(FMG-INFORMATION 108, April 2013)

  

 

Die Bischöfe und die „Pille danach“

 

 

Ein Verwirrspiel und ein praktischer Dammbruch

 

Im Fastenhirtenbrief 2013 des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch über das menschliche Vertrauen schrieb der Vorsit­zende der Deutschen Bischofskonferenz auch: „Auch in unserer Kirche ist viel an Vertrauen verloren gegangen... Dieses fehlende Vertrauen schmerzt und trifft mich bis ins Mark – vor allem dann, wenn Menschen dadurch der Kirche den Rücken kehren oder gar in ihrem Glauben an GOTT erschüttert werden…“

Und der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, sagte in seiner Predigt am 21.2.3013 in Trier bei der Frühjahrsvollver­sammlung der Deutschen Bischofskonferenz: „Der große Vertrauensverlust, der über uns hereingebrochen ist, kommt aus unserem eigenen Versagen als Kirche: die sexuellen Missbräuche und die Abweisung einer vergewaltigten Frau in zwei unserer katholischen Krankenhäuser…“

Nun haben aber leider der Kölner Erzbischof selber, und nachfolgend die Deutsche Bischofskonferenz, gerade bei gläubi­gen Katholiken und Menschen, die sich für das Lebensrecht der Ungeborenen einsetzen, mit der „Erlaubnis“ der „Pille da­nach“ im Falle einer Vergewaltigung (wenn auch unter einer Voraussetzung, die aber viele Sachkundige für nicht real hal­ten), einen großen Vertrauensverlust in die deutschen Bischöfe erzeugt. Wir empfinden das Ganze als leidvolles Geschehen, das wir nicht einfach übergehen können. So wollen wir versuchen, die Vorgänge und Aussagen zu analysieren und zu bewerten.

 

 

1. Diskussion um die „Pille danach“ 1999

 

Ehe wir von den konkreten Vorgänge und Aussagen sprechen, ein Rückblick auf frühere Debatten zu diesem Thema.

 

1. Bereits 1999 gab es kirchliche Aussagen zur Frage „Pille“ und „Pille danach“ bei Vergewaltigungen auf dem Hintergrund des Balkankrieges. Bischof Elio Sgreccia, Vizepräsident der „Päpstlichen Akademie für das Leben“, hatte verurteilt, dass die Vereinten Nationen bzw. der UNFPA (Bevölkerungsfond der UN) in den „Gesundheitspaketen“ für Flüchtlingslager in Albanien auch die „Pille danach“ ausgaben, die kein Verhütungs-, sondern ein Abtreibungsmittel sei. Auch dem in Vergewaltigungen gezeugten Leben müsse Respekt entgegengebracht und es dürfe nicht abgetrieben werden.

Dagegen hatte sich bei uns neben Politikern wie z. B. Rita Süssmuth auch der Trierer Bischof Hermann-Josef Spital gewandt, der sich zur Aussage verstieg, die Äußerung Sgreccias bringe die kirchliche Moral in Verruf; sie möge „systemgerecht“ sein, sei aber nicht „wirklichkeitsgerecht“. Man könne nicht voraussetzen, dass vergewaltigte Frauen „fähig sind, einem von ihren Unterdrückern in Hass und Gewalt empfangenen Kind in Liebe entgegenzusehen“.  Etwas vager, aber in dieselbe Richtung gehend war eine Äußerung des Pressesprechers des Erzbischöflichen Ordinariates München, Röhmel, wonach dies „dem Gewissen und dem besten Wissen von Ärzten und der Frauen überlassen bleiben“ müsse. Ein Münchner Stadtpfarrer hatte in einem Leserbrief sogar geäußert, diesen vergewaltigten Frauen „den Schwangerschaftsabbruch zu verweigern“, sei „eine Verletzung der Menschenrechte“. Auch der österreichische Bischof Johann Weber, Graz, hatte fast gleichlautend wie Spital die Äußerungen Bischof Sgreccias kritisiert. Bischof Krenn von St. Pölten verteidigte die Aussage Bischof Sgreccias, und der österreichische Familienbischof Klaus Küng, damals Feldkirch, betonte, man könne nicht sagen, „dass den Frauen am besten damit geholfen ist, wenn sie die Abtreibungspille schlucken“.

Allerdings hatte Sgreccia auch gesagt, es sei in Kriegssituatio­nen gestattet, Verhütungsmittel zu nehmen, wie es der Vatikan in den Sechzigerjahren Ordensschwestern im Kongokrieg als legitime Form der Selbstverteidigung erlaubt habe. Dazu hatten wir in der FMG-INFORMATION kritisch angefragt, welche Verhütungsmittel Sgreccia hier meint. Die hormonellen Verhütungstungsmittel sind ja Kombinationspräparate, die für den Fall, dass sie die Follikelreifung in den Eierstöcken nicht gänzlich verhindern, so dass es – wie Kardinal López Trujillo, Präsident des Päpstl. Rates für die Familie 1998 sagte - „schätzungswei­se einmal bei zehn bis zwölf (Monats-)Zyklen zum Eisprung kommt“, was wiederum in vermutlich 5% der Zyklen zur Befruchtung und zur Entwicklung eines Embryos führt. Dieser kann sich durch die in den hormonellen Verhütungsmitteln ent­haltenen Wirkstoffe nicht in der Gebärmutter einnisten: Nidati­onsverhinderung, Frühabtreibung. Also auch die „normale“ Pille beinhaltet das Abtreibungsrisiko! (Vgl. FMG-INFORMATION 68, Juli 1999, S.19ff, S. 24f)

2. Wir hatten damals in der FMG-INFORMATION 68 (S. 23f) da­zu einen Artikel aus L’Osservatore Romano (dt. Wochenausgabe, 11.6.99) referieren können, in dem unter dem Titel „Als Früchte ein und derselben Pflanze“ eine Mitarbeiterin des Instituts für Bioethik der katholischen Universität „Sacro Cuore“, Rom, Maria Luisa Di Pietro, zur „Pille danach“ Stellung nahm.

Darin hieß es u. a.: „Mit dem Namen ‚Pille danach‘ werden Prä­parate auf der Basis von Östrogen, Progesteron oder Gestagen bezeichnet, die Frauen innerhalb von 72 Stunden nach einem Geschlechtsverkehr… einnehmen, der zu einer Befruchtung geführt haben könnte. Östrogene, Progesterone und Gestagene sind synthetische Hormone, die zur Verhütung und/oder Abtreibung eingenommen werden... Der Mechanismus der ‚Empfängnisverhütung für den Notfall’ - auch der ‚Pille danach’ - ist abtreibender Natur: In 80 Prozent (Progesteron, Gestagen) bis zu 100 Prozent (Estrogen, Spirale) der Fälle wird die Einnistung des Embryos in der Gebärmutter verhindert, weil die physiologische Entwicklung verändert und/oder die Tätigkeit der Gelbkörper durch Progesteron blockiert wird. Dieses Hormon ist aber für die Fortsetzung der Schwangerschaft von höchster Bedeutung. - Man kann nicht ausschließen, dass bei Einnahme von Progesteron oder Gestagen, solange die Ovulation noch nicht erfolgt ist, der Eisprung verhindert wird. In diesem Fall, der in bis zu 20% eintritt, handelt es sich um Empfängnisverhütung. - Wie kann man also behaupten, dass die ‚Pille danach’... keine abtreibende Wirkung hat, dass sie nur die Einnistung verhindert? Wer meint, dass die ‚Pille danach’ nicht abtreibend, sondern nidationshemmend wirkt, nimmt nicht zur Kenntnis, dass die Verhinderung der Nidation eine Form der Frühabtreibung darstellt. Der nidationshemmende Mechanismus kann nur abtreibender Natur sein, da er erst nach der Befruchtung eintritt und verhindert, dass der Embryo sich entwickeln kann.“ Die Autorin konnte sogar E. Beaulieu anführen, den „Erfinder der Abtreibungspille RU 486, der gewiss nicht einer konfessionellen Haltung beschuldigt werden kann: ‚Der Abbruch einer Schwangerschaft nach der Befruchtung kann als Abtreibung betrachtet werden’.“

Luisa Di Pietro argumentierte dann auch gegen jene, die auf die „bis zu 20% der Fälle“ verweisen, in denen die „Pille danach“ verhütend wirken kann. Selbst in diesem Fall „muss man daran festhalten, dass die Frau, die die ‘Pille danach’ einnimmt, und der Arzt, der sie ihr verschreibt und verabreicht, das Risiko einer Abtreibung in Kauf nehmen. Mehr noch, sie hätten sich für den Fall einer Schwangerschaft für eine Abtreibung entschieden.“ Di Pietro warnte davor, betroffenen Frauen bewusst die Wahrheit über die abtreibende Wirkung vorzuenthalten; dies öffne einer „Sklaverei der Unwissenheit“ Tür und Tor. Schließ­lich ging die Autorin auf Argumente ein, die für eine Abtreibung durch Vergewaltigung gezeugter Kinder vorgebracht werden. Wenn man sage - weil die Gewalttat an der Frau zum Grau­samsten und Verwerflichsten gehöre, deshalb wäre es Gefühllosigkeit, der Tötung eines auf solche Weise gezeugten Lebens nicht zuzustimmen - dann sei ein solches Ja zur Tötung eines Lebens ein „Ausdruck großer Gefühllosigkeit“. Man könne nicht das „Trauma der Vergewaltigung“ dadurch lösen, dass man die „Spuren der Vergewaltigung“ beseitige; habe denn „das menschliche Leben eine andere Qualität“, „je nach den Umständen, in denen es gezeugt worden ist“? Di Pietro weiter: „Es ist eine Tatsache, dass eine Vergewaltigung aus der Erinne­rung der Frau nicht mehr ausgelöscht werden kann. Wie könnte die Frau ja vergessen, dass sie wie eine Sache behandelt wurde, dass jemand gegen sie mit einer Brutalität vorgegangen ist, die nicht einmal Tiere kennen. Diese Erinnerung wird aber auch durch die Abtreibung nicht ausgelöscht. Wer eine Abtreibung vorschlägt, auferlegt oder fordert, wird zum Urheber einer neuen Gewalttat, nicht nur gegenüber der Frau, sondern insbesondere gegenüber dem Kind, dessen Leben zu achten ist wie das Leben eines jeden anderen Ungeborenen...“ Es könne für die Frau überaus schwer sein, das Kind, das in ihrem Schoß heranwächst, anzunehmen, weil es auch das Kind dessen ist, der sie ohne jedes Erbarmen missbrauchte. Man müsse ihr beistehen, sie stützen, sich ihrer und ihres Kindes annehmen. Sie brauche Liebe und Zuneigung und nicht eine Schachtel mit Pillen. Wenn das Kind geboren sei, könne die Frau entschei­den, ob sie es behalten oder weggeben möchte, so dass andere sich darum kümmern können. Das könne sie dann tun mit der großen Gewissheit, „dass sie sich nicht an jenem Wahn der Zerstörung und des Todes beteiligt hat, der in einem Augenblick ihre Würde als Frau, ihre Welt, ihre Wünsche und ihre Hoffnungen auslöschen wollte. Wahres Verständnis für die Frau verlangt in diesen Fällen eine konkrete Hilfe für sie als Person und für das Leben des Kindes.“

3. In der FMG-INFORMATION 69, Dezember 1999, konnten wir eine Pressemeldung berichten, wonach Ignacio Carrasco, Rektor der römischen (Opus-DEI-)Hochschule vom Hl. Kreuz mit Verweis auf die nidationshemmende Wirkweise der Pille gesagt hat: „Der Gebrauch dieser Pille ist natürlich auch im Grenzfall nicht erlaubt, um den es hier geht“ (vgl. INFO 69, S. 45).

4. In der FMG-INFORMATION 73, April 2011, mussten wir berichten, dass der Sprecher der spanischen Bischofskonfe­renz erklärt hatte, der Gebrauch von Verhütungsmitteln sei für Frauen im Fall „unmittelbar drohender Vergewaltigung“ erlaubt (DT 17.2.01). Zurückgeführt wurde dies letztlich auf eine angebliche vatikanische Erlaubnis gegenüber Ordensschwestern, die während des Bürgerkriegs im Kongo in den Sechzi­gerjahren in Gefahr waren, von Soldaten vergewaltigt zu werden, und denen man, um Schlimmeres zu vermeiden, Kontrazeption gestattet hatte. Moraltheologisch wurde argumentiert, dass der kontrazeptive Akt (nur dann) sittlich unerlaubt sei, wenn er den freiwillig vollzogenen ehelichen Verkehr manipulieren soll. Ordensschwestern, die von vornherein jeden sexuellen Verkehr ausschließen, wollten nichts anderes, als sich vor einem eventuellen ungerechten Angreifer schützen. Eine in etwa lehramtliche Äußerung, aus der diese Folgerung gezogen wird, findet sich in einem Brief der Glaubenskongregation unter Kardinal Seper an die US-Bischofskonferenz zur Frage der Ste­rilisation in kath. Krankenhäusern (vgl. AAS 68, 1976, 738-740). In diesem Schreiben wird die sittliche Unzulässigkeit der Kontrazeption und Sterilisation darin gesehen, „cum ex proposito privet essentiali elemento praevisam libereque electam activitatem sexualem“ [dass die vorhergesehene und frei gewollte sexuelle Aktivität vorsätzlich eines wesentlichen Elementes beraubt wird]. Im anderen Fall - bei nicht „frei gewollter sexue­ller Aktivität“ -, so wird nun daraus gefolgert, sei eine Empfängnisverhütung zulässig.

Wie schon erinnert, wird bei dieser Argumentation bedauerlicherweise nicht gesagt, welche „Verhütungsmittel“ gemeint sind. Sicher unerlaubt ist nämlich die Verwendung von Mitteln, die eine möglicherweise frühabtreibende (nidationshemmende usw.) Wirkung haben, „die ebenso leicht wie Verhütungsmittel verbreitet werden und in Wirklichkeit als Abtreibungsmittel im allerersten Entwicklungsstadium des neuen menschlichen Lebens wirken“ (Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae, Nr. 13). Dies trifft auch für die „normale Antibaby-Pille“ zu.

 

 

2. Wie stehen vergewaltigte Frauen im Fall einer Schwangerschaft zu ihrem Kind?

 

Die Vergewaltigung ist ein entsetzliches Verbrechen an der Frau. Es ist verständlich, wenn die Frage gestellt wird, wie sie damit umgehen kann, wenn infolge dieses ihr angetanen Unrechts ein neuer Mensch in ihr entsteht. Aber der Ruf nach der Verhinderung oder Beseitigung eines solchen Kindes löscht das ihr angetane entsetzliche Unrecht nicht aus, es fügt aber bei der Abtreibung ein neues Unrecht hinzu: in der Tötung eines an der Vergewaltigung völlig unschuldigen Menschen, des möglicherweise gezeugten Kindes. Einige Beispiele können hier zum Nachdenken führen.

