(FMG-INFORMATION 105, April 2012)

 

 

Hirntod: Ein irreführender Begriff

 

Bischof Algermissen hinterfragt Hirntod-Definition bei Organspende

 

Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen, der sich schon mehrfach mit klaren Äußerungen zu bioethischen Themen öffentlich zu Wort gemeldet hat, veröffentlichte am 6. März 2012 in der „Tagespost“ einen Gastkommentar unter dem Titel „Ein irreführender Begriff“. Wir dokumentieren den Text (Hervorhebungen, wie immer, von uns):

 

»Das Gesundheitsministerium, die Bundeszentrale für gesund­heitliche Aufklärung, Krankenkassen, Ärztekammer und die Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO) werben dafür, sich für eine Organspende nach dem Tod zu entscheiden. Gleichzeitig wird aber immer wieder die Frage gestellt: Wie kann es möglich sein, einem toten Körper lebende Organe zu entnehmen, um diese zu transplantieren? Ist das nicht in sich absurd?

Neben vielen noch ungelösten Aspekten der Transplantationsmedizin, so zum Beispiel Abstoßung, lebenslange Medikamenteneinnahme, die dadurch bedingten Folgen, mitunter auch deutliche Persönlichkeitsveränderungen, ist das ethische Hauptproblem die Spende der entnommenen Organe. Nur wenn man weiß, was sich hinter dem Namen „postmortale Organspende“ verbirgt, kann man sich frei entscheiden, zumal künftig jeder Bürger mehrmals im Leben mit der Frage konfrontiert werden soll, ob er zu solcher Organspende bereit ist.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Hirntod“? Es geht um Menschen, bei denen das gesamte Gehirn (Groß-, Klein- und Stammhirn) seine Funktion unwiederbringlich verloren hat. Es sind bewusstlose, beatmete Menschen, deren gehirngebundene Reflexe erloschen sind. Die Körpertemperatur ist allerdings erhalten, das Herz schlägt spontan, der Blutdruck ist messbar, Stoffwechsel, Ausscheidungen, Hormonsystem funk­tionieren noch. Vegetative Reaktionen wie unter anderem Hautrötung und Schwitzen sind zu beobachten. Diese Phänomene beschreibt die Biologie korrekt als zum Leben gehörig. Die Behandlung von schwangeren „Hirntod“-Patientinnen, deren Kinder normal entwickelt geboren werden, beweist geradezu, dass solche Menschen zwar schwer krank, aber lebende Menschen sind. In einer Toten kann sich kein Embryo entwickeln.

Bei der Organentnahme unter Narkose, so bestätigen Trans­plantationsmediziner, steigt der Blutdruck enorm, der Herzschlag beschleunigt sich stark. Diese Reaktionen zeigen, dass der Spender unbewusst etwas spüren muss. Es sind Lebenserscheinungen, die auch jeder andere Patient bei einer Operation zeigt.

Angesichts dessen ist es aufrichtig festzustellen: Einen Sterbenden im Hirnversagen für tot zu erklären, um bei einer Organentnahme eine Tötung zu umgehen, stellt eine willkürliche Setzung dar, die mit Redlichkeit als Voraussetzung für jede ethische Betrachtung nicht zu vereinbaren ist. Mit anderen Worten: Der Begriff „Hirntod“ suggeriert einen Zustand, der nicht den Tatsachen entspricht. Auch hier können wir wieder feststellen, dass Sprache zur Vernebelung herhalten muss.

Von der „postmortalen Organspende“ zu sprechen, geht von falschen Tatsachen aus, entspricht dem Tatbestand der bewussten Täuschung. Deshalb ist das sogenannte „Hirntodkonzept“ mit den moralischen und ethischen Ansprüchen des Evangeliums nicht zu vereinbaren.

Da Spender im Hirnversagen zwar Sterbende, aber doch noch lebende Menschen sind, ergibt sich für eine ehrliche Information als Grundlage einer schwierigen Entscheidung die notwendige medizinische Aufklärung über den Zustand des Hirnversagens. Erst dann kann jeder für sich im Sinne einer engen Zustimmung entscheiden, ob er im Zustand des Sterbens bereit ist, ein Organ zu spenden. Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es unter Nr. 2296 erhellend: „Die Organverpflanzung… ist sittlich unannehmbar, wenn der Spen­der oder die für ihn Verantwortlichen nicht ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben. Zudem ist es sittlich unzulässig, die Invalidität oder den Tod eines Menschen direkt herbei­zuführen, selbst wenn dadurch der Tod anderer Menschen hinausgezögert würde.“* In diesem Zusammenhang heißt es im Wort der Deutschen Bischofskonferenz „Der Mensch: sein eigener Schöpfer?“ (7. März 2001): „Insbesondere gilt es, die Würde des Menschen, die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, ebenso wie die Selbstbestimmungsrechte und die Persönlichkeitsrechte zu achten und so einer Kultur des Lebens zum Durchbruch zu verhelfen.“

