestimmt ist...«

Peterson führt dann weiter, dass die scheinbar recht „äußerliche“ Tat von Adam und Eva, sich nach der furchtbaren Tat der ersten Sünde mit Blättern des Feigenbaums zu bedecken, das Bewusstsein offenbart, »dass der Mensch in seinem früheren Stande auch die Glorie, die er besessen hat, als ein Kleid getragen hat.«

 

Der hier zum Ausdruck gebrachte Gedanke - das Bild vom Paradieseskleid ist ja nicht Petersons Erfindung, es ist in der katholischen Tradition seit Augustinus, Ambrosius u. a. da - macht also deutlich, dass die Bekleidung des nackten menschlichen Leibes eine Konsequenz einer Veränderung der ganzen Natur des Menschen durch die Sünde ist. In einer Fußnote sagt Peterson darum auch: »Das moralische Gebot des Schamgefühls gründet also in einem metaphysischen Tatbestand.«

Die Konsequenz ist, dass das Kleid zwar aufgrund der Veränderung des Menschen durch die Erbsünde notwendig ist, dass aber sein Versuch, das verlorene Paradieseskleid zu ersetzen, nicht gelingt und das Kleid darum zudeckt und zugleich enthüllt, also auch »zum Werkzeug der Begierlichkeit und der Verführung wird«.

Peterson bleibt aber beim Verlust des Kleides der Glorie - und beim irdischen Gewand als Andenken an diesen Verlust nicht stehen, er führt den Leser weiter zu CHRISTUS, der uns das übernatürliche Kleid zurückgibt: »Dieses Kleid, das wir beses­sen und verloren haben und doch in allen irdischen Gewän­dern, die wir tragen, noch immer suchen, wird uns in der heiligen Taufe geschenkt.« Das weiße Taufgewand nimmt darauf Bezug. »Und wenn CHRISTUS sich mit der Kirche in der Taufe verlobt, dann geschieht das so, dass er sich einer „Entblößten und Entehrten“ angelobt und ihre Schmach mit dem Festkleid Seiner Herrlichkeit bedeckt. Es ist das Gewand, das der verlorene Sohn empfängt, wenn er in das Vaterhaus zu­rückkehrt. Es ist das „Hochzeitskleid“ (Mt 22,11), das uns „würdig“ macht, am himmlischen Hochzeitsmahle teilzuneh­men.«

Übrigens, wie der Hl. Vater in seinem JESUS-Buch aufmerk­sam macht, empfängt der Sohn im Gleichnis „vom verlorenen Sohn“ nicht einfach das „beste“ Gewand (so die Einheitsübersetzung), sondern „das erste Gewand“ („stolén ten próten“; vgl. Lk 15,22): „Für die Väter ist dieses ‚erste Gewand’ der Hinweis auf das verlorene Gewand der Gnade, mit dem der Mensch im Ursprung umkleidet gewesen war und das er in der Sünde verloren hat. Nun wird ihm dieses ‚erste Gewand’ wieder geschenkt, das Gewand des Sohnes.“ (Joseph Ratzinger - Benedixt XVI., JESUS von Nazareth. Freiburg 2007, S. 246)

 

Aus den Gedanken Erik Petersons wird deutlich: Unsere Kleidung ist nur noch Erinnerung an das Gewand der Gnade; sie ist recht vorläufig und unzulänglich, sie ist sogar als Werkzeug der Verführung missbrauchbar, weil auch nach der Taufe als Folge der Erbsünde die Begierlichkeit bleibt und das geistliche Gnadengewand der Erlösung im irdischen Leben leicht befleckt und zerstört werden kann. Aber es ist nötig, weil die Sünde unser menschliches Sein verändert, geschädigt hat. Und das schöne, schlichte, anmutige Gewand, das nicht den Leib preisgibt und anbietet, sondern birgt und schützt, soll doch auch schon Hinweis sein auf das Hochzeitskleid der Vollendung.

 

 

 

Über die Frühkommunion

 

Am 8. August 1910 veröffentlichte der hl. Papst Pius X. sein Dekret „Quam singulari“ über die Erstkommunion bzw. Frühkommunion der Kinder. 1905 war der Eucharistische Weltkongress, 1881 in Lille/Frankreich begonnen, erstmals in Rom gefeiert worden, und im selben Jahr hatte Pius X. das Dekret „Sacra Tridentina Synodus“ herausgegeben über die häufige und tägliche Kommunion. Beide Dekrete war ein wesentlicher Beitrag zum Anliegen dieses Papstes entsprechend seinem Leitmotiv „Alles in CHRISTUS erneuern“. Die hl. Eucharistie sollte als die Quelle christlicher Spiritualität wieder entdeckt werden.

 

Zum 100. Jubiläum von „Quam singulari“ veröffentlichte der „Osservatore Romano“ einen Beitrag des Kardinalpräfekten der Kongregation für den GOTTESdienst und die Sakramen­tenordnung, Antonio Kardinal Canizares Llovera. Daraus einige Auszüge:

»Durch dieses Dekret unterwies Pius X. … die ganze Kirche über die Bedeutung, den Augenblick, den Wert und die Zentralität der hl. Kommunion für das Leben aller Getauften, einschließlich der Kinder. Gleichzeitig hob er die besondere Liebe JESU zu den Kindern hervor und rief sie allen in Erinnerung…«

Der Kardinal unterstreicht die Bedeutung des eucharistischen Geschenks der Liebe: »Wieso sollte man also für die Kinder diese Begegnung mit JESUS hinausschieben… Die Erstkommunion der Kinder ist gleichsam der Beginn eines Weges mit JESUS, in Gemeinschaft mit Ihm: der Beginn einer Freundschaft mit Ihm, die das ganze Leben hindurch andauern und gefestigt werden soll… Wir dürfen nicht… den Kindern – der Seele und dem Geist der Kinder – diese Gnade, dieses Wirken und diese Gegenwart JESU vorenthalten… Alle, besonders die Kinder, brauchen das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, denn auch die Seele muss Nahrung erhalten; unsere Errungenschaften, die Wissenschaft, die Technik, so wichtig sie auch sind, genügen nicht. Wir brauchen CHRISTUS, um in unserem Leben zu wachsen und zu reifen.