 

Wir konnten in unserem Artikel in der FMG-INFORMATION von Juli 1999 schon folgende Beispiele anführen:

1. Eine bosnische Frau, die eine Nacht lang von einer Gruppe Serben vergewaltigt worden war, schrieb in einem langen Brief: „Wenn ich Mutter sein werde, dann wird das Kind mir und keinem anderen gehören. Ich weiß, dass ich es anderen Leuten anvertrauen könnte, aber es hat Anspruch auf meine mütterliche Liebe, obwohl ich es weder erwartete noch verlangte... Jemand muss doch die Kette des Hasses zu brechen beginnen, der unser Land so entstellt. Und das Kind, das kommen wird, werde ich die Liebe und nur Liebe lehren. Obwohl aus Gewalt geboren, soll es neben mir bezeugen, dass der Mensch nur durch Verzeihung groß wird.“ (Weihbischof A. Laun, 1999)

2. Edith Young, 21-jähriges Inzestopfer, die von ihrem Stiefvater geschwängert wurde, schrieb 25 Jahre nach der Abtreibung ihres Kindes: ‚Jahrelang war ich deprimiert, suizidgefährdet, wütend, empört, einsam und fühlte Verlust... Die Abtreibung, die ‚das Beste für mich‘ war, war einfach nicht zu meinem Besten. Ich kann nur so viel sagen, dass die Abtreibung ‚ihren‘ [des vergewaltigenden Stiefvaters und der Familie] Ruf rettete‘, ihre Probleme löste und ihnen erlaubte, fröhlich weiter zu leben«... Meine Tochter, wie ich sie vermisse! Ich vermisse sie ungeachtet der Umstände, unter denen ich sie empfing…“

3. Julie Makimaa, empfangen durch eine Vergewaltigung, arbeitet engagiert gegen die Auffassung, dass Abtreibung in Fällen von sexuellen Übergriffen akzeptabel oder gar notwendig sei. Einerseits hat sie Mitgefühl für die Leiden, die ihrer Mutter von dem Vergewaltiger zugefügt wurden, doch andererseits ist Julie stolz auf den Mut und die Großzügigkeit ihrer Mutter. In Anbetracht ihrer Herkunft erklärt Julie: „Es spielt keine Rolle, wie ich begann. Es spielt eine Rolle, wer ich bin.’“

Neuerdings wurden mehrere ähnliche Beispiele bekannt:

4. Der equadorianische katholische Priester Luis Alfredo León Armijos, 41 Jahre alt, wurde durch die Vergewaltigung seiner damals erst 13-jährigen Mutter Maria gezeugt. Sie arbeitete trotz ihres jungen Alters als Hausgehilfin, um ihre große Familie zu unterstützen. Sie wurde vom Hausbesitzer vergewaltigt. Obwohl ihre Familie der Schande und der Gewalttat wegen gegen das Kind war, verteidigte die junge Mutter ihr Kind. Die Angehörigen gaben ihr Säfte zu trinken, die eine Abtreibung provozieren sollten; sie floh aus der Familie nach Cuenca und schlug sich allein durch, brachte 1971 unter Komplikationen ihren Sohn zur Welt. Mit ihren Eltern versöhnt, kehrte sie nach Hause zurück und zog ihren Sohn in ihrer Familie auf, ohne je zu heiraten. Der Vergewaltiger, vor die Tatsache gestellt, erkannte das Kind an und trug zu den Unterhaltskosten bei. Doch eine Versöhnung zwischen Maria und ihrem Aggressor gab es nicht. Ihr Sohn wusste von all dem nichts; er erlebte Besuche seines Vaters und kannte dessen andere drei Kinder. Im Alter von 18 Jahren folgte er seiner Priesterberufung und trat in das Priesterseminar ein. Erst zwei Jahre nach seiner Priesterweihe erzählte die Mutter ihrem Priestersohn von der Vergewaltigung. Er half ihr, einen Weg der Versöhnung zu gehen, den Hass zu überwinden und die Einladung GOTTES anzunehmen, die ei­gene Lebensgeschichte zu akzeptieren (vgl. kath.net 22.2.13; katholisches.info 20.2.13).

5. Der US-Sänger Ryan Scott Bomberger wurde bei einer Vergewaltigung gezeugt; seine Mutter trug ihn aus und gab ihn sehr bald zur Adoption frei. Er wuchs in einer liebevollen, multi-ethnischen christlichen Familie mit 12 Geschwistern auf, von denen zehn adoptiert waren. Seine leibliche Mutter war weiß, der Vergewaltiger schwarz. Er wurde 1971 in Pennsylvanien geboren. „Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht denke, was für ein Geschenk das Leben ist“, sagte er mit Verweis auf Ps. 139,14: „…denn ich bin wunderbar gemacht“. Heute arbeitet er in der amerikanischen Lebensrechtsbewegung mit und macht besonders aufmerksam, dass die Abtreibung bei den schwar­zen Amerikanern unverhältnismäßig hoch ist. Eines seiner Lieder „Meant to Be“ („Bestimmt dazu, zu sein“) ist eine Hommage an seine leibliche Mutter, die er nie kennengelernt hat (vgl. z.B. http:// cnsnews.com/news/article/rape-victims-child-speaks-right-life).  

6. Rebecca Kiessling wurde in einer Vergewaltigung gezeugt. Ihre Mutter hatte zweimal um Abtreibung gebeten, doch die Gesetze ihres US-amerikanischen Heimatbundesstaates Michigan hatten dies untersagt. So sagte Kiessling nun in einem Interview mit LifeSiteNews, sie sei durch ein staatliches Gesetz beschützt worden. Kiessling ist eine bekannte Sprecherin der Lebensrechtsbewegung und Mitglied einer Aktionsgruppe „Save the 1“ („Rette das Eine“, in Anlehnung an das Gleichnis Mt 18,12ff vom „einen“ der 100 Schafe, das der Hirte sucht), die sich dafür einsetzt, dass auch jene Kinder, die aus einer Vergewaltigung entstanden sind, ausgetragen werden. Nach ihrer Aussage wird nahezu ein Prozent der Neugeborenen der USA in Vergewaltigung gezeugt, etwa 32.000 Babies. Etwa 14-20 Prozent vergewaltigter Mütter ließen abtreiben; die meisten aber wählten das Leben für ihr aus einer Vergewaltigung ent­stammendes Kind, und die meisten dieser Kinder wiederum wüchsen bei ihren leiblichen Müttern auf. Jährlich werden in den USA also etwa 27.000 Babies geboren, die in einer Vergewaltigung entstanden sind. Es sei der Öffentlichkeit nicht klar, wie viele von aus einer Vergewaltigung entstammenden Menschen es gibt. Sie würden verletzt, wenn man ihnen mit dem Reden von der „Ausnahme bei Vergewaltigung“ vermittle, „dass sie nie hätten geboren werden sollen“. Es sei, „wie wenn es ihr Leben nicht wert wäre, verteidigt zu werden, nicht einmal durch Abtreibungsgegner“. Sie sagt, eines der wichtigsten Dinge, die sie gelernt habe, sei, dass nicht der Vergewaltiger ihr „Schöpfer“ ist, wie manche meinten. Ihr Wert und ihre Identität gründeten nicht im „Produkt einer Vergewaltigung“, sondern in der Tatsache, dass sie Kind GOTTES sei (vgl. kath.net 18.1.2013, korrigiert; www. rebeccakiessling.com).

 

 

3. Wie einzelne Schicksale verfälscht und für Kampagnen instrumentalisiert werden

 

Der Anlass zur Erklärung Kardinal Meisners und dann der Deutschen Bischofskonferenz war ein Medienaufschrei über eine angeblich von katholischen Krankenhäusern abgewiesene vergewaltigte junge Frau. Steckt da Methode dahinter?

 

Ende Oktober 2012 starb in Irland eine 31-jährige dort wohnende Inderin, Savita Halappanavar, wie die Medien verbreiteten, weil ein katholisches Krankenhaus in Galway es abgelehnt habe, an ihre eine therapeutische Abtreibung durchzuführen. Ohne jeden Beweis und ohne Kenntnis der genauen Todesursache wurde daraus eine massive weltweite Anklage gegen Irland und sein gesetzliches Verbot der Abtreibung inszeniert, um Druck auf die Regierung auszuüben, die Tötung ungeborener Kinder zu „liberalisieren“.

Dabei gehört Irland zu den Ländern mit der geringsten Müttersterblichkeit (auf 100.000 Frauen sterben in Irland sechs an Komplikationen während der Schwangerschaft; während in den Abtreibungsländern England die Todeszahl bei 12 und in den USA bei 21 liegt; vgl.  katholisches.info/2012/11/27).

Diese Empörungskampagne veranlasste den ständigen Rat der irischen Bischofskonferenz, klarzustellen, dass die katholische Lehre nie gesagt habe, das Leben eines Embryos sei mehr zu schützen als das einer Mutter. Wenn eine Schwangere medizinische Behandlung benötige, die das Leben des Kindes gefährde, seien solche Maßnahmen „ethisch erlaubt, wenn jede Anstrengung unternommen wurde, das Leben sowohl der Mutter als auch ihres Kindes zu schützen“. Eine Abtreibung als „direkte und beabsichtigte“ Tötung eines Embryos bleibe „unter allen Umständen unmoralisch“. Dies unterscheide einen Schwangerschaftsabbruch aber von „medizinischen Behandlungen, die nicht direkt und absichtlich auf eine Beendigung des Lebens des ungeborenen Kindes zielen“. Das irische Recht wie auch medizinische Leitlinien erlaubten Ärzten und Pflegern, diese Unterscheidung in der Praxis anzuwenden und dabei das Lebensrecht von Mutter und Kind gleichermaßen zu achten.

Die anfänglichen Berichte im Fall der 31-jährigen Inderin sprachen von einer Blutvergiftung nach einer Fehlgeburt. Die Ärzte im University Hospital Galway hätten sich geweigert, den Fötus der in der 18. Woche Schwangeren zu entfernen, bevor dessen Herztätigkeit aufgehört hätte. Ende November wurde dann als Ergebnis der Obduktion bekannt, dass die Ursache der todbringenden Blutvergiftung eine Harnwegsinfektion war – ausgelöst von einem antibiotika-resistenten Erreger (E. coli ESBL). Eine Pro-Life-Expertin kommentierte: „Man fragt sich, wie die Abtrei­bung des Babys den Erreger hätte töten sollen.“

Was diese Instrumentalisierung des tragischen Todes der Frau für die Abtreibungspropaganda angeht, so wurde berichtet, dass noch vor der Bekanntgabe des Todes von Savita Halappanavar zwischen Abtreibungsorganisationen eine E-Mail verschickt wurde, die eine wichtige Meldung in Sachen Abtreibung und Irland ankündigte. Sobald die Meldung über eine Presseagentur ins Netz ging, wurde die Kombination „Frau tot, weil Abtreibung verweigert“, unhinterfragt weiterverbreitet. Zurecht muss man fragen, wann dieselben Medien über den Tod einer Frau bei einer legalen Abtreibung berichten. Entsprechende Studien zur Müttersterblichkeit bleiben unbeachtet (vgl. katholisches.info/2012/11/27, HLI-Statement 15.11.12, rv 20.11.12, kath.net 21.11.12, kath.net 23.11.12).

Wir führen diesen tragischen Tod der irischen indischen Frau, der Mitgefühl und Gebet hervorruft, der aber mit einer vorschnellen und verfälschenden Medienkampagne von den Abtreibungspropagandisten instrumentalisiert wurde, an, weil im Fall der jungen Frau in Köln, der nach einer Vergewaltigung die Behandlung in katholischen Kranken­häusern verwehrt worden sei, anscheinend ganz ähnliche Mechanismen in Kraft gesetzt wurden.

 

 

4. Der Auslöser für die Erklärung des Kölner Erzbischofs

 

Wenn man liest, zwei katholische Krankenhäuser in Köln hätten eine junge Frau abgewiesen, die wegen einer vermutlichen Vergewaltigung Hilfe gesucht habe, dann stellt sich etwa dieses Bild ein: Eine junge, alleingelassene, missbrauchte Frau, die man an der Krankenhauspforte wegschickt und allein lässt. Unmenschlich!

Was war tatsächlich geschehen? Auch die Erklärungen von Kardinal Joachim Meisner nähren dieses erwähnte Bild.

 

1. In seiner Erklärung vom 22.1.2013 heißt es:

„Was im Dezember des vergangenen Jahres einer jungen Frau in zwei katholischen Krankenhäusern widerfuhr, hätte nie geschehen dürfen. Sie suchte Hilfe in großer Not und fand keine Aufnahme. Dieser Vorgang beschämt uns zutiefst, denn er widerspricht unserem christlichen Auftrag und Selbstverständnis. Es gab und gibt auch keine kirchliche Anweisung, Vergewaltigungsopfer anders zu behandeln oder gar abzuweisen. Deshalb muss jetzt genau erforscht werden, was dazu führte, diese Frau nicht aufzunehmen. So etwas darf sich auf keinen Fall wiederholen.

Die beiden Krankenhäuser haben sich inzwischen bei der Patientin entschuldigt. Ich schließe mich dieser Entschuldigung auch persönlich an. Denn die tätige Hilfe ist für unser Kirche- und Christsein wesentlich. Deshalb stehen unsere Krankenhäuser ausnahmslos allen Hilfesuchenden offen.

Eine Vergewaltigung ist ein schlimmes Verbrechen. Gerade hier müssen wir jede notwendige medizinische, seelsorgliche und menschliche Hilfe leisten, einschließlich der so genannten Anonymen Spurensicherung. Ausgenommen sind nach unserem Selbstverständnis allerdings alle Maßnahmen, welche die Tötung eines möglicherweise schon gezeugten Kindes bedeuten.

Die Vorgänge in Köln haben auch eine Diskussion über die kirchliche Ethik ausgelöst, weil diese Grundhaltung von vielen Menschen nicht geteilt wird. Die Position der kath. Kirche wird dabei schnell als überholt oder realitätsfern bezeichnet. Realität aber ist: wir stehen hier vor einer grundsätzlichen und bedrängenden moralischen Entscheidung.

Die Kirche vertritt eine klare Position für das Leben: Der Schutz eines Menschenlebens gilt uneingeschränkt und von der Zeugung an. Der Lebensschutz ist, auch nach meiner festen Gewissensüberzeugung, eine unüberschreitbare Grenze und jedem menschlichen Eingriff entzogen. Ich bin mir bewusst, dass dies – wie in diesem Fall – in geradezu unerträgliche Entscheidungssituationen führt. Ich bin aber überzeugt, dass wir diese Position des absoluten Lebensschutzes nicht relativieren dürfen, weil wir sonst die Menschenwürde insgesamt relativieren. Sie ist unteilbar. Auf ihr ruht unser Bild vom Menschen als Ebenbild GOTTES, unser Verständnis von der menschlichen Person und nicht zuletzt das Fundament unserer freiheitlichen Gesellschaft. Der Ruf unseres Gewissens verpflichtet uns, alles zu tun, dass die Entscheidung immer zugunsten des Lebens ausfällt.“

 

2. In einem Text der „Pressestelle des Erzbistums Köln“ vom 31. Januar heißt es, der Vorgang sei „in seinen Einzelheiten bisher nicht völlig aufgeklärt“. Über den „Auslöser“ heißt es da: „Nach den bisher vorliegenden Informationen und laut Zeitungsberichten vom 16./17. Januar suchte am 15. Dezember des vergangenen Jahres, einem Samstag, eine 25-jährige Kölnerin gemeinsam mit ihrer Mutter den ärztlichen Notdienst auf, weil sie offenbar Opfer einer Vergewaltigung geworden war. Am Abend zuvor hatte sie in der Kölner Innenstadt gefeiert. Als sie am Nachmittag des nächsten Tages auf einer Parkbank in Köln-Kalk aufwachte, konnte sie sich an nichts mehr erinnern. Die diensthabende Notärztin vermutete, dass die junge Frau offenbar mit „K.o.-Tropfen“ betäubt und dann vergewaltigt worden war. Die Medizinerin informierte die Polizei und kontaktierte die St. Vinzenz-Klinik, um ihre Patientin gynäkologisch untersuchen und Spuren sichern zu lassen. Laut Zeitungsberichten erwiderte die katholische Klinik, eine solche Untersuchung sei nicht möglich, weil dabei auch über die ‚Pille danach‘ aufgeklärt werden müsse, was mit den katholischen Grundsätzen nicht vereinbar sei. Im HL.-GEIST-Krankenhaus in Köln-Longerich habe die Medizinerin dieselbe Auskunft erhalten, woraufhin die Polizei die junge Frau schließlich in ein evangelisches Krankenhaus brachte.- Die den Berichten zufolge in dieser Weise erteilte Auskunft der beiden Kliniken zur Notfallversorgung und ‚Anonymen Spurensicherung‘ (ASS) nach einer Vergewaltigung ist schlicht falsch.“ Die Pressestelle zitiert eine eigene Stellungnahme vom 17. Januar, wonach betroffene Frauen „auch in katholischen Krankenhäusern die notwendige Heilbehandlung“ erhielten, wozu gegebenenfalls auch die Kooperation mit der ASS gehöre. Man vertraue, dass die Krankenhausträger die Gesamtsituation vollständig aufklären und eine Wiederholung ausschließen würden.