Hinsichtlich der drängenden Fragen um die Probleme „Organspende“ und „Hirntod“ ist da noch viel Aufklärung zu leisen, um eine Gewissensentscheidung vor GOTT vertreten zu können.“

 

(*Laut einer Meldung von „Zenit“, 7.3.2012 und „www. vaticanista.info, 6.3.2012, wurde ein [weithin gleichlautender] Artikel von Bischof Algermissen ebenfalls am 6.3.2012 in der „Fuldaer Zeitung“ veröffentlicht. Auf der Internetseite der Fuldaer Zeitung wie auf der Homepage der Diözese Fulda konnten wir diese Äußerung des Bischofs zum Hirntod allerdings nicht finden [21.3.12]. In der erwähnten Fassung der „Fuldaer Zeitung“ fehlt der hier * folgende Satz [Zitat aus der Erklärung der DBK]; dort ist aber ganz am Ende der Stellungnahme hinzugefügt: „Grundsätzlich anzuerkennen ist die Absicht, durch Organspende und Organverpflanzung leidenden oder gar lebensbedrohten Menschen zu helfen. Eine christliche Sicht der menschlichen Person führt nicht zur grundsätzlichen Ablehnung solcher Spende, wohl aber zu deutlich einschränkenden Anfragen.“)

 

1. Dieser Kommentar von Bischof Algermissen ist gewissermaßen sensationell, denn erstmals entlarvt ein deutscher Bischof die Fragwürdigkeit des Hirntod-Konzepts und die Lügengespinste, mit denen die Kampagnen für Organspenden umgeben werden. Er nennt die verschiedenen „ungelösten Aspekte der Transplantationsmedizin“ auf, von denen auch sonst kaum die Rede ist, zeigt aber vor allem auf, dass sogenannte „Hirntote“ noch lebende Menschen sind.

Etwas leicht hingesagt finden wir die Aussage Algermissens, das gesamte Gehirn habe „seine Funktion unwiederbringlich verloren“, da es nicht wenige Menschen gibt, die für „hirntot“ erklärt wurden und wieder zu Bewusstsein und Gesundheit kamen (vgl. z. B. unsere Berichte in FMG-INFORMATION 99 S. 30, 101 S. 32, 103 S. 21f.). Uns scheint auch, dass man präziser sagen müsste, dass die Hirnfunktionen nicht messbar sind (wer weiß, ob das nicht in ein paar Jahren dank besserer Geräte anders ist).

Mit Bedauern aber müssen wir in dieser aufsehenerregende Stellungnahme eines Bischofs eine gravierende Inkonsequenz feststellen. Er sagt mehrfach klar aus, dass Hirntote (noch) nicht tot sind. Er zitiert dann aus dem Katechismus der Katholischen Kirche, dass es „sittlich unzulässig“ ist, „den Tod eines Menschen direkt herbeizuführen“, sei es auch, um einem anderen zu helfen. Dass die Entnahme lebenswichtiger Organe den Tod herbeiführt, ist auch nicht zu bestreiten. Kann man dann aber von einer „vor GOTT“ vertretbaren „Gewissensentscheidung“ sprechen, durch die Einwilligung zur Organentnahme sich (oder einen Angehörigen) töten zu lassen? Eine Gewissensentscheidung für etwas, das „sittlich unzulässig“ ist??? Der immer wieder ins Feld geführte Gedanke der Nächstenliebe, der Verweis auf Beispiele wie den hl. Maximilian Kolbe ist unzutreffend, weil da nicht der eigene Tod unausweichlich herbeigeführt wurde (und JESUS CHRISTUS selber steht außer Vergleich, da Er als GOTTmensch ohnehin „Herr über Leben und Tod“ ist, wir aber nicht). Und kann die „Einwilligung zur Organspende“ die Ärzte und ihre Mitarbeiter freisprechen von der Schuld einer bewussten Tötung eines lebenden, (vielleicht) sterbenden Menschen?