Dies ist in unserer Zeit noch wichtiger und gilt ganz besonders für die Kinder, denn die Größe, Reinheit, Einfachheit, ‚Heiligkeit’, Offenheit für GOTT und Liebe, die sie auszeichnen, werden auf beklagenswerte Weise oft manipuliert und zerstört. Die Kinder leben inmitten von zahlreichen Problemen, sie sind umgeben von einem schwierigen Umfeld, das sie nicht ermutigt, das zu sein, was GOTT von ihnen will. Viele fallen der Krise der Familie zum Opfer. In dieser Atmosphäre sind die Begegnung, die Freundschaft, die Vereinigung mit JESUS, Seine Gegenwart und Seine Kraft für sie noch notwendiger. Dank ihrer reinen und offenen Seele sind sie zweifellos für diese Begegnung am besten bereitet.

Der 100. Jahrestag des Dekrets Quam singulari ist eine von der Vorsehung geschenkte Gelegenheit, in Erinnerung zu rufen und darauf zu bestehen, dass die Erstkommunion in dem Alter empfangen wird, in dem bei den Kindern der Vernunftgebrauch einsetzt, was heute sogar früher der Fall zu sein scheint. Die immer stärker um sich greifende Praxis, das Alter für die Erstkommunion anzuheben, ist also nicht empfehlenswert. Sie sollte im Gegenteil sogar noch früher empfangen werden. Angesichts dessen, was mit den Kindern geschieht, und des so schwierigen Umfelds, in dem sie aufwachsen, dürfen wir ihnen das Geschenk GOTTES nicht vorenthalten. Es kann die Garantie sein, ja es ist Garantie für ihr Wachstum als Kinder GOTTES, hervorgegangen aus den Sakramenten der christlichen Initiation im Schoß der hl. Mutter Kirche. Die Gnade von GOTTES Geschenk ist mächtiger als unser Handeln und unsere Pläne und Programme…«

 

Gerade in der Bedrohung der Reinheit der Kinder durch die sexuelle Indoktrination in den Medien und in der Schulsexual„erziehung“ ist die frühzeitige Stärkung mit dieser höchsten Kraft nicht nur hilfreich, sondern notwendig. Darum möchten wir aus dem Dekret Pius’ X. zitieren und weitere Informationen dazu bieten, die wir schon einmal in der FMG-INFORMATION 59 (Juli 1996) abgedruckt hatten.

 

Auszüge aus dem Dekret „Quam singulari“ von Papst Pius X. über die "rechtzeitige Erstkommunion" vom 8.10.1910:

»Klar bezeugen die hl. Evangelien, mit welch besonderer Liebe CHRISTUS auf Erden den Kindern zugetan war... In diesem Bewusstsein war es seit den ersten Zeiten das Bestreben der katholischen Kirche, die Kleinen durch die eucharistische Kommunion, die sie auch schon den Säuglingen reichen ließ, CHRISTUS nahezubringen. Wie wir es in fast allen Ritualien bis zum 13. Jh. vorgeschrieben finden, geschah dies bei der Taufe; in einzelnen Gegenden hielt sich diese Einführung noch länger, bei den Griechen und Orientalen trifft man sie noch heute. Um der Gefahr vorzubeugen, dass die Kleinen, besonders die Säuglinge, das konsekrierte Brot wieder von sich geben, bürgerte sich die Gewohnheit ein, ihnen die Eucharistie nur unter der Gestalt des Weines zu reichen...«

Das Dekret spricht dann vom Aufhören dieser Übung in der lateinischen Kirche, so dass man Kinder erst zur hl. Kommunion zuließ, wenn sie Anzeichen des Vernunftgebrauchs und eine angemessene Kenntnis des Sakramentes hatten. Das IV. Laterankonzil habe dann im Jahr 1215 festgelegt: »Jeder Gläubige... der zum Alter der Unterscheidung gelangt ist, beichte einzeln und gewissenhaft alle seine Sünden wenigstens einmal jährlich und... empfange wenigstens zu Ostern ehrerbietig das Sakrament der Eucharistie...« Das Konzil von Trient habe dies bestätigt. Doch dann hätten sich »beklagenswerte Irrtümer und Missbräuche“ eingeschlichen, indem man das für die Eucharistie gültige Alter der Unterscheidung hinaufsetzte je nach Ortsbrauch auf zehn, zwölf oder gar vierzehn oder mehr Jahre und »vor Erreichung das so vorgeschriebenen Alters« Kinder nicht zuließ. Nun das Dekret wieder wörtlich:

»Solche Gepflogenheiten, welche unter dem Vorwand, die Würde des erhabenen Sakramentes zu wahren, die Gläubigen von demselben fernhielten, wurden Ursache vieler Schäden. Den unschuldigen, von CHRISTUS ferngehaltenen Kindern fehlte jegliche Nahrung für ihr Innenleben, woraus nicht selten folgte, dass die der wirksamsten Hilfe beraubte Jugend in allerlei Fallstricke geriet, die Reinheit verlor und sich dem Laster ergab, noch bevor sie die hl. Geheimnisse verkostet hatte. Und wenn auch so der hl. Kommunion eine bessere Vorbereitung und eine genaue Beicht vorausging..., so darf doch nicht übersehen werden, dass der Verlust der ersten Unschuld ein sehr bedauernswerter ist, ein Verlust,der vielleicht hätte vermieden werden können, wenn man in zarterem Alter die Eucharistie empfangen hätte.«

Das Dekret Pius' X. verweist dann, gegen die Irrlehre der Jansenisten, die hl. Kommunion sei nur „Belohnung“ und nicht „Heilmittel für die menschliche Schwäche“, auf die Aussage des Konzils von Trient, sie sei »ein Gegengift gegen die täglichen Fehler und bewahrt uns vor den schweren Sünden«. Das sei erst 1905 wieder bekräftigt worden in einem Dekret, dass der tägliche Kommunionempfang Erwachsenen und Kindern »unter bloß zwei Bedingungen gestattet wurde, nämlich Stand der Gnade und rechte Absicht«.