Ferner wird geschrieben, es sei inzwischen bekannt geworden, „dass es 2011 einen ‚Test‘ radikaler Abtreibungsgegner in kath. Krankenhäusern gegeben“ habe, wo eine Abtreibungsgegnerin sich als Patientin ausgab und „in einer kassenärztlichen Notfallpraxis, die in einem kath. Krankenhaus untergebracht war“, ein Rezept für eine „Pille danach“ ausstellen ließ. Das sei brieflich dem Erzbistum mitgeteilt worden, das in der Antwort unter anderem erläutert habe, dass die „Notfallambulanzen keine Einrichtungen des Krankenhauses und die dort praktizierenden Ärzte dem Krankenhaus nicht unterstellt“ seien. Die Pressestelle zitiert sich dann selber mit der Aussage, dass das Erzbistum „Bespitzelung und Denunziantentum“ ablehne.

Ferner heißt es in diesem Text der Pressestelle, dass es vom Erzbistum Köln aus weder „Ethik-Rundschreiben noch Gespräche mit den Krankenhausleitungen in diesen Fragen gegeben habe, wohl aber seitens des Diözesan-Caritasverbandes“. Die Cellitinnen hätten für ihre Kliniken ein internes Papier erstellt und dazu Gespräche mit kirchlichen Stellen und anderen kon­fessionellen Trägern geführt, nicht aber mit Kardinal Meisner.

3. Von Interesse ist dazu wohl auch eine Presseerklärung des „Vorsitzenden des Vorstandes der Stiftung der Cellittinnen zur hl. Maria“, Hans Mauel, in der es heißt, die Medienberichte hätten fälschlicherweise den „Eindruck vermittelt, unsere Kölner Häuser St. Vinzenz-Hospital und HL.-GEIST-Krankenhaus hätten am 15. Dezember 2012 eine mutmaßlich vergewaltigte Frau persönlich abgewiesen bzw. ihr medizinische Soforthilfe verwehrt. Was ist nun wirklich passiert? Tatsache ist, dass es in keinem der beiden Krankenhäuser einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gegeben hat. Die Erstversorgung hatte bereits in der Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung statt­gefunden. Seitens der Notfallpraxis wurde vielmehr in beiden Häusern telefonisch angefragt, ob die Weiterbetreuung der Patientin hinsichtlich des möglichen Sexualdeliktes, wie z. B. einer Spurensicherung und der sogenannten ‚Pille danach‘, durchgeführt werden könne. Dort wies die jeweils diensthabende Krankenhausärztin darauf hin, dass sich die Verordnung einer ‚Pille danach‘ aufgrund der kirchlichen Grundsätze verbiete. Sollte die Patientin also auch die ‚Pille danach‘ wünschen, wäre es ratsam, ein anderes Krankenhaus zu kontaktieren. Dies erspare ihr später, noch eine weitere Einrichtung aufsuchen zu müssen.“

Dieser „wesentliche Sachverhalt“ sei aber kaum wahrgenommen worden, und gleichwohl hätten sich die beiden Krankenhäuser bei dem mutmaßlichen, anonym bleibenden Vergewaltigungsopfer entschuldigt. In den vergangenen Jahren hätten „vergewaltigte Frauen unsere Krankenhäuser mit gynäkologischen Kliniken direkt aufgesucht und sie wurden versorgt“.  Man leiste „zu jedem Zeitpunkt die notwendige klinische Leistung. Hierzu gehören medizinische Behandlung, Pflege, seelsorgliche und psychologische Betreuung sowie Information und Aufklärung“; nur sei „gemäß des Propriums katholischer Krankenhäuser bisher nur die Verschreibung einer Notfallkontrazeption (sog. ‚Pille danach‘) nicht möglich“ gewesen (was nun, nach der Erklärung der Erzdiözese vom 31.1. anders sei, weil nunmehr „auch die ‚Pille danach‘ mit empfängnisverhütenden Wirkstoffen aus kirchlicher Sicht zulässig sei“).

 

[Noch andere Details dieses Geschehens schildert Sonja Dengler im Rundbrief der Schwangerenhilfsorganisation „Tiqua e.V.“ (Febr. 2003): „Zum Zeitpunkt der ‚Abweisung‘ war das Opfer bereits medizinisch behandelt worden. Die betreuende Ärztin fragte telefonisch beim katholischen Vinzenzhospital um eine ‚Spurensicherung‘ an. Dieses empfahl, sich an eine der lediglich fünf gesetzlich berechtigten Kölner Kliniken zu wenden, die nach einer Vergewaltigung die ‚Anonyme Spurensicherung‘ durchführen dürfen. Ganz unabhängig von der Frage nach der Abgabe der ‚Pille danach‘ hätten auch die meisten anderen Kölner Kliniken an ein anderes Haus verweisen müssen…“]

 

Aus all dem wird also deutlich: Es gab gar kein „Im-Stich-Lassen“ einer „mutmaßlich“ vergewaltigten jungen Frau, denn sie war in der nicht kirchlichen Notfallpraxis bereits versorgt; es ging um eine weitere Betreuung mit „Spurensicherung“ und um die „Pille danach“. Unerklärt bleibt, wie dieses Geschehen mehr als einen Monat danach in die Presse gelangte und zu einem solchen Sturm gegen die Kirche führte, d. h. welche Interessen bei dem in Gang gesetzten Pressesturm vorherrschten: wirklich das Wohl der mutmaßlich Vergewaltigten oder mehr das Ziel, die Ablehnung der Abtreibung durch die Kirche mittels der Instrumentalisierung eines medienträchtigen Falles zu attackieren (mit teilweisem Erfolg, wie man nun weiß!).

Hierzu half offenbar auch politischer Druck, auch mit der Anklage, einer „vergewaltigten Frau“ sei nicht geholfen worden. Das NRW-Gesundheitsministerium kündigte nach Presseberichten eine Prüfung an, ob ein Verstoß gegen gesetzliche Regelungen vorliege, und drohte, falls es organisatorische Anweisungen gegeben habe, vergewaltigte Frauen nicht zu behandeln, mit Sanktionen, bis hin zur Streichung katholischer Kliniken aus dem Krankenhaus-Plan. Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn sagte, „solch ein Krankenhaus müsste man eigentlich vom Netz nehmen“ (vgl. DT 19.1., 22.1.13).

Hatte man nun erwartet, dass die Angelegenheit mit diesen mehrfachen Entschuldigungen und Klärungen der Umstände abgeschlossen sei, so folgte überraschend, wie ein Paukenschlag, eine Woche nach der „Entschuldigung“ des Kardinals seine Erklärung, die die „Pille danach“ erlaubte – unter Bedingungen, die aber von Presse und Allgemeinheit kaum wahrge­nommen wurden.

 

 

5. Die Erklärung von Kardinal Joachim Meisner

 

Der „Erklärung des Erzbischofs von Köln“ vom 31.1.13 sind noch „Erläuterungen der Pressestelle des Erzbistums Köln“ vom selben Tag angefügt worden, für die natürlich letztlich ebenfalls der Kölner Kardinal Verantwortung trägt. Und dazu kamen weitere Aussagen von Seiten des Erzbistums.

 

1. Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln, 31. Januar 2013 (Hervorhebungen im Text von uns):

„Aus gegebenem Anlass habe ich mich mit Fachleuten über die Frage der Verordnung der so genannten ‚Pille danach‘ beraten. Dabei wurde deutlich, dass darunter unterschied­liche Präparate mit unterschiedlichen Wirkprinzipien zu verstehen sind, deren Wirkungen und Nebenwirkungen sich in der wissenschaftlichen Diskussion immer weiter klären. Daraus ergeben sich ethische Konsequenzen.

Wenn nach einer Vergewaltigung ein Präparat, dessen Wirkprinzip die Verhinderung einer Zeugung ist, mit der Absicht eingesetzt wird, die Befruchtung zu verhindern, dann ist dies aus meiner Sicht vertretbar.

Wenn ein Präparat, dessen Wirkprinzip die Nidationshemmung ist, mit der Absicht eingesetzt wird, die Einnistung der bereits befruchteten Eizelle zu verhindern, ist das nach wie vor nicht vertretbar, weil damit der befruchteten Eizelle, der der Schutz der Menschenwürde zukommt, die Lebensgrundlage aktiv entzogen wird. Dass das Abgehen befruchteter Eizellen auch ganz natürlicherweise ohne menschliches Zutun geschieht, berechtigt einen Menschen nicht dazu, diesen natürlichen Vorgang aktiv zu imitieren. Denn die Beendigung eines Menschenlebens durch die Natur nennt man ein Naturereignis. Dessen absichtliche Imitation nennt man Tötung.

Die Ärzte in kath. Einrichtungen sind aufgefordert, sich rückhaltlos der Not vergewaltigter Frauen anzunehmen und sich dabei unter Berücksichtigung des neuesten Stands der medizinischen Wissenschaft in ihrem ärztlichen Handeln an den oben genannten Prinzipien auszurichten. Darüber hinaus ist nichts dagegen einzuwenden, dass sie in diesem Fall auch über Methoden, die nach kath. Auffassung nicht vertretbar sind, und über deren Zugänglichkeit aufklären, wenn sie dabei, ohne irgendwelchen Druck auszuüben, auf angemessene Weise auch die kath. Position mit Argumenten erläutern. In jedem Fall muss in kath. Einrichtungen die Hilfe für vergewaltigte Frauen aber natürlich weit über die Erörterung solcher Fragen hinaus gehen.“

 

Die Erklärung des Erzbischofs unterscheidet also zwischen zwei Präparaten; eines mit dem „Wirkprinzip“ der Verhinderung einer Befruchtung, und das andere, dessen Wirkprinzip die Nidationshemmung ist und das „mit dieser Absicht eingesetzt“ wird. Abgesehen von der Frage, welche Präparate konkret denn diese unterschiedlichen Eigenschaften haben sollen (dazu unten Nr. 7), ist die zweite Formulierung mindestens unklar: Heißt das, wenn dieses zweite Präparat nicht mit dieser „Absicht“ der Nidationshemmung eingesetzt würde, dann sei es trotzdem „vertretbar“? Man dürfe also ein Präparat, das einen Menschen tötet, bedenkenlos einsetzen, wenn man nicht die Tötungsabsicht hat? Auch dazu unten weitere Überlegungen. Und problematisch ist doch auch die Aussage vom Aufklären über die „Zugänglichkeit“: „Da gibt es etwas, das tötet, das dürfen wir Ihnen nicht geben, Sie sollten es auch nicht tun, aber gehen Sie da und da hin, da bekommen Sie es!“ Und: Kann es wirklich Aufgabe eines katholischen Krankenhauses sein, über die „Zugänglichkeit“ frühabtreibender Mittel aufzuklären?

 

2. Der Kölner Erzbischof spricht in seiner Erklärung nur von unterschiedlich wirkenden Präparaten, ohne nähere Benennung. In der „Erläuterung der Pressestelle des Erzbistums Köln“, die das Erzbistum – und das ist letztlich wiederum der Erzbischof – offenbar für nötig hielt, um die Bischofserklärung zu erläutern, wird sozusagen präzisiert (Hervorhebungen im Text wieder von uns):

 

„Die Erklärung des Erzbischofs von Köln berücksichtigt neuere Erkenntnisse bezüglich der so genannten ‚Pille danach‘. Sie betrifft nicht die nach kath. Auffassung nach wie vor abzulehnende Abtreibungspille Mifepriston (RU 486, ‚Mifegyne‘).

Bisher wurde oft davon ausgegangen, dass die nidationshemmende Wirkung das zentrale Wirkprinzip der Präparate sei, die als ‚Pille danach‘ bezeichnet werden. (Nidationshem­mung bedeutet, dass eine bereits befruchtete Eizelle sich nicht in der Gebärmutter einnisten kann.) Das ist offenbar nicht mehr Stand der Wissenschaft. Die Kirche muss aber in ihren Einschätzungen die wissenschaftlichen Erkenntnisse immer berücksichtigen. Dabei gehört es zur Eigenart solcher Erkenntnisse, dass sie nicht selten kontrovers sind. Die Kirche kann dazu nur die moralischen Prinzipien erklären. Der einzelne Arzt einer kath. Einrichtung muss sich dann unter Voraussetzung dieser Prinzipien gewissenhaft kundig machen und so zu einer verantwortungsvollen Entscheidung kommen.

Bei der Entscheidung muss der Arzt aus eigener wissen­schaftlicher Einschätzung abwägen, inwieweit bei einem Präparat eine nidationshemmende Wirkung besteht. An­dererseits haben bekanntlich sehr viele Präparate und Ver­haltensweisen Nebenwirkungen, die das beginnende menschliche Leben schädigen oder im Extremfall sogar töten können. Solche Effekte sollten selbstverständlich minimiert werden. Ganz ausschließen kann man sie nie. Nach der Lehre Papst Pius XII. sind zum Beispiel Schmerzmittel bei einem Sterbenskranken dann erlaubt, wenn sie zwar mit der Absicht der Schmerzlinderung eingesetzt werden, aber als Nebeneffekt gegebenenfalls eine Verkürzung des Lebens zur Folge haben können.

Die Instruktion ‚Dignitatis personae‘ der Kongregation für die Glaubenslehre vom 8. September 2008 nennt unter den ‚Interzeptiva‘ ‚die so genannte ,Pille danach‘‘, bezieht sich dann aber ausschließlich auf die nidationshemmende Intention, wenn sie vorsichtig formuliert: ‚Man muss jedoch anmerken, dass bei denen, welche die Einnistung eines möglicherweise empfangenen Embryos verhindern wollen und deshalb solche Mittel wünschen oder verschreiben, im Allgemeinen die Vorsätzlichkeit zur Abtreibung vorhanden ist.‘ Die Grundsätze dieser Erklärung bleiben also weiterhin gültig, es muss allerdings offenbar eine Differenzierung bei der ‚Pille danach‘ vorgenommen werden.

Zu betonen ist, dass sich die Erklärung des Erzbischofs von Köln auf die Situation einer Vergewaltigung bezieht und nicht auf die Situation in einer sakramentalen Ehe, die die Enzyklika ‚Humanae Vitae‘ behandelt. Entsprechend hatte auch schon die Glaubenskongregation die Einnahme von Antikonzeptiva durch Ordensschwestern in einer Weltgegend, in der sie Vergewaltigungen fürchten mussten, erlaubt. Es geht beim Thema Vergewaltigung nicht um die Ganzheitlichkeit eines liebenden Aktes, sondern um die Verhinderung einer verbrecherischen Befruchtung.“

 

3. Dazu einige Überlegungen:

Die Kirche erkläre nur die moralischen Prinzipien; der einzelne Arzt müsse sich gewissenhaft kundig machen und so zu einer verantwortungsvollen Entscheidung kommen, so wird hier gesagt, aber auch, dass solche wissenschaftliche Erkenntnisse „nicht selten kontrovers“ seien – Das bedeutet aber doch, dass ein Arzt in der Klinik A entscheidet, diese ‚Pille danach‘ sei nicht nidationshemmend und also verwendbar, während ein anderer Arzt in Klinik B der Überzeugung ist, die nidationshemmende Wirkung sei gegeben und die ‚Pille danach‘ nicht verschreibt. Aber kann der Arzt B es sich überhaupt leisten, so zu entscheiden, wenn – wie unten berichtet – die Bischöfe für die kath. Krankenhäuser ihr Ja zur ‚Pille danach‘ gegeben haben? Welchem öffentlichen Druck setzt er sich aus, wenn er sie nicht verschreibt!