Übrigens erklärte Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Evangelium vitae“ 1995 mit apostolischer Autorität, quasi dogmatisch, „dass die direkte und freiwillige Tötung eines unschuldigen Menschen immer ein schweres sittliches Vergehen ist“ (Nr. 57) und er hebt auch heraus, dass es „unter sittlichem Gesichtspunkt niemals erlaubt“ ist, an „schlechten Handlungen“ mitzuwirken, etwa in der „direkten Beteiligung an einer gegen das unschuldige Menschenleben gerichteten Tat“ (Nr. 74).

Wir sind Bischof Algermissen sehr dankbar für die klare und deutliche Aussage, dass die Behauptung des „Hirntodes“ eine bewusste Täuschung ist, wir bedauern aber, dass die Schlussfolgerungen dann nicht konsequent gezogen werden.

 

2. Es ist unbegreiflich, wenn zum Beispiel bei einem „Gespräch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und der SPD-Spitze“ (genauer: Erzbischof Zollitsch, Kardinal Lehmann, Kardinal Woelki, Erzbischof Thissen, Erzbischof Schick, Weihbischof Losinger, Bischof Hofmann u.a.) die fraglose Zustimmung der deutschen Bischöfe zur Organtransplantation vermittelt wird. In der Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom 20.3.2012 heißt es: „Weihbischof Anton Losinger bezeichnete Organspende als einen ‚Akt der Nächstenliebe’. Um eine verantwortliche freie Entscheidung treffen zu können, so Losinger, sei eine solide ergebnisoffene Information der Betroffenen erforderlich.“ Wo sorgen unsere Bischöfe für eine ausreichende „Information der Betroffenen“, wie es immerhin Bischof Algermissen in seinem Kommentar tut? Wird nicht von Losinger und anderen nach wie vor suggeriert, der „Hirntot“ sei der wirkliche Tod? Und „ergebnisoffen“: Steht es in unserer Wahl, zu einer laut KKK „sittlich unzulässigen“ Handlung die Zustimmung zu geben? Spürt man nicht, dass hier das Vertrauen zu unseren Bischöfen von diesen selber untergraben wird?

 

3. Am 21. März 2012, einen Tag vor der Beratung im Bundestag über das Transplantationsgesetz, veröffentlichte die Katholische Nachrichtenagentur KNA einen Artikel „Organspende: Akt der Nächstenliebe – aber ohne Zwang“ (vgl. kirchensite.de 22.3.2012; bzw. etwas redigiert: in DT 22.3.2012,), dem keine aktuelle Äußerung von Bischöfen zugrundezuliegen scheint, sondern eine aus früheren Aussagen zusammengestellte Meldung. Danach sei die Haltung der deutschen Bischöfe „einhellig“: Sie werteten Organspende als „Akt der Nächstenliebe“, lehnten aber zugleich jeden Zwang ab, sowohl was die Spendenbereitschaft angehe wie in der Frage, ob sich Bürger dazu äußern müssten. Im Vordergrund müsse der „Respekt vor der Selbstbestimmung der Person“ stehen, so wird der  Berliner Kardinal Woelki zitiert. Die DBK habe vielfach für mehr Organspenden geworben. Bischof Gebhard Fürst, der Vorsitzende der Bioethik-Kommission der DBK, habe die ausdrückliche Zustimmung des Spenders oder der Angehörigen als Voraussetzung genannt, er lehne auch eine Pflicht aller Bürger, sich zur Organspende zu äußern, ab, denn jeder Zwang löse Ängste aus. Die Bischöfe sprechen sich nach der Meldung aus „für eine verpflichtende Information der Bürger“ und für ein „System kompetenter Beratung“, etwa über die Krankenkassen. Wichtig sei ein „Höchstmaß an Offenheit“ auch hinsichtlich des Todeszeitpunktes eines Menschen. Die Hirntod-Feststellung sei Voraussetzung für eine Organentnahme. Gegner des Hirntod-Konzepts, so heißt es in dieser KNA-Meldung, gingen davon aus, „dass das menschliche Empfindungsvermögen noch nicht erloschen“ sei. Auch Weihbischof Losinger fordere eine neue Debatte über diese Frage, denn das Thema sei „einer der großen Angstgeneratoren“. Bislang sehe die DBK „keine Alternative zum Hirntod-Konzept“.