Das Dekret Pius' X. von 1910 nennt dann Argumente für die frühe Zulassung von Kindern zur Eucharistie, u. a. die Aussage des hl. Thomas von Aquin, »sobald einmal die Kinder beginnen, einigermaßen die Vernunft zu gebrauchen, so dass sie Andacht zur hl. Eucharistie hegen können«, könne ihnen das Sakrament gespendet werden. Ja, das Dekret zitiert dann zustimmend Auslegungen dieser Lehre des hl. Thomas, dass mit Erlangung des Vernunftgebrauches das Kind nicht bloß zur Kommunion zugelassen werden dürfe, sondern dass es »sofort kraft GÖTTlichen Gebotes verpflichtet« sei, so dass die Kirche von dieser Pflicht nicht befreien könne. Dies wird auch auf das Gebot zu beichten bezogen. Wieder wörtlich:

»Aus alledem ergibt sich, dass das Alter der Unterscheidung für die hl. Kommunion dasjenige ist, in dem das Kind das eucharistische Brot vom gewöhnlichen Brot zu unterscheiden weiß, so dass es mit Andacht zum Altare hinzutreten kann. Demnach ist keine vollkommene Kenntnis der Glaubenswahrheiten erforderlich; es genügt die Kenntnis der ewigen Grundwahrheiten, d. h. sie einigermaßen zu kennen; auch ist nicht notwendig der volle Gebrauch der Vernunft; es genügt der Anfang der Verstandestätigkeit, d. h. dass sie einigermaßen ihren Verstand gebrauchen können. Deshalb ist es durchaus zu missbilligen, die Kommunion weiter hinauszu­schieben und für deren Empfang ein gereifteres Alter festzusetzen, ein Missbrauch, den der Apostolische Stuhl mehrfach verurteilt hat...«

 

Schließlich werden in acht Punkten »allgemein zu beobachtende Vorschriften« dargelegt:

»1. Das Unterscheidungsalter für die Beichte sowohl wie für die hl. Kommunion ist dasjenige, in dem das Kind zu denken anfängt, d.h. ungefähr das siebte Jahr, manchmal etwa später oder auch früher. Von dieser Zeit an beginnt die Pflicht, dem Doppelgebot der Beichte und der Kommunion Genüge zu leisten.

2. Zur ersten Beicht und zur ersten hl. Kommunion ist nicht eine vollständige und genaue Kenntnis der christlichen Lehre erforderlich. Die Kinder müssen aber später den ganzen Katechismus entsprechend ihrer Fassungskraft stufenweise sich aneignen.

3. Die Religionskenntnis, die beim Kinde erforderlich ist, um sich entsprechend auf die erste hl. Kommunion vorzubereiten, besteht darin, dass es die zur Seligkeit unumgänglich notwendigen Glaubensgeheimnisse nach dem Maße seiner Fassungskraft verstehe und das eucharistische Brot vom gewöhnlichen leiblichen Brot unterscheide und so mit einer seinem Alter entsprechenden Andacht zum Tisch des HERRN hinzutrete.«

Die Pflicht dafür wird in Punkt 4 den Eltern, Lehrern und Pfarrern zugesprochen und gesagt, »dem Vater... und dem Beichtvater steht es... zu, das Kind zur 1. Kommunion zuzulassen«. Punkt 5 spricht von einer gemeinschaftlichen, vorbereiteten Kommunionfeier einmal oder mehrmals im Jahr in den Pfarreien, an der auch die Frühkommunikanten teilnehmen sollen. Punkt 6 behandelt die Sorge der Verantwortlichen, »dass die Kinder nach der ersten Kommunion öfter zum Tisch des HERRN gehen« sollen, »womöglich alle Tage, wie CHRISTUS selbst und die Kirche es sehnlich wünschen«, und der Pflicht für die weitere Fortbildung im Glauben. Schließlich wird ausdrücklich sie Sitte, »Kinder nach erlangtem Vernunftgebrauch nicht zur Beicht zuzulassen«, verworfen und ebenso die Unsitte, Kindern entsprechend die hl. Wegzehrung und die hl. Ölung vorzuenthalten.

 

Offizielle Kommentare zu diesem Dekret, etwa von Kardinal Gennari, der am Dekret mitgearbeitet hatte, sprechen für die heutige Zeit, in der die Kinder sich durch viele Förderung frühzeitiger entwickelten als in der Vergangenheit, sogar davon, der Vernunftgebrauch komme den Kindern sehr früh: »alle geben dies zu, Kinder von kaum drei oder vier, höchstens fünf Jahren vermögen schon zu urteilen und können das gewöhnliche Brot recht gut vom eucharistischen Brot unterscheiden. Man sagt, dass für gewöhnlich die Vernunft sich mit sieben Jahren zeigt. Bei einigen wird es schon stimmen; aber bei sehr vielen trifft dies weitaus früher ein...«

Hinsichtlich der Grundwahrheiten wird angeführt: »das Kind muss wissen, dass es einen GOTT gibt, dass dieser alles geschaffen hat, dass Er das Gute belohnt und das Böse bestraft, dass es nur einen GOTT und drei GÖTTliche Per­sonen gibt; dass JESUS CHRISTUS Mensch geworden und uns durch Seinen Tod erlöst hat; ebenso muss es das eucharistische Brot vom gewöhnlichen Brot unterscheiden können: all dies nach Maßgabe seiner schwachen Verstandeskräfte«.

 

Hinsichtlich der Fragen über den Ort der Frühkommunion und die Einwilligung des Pfarrers sei eine Darlegung des Mainzer Kirchenrechtlers Prof. DDr. Georg May abgedruckt (vom 23.11.1994):

„...Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der CIC/1983 früheres (außerkodikarisches) Recht, das ihm nicht entgegensteht, grundsätzlich nicht antastet (c. 6). Die Frühkommunion war ausdrücklich nicht im CIC/1917 und ist ausdrücklich nicht im CIC/1983 geregelt, wird daher auch vom CIC/1983 nicht tangiert. Ihre Möglichkeit ergab bzw. ergibt sich aus c. 854 CIC/1917 und cc. 913 und 914 CIC/1983. Den Eltern bleibt es unbenommen, ihre Kinder zur Frühkommunion zu führen. Ihre Verantwortung ist in c. 914 eigens ange­sprochen. Sache des Pfarrers ist es, darüber zu wachen, dass die Voraussetzungen für den Kommunionempfang erfüllt sind.