Und kann man bei einer „kontroversen“ Beurteilung so einfach die liberalere Ansicht zum Maßstab machen? Geht es denn nicht um ein Menschenleben? Muss die Kirche nicht als moralisches Prinzip vorgeben: Wenn auch nur ein kleines Risiko besteht, dass ein lebender Mensch getötet wird, darf dieses Präparat nicht angewendet werden. (Siehe die Regel des Jägers: Wenn auch nur eine geringe Unsicherheit besteht, dass das Objekt kein Tier ist, darf ich nicht schießen, weil ich einen Menschen töten könnte! Nach der Pressestelle des Erz­bistums Köln dürfte der Jäger aber sagen: Ich muss das Risiko, dass ich einen Menschen erwische, „minimieren“, aber ganz ausschließen brauche ich es nicht. Kann man das wirklich mit der Lehre der Kirche vereinbaren? Wir meinen nicht.)

Die Erklärung der Kölner Pressestelle mit der „Nebenwirkung“ und der Verweis auf Pius XII. sind nach unserem Verständnis nicht zutreffend, sondern führen in die Irre.

 

Pius XII. spricht davon, dass bei einem Medikament die Unterdrückung des Schmerzes nicht durch die Verkürzung des Lebens bewirkt werden darf, sondern dass seine Anwendung erlaubt ist, wenn das Medikament zwei Wirkungen hat – einerseits die Erleichterung des Schmerzes und andererseits die Verkürzung des Lebens. Allerdings muss zwischen beiden Wirkungen ein vernünftiges Verhältnis bestehen, so dass die Vorteile der einen die Nachteile der anderen aufwiegen, und man muss sich vorher fragen, ob dasselbe Ergebnis nicht mit anderen Mitteln erreicht werden kann (24.2.1957)

Noch eine andere Lehre Pius‘ XII. ist hier von Bedeutung, sogar noch mehr. Er sagt: „Wenn z.B. die Rettung des Lebens der zukünftigen Mutter, unabhängig von ihrem Zustand der Schwangerschaft, dringend einen chirurgischen Eingriff oder eine andere therapeutische Behand­lung erfordern würde, die als keineswegs gewollte oder beabsichtigte, aber unvermeidliche Nebenfolge den Tod des keimenden Lebens zur Folge hätte, könnte man einen solchen Eingriff nicht als einen DIREKTEN Angriff auf das schuldlose Leben bezeichnen. Unter solchen Bedingungen kann die Operation erlaubt sein wie andere vergleichbare ärztliche Eingriffe, immer vorausgesetzt, dass ein hohes Gut, wie es das Leben ist, auf dem Spiele steht, dass der Eingriff nicht bis nach der Geburt des Kindes verschoben werden kann und kein anderer wirksamer Ausweg gangbar ist“. Vorher hatte Pius XII. allerdings das Beispiel einer Mutter geschildert, die eben eine Abtreibung aus medizinischer Indikation ablehnte, weil es hier um einen „direkten Angriff auf das Leben eines Schuldlosen“ ging, und hatte auch auf das Vertrauen auf die GÖTTliche Vorsehung verwiesen (26.11.1951).]

 

Bei der „Pille danach“ geht es ja nicht um ein Medikament, das eine heilende oder schmerzlindernde Wirkung hat und daneben, unbeabsichtigt, aber unvermeidlich, auch schädigende Nebenwirkungen zeitigen kann. Hier geht es um ein Präparat, dessen zwei Wirkmechanismen absichtlich gewollt und vorgesehen sind, um ein Kind als Folge des Geschlechtsverkehr auszuschließen – verhütend plus nidationshemmend (= abtrei­bend). Die direkte Tötung wäre also (im Fall der Befruchtung) gewollt. Auch ist die Frage, ob die Vermeidung eines infolge Vergewaltigung gezeugten Kindes ein so „hohes Gut“ ist, wie es Pius XII. voraussetzt.

Ein weiterer Aspekt: Der Verweis auf die Erlaubnis der Einnahme von Verhütungsmitteln durch Ordensfrauen im Kongo in den 60er Jahren ist nicht tragfähig. Es ging da nicht um eine „Pille danach“, sondern um die vorsorglich genommene Anti-Baby-Pille. Diese ist am 23. Juni 1960 erstmals in den USA zugelassen worden, in den folgenden Jahren dann auch in anderen Ländern. 1968 nahm dann die Kirche mit der Enzyklika „Humanae vitae“ dazu Stellung.

Die Auseinandersetzungen im Kongo fanden in den Jahren ab 1961 statt und eskalierten insbesondere im sog. Simba-Aufstand 1964. Die kommunistischen Simba-Rebellen töteten damals mehr als 250 Missionare und Ordensschwestern. Unter den Opfern, die geschändet wurden oder denen sie drohte, war die am 29.11.1964 mit ihren Mitschwestern verschleppte und zwei Tage später getötete Sr. Anuarite Nengapeta, die den Versuch eines afrikanischen Soldaten, ihr die GOTTgeweihte Jungfräulichkeit zu rauben, tapfer abgewehrt hatte und 1985 seliggesprochen wurde.

Auf diese Zeit bezieht sich offensichtlich die damalige Erlaubnis durch das damalige Hl. Offizium. Für jene Zeit kann man zugestehen, dass die „Anti-Baby-Pille“ nur als hormonelle Ovulationshemmung eingeschätzt wurde. Doch nachweisbar seit 1967 ist bekannt, dass die damaligen sog. Ovulationshemmer in bis zu 7% der Fälle die Ovulation nicht unterbanden und verhinderten, sondern zuließen, dass auf die dann mögliche Befruchtung die „Pille“ mittels Nidationshemmung, also Frühabtreibung, wirkte. [Nebenbei: Der einflussreiche Bonner Moraltheologe, Berater der Bischofskonferenz, Prof. F. Böckle hatte auf diese Tatsache damals mit der Ansicht reagiert, menschliches Leben beginne erst mit der Nidation!] (Vgl. Dr. A. Häussler, Die Pille, das drohende Unheil, Jestetten 1975, S.3-5. Wenige Jahre später stellte M. Laimer, Die Pille, Innsbruck 1983, fest, dass die nun gängige „Pille“ nur mehr zu rund 50% den Eisprung verhindert, der „Rest“ zur ca. 90%-„Sicherheit“ kommt von der Verhinde­rung der Einnistung des bereits entstandenen Menschen.)

 

4. Hatte Kardinal Meisner in seiner Erklärung eine nur verhütende „Pille danach“ bei Vergewaltigung für erlaubt erklärt, so begründete die mitgelieferte Erklärung der Kölner Diözesanpressestelle dies damit, dass „Humanae vitae“ hier nicht zutreffe, da die Enzyklika „die Situation in einer sakramentalen Ehe“ be­handle (richtiger wäre, zu sagen: mit Gewalt erzwungenem Ge­schlechtsverkehr]. Nimmt man nur die Situation außerhalb der sakramentalen Ehe als Argument, wie es hier geschieht, und nicht die Gewalttat, dann wäre die gefährliche Konsequenz, Verhütung (wenn denn die normale „Pille“ bloß verhütend wäre) in Ordnung zu finden bei außerehelichem Verkehr, sei es schon bei Jugendlichen, sei es in anderen Fällen.

Zu Recht aber hat nicht wenige Gläubige entsetzt, dass hier die Befruchtung „verbrecherisch“ genannt wurde. Der Akt der Vergewaltigung ist verbrecherisch, doch das möglicherweise gezeugte Kind und sein Werden darf man nicht mit dieser Bezeichnung versehen!

Soweit Überlegungen zur Erklärung des Kölner Kardinals und seiner Pressestelle.

 

5. Ergänzendes:

In einem Brief vom 5. Februar 2013 „an die Priester, Diakone und Laien im Pastoralen Dienst“ schreibt Kardinal Meisner unter anderem zu dieser Angelegenheit:

„Um den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die not­wendige Sicherheit für ihren wichtigen Dienst zu geben, habe ich mich als Ihr Erzbischof lehramtlich zu den Fragen der so genannten ‚Pille danach‘ geäußert. Ich hatte die Thematik zuvor mit einer kleinen Gruppe von Fachleuten besprochen und diskutiert. Das Ergebnis war – anders als teilweise in den Medien dargestellt – keine neue Lehrmeinung, sondern vielmehr die Anwendung unserer bisherigen moraltheologi­schen Prinzipien auf die neue Situation, die jetzt durch eine Vielzahl von neuen Medikamenten gegeben ist, die unter den Begriff ‚Pille danach‘ fallen, aber keine abtreibende Wirkung haben, sondern ausschließlich eine Verhinde­rung der Befruchtung verursachen. Es ging also schlicht um unser Prinzip, dass keine Abtreibung einer befruchteten Eizelle erfolgen darf.“

 

Hier pocht der Erzbischof also ausdrücklich auf sein bischöfliches Lehramt. Und er behauptet, es gebe „eine Vielzahl“ von diesbezüglichen „Medikamenten“, die „ausschließlich“ die Befruchtung verhinderten.

Nun ist schon die Verwendung des Begriffs „Medikament“ fragwürdig – ein „medicamentum“ (lat. Heilmittel) sind Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten bestimmt sind. Ist eine (wenn auch durch eine verbrecherische Tat) geschehende Befruchtung, also das Wer­den eines Menschen, eine Krankheit?

Bemerkenswert ist jedoch, dass der Kardinal hier die Aussage macht, es gebe „eine Vielzahl“ von nur die Befruchtung verhindernden Präparaten. Wie aus den Aussagen katholischer Ärzte noch zu zeigen sein wird (vgl. Nr. 7), ist diesen davon nichts bekannt. So wird von mehreren Seiten davon gesprochen, der Kardinal erlaube ein Präparat, das nicht existiert!

Die Internetseite „katholisches.info“ berichtete darüber hinaus am 8.3.2013 von einer Antwort des Erzbischöflichen Geheimsekretärs Msgr. Oliver Boss an Personen, die an einer Protest-Mail-Aktion teilgenommen hatten. Darin wird u. a. behauptet, der Kardinal habe „zu konkreten Präparaten gar nicht Stellung genommen“ (was ja wohl zutrifft), und in seiner Erklärung werde „nicht von einer Pille geredet, die nicht frühab­treibend sei“. Auch das stimmt für die erste Erklärung formal, aber nicht für diesen Brief an die Kölner Priester etc., in dem der Kardinal tatsächlich von „einer Vielzahl“ von „Pillen danach“ schreibt, die alle „nicht frühabtreibend“ seien.

Und der Sekretär schreibt an die Kritiker, „die Behauptung, es gebe kein Präparat, das nicht auch frühabtreibend wirkt, ist durch nichts belegt“. Ist es Sache derer, die sich zutiefst sorgen, dass mit der Erklärung Meisners doch der Anwendung frühabtreibender Mittel Tür und Tor geöffnet würde, nachzuweisen, dass die vom Kardinal behauptete Aussage zutrifft? Meh­rere Stellungnahmen von Ärztevereinigungen und Persönlichkeiten liefern jedenfalls diesen Nachweis (siehe unten Nr. 7)!

Zu erwähnen ist dann z. B. auch ein Interview des Kölner „Domradio“ (also eines Massenmediums, das letztlich auch in der Verantwortung der Erzdiözese steht) mit dem Vorsitzenden des „Bundesverbandes der Frauenärzte“, Dr. Christian Albring, am 6.2.2013. Dieses Interview sollte ja offensichtlich die Entscheidung des Kardinals stützen. Dr. Albring behauptet da als „neue Erkenntnisse der letzten zwei Jahre“ auf die Frage, ob eine „abtreibende Wirkung“ sich definitiv ausschließen lasse: „Eine abtreibende Wirkung lässt sich bei dieser Dosierung definitiv ausschließen.“ „Domradio“ fasst auf der Internetseite (abgerufen am 10.3.13) im Begleittext nochmals zusammen, beide in Deutschland zugelassenen Arzneimittel, sowohl Levonorgestrel als auch Ulipristlacetat, würden „nicht in das Werden eines bereits gezeugten Menschen eingreifen“. Doch, wie weiter unten gezeigt wird, stimmt diese Behauptung nicht.

Ein Verwirrspiel, das das Vertrauen in den Kölner Erzbischof nicht stärkt, war auch um die angebliche oder tat­sächliche Zustimmung Roms zur Erklärung des Kölner Kardinals. In einem Interview mit der „Kölner Rundschau“ vom 12.2.2013 hatte Meisner wörtlich erklärt:

„Meine Erklärung war mit der Glaubenskongregation und der Päpstlichen Akademie für das Leben abgestimmt. Ich habe auch mit dem Sekretär des Papstes, Erzbischof Gänswein, darüber gesprochen. Er hat mir gesagt: ‚Der Papst weiß Bescheid. Es ist alles in Ordnung.‘“ (vgl. kath.net 12.2.13). Dazu erklärte das Erzbistum Köln dann, der Papst habe die Stellungnahme Meisners vor Veröffentlichung nicht gesehen und gebilligt, sondern erst nach Veröffentlichung zur Kenntnis genommen. Sie sei aber mit den zuständigen Stellen, der Päpstlichen Akademie für das Leben und der Glaubenskongregation, abgestimmt.

Eine Meldung einer spanischen Presseagentur widersprach der im Meisner-Interview behaupteten Aussage mit Berufung auf Professor Manfred Spieker bezüglich einer E-Mail von Papstsekretär Gänswein an ihn. Der Osnabrücker emeritierte Professor für Christliche Sozialwissenschaften und Berater des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Spieker, stellte dann die etwas ungenaue spanische Pressemeldung selber klar:

„Richtig ist, dass Erzbischof Gänswein mir am 14. Februar geschrieben hat, dass es nicht wahr ist, dass Kardinal Meisner mit ihm über seine Stellungnahme zur Pille danach gesprochen habe, und dass dies zu dementieren sei. Ich hatte ihm zuvor die entsprechende Passage aus dem Interview des Kardinals mit dem Kölner Stadtanzeiger vom 12.2. geschickt.

Falsch ist, dass ich gesagt hätte, die Päpstliche Akademie für das Leben oder die Glaubenskongregation hätten die Erklärung von Kardinal Meisner nicht gebilligt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass weder die Glaubenskongregation noch die Päpstliche Akademie für das Leben ‚amtlich‘ mit der Erklärung von Kardinal Meisner befasst waren, dass nur telefonisch bzw. elektronisch ein schnelles o.k. für die Erklärung des Kardinals eingeholt wurde, die, wie ich schon in meiner Kolumne in der Tagespost am 9.2. schrieb, moraltheologisch nicht falsch ist, im Verein mit der Erklärung der Pressestelle des Erzbistums, die der Glaubenskongregation vermutlich nicht vorgelegt wurde, aber eine fatale Wirkung hat. Die beiden Erklärungen suggerieren zum einen, es gäbe eine Pille danach, die nur ovulationshemmend, nicht aber nidationshemmend wirkt. Zum anderen wollen sie es dem Gewissen und der wissenschaftlichen Einschätzung des Arztes überlassen, inwieweit bei einem Präparat eine nidationshemmende Wirkung besteht. Dem ist die am 13.2. veröffentlichte Untersuchung des IMABE-Instituts entgegenzuhalten, die zeigt, dass alle gegenwärtig auf dem Markt befindlichen Präparate der Pille danach sowohl eine ovulationshemmende als auch eine nidationshemmende Wirkung haben und dass die jeweilige Wirkung der Pille vom Zeitpunkt im Zyklus der Frau abhängt, an dem sie zum Einsatz kommen soll…“ (vgl. kath.net-Meldungen vom 19.2.2013).

Daraufhin erklärte das Erzbistum Köln schließlich am 20. Februar sinngemäß, indem es Prof. Spieker zum Schuldigen erklärte, er habe Gänswein nicht über die „Präzisierung“ des Erzbistums zum Zeitungsinterview Meisners informiert, und es ließe sich „nur unter deren bewusster Missachtung ein Widerspruch zwischen den Aussagen von Kardinal Meisner und Erzbischof Gänswein konstruieren“ (vgl. kath.net 21.2.13).

 

Die Erklärung des Kölner Erzbischofs und die von ihm oder gleichsam in seinem Namen veröffentlichten Texte sind also durchaus differierend, ja teilweise widersprüchlich und lassen Fragen offen.

 

 

6. Die Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz und anderer Bischöfe

 

Noch ehe vom 18. bis 21. Februar 2013 die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz stattfand, in der auch dieses Thema beraten und dazu Stellung genommen wurde, gab es Aussagen und Aktionen einzelner Bischöfe und von Verantwortlichen katholischer Krankenhäuser.#

 

So richtete der „Deutsche Katholische Krankenhausverband“ offenbar bereits am 4. Februar ein Schreiben an die Krankenhäuser, in dem die Verschreibung der „Pille danach“ nach einer Vergewaltigung als erlaubt verkündet wird. (BR 4.2.: „Die ‚Pille danach‘ darf in den katholischen Krankenhäusern in Bayern nach einer Vergewaltigung ab sofort verschrieben werden. Das legt ein entsprechendes Schreiben des Deutschen Katholischen Krankenhausverbands nahe.“)

Am 14.2. einigten sich der Mainzer Bischof Kardinal Lehmann, die Träger der katholischen Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz und der rheinland-pfälzische SPD-Gesundheitsminister, dass Vergewaltigungsopfern die „Pille danach“ verordnet werden dür­fe, allerdings nur solche Präparate, die „unter Berücksichtigung des neuesten Standes der medizinischen Wissenschaft eine Empfängnis verhindern, aber nicht abtreibend wirken (vgl. Mainzer allgemeine-zeitung.de 14.2.).

Alle NRW-Bischöfe schwenken in der Sache ‚Pille danach‘ auf die Linie Kardinal Meisners um“ (Kölner kath. „Domradio“, 6.2.13). „Der stellvertretende Leiter des Katholischen Büros in Düsseldorf, Kämper, bestätigte, dass sich die Bischöfe von Aachen, Essen, Münster und Paderborn hinter die Position Meisners gestellt hätten“. Die grüne NRW-Gesundheitsministerin Steffens erklärte am 15.2., sie habe „die Zusage der katholischen Kirche, dass auch in allen Krankenhäusern unter ihrer Trägerschaft“ in NRW die ‚Pille danach‘ Teil der Behandlung von Frauen nach einer Vergewaltigung sei; welches Präparat „zur Verhinderung einer Befruchtung“ angeboten würde, entschieden die Ärzte (vgl. KNA-Meldung, kath.net 16.2.13, rv 15.2.13).

Nach solchen Erklärungen war abzusehen, dass die Ge­samtheit der deutschen Bischöfe bei der Frühjahrsvollversammlung Meisners Erklärung übernehmen würde. Im Vorfeld waren von Seiten katholischer Ärzte und Lebensrechtsbewegungen besorgte Einwände geltend gemacht worden, dass es eine nur die Befruchtung verhindernde ‚Pille danach‘ nicht gebe, doch vergeblich.

In der Presseveröffentlichung am Ende der DBK-Vollversammlung (21. März) heißt es dann (Hervorhebungen von uns):

 

„Moraltheologische Fragen im Zusammenhang von Vergewaltigung (‚Pille danach‘)

Die Vollversammlung hat sich aus aktuellem Anlass mit den moraltheologischen Aspekten der Verabreichung der so genannten ‚Pille danach‘ für Frauen, die einer Vergewaltigung zum Opfer gefallen sind, befasst. Kardinal Karl Lehmann (Mainz) als Vorsitzender der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz hat auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Verfügbarkeit neuer Präparate mit geänderter Wirkweise die moraltheo­logische Bewertung der Verwendung einer so genannten ‚Pille danach‘ dargestellt. Kardinal Joachim Meisner (Köln) erläuterte die Hintergründe seiner im Anschluss an den aktuellen Fall der Abweisung eines Vergewaltigungsopfers durch zwei Kölner Krankenhäuser in Ordensträgerschaft ergangenen Erklärung vom 31. Januar 2013, die er im Benehmen mit der Kongregation für die Glaubenslehre und der Päpstlichen Akademie für das Leben abgab. Die Vollversammlung hat bekräftigt, dass in kath. Krankenhäusern Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung geworden sind, selbstverständlich menschliche, medizinische, psychologische und seelsorgliche Hilfe erhalten. Dazu kann die Verabreichung einer ‚Pille danach‘ gehören, insofern sie eine verhütende und nicht eine abortive Wirkung hat. Medizinisch-pharmazeutische Methoden, die den Tod eines Embryos bewirken, dürfen weiterhin nicht angewendet werden. Die deutschen Bischöfe vertrauen darauf, dass in Ein­richtungen in katholischer Trägerschaft die praktische Behandlungsentscheidung auf der Grundlage dieser moraltheologischen Vorgaben erfolgt. Auf jeden Fall ist die Ent­scheidung der betroffenen Frau zu respektieren. Die Vollversammlung anerkennt die Notwendigkeit, neben ersten Stellungnahmen zur ‚Pille danach‘ die weiteren Zusammenhänge der Fragestellung – auch im Kontakt mit den in Rom Zuständigen – vertieft zu ergründen und notwendige Differenzierungen vorzunehmen. Die Bischöfe werden entsprechende Gespräche mit den Verantwortlichen der katholischen Krankenhäuser, mit kath. Frauenärztinnen und -ärzten sowie mit Beraterinnen und Beratern führen.“

 

Es gab also keinen der Bischöfe, der vor einer solchen gemeinsamen Aussage die Prüfung und Klärung verlangt hätte, ob eine solches Präparat wirklich zur Verfügung steht. „Notwendige Differenzierungen“ sollen erst nachträglich geschehen.

Unverständlich ist in dieser Erklärung der Satz, dass „auf jeden Fall die Entscheidung der betroffenen Frau zu respektieren“ sei. - Ist die vorherige Aussage, dass keine Methoden angewendet werden dürfen, die den Tod eines Embryos bewirken, damit nicht aufgehoben, wenn die „betroffene Frau“ sich dafür entscheidet?

 

Eine solche Befürchtung legt sich nahe, wenn man die Aussagen des Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, in der Fernsehsendung Günther Jauch vom 3. Februar beachtet. Er hatte gesagt, auch er finde die Unterscheidung Meisners „zwischen einer empfängnisverhindernden Pille und einer Pille, die Abtreibung bewirkt“, „sehr wichtig“; der aber auch – offenbar als Wort des Kölner Erzbischofs – ergänzte: „Und wenn die Frau sich dann dafür entscheidet, diese Pille auch zu nehmen, die die abtreibende Wirkung hat, dann hat das auch das katholische Krankenhaus zu respektieren“. Das finde er, Neher, eine „enorme Aussage“, die nochmals den „Wert des persönlichen Gewissens“ und die „persönliche Gewissensentscheidung“ deutlich mache (vgl. kath.net 4.2.13). Hat Kardinal Meisner tatsächlich so etwas gesagt, wie dieser Bericht von der Aussage des Caritaspräsidenten es nahelegt?

Das heißt doch nichts anderes, als dass ein katholisches Krankenhaus „respektieren“ müsse, wenn eine vergewal­tigte Frau die abtreibende Pille nimmt (woher, vom Arzt des kath. Krankenhauses?), also ihr – wenn auch infolge einer Gewalttat – empfangenes, aber daran unschuldiges Kind tötet. Die „Gewissensentscheidung“ zu einem „verabscheuungswürdigen Verbrechen“ (so bezeichnet das 2. Vatikanische Konzil die Abtreibung) „respektieren“?

Auch die Aussage des Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke in der folgenden Jauch-Sendung am 10.2.2013 geht ja in diese Richtung: „Es wird sicherlich Not­situationen geben. Die Abtreibung ist in gewisser Hinsicht solch eine Notsituation“ (vgl. kath.net 11.2.2013).

 

Stellungnahmen anderer Bischöfe

Österreich: Der Bischof von St. Pölten, Klaus Küng – pro­movierter Mediziner – , hatte im Januar 2013, noch vor der Erklärung Kardinal Meisners, auf die Interview-Frage, ob die sogenannte „Pille danach“ im Notfall erlaubt sei, geantwortet:

„Bezüglich ‚Pille danach‘ ist zu bedenken: Zum einen gibt es ‚Mifegyne‘, eine Abtreibungspille, die nichts anderes bewirkt als die Einleitung einer rasch und sicher erfolgenden Abbruchblutung. Bei bestehender Schwangerschaft bedeutet dies einen ‚Schwangerschaftsabbruch‘ durch die Verabreichung eines bestimmten Hormons in hoher Dosis. Wer diese Pille ‚zur Sicherheit‘ (für den Fall, dass es zu einer Schwangerschaft gekommen sein sollte) anwendet, begeht jedenfalls der Inten­tion nach eine Abtreibung, die nach kirchlichem Verständnis nie erlaubt sein kann.

Es gibt aber auch die sogenannte ‚Pille danach‘, wirksam bis zu 72 Stunden danach: Es handelt sich um ein antiovulatorisch wirkendes Präparat, das das Heranreifen der Eizelle und den Follikelsprung (Freiwerden einer Eizelle) unterdrückt. Wenn der Geschlechtsverkehr unmittelbar vor oder nach dem Follikelsprung stattgefunden hat, kann aus medizinischer Sicht nicht ausgeschlossen werden, dass auch eine Nidationshemmung – sprich Frühabtreibung – stattfinden kann. Daher ist die Ablehnung der ‚Pille danach‘ aus moralischen Gründen richtig. (Vgl. kath.net 26.1.13, siehe auch seine Broschüre „Der gute Weg“, vgl. Kirche heute 3/2013 S. 12f).

Die spanische Bischofskonferenz schloss sich den deutschen Bischöfen offenbar unverzüglich an. Sie erklärte die „Pille danach“ für vergewaltigte Frauen für zulässig. Voraussetzung sei allerdings, dass die Medikamente keine abtreibende Wirkung hätten und nicht einen bereits entstandenen Embryo töteten. Der Generalsekretär der Spanischen Bischofskonferenz, Martinez Camino, begründete dies damit, dass eine Vergewaltigung „kein ehelicher Akt, sondern ein Akt der Ungerechtigkeit und der Gewalt“ sei und es daher „legitim“ sei, eine Befruchtung zu verhindern (vgl. rv 27.2.13, DT 28.3.13).

Die Schweizer Bischofskonferenz tagte anfangs März und befasste sich auch mit der Frage. Am 6. März meldete dann die Schweizer Nachrichtenagentur kipa, der Sprecher der Schweizer Bischofskonferenz, Müller, habe erklärt, die Schweizer Bischöfe erlaubten im Fall einer Vergewaltigung die „Pille danach“ auf Empfehlung ihrer Bioethik-Kommission (vgl. rv 6.3.13).

Am folgenden Tag jedoch wurde dies dementiert, die Bischöfe der Schweiz hätten noch keine Entscheidung gefällt. Sie wollten das Ergebnis der Beratungen ihrer Bioethikkommission abwarten, die sich mit der Frage befasse.

Im Blick auf diese Zurückhaltung der Schweizer Bischöfe ist ein Artikel des Churer Domherrn und Bischofsvikars Christoph Casetti nicht uninteressant (Katholische Wochenzeitung, 8.3.2013, S. 2): Casetti fasst zunächst die Kölner Vorgeschichte und die Erklä­rung Kardinal Meisners zusammen und schreibt dann: „In einer zusätzlichen Mitteilung seiner Pressestelle ist der Eindruck erweckt worden, es gäbe bereits ein Medikament, welches nur die Zeugung verhindere. Das jedoch ist ein Irrtum. Alle ‚Pillen danach‘, welche im Handel sind, haben mehrere Wir­kungen. Denn sie sollen ja möglichst sicher und zuverlässig sein. Je nachdem, in welcher Phase ihres Zyklus eine Frau die ‚Pille danach‘ einnimmt, wirkt sie empfängnisverhütend oder abtreibend. Darauf haben verschiedene Experten und Organisationen von Ärzten hingewiesen. Katholische Krankenhäuser in Deutschland, welche nun meinen, generell die ‚Pille danachabgeben zu dürfen, können sich weder auf die Lehre der katholischen Kirche stützen noch auf die Erklärung von Kardinal Meisner. Vom Augenblick der Zeugung an hat ein Kind ein unbedingtes Lebensrecht. Eine Vergewaltigung ist ein schreckliches Verbrechen. Das ist völlig unbestritten. Aber dieses Ver­brechen rechtfertigt nicht die absichtliche Tötung eines unschuldigen Kindes vor der Geburt. Wenn eine Frau ein Kind aus einer Vergewaltigung als unerträgliche Zumutung empfindet, ist das sehr gut zu verstehen. Gibt sie ein solches Kind zur Adoption frei, macht sie Eltern, die sich sehnlich ein Kind wünschen, glücklich.“

Ähnlich nahm der Vorsitzende der Kommission für Familie, Kinder und Verteidigung des Lebens in der Peruanischen Bischofskonferenz, Erzbischof José Antonio Eguren, Stellung. (Peru hat immerhin fast genauso viele Katholiken wie Deutschland!) Er bezog sich auf die „einsame und überraschende“ Erklärung der deutschen Bischöfe und betonte, die Kirche und der Hl. Stuhl hätten ihre Haltung zur „Pille danach“ wegen deren potentiell abtreibender Wirkweise nicht geändert. Zwar sagte er auch, im Fall einer Vergewaltigung sei der Versuch zulässig, die Befruchtung als Ergebnis eine Vergewaltigung mit zulässigen Mitteln zu verhindern. Sobald eine Befruchtung stattgefunden habe, hätten wir einen neuen Menschen vor uns, dessen Leben beschützt werden müsse. Die direkte – als Ziel oder Mittel gewollte – Abtreibung stehe in schwerem Gegensatz zum Sittengesetz und es sei „nie gerechtfertigt, das empfangene Kind zu töten, auch nicht unter den verwerflichen und brutalen Umständen einer Vergewaltigung.“

Der Erzbischof von Piura und Tumbes, Peru, verwies dann darauf, dass die deutschen Bischöfe sich auf „verfügbare neue Präparate“, die nicht abortiv wirkten, bezogen hätten. Doch sie hätten nicht gesagt, worin diese Änderungen bestünden noch welche wissenschaftlichen Studien diese Behauptung stützten. Bis heute würden „die seriösesten Hersteller dieses Pharmaproduktes anerkennen, dass die PD (‚Pille danach‘) oder OEC (‚Oral Emergency Contraception‘ / ‚Orale Notfallkontrazeption‘) über drei mögliche Wirkmechanismen verfügt: Die Ovulation zu verhindern, die Beweglichkeit des Spermas zu beeinträchtigen und die Implantation des Embryos zu vermeiden. Dieser letzte, die Implantation oder Nidation (Einnistung) des Embryos (das heißt, eines neuen Menschen) in der Gebärmutter zu vermeiden, ist eine Abtreibung“.-  „Auch die Federal Drug Administration (FDA), die Behörde für die Kontrolle der Medikamente und Pharmaprodukte, welche die Standards für die Vereinigten Staaten von Amerika festlegt, und folglich auch für den Rest der Welt, anerkennt bis zum heutigen Tage die potentiell abortive Wirkweise der PD oder OEC“, fügte er hinzu. „Man kennt also“, so Bischof Eguren, „keine ‚Pille danach‘, deren abortives Potential von der internationalen Wissenschaftsgemeinde einmütig ausgeschlossen würde und noch weniger ihre Vermarktung als solche. Folglich ist, unter diesen Umständen und bis zu diesem Zeitpunkt, ihr Gebrauch immer unmoralisch, auch im Fall von Vergewal­tigung“.

„Die überwältigenden Fälle von Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung geworden waren und schwanger wurden und die weise und mutig das Leben ihres Kindes zu erhalten wählten, legen Zeugnis dafür ab, dass es diese Entscheidung ist, welche wirklich über die Vergewaltigung siegt, da sie die Wahl des Guten über das Böse ist und der Sieg der Liebe über die Gewalt“ (vgl. Arzbispado de Piura, 23.2.13; katholisches.info/2013/02/ 28).