Die Eltern können die Frühkommunion ihrer Kinder dort halten, wo sie es für gut befinden, immer vorausgesetzt, dass der Pfarrer der Pfarrei, wo sie die Frühkommunion ausrichten, sich über das Vorliegen der Voraussetzungen (z.B. durch eine Prüfung oder durch die Erklärung eines zuverlässigen Beichtvaters) vergewissert hat. Die Vornahme der Frühkommunion bedarf, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen von dem Pfarrer des Ortes, wo die Kommunion gehalten werden soll, bejaht worden ist, keiner Erlaubnis des Pfarrers. Ein Pfarrer, der die Frühkommunion, bei der das Vorliegen der Voraus­setzungen von ihm bejaht worden ist, hindern wollte, würde sich gegen c. 914 verfehlen. Die Gläubigen können ihr Recht in einem solchen Falle beim Diözesanbischof geltend machen.“

Näherhin wird dann noch ausgeführt:

„Es ist Pflicht und Recht der Eltern, ihre Kinder in den katholischen Glauben und das christliche Leben einzuführen (cc. 774 § 2, 793 § 1). Im besonderen ist es Aufgabe der Eltern (und des Pfarrers), dass die Kinder nach Erlangung des Vernunftgebrauchs gehörig auf die Erstbeicht und die Erstkommunion vorbereitet werden. Sache des Pfarrers ist es, darüber zu wachen, dass nicht Kinder zur Kommunion hinzutreten, die den Vernunftgebrauch noch nicht erlangt haben oder die nach seinem Urteil nicht genügend vorbereitet sind (c. 914). Die Eltern dürfen und sollen also ihre Kinder privat zur Erstbeichte und Erstkommunion vorbereiten. Wenn sie diese Aufgabe voll befriedigend lösen, ist der Forderung des c. 914 Genüge geschehen. Die Hauskatechese ist an sich sogar die berufenste Weise der Hinführung der Kinder zu den beiden genannten Sakramenten. Die Anforderungen an die Vorbereitung sind aus den cc. 987 und 913 zu entnehmen. Die Vorbereitung der Kinder zum Empfang von Frühbeicht und Frühkommunion durch die Eltern (oder deren Beauftragte) bedarf keiner Erlaubnis des Pfarrers oder eines kirchlichen Oberen. Sie entfließt ihrem Erziehungsrecht und ihrer Erziehungspflicht. Dem Pfarrer ist in diesem Falle die Überprüfung des Vernunftgebrauchs und der gehörigen Vorbereitung der Kinder zugewiesen. Dieser Verpflichtung kann er sich persönlich unterziehen; ihr geschieht aber auch Genüge, wenn er sich auf das Zeugnis eines gewissenhaften Priesters verlässt, der die private Vorbereitung zu Erstbeicht und Erstkommunion geleitet oder begleitet hat. Der Priester, der für die erwähnte Prüfung verantwortlich ist, ist immer (nur) ein Pfarrer. Normalerweise wird es der Pfarrer des Wohnsitzes sein (vgl. C. 107 § 1). Nun können aber die Eltern die Frühbeicht und Frühkommunion dort vornehmen lassen, wo sie es für gut befinden; sie sind dafür nicht an die Pfarrei des Wohnsitzes gebunden. Darum ist auch der Pfarrer einer anderen Pfarrei berechtigt, das Vorliegen der Voraussetzungen für Frühbeicht und Frühkommunion zu prüfen. Ein Einspruchsrecht des Wohnsitzpfarrers gegen ein solches Vorgehen existiert nicht.“

 

Übrigens feierte beim 37. Eucharistischen Weltkongress in München 1960 – an dieses Ereignis vor 50 Jahren wurde auch kürzlich mehrfach erinnert – Kardinal Wendel mit 6000 Frühkommunionkindern im Münchner Liebfrauendom (3.8.1960) das hl. Opfer. In seiner Ansprache sagte der damalige Münchner Erzbischof unter anderem: »Nicht die Priester haben nur die Aufgabe, Kinder auf die heilige Kommunion vorzubereiten. Nein, das ist ein Vorrecht, ein Ehrenrecht unserer Eltern. Ihnen ist das Leben der Kinder anvertraut, aber nicht nur das Leben ihres Leibes, sondern auch das GÖTTliche Leben ihrer Seele… Und so haben wir heute in der GOTTESfamilie diesen großen Tag, wo Kinder an den Tisch der Familie kommen und wo der HERR ihnen Sein Fleisch reicht zur Speise ihrer Seele, auch für ihr kleines Christenleben. Wir danken dem Papst Pius X., der uns diesen Weg wieder gezeigt hat und der uns sagte: ‚So wie das kleine Kind schon essen muss, so braucht auch der kleine Christ das Brot, das das Brot des Lebens ist.’ Und das Kind weiß sehr bald, dass das Brot, das auf dem Altar bereitet ist, ein anderes ist als das, das die Mutter daheim hat. Und das genügt, wenn es weiß, dass in der Gestalt dieses Brotes der liebe HEILAND selbst, CHRISTUS, zu ihm kommt…«

 

 

 

In Kürze

 

Nacktdarstellung des JESUSkindes

Rom. In der FMG-Information 100 hatten wir von der Forderung des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte berichtet, auf die Darstellung nackter Kinder in der Werbung zu verzichten im Hinblick auf Schlüsselreize zur Pädophilie. In einer Anmerkung hatten wir angeregt, auch bei der Verwendung von Darstellungen des JESUSkindes behutsamer zu sein, und auf die sel. Anna Maria Taigi (1769-1837) verwiesen, der die GOTTESmutter in einer Vision gesagt hatte, solch indezente nackte Darstellungen von Kindern seien ein Missbrauch, „der nicht weniger im Widerspruch zur hl. Reinheit wie auch zum wirklichen Evangelium selbst steht“ (A. Bessières, A. M. Taigi, Seherin und Prophetin, Stein am Rhein 1984, S. 73).