In einem „Klartext“ äußerte sich in der Internet-Zeitung kath.net am 28.2. der Salzburger Weihbischof Laun. Er nennt die Aussage Meisners, eine „wirklich nur verhütende“ Pille danach könne nach einer Vergewaltigung gegeben werden, „ganz katholisch“. Man streite „eigentlich“ nicht um eine Frage der Moraltheologie, „sondern um eine medizinische: Welches ‚Pille-danach‘-Präparat am Markt wirkt wirklich nur verhütend und nicht doch auch oder gar nur früh abtreibend? Gibt es ein solches Präparat überhaupt, und wenn es behauptet wird, wie sicher kann man sich der wissenschaftlichen Korrektheit in diesem Falle sein?

Man erinnere sich: Zur Zeit, als ‚die Pille‘ auf den Markt kam, hieß es am Anfang immer, sie hemme nur die Ovulation, habe also mit Abtreibung nichts zu tun. Aber es dauerte nicht lange, und es stand auch auf den Beipackzetteln unter den Wirkungs-Mechanismen der Pille die Nidations-Hemmung.“

Laun fährt fort, hier seien sich „die Fachleute nicht einig“. Manche seien überzeugt, die nur verhütende Pile danach gebe es nicht und werde es nie geben. „Hier kommt wieder die Moral ins Spiel: Wenn es unsicher ist und bleibt, gilt ein absolutes Nein zur Pille danach: Wenn die Möglichkeit besteht, dass die Pille danach einen kleinen Menschen tötet, muss man auf sie verzichten.“ Er ergänzt: „Zu vertrauen, dass sich die Ärzte um den in ihren Augen wahrscheinlich sehr kleinen Unterschied zwischen Verhütung und Nidations-Hemmung kümmern werden, geht an den Zeichen der Zeit vorbei. - Dies umso mehr, dass die Wirkung auch davon abhängt, zu welcher Zeit des Zyklus alles geschehen ist und die Pille eingenommen wird.“

Weitere Warnungen Launs: „Man erinnere sich an die erste, geradezu begeisterte Reaktion mancher kath. Krankenhäuser, dann ahnt man, wie die Realität aussehen wird. - Dazu kommt die unglückliche Formulierung der bischöflichen Erklärung, auf jeden Fall sei die ‚Entscheidung der Frau zu respektieren!‘ Man fragt sich, welch andere Entscheidung in diesem Kontext gemeint sein kann als diejenige, das Risiko einer Frühabtreibung einzugehen. ‚Respektieren‘ heißt dann doch: Man gibt ihr das gewünschte Präparat und lässt das ohnehin unbekannte Wie der Wirkung auf sich beruhen. Dass man die Entscheidung ‚respektieren müsse‘, wurde in Österreich auch ganz direkt mit Blick auf Abtreibung gesagt, gut gemeint aber verwirrend. Man braucht es nur auf eine andere Sünde übertragen: Niemand, dem sein Auto gestohlen wurde, wird sagen: Schade, aber er respektiere die Entscheidung des Diebes.

Heute ist zu beobachten, dass das Wort ‚Respektieren‘ mit seinem guten Klang nicht selten dort verwendet wird, wo man dem Zeitgeist ein Stück weit nachgibt. Etwa wenn sogar Bischöfe, wie in Österreich geschehen, sagen, man müsse die sexuelle Orientierung eines Menschen ‚respektieren‘.“ Man könne und solle jeden Menschen respektieren, aber nicht eine psychische „Unordnung“, sonst müsste man auch „pädophile, sadomasochistische und andere Philien ‚respektieren‘“. Doch es sei der Sünder zu lieben, nicht die Sünde, und so sei der Mensch „zu achten und zu ehren, nicht das an ihm, was der Schöpfungsordnung nicht entspricht, also weder eine körperliche Missbildung noch eine seiner Psyche!“

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Zu ergänzen sind noch andere Aussagen kirchlicher Persönlichkeiten und Theologen:

Der Kölner Bestsellerautor, Psychiater und Theologe Manfred Lütz lobte sogleich im Kölner Domradio (31.1.13) die Aussagen seines Kardinals als „beeindruckende Reaktion“ (und behauptete, bei den derzeit auf dem Markt befindlichen „Pillen danach“ sei „zumindest bei der einen Pille, möglicherweise auch bei der anderen, kein nidationshemmender Effekt feststellbar“, vgl. kathnews.de 10.2.13),

Der Präsident der „Päpstl. Akademie für das Leben“, der Opus-DEI-Bischof Ignacio Carrasco de Paula, erklärte am Rand eines Kongresses in Rom, die Linie Meisners und der deutschen Bischöfe entspreche dem, was der Vatikan seit 50 Jahren lehre: bei einer mit Gewalt aufgezwungenen sexuellen Vereinigung dürfe man die notwendigen Schritte tun, um eine Schwangerschaft zu verhindern, nicht aber, um eine bereits entstandene Schwangerschaft abbrechen; ob ein Medikament verhütende oder abtreibende Wirkung habe, müssten die Mediziner klären (vgl. rv 24.2.13, kath.net 23.2.13, zenit 26.2.13),

Erheblich vorsichtiger äußerten sich zwei andere Fachleute aus Rom:

Der Arzt Dr. Justo Aznar, Mitglied der Päpstl. Akademie für das Leben, sagte, er werde der Deutschen Bischofskonferenz einen langen Brief schreiben und sie auf Fehler aufmerksam machen. Zwar könne die ‚Pille danach‘ verwendet werden, wenn sie ausschließlich verhütend wirke, doch müsse man sehen, dass sie eben auch die Einnistung verhindere. Eine Pille, „die das Leben vieler Menschen beenden kann, darf niemals nach einer Vergewaltigung verabreicht werden“. Die DBK müsse eine Begründung liefern.

Mauro Cozzoli, Berater des Päpstlichen Gesundheitsrates, sagte gegenüber Radio Vatikan, es gebe keine allgemeingültige Richtlinie der Kirche zum Umgang mit der sog. „Pille danach“. Aus moralischer Sicht sei wichtig, dass kein Leben dabei zerstört wird. Ein Mittel, wie es der Kölner Erzbischof genannt habe, das nicht zugleich ein Abtreibungsmittel sei, kenne er nicht. „Falls es sich aber um ein Präparat handelt, das nicht einfach nur ein Verhütungsmittel ist, sondern eine befruchtete Eizelle zerstören könnte, dann wäre diese Pille aus moralischen Gründen nicht hinnehmbar.“

Ein einflussreicher deutscher Moraltheologe geht noch weiter: Schon Ende Januar hatte Eberhard Schockenhoff, gegenüber KNA geäußert, eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung sei eine „extreme Notlage“; wenn sich die Betroffene für eine Abtreibung entscheide, sei dies zu respektieren. „Im Grenzfall der Vergewaltigung sehe ich die Möglichkeit einer berechtigten Ausnahme, weil die Frau eine Art Notwehrrecht hat, die ihr mit Gewalt aufgezwungene Schwangerschaft zu beenden.“ Die Schuld am Abbruch falle auf den Vergewaltiger zurück (vgl. kath.net 24.1.13)

Schockenhoff, Priester der Diözese Rottenburg-Stuttgart, promoviert bei Prof. Alfons Auer, Assistent bei Prof. Walter Kasper an der Uni Tübingen, ist seit 1994 Professor für Moraltheologie an der Universität Freiburg, in der Stadt des Vorsitzenden der DBK. Er war 12 Jahre lang geistlicher Assistent der „Kath. Ärztearbeit Deutschlands“ (!) und ist seit 2001 Mitglied im „Deutschen Ethikrat“ (vgl. www. theol.uni-freiburg.de)!

 

Auch nach der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz bleiben gewichtige Fragen offen, zum einen was denn die „zu respektierende Entscheidung“ der Frau meint, vor allem aber:

 

 

7. Existiert denn eine „Pille danach“, die nicht (auch) frühabtreibend wirkt?

 

Hier sind nun die Fachleute gefragt. Offensichtlich gibt es Ärzte, die Kardinal Meisner gegenüber dies behauptet haben (wobei, wie oben gezeigt, die Aussagen des Kardinals und der Kölner Pressestelle bzw. der Bischofskonferenz recht unterschiedlich sind: bei der „Pille danach“ gebe es „unterschiedliche Präparate mit unterschiedlichen Wirkprinzipien“ und „ein Präparat, dessen Wirkweise die Verhinderung einer Zeugung ist“, sei vertretbar (Meisner 31.1.13); „der Arzt muss abwägen, inwieweit bei einem Präparat eine nidationshemmende Wirkung besteht“, aber „tötende Effekte sollten minimiert werden“, „ganz ausschließen“ könne man (und brauche man anscheinend) sie nicht (Pressestelle 31.1.13); „Vielzahl von neuen Medikamenten, die ausschließlich eine Verhinderung der Befruchtung verursachen“ (Meisner 5.2.13); „Verabreichung einer ‚Pille danach‘, insofern sie eine verhütende und nicht eine abortive Wirkung hat“.

Mehrere ärztliche und bioethische Stellungnahmen sagen anderes aus (Hervorhebungen in den Texten meist von uns):

 

1. Simón Castellvi, Vorsitzender des „Weltverbandes Katholischer Ärztevereinigungen“ und Mitglied im Päpstl. Rat für die Pastoral im Krankendienst (vgl. kath.net 8.2.13):

„Auf jeden Fall hat die ‚Pille danach‘ in 70% der Fälle, in denen die Frau fruchtbar ist, eine antiimplantatorische Wirkung (die die Einnistung des Embryos in die Gebärmutter verhindert).“ Er habe den Eindruck, dass Kardinal Meisner mit ungenauen Informationen versorgt worden sei. Castellvi ist der Ansicht, dass Meisner eine Studie vorgelegt wurde, die unter anderem von Kristina Gemzell-Danielsson durchgeführt wurde. Diese einflussreiche schwedische Professorin berät die Hersteller der „Pille danach“ wie HRA-Pharma und Bayer bezüglich „Notfall-kontrazeption“; sie ist in der WHO tätig und sie ist Präsidentin von FIAPAC („Fédération Internationale des Associés Professionnels de l'Avortement et de la Contraception“ = „Internationale Vereinigung von Fachkräften zu Schwangerschaftsabbruch und Kontrazeption“), also der 1997 gegründeten Abtreiber-Vereinigung, die vorher der Wiener Abtreibungsarzt Fiala geleitet hatte (vgl. www. fiapac.org).

 

2. Aus der Stellungnahme der „Ärzte für das Leben e.V.“ zur „Pille danach“-Debatte vom 15. Februar 2013

„Ärzte für das Leben e. V.“, eine seit 1991 bestehende nicht-konfessionelle Gemeinschaft von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen, „die sich für das Leben von der Befruchtung bis zum natürlichen Tod einsetzt“ (1. Vorsitzender Prof. Dr. med. Paul Cullen, Münster), veröffentlichte am 15.02.13 eine Stellungnahme (vgl. www. pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?r= 522868&sid=&aktion=jour_pm&print=1).

In dieser Stellungnahme, die kath. Kirche und Kardinal Meisner gar nicht erwähnt, wird einfach auf die mediale Debatte um die „Pille danach“ Bezug genommen. Es würden „neuere wissenschaftliche Erkenntnisse“ erwähnt, die zeigen sollen, „dass die derzeit in Deutschland zu diesem Zweck zugelassenen Medikamente (1) ihre Wirkung ausschließlich über eine Hemmung der Befruchtung - im wesentlichen durch Verhinderung des Eisprungs - ausüben, und nicht durch Hemmung der Einnistung der befruchteten Eizelle (2).“

Die Fußnote 1 erklärt: „Derzeit sind hierfür zwei Präparate zu­gelassen: das Gelbkörperhormon Levonorgestrel in einer hohen Dosierung von 1,5 mg sowie Uliprisalacetat, ein Modulator des Rezeptors für das Hormon Progesteron, in einer Dosierung von 30 mg.“ Die Fußnote 2 führt als Beispiel für solche Aussagen eine Presseerklärung des Berufsverbands der Frauenärzte e.V. vom 20.01.13“ an, in der behauptet wird: „Beide Medikamente greifen deshalb nicht in das Werden eines bereits gezeugten Menschen ein. Sie sind als Verhütungsmittel einzustufen, nicht als Mittel für einen Schwangerschaftsabbruch.‘“

Die Stellungnahme der „Ärzte für das Leben e.V.“ sagt dazu:

 

Aus Sicht der „Ärzte für das Leben“ „gibt diese Annahme nicht den wissenschaftlichen Kenntnisstand wieder: zwar wirkt die ‚Pille danach‘ auch über eine Verhinderung des Eisprungs, doch wird je nach Zyklusstand der Frau nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand auch die Einnistung des Embryos verhindert. Medikamente, die die Einnistung von Embryonen verhindern, sind keine ‚Notfallkontrazeptiva‘, sondern Mittel zur Abtreibung. Denn durch diese wird nicht die Entstehung eines Menschen unterbunden, sondern ein bereits existierender Mensch getötet, der unseren Schutz verlangt. Die stillschweigende Akzeptanz seiner Tötung - in welchem Kontext auch immer - höhlt unweigerlich die Prinzipien des Tötungsverbots und der Menschenwürde auf breiter Front aus“.

 

Also eine klare ärztliche Stellungnahme: Beide in Deutsch­land als „Pille danach“ zugelassenen Medikamente wirken je nach Zyklusstand der Frau auch frühabtreibend. (Übrigens: Die hier in Fußnote 2 zitierte „Presseerklärung des Berufsverbands der Frauenärzte“, dass die „Pille danach“ nicht frühabtreibend sei, wurde offenbar abgegeben, um die Erklärung des Kölner Kardinals zu stützen; das Erzbistum verwies auch sofort darauf. „Einzig richtig ist, dass beide Pillen den Eisprung verschieben und somit die Spermien keine Gelegenheit finden, eine Eizelle zu befruchten“ (vgl. kath.net 5.2.13). Offenbar hatten der „Berufsverband der Frauenärzte“ und die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ noch vorher von einer „zweifachen Wirkung der ‚Pille danach‘“ gesprochen (vgl. Bernward Büchner in DT 22.1.13, S. 3).

So liegt es nahe, dass dieser Frauenärzte-Berufsverband die Informationsquelle Meisners oder eine davon war. Seriös ist das nicht, denn zu diesem Verband gehören auch Ärzte, die nichts gegen Abtreibung haben! Oder sind die Bischöfe der Ansicht, die Ärzte, die für das Lebensrecht eintreten und die andere wissenschaftliche Informationen vorlegen, seien unkundig und Feinde der Kirche?

3. Gemeinsamer Brief der „Vereinigung katholischer Ärzte der Schweiz“ und der „Europäischen Ärzteaktion“ an alle deutschen Bischöfe und an römische Stellen vom 16. Februar 2013

 

„Mit großer Besorgnis haben die beiden Ärzteverbände, die Europäische Ärzteaktion und die Vereinigung der kath. Ärzte der Schweiz die Diskussionen um die „Pille danach“ verfolgt.

Die Erklärung von S. E. Kardinal Joachim Meisner und die Erläuterungen der Pressestelle des Erzbistums Köln zur ‚Pille danach‘ haben zu großer Verunsicherung und Unruhe innerhalb und außerhalb der Kirche geführt. Die wissenschaftliche Datenlage zur Wirkungsweise der ‚Pille danach‘ ist nicht gesichert und wird in Wissenschaftskreisen kontrovers bewertet. Insbesondere eine ausschließliche ovulationshemmende Wirkung darf als nicht bestätigt angenommen werden. Die frühabtreibende Wirkung der ‚Pille danach‘ kann weiterhin nicht ausgeschlossen wer­den.

Um mit Laun zu sprechen: »Auch die Möglichkeit einer solchen Wirkung führt bereits zu einem kategorischen Nein auf der Ebene der Moral«… »Wenn das [die Nidationshemmung, Anm. d. Verf.] aber auch nur möglicherweise so ist, dann müsste jeder, der die Verhütung als Mittel im Kampf gegen die Abtreibung propagiert, mindestens mit gleicher Intensität gegen alle abortiven ›Verhütungs‹-Mittel auftreten« 1

In der Literatur bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit auch einer nidationshemmenden Wirkungsweise beider zur Zeit verfügbaren ‚Pillen danach‘, allein schon aus pharmakokinetischer und -dynamischer Sicht.

 

PiDiNa®: Levonorgestrel 1,5 mg

LNG muss bis spätestens 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden, je früher, desto besser.

LNG kann die Ovulation hemmen, wenn es 3 Tage vor dem LH-Anstieg eingenommen wird. Vom LH-Anstieg bis zur Ovulation dau­ert es ca. 18 Stunden. Als Beispiel zwei Zitate zu Levonorgestrel2, das in der LNG-haltigen ‚Pille danach‘ in einer 50-fachen Dosis einer Minipille enthalten ist:

Levonorgestrel … wirkt auf vielen Ebenen kontrazeptiv. […] Die kontrazeptive Wirkung von Levonorgestrel wird auch dadurch bestätigt, dass es eine Schwangerschaft durch Beeinflussung von Endometrium/Blastozysten unterbrechen kann.

‚Die fertilitätshemmenden Wirkungen von Levonorgestrel werden weiterhin durch seine Fähigkeit, durch Störung des Endometriums/ der Blastozyste eine bestehende Schwangerschaft zu unterbre­chen, bestätigt.‘

Das sind Feststellungen, die durch neuere Studien noch widerlegt werden müssten!

Gemäss Rella3 spielen insbesondere Störungen der Ei­leitermotilität mit verzögertem Embryotransport in die Gebärmutterhöhle und eine ‚gestörte Zeitabstimmung zwischen der Keimes- und Endometriums­entwicklung‘ eine wichtige Rolle, ‚die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einnistung sind (fehlende Phasenkonkordanz)‘. Rella nimmt in mindestens 51% der Fälle eine frühabtreibende Wirkung an.

 

ellaOne®: Ulipristalacetat 30 mg (UPA)

UPA ist ein Progesteron-Rezeptor-Modulator, verwandt mit Mifepriston (Mifegyne® / RU 486), der Abtreibungspille. Man kann es bis 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr einnehmen. Es soll aber auch baldmöglichst nach erfolgtem Verkehr genommen werden.

UPA soll den Eisprung noch hemmen, wenn es kurz vor der Ovulation eingenommen wird. Dies ist aber nur noch zu 8% der Fall, wenn es nach dem LH-Gipfel eingenommen wird4.

Bei Einnahme nach dem Eisprung hat es einen Einfluss auf das Endometrium im Sinne einer Abnahme der Schleimhautdicke und der progesteronabhängigen Entwicklung desselben, was einer nidationshemmenden Einwirkung entspricht.5

Als Progesteron-Rezeptor-Modulator besetzt UPA die Pro­gesteron-Rezeptoren, beispielsweise im Eierstock, den Eileitern und der Gebärmutterschleimhaut, sodass das natürliche Progesteron dort nicht mehr andocken kann. Dies kommt einem Entzug dieses für die Einnistung u. den Schwangerschaftserhalt unerlässlichen Hormons gleich.

Somit kann auch für UPA eine nidationshemmende Wirkung absolut nicht ausgeschlossen werden.

Allein schon die Zeitachse der Wirksamkeit von UPA mit der ‚erfolgreichen’ Einnahme bis 120 Stunden nach dem Geschlechts­verkehr kann nicht nur auf der Ovulationshemmung beruhen. Auch die noch höhere Sicherheit von UPA spricht dafür, da unter UPA nur 2,1% Schwangerschaften auftreten, ohne UPA wären es 5,5%!

Aufgrund der nur rudimentär geschilderten Wirkmechanismen von LNG und UPA darf nicht auf eine ausschließliche Ovulationshemmung der beiden Substanzen geschlossen werden, sondern muss auch die Nidationshemmung ernsthaft in Betracht gezogen werden. Für christlich ein­gestellte Ärzte kann daher die Applikation dieser Phar­maka nicht in Frage kommen.

Die lehramtlichen Äußerungen der römisch-katholischen Glaubenskongregation sind demnach weiterhin gültig und maßgebend.

Eine Abwägung zwischen den ovulationshemmenden und frühabtreibenden Wirkungen mit Inkaufnahme der Tötung des Fötus resp. Embryos ist ethisch nicht vertretbar.

Die ACTIO CUM DUPLICI EFFECTU, also das Prinzip der doppelten Wirkung, wurde von Kardinal Meisner im Zusammenhang mit der Freigabe der ‚Pille danach‘ ebenfalls angeführt.

Gemäß der katholischen Morallehre ist hierfür Voraussetzung, dass nichts in sich Schlechtes im Spiel ist, wie dies beispielsweise im ‚Bioethics Summer Course 2008’ von Prof. Joseph Tham, LC, in Rom, am Päpstlichen Athenaeum Regina Apostolorum, erläutert wurde. Prof. Tham hat die Verabreichung der ‚Pille danach‘ auch im Falle einer Vergewaltigung ausdrücklich abgelehnt, da die Nidationshemmung in sich schlecht sei!

Er sagt hierzu: ‚It is not permissible, however, to initiate or to recommend treatments that have as their purpose or direct effect the removal, destruction, or interference with the implantation of a fertilized ovum.’6

Erlaubt hingegen seien Medikationen, welche die Ovulation, die Spermienkapazitation oder die Befruchtung verhindern. Da dies bei LNG und UPA nicht ausschließlich der Fall ist, sind sie nicht im Sinne der doppelten Wirkung anwendbar!

Man muss sich bewusst sein, dass jede ‚Pille danach‘ vom Grundkonzept her so beschaffen ist, dass die Geburt eines Kindes verhindert werden soll. Somit wäre es illusorisch zu glauben, dass nur die Ovulationshemmung intendiert sei, zumal Vergewaltigungen – und natürlich auch sonstiger unvorhergesehener Geschlechts­verkehr – nicht nur vor der Ovulation stattfinden, sondern zu jedem Zeitpunkt im Verlaufe eines Zyklus. Der Zeitraum nach erfolgter Ovulation mit allfälliger Befruchtungsmöglichkeit muss dementspre­chend zwangsläufig ebenfalls ‚abgesichert’ sein! Und dies kann bis heute ‚zuverlässig’ praktisch nur durch die Nidationshemmung geschehen.

Die Zukunft der ‚emergency contraception’ sieht diesbezüglich nicht besser aus, wie folgender Ausblick zeigt: ‚Taken together, there is still a need to develop more effective EC methods. To ensure the highest efficacy and to cover the entire window of fertility, the ideal agents for EC also need to target the endometrium and should be possible to use on demand pre- or postcoitally.’ [Hervorh. d. Verf.]7 Hier wird das Endometrium explizit als Zielorgan der For­schung für prä- und postkonzeptionelle Methoden benannt, was wiederum auf die Nidationshemmung hinweist.

 

Wir bedauern sehr, dass sich durch die aus unserer Sicht übereilte Übernahme ungesicherter wissenschaftlicher Daten eine weitere Aufweichung moralischer Prinzipien und eine fortschreitende innerkirchliche Spaltung abzeichnet.

Die beiden unterzeichnenden Ärztevereinigungen bitten Sie, die unterschiedlichen ärztlichen Bewertungen und Sichtwei-sen zur ‚Pille danach‘ in Ihre weiteren Erwägungen einzubeziehen.

Mit vorzüglicher Hochachtung und verbunden im Bemühen um eine wissenschaftlich fundierte Klärung der Faktenlage zu dieser Thematik

Dr. med. Rahel Gürber, Präsidentin der Vereinigung der kath. Ärzte der Schweiz VKAS

Dr. med. Bernhard Gappmaier, 1. Vorsitzender der Europäischen Ärzteaktion e. V.“

 

Fußnoten:

1. LAUN, A., Das Kind, Zur Abtreibung in Österreich (1991), Gebetsaktion Medjugorje, Wien.

2. Zitate aus ALAN CORBIN/MICHAEL GAST, Das präklinische pharmakologische Profil von Levonorgestrel, in: A. Teichmann/A. Corbin, Levonor­gestrel, Stuttgart/New York 1998, S. 7-24, hier S. 23 und S. 7.

3. 2008 by IMABE – Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik, Wien, Imago Hominis- Band 15- Heft 2• S. 121 – 129- ISSN 1021-9803

4. Brache V, et al. Immediate pre!ovulatory administration of 30 mg ulipristal acetate significantly delays follicular rupture. Hum Reprod. 2010; 25(9):2256!63.

5. Stratton P, et al. Endometrial effects of a single early luteal dose of the selective progesterone receptor modulator CDB!2914. Fertil Steril. 2010; 93(6):2035!41.

6. USCCB “Ethical and Religious Directives for Catholic Health Care Services,” 4th edition (NCCB /USCC, June 15, 2001), no. 36.

7. Kristina Gemzell-Danielsson , Cecilia Berger, P.G.L. Lalitkumar, Emergency contraception — mechanisms of action; Contraception xx (2012) xxx–xxx, 2012 Elsevier Inc. Department of Women’s and Children’s Health, Division of Obstetrics and Gynecology, Karolinska Institutet/ Karolinska University Hospital, S-171 und Endometrium76 Stockholm, Sweden Received 8

 

Diese präzise und sorgfältige Darlegung (vgl. katholisches.info/ 2013/02/27…) spricht für sich. Die Bitte, sie in den Überlegungen der Bischöfe zu berücksichtigen, ist auf taube Ohren gestoßen. Ist es denn nach Ansicht der deutschen Bischöfe nicht richtig, dass schon die Möglichkeit der Frühabtreibung jede Anwendung ausschließt? Wenn aber eine Frühabtreibung doch irgendwie in Kauf genommen werden dürfte, was soll dann die beschwörende Aussage der Bischöfe, „medizinisch-pharmazeutische Methoden, die den Tod eines Embryos bewirken, dürfen weiterhin nicht angewendet werden“?

4. „Wissenschaftlicher Exkurs zur Wirkweise der Postkoitalpillen“ der Ärztevereinigung St. Lukas e. V., Essen

 

Ähnliches zeigt eine Darlegung dieser Ärztevereinigung (vgl. www. babykaust.de/01/2013/pr1).

 

„Einführung

In Deutschland sind zwei Präparate zur ‚Notfallverhütung‘ verfügbar: ein hochdosiertes Gelbkörperhormon, Levonorgestrel (LNG) 1,5 mg, mit Handelsnamen genannt Unofem®, und Ulipristalacetat (UPA) 30 mg, mit Handelsnamen EllaOne®. Bei UPA handelt es sich um einen sog. Progesteronrezeptormodulator (zugelassen seit 2009).

Das fruchtbare Fenster der Frau

Nur während weniger Tage im weiblichen Zyklus kann eine Kohabitation zur Schwangerschaft führen. Nach dem Eisprung überlebt die Eizelle 24 (bis max. 48) Stunden, danach ist eine Empfängnis nicht mehr möglich. Da Spermien bis zu 5 (max. 7) Tagen im weiblichen Genitaltrakt überleben können, ergibt sich ein fruchtbares Fenster von 6 Tagen, d.h. 5 Tage vor und ein Tag nach dem Eisprung. Nur in diesem Zeitraum ist die Wirkung einer Postkoitalpille überhaupt gefordert. Findet der Geschlechtsverkehr außerhalb dieses Zeitraumes von 6 Tagen statt, so ist ein Schwangerschafts-eintritt nicht möglich. Nach dem Eisprung und der Befruchtung wandert der Embryo durch den Eileiter in die Gebärmutterhöhle und erreicht diese nach 5 Tagen. Hier findet nun in der hormonell vorbereiteten Schleimhaut die Einnistung (lat. Nidation) statt.

Welche Wirkungen muss eine Postkoitalpille nun haben, um dann eine Schwangerschaft zu verhindern, wenn im fruchtbaren Fenster Geschlechtsverkehr stattfindet?

1. Sie muss den Eisprung hemmen können, falls dieser noch nicht eingetreten ist

2. Sie muss den Transport des Embryos in die Gebärmutter behindern können, falls die Eisprunghemmung nicht eingetreten ist

3. Sie muss die Gebärmutterschleimhaut verändern und eine Einnistung des Embryos nach 5 Tagen dadurch erschweren /verhindern.

In der Diskussion um die Wirkungsweise der Postkoitalpille wird immer wieder betont, dass diese Pille eine bereits bestehende Schwangerschaft nicht abtöten kann, also folglich kein Abtreibungs-mittel ist. Diese Tatsache ist insofern unumstritten, dass bei bereits erfolgter Einnistung des Embryos dieser nicht durch die Postkoital-pille abgestoßen wird. Deshalb ist die Einnahme der Postkoitalpille auch nur zeitlich begrenzt effektiv. Wird Levonorgestrel eingesetzt: maximal 72 Stunden, wird Ulipristalacetet eingesetzt: maximal 120 Stunden. Hat eine Frau aber zum Zeitpunkt eines bereits eingenisteten Embryos (z.B. in der 4. Zykluswoche) ungeschützten Verkehr, so erübrigt sich jede kontrazeptive Maßnahme, da sie de facto gar nicht „nochmal“ schwanger werden kann.“

 

Es werden dann detailliert „die potentiellen Wirkungsweisen“ der Postkoitalpille wissenschaftlich analysiert“ – bezüglich Ovu-lationshemmung und Wirkung auf die Eileiterbeweglichkeit bei Levonorgestrel und Ulipristal (mit ausführlicher Literaturliste). Zusammenfassend heißt es dann:

 

Die aktuelle Datenlage zeigt, dass sowohl LNG als UPA neben der Eisprunghemmung auch andere, frühabtreibende Wirkungen haben können. Somit kann man nicht mit letzter Konsequenz die Postkoitalpillen als reine Ovulationshemmer bezeichnen. Es wird nie möglich sein, im Einzelfall zu er-mitteln, welche Wirkung bei versagter Ovulationshemmung nun eingetreten ist – gestörter Embryotransport, Nidationshemmung oder – keine Wirkung und damit Versagen der Postkoitalpille?

Da UPA erst seit wenigen Jahren verfügbar ist, sind ent-sprechende Studien auch erst kürzlich publiziert worden bzw. viele Studien zu LNG wurden in diesem Zusammenhang überhaupt erst durchgeführt. Einige der Studien weisen auch methodische Mängel, wie z.B. kleine Fallzahlen, auf.

Weitere, insbesondere InvitroStudien, erfordern ergänzende klinische Untersuchungen.

Die verfügbare Datenlage erlaubt es bei sorgfältiger Recherche nicht, eine nidationshemmende und frühabortive Wirkung sowohl für Levonorgestrel als auch Ulipristalacetat auszuschließen.

5. In der ganzen Debatte der letzten Wochen sind noch andere wissenschaftliche Stellungnahmen bekannt geworden. Das „IMABE-Institut“ Wien begrüßt einerseits die Erklärung Kardinal Meisners, sagt anderseits, die derzeit auf dem Markt befindlichen Präparate der ‚Pille danach‘ wirkten häufiger nidations- als ovulationshemmend, es ließen sich aber inzwischen die kontrazeptive und die abortive Wirkung auseinanderhalten (mittels einer Vaginalsonografie) (vgl. www. imabe.org, vgl. DT 16.2.13, vgl. F. Küble bei kathnews.de 15.02.13).

Der Pharmakologe Andreas Reimann kommt in einem Artikel (DT 2.2.13) zunächst zur Aussage, die Kirche habe zu Recht die Auffassung vertreten, eine Verordnung bzw. Abgabe dieser Präparate verstoße gegen das Abtreibungsverbot. Er behauptet aber dann, „die Biowissenschaften und somit auch die Medizin unterliegen immer schnelleren Aktualisierungszyklen“ und meint, nach den Veröffentlichungen der letzten 5 Jahre kämen die meisten Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Annahme einer frühabtreibenden Wirkung zumindest von LNG nicht mehr aufrechterhalten werden“ könne. Eine Studie an 148 Frauen (!), 2011 veröffentlicht, zeige eine fehlende Wirkung von LNG, wenn dieses nach dem Eisprung gegeben werde. Andererseits gäbe es aber auch „begründete wissenschaftliche Meinungen, die eine solche generelle Aussage für noch nicht möglich halten“. Bei UPA gäbe es ebenfalls keine „direkten Beweise“ für eine frühabtreibende Wirkung, doch sei die Datenlage hier noch wesentlich unsicherer. Und die Schlussfolgerung von Reimann ist dann, dass Kardinal Meisner hier „in keiner Weise die kirchliche Lehre verändert“ und einen „wichtigen Beitrag zur eigenen Berufung von theologischen Laien mit medizinischer oder pharmazeutischer Kompetenz geleistet“ habe. Es sei da-bei „normal, dass wissenschaftliche Meinungen kontrovers diskutiert“ würden. Dies alles überzeugt letztlich nicht, denn es geht hier um Menschenleben. Muss da nicht jede, auch vermeintlich geringe, Wahrscheinlichkeit der Frühabtreibung ausgeschlossen werden?