Eine interessante Information zu diesem Thema konnte man einem Artikel im „Osservatore Romano“, deutsche Wochenausgabe vom 17.9.2010, entnehmen. Marcello Celestini, Chefarzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin im Krankenhaus „Santo Spirito in Sassia“ in Rom, bezieht sich da auf Dar­stellungen des JESUSkindes durch Raffael, Botticelli und andere italienische Maler des 15. und 16. Jahrhunderts, auf denen an den Zehen des Kindes das sog. „Babinski-Zeichen“ sichtbar ist – ein Fußsohlenreflex, der medizinisch erst 1896 von dem polnisch-französischen Neurologen Joseph Babinski beschrieben wurde. In diesem Artikel nun berichtet Celestini, dass als „wesentliche Neuerung im Vergleich mit der byzantinischen Kunst, die das JESUSkind immer vollständig bekleidet zeigt, weil – wie die Kirchenväter sagten – die obere Hälfte des Leibes JESU Seine GÖTTlichkeit darstellt, seine Füße und die untere Hälfte seine Menschlichkeit. Ende des 13. Jahrhunderts beginnen die italienischen Maler auch die Beine des JESUSkindes zu zeigen und kurz nach Beginn des 14. Jahrhunderts wird es ganz nackt dargestellt, womit Seiner menschlichen Natur größere Aufmerksamkeit gewidmet wird und man eine naturalistische Darstellungsweise erreicht, zu der auch die ‚ostentatio gentialium’ gehört.“ Doch „nach dem Tridentinischen Konzil [1545-1563] werden die Bilder des nackten JESUSkindes als unangemessen betrachtet und der Naturalismus wird nach und nach aufgegeben…“

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Die Hirntod-Debatte bricht in der Presse neu auf

In der Schweizerischen „Kath. Wochenzeitung“ (27.8.2010) verkündete Prof. em. Charles Probst, Organentnahmen seien „bei gesicherter Diagnose ‚Hirntod’“ gemäß Papst Johannes Paul II. mit „moralischer Gewissheit“ erlaubt, will aber offenbar nicht zur Kenntnis nehmen, dass Johannes Paul II. wegen der vermehrten wissenschaftlichen Zweifel am „Hirntod“ noch kurz vor seinem Tod 2005 eine Tagung der „Päpstlichen Akademie der Wissenschaften“ einberufen hat, und dass damals eine große Zahl von Teilnehmern sich der Auffassung anschloss, dass der „‚Hirntod’ nicht der Tod des Menschen“ ist; ebenso, dass die Thematik weltweit neu diskutiert wird – bis hin zu Aussagen von Medizinern und Ethikern, die eingestehen, dass die Gleichsetzung des „Hirntodes“ mit dem biologischen Tod nichts anderes als eine „Fiktion“ ist, um legal Organtransplantationen durchführen zu dürfen (vgl. FMG-INFORMATION Nr. 99 S. 32 f; Nr. 100 S. 34). Offenbar übte Probst auch Druck auf die genannte konservative Zeitschrift aus, so dass eine kritische Stellungnahme zu seinem Artikel nicht aufgenommen wird.

Das scheint widerzuspiegeln, wie Hirntodbefürworter im kirchlichen Raum der Frage ausweichen, ob jemand, bei dem Ärzte den „Hirntod“ diagnostizieren, wirklich tot ist, was allein die moralische Erlaubnis für eine Organentnahme sein kann (Benedikt XVI. sagte 2008 ausdrücklich „ex cadavere“, aus einer Leiche!). Wurde nicht erst im Oktober 2009 ein Pfarrer in der Diözese Augsburg zum Rücktritt gedrängt, weil er im Pfarrbrief die Entnahme von Organen bei hirntoten Menschen mit einer Tötungshandlung gleichgesetzt und sich auch nach einem Gespräch mit der Bistumsleitung geweigert hatte, davon abzurücken?

Andere Presseorgane informieren dagegen, dass die Diskussion über den „Hirntod“ neu aufgebrochen ist und dass die Organtransplantation neue Grundlagen sucht, während die Politik bei uns diskutiert, wie die Organverfügbarkeit erhöht werden kann, etwa indem die bisher geltende „Zustimmungsregelung“ durch eine „Widerspruchsregelung“ (wie z. B. in Österreich schon Gesetz) ersetzt wird.

Ein kleiner Überblick über die Artikel, die uns bekannt geworden sind:

 

Die „Frankfurter Allgemeine“ schrieb am 14.9.10 unter dem Titel „Ist die Organspende noch zu retten?“, mit der Rechtfertigung des Hirntods als Tod sei es wie beim 2. Golfkrieg – die zunächst angeführten Gründe stellten sich im Nachhinein als Falsch heraus. „Die längst überfällige neue Debatte um den Hirntod meiden die Regierung und ihr Ethikrat wie der Teufel das Weihwasser. Es will offenbar nicht recht passen, dass ausgerechnet im Mutterland der Hirntoddefinition, den Vereinigten Staaten, die ‚President’s Commission on Bioetics’ im Dezember 2008 die Gründe, die bislang zur Rechtfertigung angeführt wurden, als irrtümlich zurückgewiesen hat. Das Hauptargument, auf dem die Definition beruhe, sei empirisch widerlegt.“ Der Artikel führt dann an, dass sog. Hirntote tatsächlich noch eine „somatische Integration“ zeigen, die „Homöostase“ (Selbstregulierung) bleibe aufrecht, die Körpertemperatur werde reguliert, Infektionen bekämpft, Ausscheidungen produziert; Wunden heilten, Schwangere könnten Babys austragen; auf Schmerzreize werde mit der Ausschüttung von Stresshormonen reagiert usw. Ärzte der renommierten Mayo Clinic werden angeführt, die schon die Sicherheit der bisherigen Hirntoddiagnostik in Frage stellen. Je empfindlicher die Methode, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, Aktivitäten in einzelnen Arealen des Gehirns zu finden. So versuche die genannte US-Bioethik-Kommission, um am Hirntod festzuhalten, eine Neudefinition, die aber von anderen bereits heftig kritisiert werde. Darum forderten andere, sich von der Regel, nur „Toten“ Organe zu entnehmen, zu verabschieden: „Die Bioethiker um Joseph Verheijde sprechen vom ärztlich assistierten Tod bei der Organentnahme und erhoffen sich eine intensive Diskussion unter Beteiligung der Vertreter der großen Religionsgemeinschaften.“ (Vgl. www. faz.net/s/Rub5C2BFD 49230B472BA96E0B2CF9FAB88C /Tpl~Ecommon~SThemenseite.html)

 

In der „Ärzte Zeitung.de“ hatte bereits im Juni (24.6.10) Nicola Siegmund-Schultze geschrieben: „Anlass zu zweifeln: Wie sicher ist die derzeitige Diagnostik des Hirntodes?“ und sich auf das Positionspapier dieses US-Ethikrates bezogen.