(Weitere Stellungnahmen: „katholisches.info/2013/03/09/die-pille-danach-was-sagen-die-experten/“ mit Verweis auf Arzt und Bioethik-Experte Renzo in „La nuova Bussola Quotidiana“ 22.02.13 und auf „Pille-danach“-Experte James Trussell [„http:// ec.princeton.edu/questions/ec-review.pdf“]. Unterschiedlich Mei­nungen in Leserbriefen: Bernward Büchner in DT 5.2.13, Prof. Martin Rhonheimer in DT 9.2., 16.2. und 26.2.13; kath.net-Gastkommentar von Bernward Büchner, 14.2.13; Artikel von Rainer Beckmann in DT 26.2.13, Leserbrief von Prof. Robert Spaemann in FAZ 11.2.13 und DT 14.2.13, in dem u.E. die „Güterabwächung“ bzw. die Wirkabsicht der „Pille danach“ falsch gesehen wird; Leserbrief von Prof. Berthold Wald in DT 19.2.13. Es würde zu weit führen, darauf im Einzelnen einzugehen.)


 

 

Zusammenfassend sehen wir, dass die Wirkweisen der beiden zur Verfügung stehenden „Pille danach“-Präparate recht differenziert dargestellt und bewertet werden, dass aber die Klarheit und Sicherheit nicht gegeben ist, zu erkennen, ob ein Präparat in der konkreten Situation frühabtreibend wirkt oder nicht.

Wir vermuten, dass für diese Beurteilung nicht nur der einfache Gläubige überfordert ist, sondern auch mancher Arzt in der konkreten Situation, wenn er bei der Behandlung einer vergewaltigten Frau konkret entscheiden soll und dies gewissenhaft nach dem Gebot GOTTES und der Lehre der Kirche tun will.

(Wobei uns, offen gestanden, auch das Vertrauen fehlt, ob bei allen medizinischen Kräften in Kliniken, die namens der Kirche handeln, überhaupt diese Sensibilität für den Lebensschutz und die kirchliche Sexualmoral vorhanden ist. Das verlangt ja in den Sachverhalten, um die es hier geht, ein festes Hinstehen gegen lebensfeindliche und unmoralische Haltungen, die in unserer Gesellschaft heute gang und gäbe sind. (Auch z. B. bezüglich der Organtransplantation bzw. des Hirntodes zeigt sich häufig wenig Bereitschaft, die Schutzwürdigkeit des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu verteidigen!)

 

 

8. Unsere Bewertung

 

Die Erklärung der Kölner Erzbischofs, Kardinal Meisner, und im Gefolge dann der Deutschen Bischofskonferenz, hat uns überrascht und schockiert. Bei näherem Zusehen erkennt man zwar, dass die Kernaussage nicht der katholischen Moral­lehre widerspricht – es wird die Bedingung gestellt, dass die Verwendung von Präparaten nach einer Vergewaltigung nur die Befruchtung verhindern, keinesfalls die Tötung eines bereits empfangenen Menschen im embryonalen Zustand bewirken dürfe. Doch es gibt auch fragwürdige und Verwirrung stiftende Aussagen (der DBK bzw. Meisners), etwa dass die Entscheidung der Frau „auf jeden Fall“ zu respektieren sei bzw. dass über „die Zugänglichkeit“ zu frühabtreibenden Mitteln aufzuklären sei.

Insbesondere aber halten wir die Darstellung, es gebe solche Präparate („Pille danach“), die nur die Befruchtung verhindern, oder es sei eindeutig zu bestimmen, wann im konkreten Fall mit Sicherheit keine Nidationshemmung eintritt, für keineswegs bewiesen. Jedenfalls bleibt der Zweifel, ob nicht doch eine Frühabtreibung stattfinden könnte – und solange dies nicht wirklich auszuschließen ist, kann nach unserer Überzeugung die „Pille danach“ nicht angewandt werden.

Dies nur auf die „gewissenhafte Entscheidung“ des Arztes zu verlagern, ist keinesfalls befriedigend, noch dazu wenn man berücksichtigt, mit welcher Eile und freudigen Bereitschaft die „Freigabe“ der „Pille danach“ auch von katholischen Krankenhausträgern aufgenommen und umgesetzt worden ist. Wir sehen darum in dieser bischöflichen Erklärung – die im Kern inhaltlich nicht zu beanstanden ist – die Öffnung eines „Durchlasses“ in einem „Damm“, die leicht zum „Dammbruch“ führen kann.

Prof. Manfred Spieker, emeritierter Professor für Christliche Sozialwissenschaft, hatte in einer „Kolumne“ der „Tagespost“ (9.2.13) Gedanken formuliert, die unsere Bewertung bestätigen. Er spielt nämlich an auf die sog. „Königsteiner Erklärung“ der DBK von 1968, mit der die verbindliche Lehre der Enzyklika „Humanae vitae“ über die Offenheit jeden ehelichen Aktes für die Weitergabe menschlichen Lebens bei formal richtigen Aussagen doch praktisch in das Belieben der einzelnen Katholiken gestellt wurde.

Prof. Spieker schreibt unter anderem: „Wenn Bischöfe erklären, dass die Gläubigen sich gewissenhaft prüfen müssten, ob sie ihre moralischen Entscheidungen frei von subjektiver Überheblichkeit und voreiliger Besserwisserei vor GOTTES Gericht verantworten können, ist das moraltheologisch… korrekt. Wenn aber der Papst zur gleichen Zeit in einer Enzyklika die chemische kontrazeptionale Verletzung eines ganzheitlichen ehelichen Geschlechtsaktes und als der Sexualethik der Kirche widersprechend bezeichnet, ist die Botschaft der bischöflichen Erklärung ebenfalls eindeutig: Sie konterkariert die Enzyklika und signalisiert, jeder soll selbst entscheiden, was er verantworten kann."

Ähnlich fällt es uns schwer, nicht zu sehen, dass die Aussage von Kardinal Meisner (und nachfolgend der DBK) moraltheologisch korrekt ist, aber im Kontext der gesellschaftlichen und politischen Debatte „zur irreführenden Botschaft“ wurde.

Wir bedauern auch zutiefst, dass die kirchliche Seite nur defensiv (und nachgiebig) auf die Medienempörung reagiert hat, statt offensiv und positiv zur Sprache zu bringen, woher es denn in unserer sexualisierten Gesellschaft wohl kommt, dass die Verbrechen der Vergewaltigung immer häufiger werden und oft genug nur als Kavaliersdelikte beschönigt werden: aus der Banalisierung der Geschlechtlichkeit, aus der Zerstörung des natürliche Schamgefühls, aus der Sexualisierung der Kinder und Jugendlichen schon in Kindergarten und Schule, aus der Entwürdigung des menschlichen Leibes und menschlichen Lebens, aus der Missachtung des natürlichen Sittengesetzes.                       

 

 

 

Meldungen - Meinungen

  

Gesetz zur Familienplanung

Manila, Philippinen. Der Widerstand der katholischen Kirche gegen das „Gesetz zur reproduktiven Gesundheit“ wird auch nach der Verabschiedung des Gesetzes weitergehen. Das kündigten die Bischöfe des Inselstaates im Dezember an. Nach einer fast 15jährigen Auseinandersetzung hatten die beiden Kammern des philippinischen Parlaments das Gesetz mit Mehrheit gutgeheißen. Das Gesetz sieht unter anderem die kostenlose Verteilung von Verhütungsmitteln über Gesundheitszentren im ganzen Land und verpflichtenden Sexualunterricht in den Schulen vor. Als Begründung wird die hohe Rate von Teenager-Schwangerschaften angeführt. „Sie mögen dank der Tyrannei der Zahlen gewonnen haben, aber das heißt nicht, dass sie Recht haben“, sagte Erzbischof Socrates Villegas von der Diözese Lingayen-Dagupan. Er befürchtet ein Ansteigen der Abtreibungszahlen und der Ehebrüche. „Es ist nur eine Frage der Zeit, und wir werden mehr Verletzungen von ‚Du sollst nicht töten‘ und ‚Du sollst nicht ehebrechen‘ bei unseren Familien und unserer Jugend  sehen“, sagte der Bischof (vgl. kath.net 22.12.12). – Im Januar wies die Kirche einen Einigungsvorschlag von Präsident Benigno Aquino zurück. Wenn Versöhnung bedeute, dass die Kirche das Gesetz gutheiße, sei dies nicht möglich, erklärte der für die Familie zuständige Erzbischof von Lipa, Ramon Arguelles (vgl. rv 17.1.13).

Tabuisierung der Homosexualität als Schutz

Rom. Viele afrikanische traditionelle Kulturen tolerieren die Homosexualität bzw. jede Art sexueller Kontakte zwischen Personen des gleichen Geschlechts nicht. Deshalb, so sagte der aus Ghana stammende Kurienkardinal Peter Turkson, sei in der Kirche Afrikas kein großer Missbrauchsskandal zu befürchten. Die Tabuisierung der Homosexualität verhindere einen solchen Missbrauch in der Kirche (vgl. kath.net 22.2.13).

Abschied vom christlichen Menschenbild

Eichstätt. Die Gender-Theorie gefährde den Wertekanon der Gesellschaft und stehe im Widerspruch zum jüdisch-christlichen Menschenbild. Neben der drohenden Abschaffung der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens nannte der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke die Forderung, Homo-Paare gleichberechtigt zur Ehe von Mann und Frau zu behandeln. Nicht nur der Abschied vom biblischen Menschenbild solle damit eingeläutet werden, sondern auch der Abschied vom besonderen Schutz der Ehe zwischen Mann und Frau und von der auf die Ehe gegründeten Familie. „Die Differenzierung des Menschen in Mann und Frau verstehen wir Gläubige als Gabe GOTTES, als Reichtum des Lebens“, sagte der Eichstätter Bischof in seiner Predigt am Fest der Diözesanpatronin Walburga. Die Kirche könne es sich angesichts dieser gewaltigen Herausforderungen und Umbrüche in der Gesellschaft nicht leisten, sich durch innerkirchliche Diskussionen zu binden und der Welt das Zeugnis des GOTTESglaubens schuldig zu bleiben (vgl. kath.net 26.2.13).

Brief des neuen Papstes im Kampf gegen die „Homo-Ehe“

Buenos Aires. Kardinal Jorge Mario Bergoglio, der neue Papst Franziskus, richtete als Erzbischof von Buenos Aires am 22. Juni 2010 ein Schreiben an die Karmelitinnen der Erzdiözese, in der er um ihr Gebet bat angesichts der Bestrebungen des argentinischen Staates, gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Ehe gleichzustellen. Wir stießen auf diesen Brief auf einer offenbar traditionalistischen Internetseite, die den Kardinal wegen seiner angeblichen „Feindschaft“ gegen den außerordentlichen Ritus der hl. Messe kritisierte, aber fairerweise diesen Brief auch wiedergab (vgl. http:// rorate-caeli.blogspot.com/ 2010/07/may-holy-family-join-us-in-this-war.of.html). Argentinien war dennoch das erste lateinamerikanische Land, in dem diese „Neudefinition der Ehe“ Gesetz wurde. Das Abgeordnetenhaus hatte bereits im Mai 2010 zugestimmt; mit knapper Mehrheit stimmte auch der Senat im Juli 2010 zu. Präsidentin Cristina Kirchner hatte sich für dieses Gesetz stark gemacht.

Der heutige Papst schrieb:

„Liebe Schwestern, ich schreibe diesen Brief an jede von Ihnen in den vier Klöstern von Buenos Aires. Das argentinische Volk muss sich in den nächsten Wochen mit einer Situation auseinandersetzen, aus der ernsthafter Schaden für die Familie entstehen kann. Es ist das Gesetz über die Ehe von gleichgeschlechtlichen Personen.

Die Identität der Familie und ihr Überleben sind in Gefahr: Vater, Mutter und Kinder. Das Leben so vieler Kinder ist in Gefahr, die schon von vornherein Benachteiligung erfahren werden, weil sie nicht zu der menschlichen Reife gelangen können, die sie nach GOTTES Willen mit einem Vater und einer Mutter haben sollen. Es besteht die Gefahr, dass das Gesetz GOTTES, das in unsere Herzen eingeschrieben ist, zurückgewiesen wird.

Ich erinnere mich an Worte der hl. Thérèse, in denen sie über die Schwäche ihrer Kindheit spricht. Sie sagt, dass der Neid des Teufels ihre Familie zu erpressen suchte, nachdem ihre ältere Schwester in den Karmel eingetreten war. Hier ist der Neid des Teufels, durch den die Sünde in die Welt kam, auch gegenwärtig, und er versucht hinterhältig das Ebenbild GOTTES zu zerstören: Mann und Frau, die den Auftrag haben, zu wachsen, sich zu mehren und sich die Erde untertan zu machen. Seien wir nicht naiv: Es geht nicht einfach um einen politischen Kampf; es ist der Versuch der Zerstörung des Planes GOTTES. Es ist nicht nur ein Gesetzgebungsvorhaben (das ist nur das Instrument), sondern vielmehr ein Schachzug des Vaters der Lüge, der die Kinder GOTTES verwirren und betrügen will.

JESUS sagt uns, dass Er uns, um uns gegen diesen lügnerischen Ankläger zu verteidigen, den GEIST der Wahrheit senden wird. Jetzt braucht das Vaterland, angesichts dieser Situation, die besondere Hilfe des HL. GEISTES, der das Licht der Wahrheit mitten hineinbringen möge in die Schatten des Irrtums; es braucht diesen BEISTAND, der uns verteidigen möge gegen die Verlockung durch so viele Spitzfindigkeiten, mit denen das Gesetz gerechtfertigt wird und die sogar die Menschen guten Willens verwirren und täuschen.

Deshalb wende ich mich an Sie und bitte um Ihr Gebet und Opfer, die zwei unbesiegbaren Waffen, die die hl. Thérèse zu besitzen angab. Schreien Sie auf zum HERRN, dass Er Seinen Geist den Senatoren sende, die ihre Stimmen abgeben müssen. Dass sie sich nicht vom Irrtum oder von Nebensächlichkeiten bewegen lassen, sondern vielmehr in Übereinstimmung mit dem handeln, was das Naturgesetz und das Gesetz GOTTES ihnen sagt. Beten Sie für sie, für ihre Familien, dass der HERR sie besucht, stärkt und tröstet. Beten Sie, dass sie Gutes für die Nation tun.

Dieses Gesetz wird im Senat am 13. Juli diskutiert werden. Lassen Sie uns auf den hl. Josef schauen, auf Maria, auf das Kind, und lassen Sie uns mit Inbrunst bitten, dass sie die argentinische Familie in diesem Moment verteidigen. Erinnern wir uns, was GOTT selbst Seinem Volk in einer Zeit großer Angst sagte: ‚Nicht eure, sondern GOTTES Sache ist der Krieg‘* Dass sie uns zu Hilfe eilen, uns verteidigen und begleiten in diesem Krieg GOTTES.

Vielen Dank für das, was Sie in diesem Kampf für die Nation tun werden. Und bitte beten Sie auch für mich. Möge JESUS Sie segnen und möge die Selige Jungfrau Sie beschützen. Herzlich Ihr Kardinal Mario Bergoglio SJ, Erzbischof von Buenos Aires“.

(*vgl. 2 Chr 20,15, Anm. FMG)

(Eigene Übersetzung aus dem Englischen)

  

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