 

Das „Deutsche Ärzteblatt“ informierte auf seiner Internetseite unter dem Titel „Hirntodkriterium: Möglicherweise nicht haltbar“, dass „die neurologische Fachgesellschaft der USA gerade angemahnt habe, dass die Kriterien für die Feststellung des Hirntodes wissenschaftlich nicht untermauert seien“. Damit „müsste tatsächlich die gesamte Transplantionsmedizin auf den Prüfstand gestellt werden. Denn wer will dann wohl noch einen Organspendeausweis ausfüllen, wenn er weiß, dass ihm Organe entnommen werden, wenn er zur Zeit der Entnahme noch lebt?“ (Vgl. aerzteblatt.de 30.9.2010).

 

Die „Frankfurter Rundschau“ (www. fr-online.de/kultur/debatte/welche-medizin-wollen-wir-/-/1473340/4777580/-/view/printVersion /-/index.html) schreibt am 26.10.2010: „Hirntod-Konzept. Welche Medizin wollen wir?“ unter anderem, dass „für den renommierten deutschen Bioethiker Dieter Birnbacher die neuen Forschungen ein zwingender Grund (sind), seine bisherige Befürwortung des Hirntodkonzeptes zu überdenken. Hatte Birnbacher die Gleichsetzung von Hirntod und Tod im Vorfeld der Transplan­tationsgesetzgebung 1997 noch offensiv verteidigt, so stellt er 10 Jahre später fest, dass es sich bei Hirntoten um lebende Individuen handele.“ Doch er sei konsequenter Verfechter der Transplantationsmedizin und fordert nun die Aufgabe der sog. „dead donor rule“ – der Vorschrift, dass nur toten Menschen lebenswichtige Organe entnommen werden dürfen. „Man könne, so schlägt er vor, das Hirntodkonzept als Kriterium der Organentnahme beibehalten, weil das bewusste Leben in ethischer Hinsicht einen höheren Wert und eine höhere Schutzwürdigkeit habe als das unbewusste. Hirntote seien dann als unhelbar kranke, sterbende Menschen anzusehen, denen man, sofern sie zu Lebzeiten zugestimmt hätten, Organe entnehmen dürfe.“ Dem stünde aber, so kommentiert die „Frankfurter Rundschau“, die nicht nur in Deutschland verbotene aktive Sterbehilfe entgegen. Mit der „Abstufung der Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens“ seien weitreichende ethische Probleme verbunden. Im Kern gehe es „um elementare Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wie sollen wir mit kranken und sterbenden Menschen umgehen?“

 

Die „Neue Zürcher Zeitung“ (www. nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/ wann_sind_wir_tot_1.8204978.html?printview=true) schreibt am 31.10.2010 ebenfalls: „Wann sind wir tot? Neue Erkenntnisse bringen alte Fragen neu aufs Tapet“, dass neue Erkenntnisse die Mediziner zwingen, die Frage neu zu stellen: „Dies könnte den Umgang mit Organspenden verändern“. Der Direktor der nationalen Stiftung für Organspende und Transplantation (Swisstransplant), Franz Immer, mache um die Frage einen großen Bogen: man habe die Diskussion in der Schweiz vor 10 Jahren geführt „und ad acta gelegt“. Ein britischer Anästhesist wird mit einer Äußerung gegenüber BBC zitiert: „Man setzt das Skapell an, und der Puls und der Blutdruck schießen hoch. Wenn man keine Medikamente gibt, beginnt der Patient sich zu bewegen, und der Eingriff wird verunmöglicht.“ Er befürworte Organtransplantationen, würde aber nur dann einen Spenderausweis bei sich tragen, wenn er wüsste, dass er vor der Organentnahme betäubt würde.

 

In der „Tagespost“ berichtet Johannes Seibel am 28.10.2010: „Auch Italien debattiert über Hirntod und Transplantation“. Der Philosoph Paolo Becchi und die Historikerin Lucetta Scaraffia kritisieren dort scharf Verlautbarungen der italienischen „Nationalen Bioethik-Kommission“, da bei einer Anhörung überwiegend Experten zur Wort gekommen seien, „die direkt oder indirekt in die Tätigkeit des italienischen Nationalen Transplantationszentrums CNT einbezogen sind“ und für den Hirntod sprechen.

 

Kurz gesagt: Es gibt viele Wissenschaftler, die den „Hirntod“ als Todeskriterium verabschiedet haben, auch wenn etliche von ihnen die Transplantationsmedizin nicht aufgeben wollen und offen Wege vorschlagen, um auch – eingestandenermaßen und legal – lebenden Menschen Or­gane zu entnehmen, das heißt sie dabei zu töten. Immer aber wird unterstellt, es handle sich jedenfalls um Sterbende, die nie mehr gesund werden könnten.

Wie schon berichtet, gibt es aber eine Reihe von belegten Fällen, wo als hirntot beurteilte und zur Organspende vor­gesehene Personen wieder zum Bewusstsein und zum gesunden Leben kamen (vgl. FMG-INFORMATION 99: „Eine ‚hirntote’ junge Frau wurde gesund“).

Seit kurzem kann ein neuer Videofilm (ca. 7 Minuten) angesehen werden, der von einem jungen polnischen Polizei­beamten berichtet, bei dem die Ärzte von der Mutter die Zustimmung zur Organtransplantation wollten, die sie verweigerte, und der wieder vollständig gesund wurde:

„Tot? Organspende im Zwielicht“ ein Film von Dr. med. Regina Breul und Silvia Matthies. http://de.gloria.tv/?media=106283 (vgl. auch www.unzensierte-dokumentationen.de).

Ein junger Polizist Irek wird durch einen Unfall schwer verletzt und in eine Klinik nach Danzig gebracht; seine Mutter wird benachrichtigt. Die Ärzte sagen ihr, dass er tief bewusstlos sei und wenig Hoffnung bestehe. Er wird künstlich beatmet. Am nächsten Tag sagt man der Mutter, es sei keine Chance mehr, doch die Mutter wundert sich, dass Irek so aufwendig behandelt wird; ein Luftröhrenschnitt wird gemacht, damit er besser beatmet werde. Die Mutter glaubt noch, dass die Ärzte die technischen Möglichkeiten nutzen, um ihren Sohn zu retten, bis die Chefärztin sie fragt, ob sie einer Organspende zustimme. Die Mutter antwortet, solange ihr Sohn noch atme, glaube sie nicht, dass er tot sei; sie wolle kämpfen bis zuletzt. Wenn sie mit einer Organspende nicht einverstanden sei, müsse man das Beatmungsgerät abschalten. Die Atmosphäre im Krankenhaus wird kühl – nach der Ablehnung der Organentnahme wird die Mutter von den Ärzten ignoriert. Ireks Kollegen von der Polizei bewegen die Mutter, ihren Sohn nach Bydgoszcz zu Prof. Dr. Jan Talar zu überführen. Der Rehabilitationsmedi­ziner ist auf Komapatienten spezialisiert. Sechs Wochen wird Irek intensiv behandelt, dann geschah das Unglaubliche: er wachte auf. Er wurde ständig mobilisiert, die dauernde Zuwendung des Professors, die beständige Nähe seiner Mutter halfen zusammen. Es dauerte einige Monate, bis er den Rollstuhl verlassen konnte; er ist nicht mehr so beweglich wie früher, aber er getraut sich, wieder Auto zu fahren. Am Ende des Films wird noch berichtet, dass Prof. Talar Berufsverbot angedroht wurde, weil er die Organspende-Programme störe!

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„Führerschein für die Liebe“

Landshut. Dass Sexualität „viel mit Gefühl und Verantwortung“ zu tun habe und „ein zentraler Teil des Lebens“ sei, darüber will die „Caritas-Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen“ in Landshut Schüler ab den achten Klassen in einem Workshop „Partnerschaft, Liebe und Sexualität“ aufklären. Seit 10 Jahren biete man diesen Workshop an, der zwei volle Schultage oder eine Woche lang täglich zwei Stunden dauere. So heißt es in einem Bericht im „Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ vom 17.9.2010. „Sexualität beginnt mit der Geburt und endet mit dem Sterben“, so heißt es da. Und die „Caritas“ habe den Auftrag, „etwas zur Prävention von Teenager-Schwangerschaften zu tun“. Dazu gehöre „Aufklärung und Information über Empfängnisverhütung“, wenn es im Projekt auch um mehr gehe – dass „die Jugendlichen beziehungsfähiger werden und verantwortungsvoller mit Sexualität und Partnerschaft“ umgehen und später „ein entspanntes Verhältnis zur eigenen Sexualität“ haben. Sexualität sei, wie die Nahrungsaufnahme, ein menschliches Grundbedürfnis. – Offensichtlich also ist Geschlechtsverkehr Jugendlicher selbstverständlich („Die Schüler fragen zum Beispiel, wie das ‚Erste Mal’ ist“); dass Keuschheit, Selbstbeherrschung, Verzichtbereit­schaft, die Wertschätzung der Jungfräulichkeit wesentlich zum rechten Verständnis der Geschlechtlichkeit gehören, dass die Geschlechtlichkeit in die sakramental begründete Ehe gehört - davon ist nicht die Rede. Und schon gar nicht davon, dass „Verantwortung“ zu allererst die Frage nach der Verantwortung vor GOTT, die Beachtung Seiner Gebote, beinhaltet, und nicht bloß die Verantwortung für die „Partnerschaft“. Man mag sagen, dass dies halt im Zeitungsartikel nicht angesprochen sei. Aber abgesehen davon, dass die „Caritas“ als kirchlicher Organisation in der Pflicht steht, auch in die Öffentlichkeit hinein ein christliches Zeugnis zu geben, ist die hedonistische Richtung offenbar, wenn eben – im Ungehorsam gegen die Lehre der Kirche – Verhütung unterrichtet wird.

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Homosexuellen-Anteil überschätzt

London. Die Zahl der Homosexuellen in Großbritannien ist viel niedriger, als bisher angenommen. Einer aktuellen Umfrage des Nationalen Statistikamts zufolge bezeichnen sich 1,3% aller Männer und 0,6% der Frauen als homosexuell, und weitere 0,5% als bisexuell. So berichtet die Tageszeitung „Daily Mail“. Das wären etwa 750.000 Erwachsene unter den 61 Millionen Einwohnern, Vor fünf Jahren hatte die Regierung die Zahl der Homosexuellen noch auf 3,6 Millionen geschätzt. Die Homosexuellen-Organisation Stonewall (London) allerdings bezweifelt die Befragung und schätzt den Anteil der Homo­sexuellen auf 5-7%. (Vgl. kath.net/idea 30.9.2010)

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Krippenbetreuung stresst Kleinkinder

Wien. Kindertagesstätten sind für Kleinkinder äußerst belastend. Eine Studie der Universität Wien stellte bei einer Untersuchung der Hormone fest, dass ihr Körper bereits nach zehn Wochen Stresssymptome aufweist. Je jünger ein Kind sei, desto empfindlicher reagiere es auf Stress, so das Zwischenergebnis einer bis 2012 angelegten Untersuchung der Entwicklungspsychologin Prof. Lieselotte Ahnert. Auch Kinder, die eine große emotionale Nähe zur Erzieherin haben, blieben nicht von Stress verschont, wenn auch etwas später (nach vier Monaten) als andere Kinder (nach zwei Monaten). – Nach einer Studie der Duke-Universität Durham (North Carolina, USA) hilft Mutterliebe, im späteren Leben Stress zu verkraften. Wer als Baby liebevoll von der Mutter umsorgt werde, könne als Erwachsener besser mit belastenden Situationen umgehen. Wissenschaftler hatten die Bindung zwischen 482 Müttern und ihrem Baby bewertet und rund 30 Jahre später die psychische Verfassung der Erwachsenen überprüft. (Vgl. kath.net/idea 10.10. 2010)

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100-Jahr-Feier der Geburt von Anna de Guigné

Paris. Am 25. April 1911 war die „kleine Anna” in Annecy-le-Vieux geboren worden, am 14. Januar 1922 in Cannes gestorben. Die „Association des Amis d’Anne de Guigné“ mit Sitz in 75007 Paris (quai d’Orsay 91-93) kündigt in ihrem Rundbrief an, dass zum Jubiläum Feiern stattfinden werden – am 15. und 16. Januar in Paris mit Kardinal Paul Poupard, am 20. Februar mit dem Bischof von Annecy, Msgr. Boivineau, in der Kirche Saint Laurent in Annecy-le-Vieux, und am 25. April, dem Ostermontag, bei der Familie der Missionarinnen Unserer Lieben Frau in Cannes.

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Mutter von vier Kindern muss in Erzwingungshaft

Salzkotten. Erneut musste im September eine russlanddeutsche Christin für fünf Tage ins Gefängnis, weil sie eines ihrer Kinder von einer Schulveranstaltung ferngehalten und das dar­aufhin verhängte Bußgeld nicht bezahlt hatte. Es ging um eine Theaterveranstaltung – anscheinend wieder des Aufklärungsstücks „Mein Körper gehört mir“ –, deren Besuch die katholische (!) Liborius-Grundschule als verpflichtend angegeben hatte. Die Eltern begründeten ihre Ablehnung mit ihrem Glauben; auch die Bezahlung einer Geldbuße verlange von ihnen die Aufgabe der persönlichen Glaubensüberzeugung, nach der sie sich als unschldig sehen. – In letzter Zeit häufen sich die Fälle, bei denen Eltern aus der Region aufgrund von Schulverweigerung und der Nichtzahlung von Bußgeldern ins Gefängnis kommen. Die betroffenen Kinder besuchen alle dieselbe Schule. Erst Ende August war ein Vater von zwölf Kindern in einem ähnlichen Zusammenhang für 40 Tage inhaftiert worden (vgl. kath.net/idea 11.9.2010). – Es ist eine Schande, dass ausgerechnet eine „katholische“ Grundschule die „Charta der Familienrechte“ der katholischen Kirche dermaßen missachtet! Diese sagt, dass „Eltern das Recht haben, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen“.

 


Vorwort der FMG-INFORMATION 101:

 

Liebe Freunde und Mitarbeiter, verehrte Leser und Förderer!

Sehr geehrte Abgeordnete, hochwürdigste Bischöfe!

Die Geschlechtlichkeit ist zu einer Art Konsumgut geworden, mit vielleicht tiefen, aber kurzdauernden Gefühlen verbunden, aber letztlich doch banal. Das offenbart sich an dem, was die Medien – etwa in Filmen – darstellen, denn man will ja den heutigen Menschen und sein Verhalten abbilden, und es gefällt, wie Kasse oder Quote zeigen. Dass Menschen, die das leben, damit nicht wirklich glücklich sind, zeigen nicht bloß Gewalttaten nach Trennungen und Scheidungen, sondern psychische Erkrankungen, Scheidungsrate, Bindungsangst, Suchtverstrickung, Suizide usw. Trotzdem wird – manchmal mit aggressivem Bekehrungseifer – verkündet, dass eine Lebensführung, die die geschlechtlichen Triebe ordnet und beherrscht, unnatürlich und krankmachend sei. Warum eifern zum Beispiel manche, die da­von überhaupt persönlich nicht betroffen sind, so sehr gegen den priesterlichen Zölibat? Warum weigert man sich, die Konsequenzen zu ziehen aus der offensichtlichen Tatsache, dass gegen Aids eheliche Treue und Enthaltsamkeit eben viel wirkungsvoller schützen als die Kondompropaganda?

Es ist in der Tat so, wie es Papst Benedikt XVI. kürzlich (19.9.2010) in Großbritannien ansprach, dass es einen „zunehmenden Zynismus“ gibt „selbst gegenüber der Möglichkeit eines tugendhaften Lebens“.

Und diese Feststellung betrifft ja nicht nur die Botschaft, die in den Massenmedien in Meinungen und Unterhaltung übermittelt wird. Auch in der Formung der jungen Menschen schlägt sich diese Haltung bis in die Schulbücher hinein nieder und in die Aufklärungsprojekte, nicht bloß von „pro familia“, sondern auch von kirchlichen Beratungsorganisationen: entscheidend sei die Verhütung, so wird verkündet. „Eltern sollen bedenken, dass sich nicht die Frage Geschlechtsverkehr ja oder nein stellt, sondern nur die Frage Geschlechtsverkehr mit oder ohne Verhütung“, so eine einflussreiche Arztfunktionärin. Dies geschieht mehr oder minder intensiv seit vierzig Jahren, seit der Einführung der sogenannten Sexual„erziehung“ in unseren Schulen, seit damals auch die deutschen Bischöfe mit der „Königsteiner Erklärung“ gegen die Enzyklika „Humanae vitae“ den Dammbruch förderten.

Wenn es junge Menschen gibt, die sich diesem Zeitgeist entzogen haben, ist das der Festigkeit verantwortungsbewusster Eltern, einer gesunden Sittlichkeit, Tapferkeit und der Gnade Gottes zu danken.

Junge Menschen suchen Vorbilder. Die heilige Maria Goretti, deren 120. Geburtstag sich in diesem Herbst jährte, ist auch in unserer Zeit solch ein leuchtendes Vorbild. Damals wie heute gilt, dass der Mensch nicht der Macht seiner Triebe ausgeliefert ist, dass Vernunft und Wille die biologischen Kräfte in uns lenken und ordnen können (und sollen), dass die Gnade dem Menschen, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist, die Kraft zum Guten schenkt.

Wir appellieren an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, sich darauf zu besinnen, und nicht nur von „Werten“ zu reden, sondern das Ruder herumzureißen (im Übrigen auch eine Notwendigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Islam, denn viele Muslime sehen in unserer Gesellschaft nur „das Gesicht der Gott- und Sittenlosigkeit“, und das wollen sie nicht.)

Europa wurde, was es ist, weil es aus der Wahrheit geformt wurde, dass es Gott gibt und dass Gott in Christus Mensch geworden ist! 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr FREUNDESKREIS MARIA GORETTI e. V., München

 

 

 

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