Kommentar: Auch das wieder eine Meldung, die von großem Verständnis und von einem Plädoyer für Offenheit und Freiwilligkeit geprägt scheint. Doch: Hirntod-Gegner sind offenbar Menschen, die von einer unvernünftigen Angst geplagt sind, und die muss man ihnen nehmen. Dass es um die direkte Tötung durch die Organentnahme geht, vernebelt auch dieser Artikel: Hirntod-Gegner meinten ja bloß, dass „das Empfindungsvermögen noch nicht erloschen“ sei. Dass nur jemand empfinden kann, der lebt, bleibt unausgesprochen. Und entlarvend ist schließlich, wenn die Bischofskonferenz laut KNA bloß „keine Alternative zum Hirntod-Konzept“ sieht: Also: „Offenheit“ auch über den Todeszeitpunkt, aber ohne Konsequenzen, denn Organspende muss sein, ist gut, ist unbedingt zu fördern, auch wenn die Medizin keine Möglichkeit hat, Organe von wirklich Toten zu entnehmen. Dann geben wir uns zufrieden, wenn man sie mit Worten für tot erklärt. Debattieren wir, damit die verängstigten Hirntod-Gegner keine Angst mehr haben. Denn es geht ja nur um „die Selbstbestimmung der Person“ – und die Person darf auch selbst bestimmen, sich töten zu lassen, ja? Dass es das 5. Gebot GOTTES gibt, und die Aussagen des Lehramtes, dass es „sittlich unzulässig“ ist, den Tod herbeizuführen (KKK 2296), scheint nicht der Rede wert.

 

 

 

 

Zu einigen Einwänden gegen die kirchliche Lehre über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedene Gläubigen

 

von Joseph Kardinal Ratzinger, Präfekt der Glaubenskongregation,

1998

 

In einem Hirtenbrief im Sommer 1993 hatten die drei südwestdeutschen Bischöfe Saier (Freiburg i. Br.), Lehmann (Mainz, damals DBK-Vorsitzender, heute Kardinal) und Kasper (Rottenburg-Stuttgart, heute Kurienkardinal i.R.) in einem gemeinsamen Hirtenbrief faktisch die Zulassung zivil wiederverheirateter Geschiedener zur hl. Kommunion vertreten; am 14.9.1994 war ihre Auffassung in einer Erklärung der vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre unter Leitung von Kardinal Ratzinger zurückgewiesen worden.

Im Rahmen einer Reihe „Documenti e Studi“ (17) war 1998 von der Glaubenskongregation ein Band mit dem Titel „Pastoral für die wiederverheirateten Geschiedenen“ herausgegeben worden, zu dem der Präfekt, Joseph Kardinal Ratzinger, den Einleitungsaufsatz verfasst hatte (vgl. FMG-INFORMATION 67). Bemerkenswerterweise sah sich der Vatikan veranlasst, nunmehr die Veröffentlichung dieser Ausführungen des heutigen Papstes in den verschiedenen Sprachausgaben des „Osservatore Romano“ zu veranlassen. Im Vorspann der deutschen Wochenausgabe des „Osservatore“ vom 9.12.2011 heißt es: „Aufgrund der Aktualität und der Vielfalt von Perspektiven dieser wenig bekannten Schrift veröffentlichen wir deren dritten Teil mit der Hinzufügung von drei Fußnoten“ (vgl. auch www. doctrinafidei.va/documents/rc_con_cfaith_doc_19980101_ratzinger-comm-divorced_ge.html).

 

Der damalige Kardinal Ratzinger fasste die Einwände gegen das Schreiben der Glaubenskongregation vom 14.9.1994 in fünf Punkten zusammen und beantwortete sie:

1. Manche meinen, einige Stellen des Neuen Testaments deuteten an, dass das Wort JESU über die Unauflöslichkeit der Ehe eine flexible Anwendung erlaube und nicht in eine streng rechtliche Kategorie eingeordnet werden dürfe.“ So sprächen manche Schriftstellen „von einer gewissen Ausnahme vom HERRENwort über die Unauflöslichkeit der Ehe“ (im Fall von „porneia“: Mt 5,32; 19,9; im Fall der Trennung um des Glaubens willen: 1 Kor 7,12-16). Doch „das Lehramt betont allerdings, dass sich die kirchliche Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe aus der Treue gegenüber dem Wort JESU ableitet. JESUS bezeichnet die alttestamentliche Scheidungspraxis eindeutig als Folge der menschlichen Hartherzigkeit. Er verweist – über das Gesetz hinaus – auf den Anfang der Schöpfung, auf den Schöpferwillen, und fasst Seine Lehre mit den Worten zusammen: ‚Was aber GOTT verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen’ (Mk 10,9). Mit dem Kommen des Erlösers wird also die Ehe in ihrer schöpfungsgemäßen Urgestalt wieder hergestellt und der menschlichen Willkür entrissen – vor allem der männlichen Willkür, denn für die Frau gab es ja die Möglichkeit der Scheidung nicht. JESU Wort von der Unauflöslichkeit der Ehe ist die Überwindung der alten Ordnung des Gesetzes in der neuen Ordnung des Glaubens und der Gnade. Nur so kann die Ehe der GOTTgegebenen Berufung zur Liebe und der menschlichen Würde voll gerecht und zum Zeichen der unbedingten Bundesliebe GOTTES, d. h. zum Sakrament wer­den (vgl. Eph 5,32).“ Die Trennungsmöglichkeit bei 1 Kor 7 betreffe Ehen zwischen einem getauften und einem ungetauften Partner; später sei erkannt worden, dass nur Ehen zwischen Getauften Sakrament mit unbedingter Unauflöslichkeit seien; die Naturehe sei auf Unauflöslichkeit angelegt, könne aber u. U. um eines höheren Gutes (des Glaubens) willen aufgelöst werden. Die Unauflöslichkeit der wirklich sakramentalen Ehe bleibe durch dieses sog. „Privilegium Paulinum“ gewahrt. Zur „porneia“-Klausel (bei Mt) gebe es ganz unterschiedliche, ja gegensätzliche exegetische Hypothesen; viele Exegeten nähmen an, dass es da um ungültige eheliche Ver­bindungen und nicht um Ausnahmen von der Unauflöslichkeit der Ehe gehe: „Auf alle Fälle kann die Kirche ihre Lehre und Praxis nicht auf unsichere exegetische Hypothesen aufbauen. Sie hat sich an die eindeutige Lehre CHRISTI zu halten.“

Der 2. Einwand laute, „die patristische Tradition (lasse) Raum für eine differenziertere Praxis, die schwierigen Situationen besser gerecht“ werde und die katholische Kirche könne hier von den Ostkirchen lernen, die „später neben dem Prinzip der ‚akribia’, der Treue zur geoffenbarten Wahrheit, jenes der ‚oikonomia’, der gütigen Nachsicht in schwierigen Einzelfällen“ entwickelten; diese erlaube in gewissen Fällen eine Zweit- und auch Drittehe, „die allerdings von der sakramentalen Erstehe unterschieden und vom Charakter der Buße geprägt“ sei; diese Praxis sei von der katholischen Kirche nie verurteilt worden. Der heutige Papst fasste die in dem erwähnten Band vorgelegte diesbezügliche Studie so zusammen: Es gebe einen „klaren Konsens der Väter bezüglich der Unauflöslichkeit der Ehe. Weil diese dem Willen des HERRN entspringt, besitzt die Kirche keinerlei Gewalt darüber“. Auch vor einer kanonischen Ordnung sei die christliche Ehe von Anfang an von der römischen Zivilehe unterschieden worden. Die Kirche der Väterzeit schließe Ehescheidung und Wiederheirat eindeutig aus. In der Kirche der Väterzeit seien wiederverheiratete Geschiedene „niemals nach einer Bußzeit offiziell zur hl. Kommunion zugelassen“ worden; allerdings treffe zu, dass die Kirche „Zugeständnisse in einzelnen Ländern nicht immer rigoros rückgängig gemacht habe, auch wenn sie als nicht mit Lehre und Disziplin übereinstimmend bezeichnet wurden“, und dass einzelne Väter, etwa Leo der Große, für seltene Grenzfälle pastorale Lösungen gesucht hätten. In der Folgezeit sei es zu zwei gegensätzlichen Entwicklungen gekommen – in der Reichskirche nach Konstantin „mit der immer stärkeren Verflechtung von Staat und Kirche“ bis zur Gregorianischen Reform habe es die Tendenz zu Kompromissen in schwierigen Ehesituationen gegeben. In den von Rom getrennten Ostkirchen habe das dann zu einer „immer liberaleren Praxis“ geführt: „Heute gibt es in manchen orthodoxen Kirchen eine Vielzahl von Scheidungsgründen, ja bereits eine Theologie der Scheidung, die mit den Worten JESU über die Unauflöslichkeit der Ehe nicht zu vereinbaren ist“; im ökumenischen Dialog müsse dieses Problem besprochen werden. Im Westen sei durch die Gregorianische Reform „die ursprüngliche Auffas­sung der Väter wiederhergestellt“ worden“ – beim Konzil von Trient sei dies zu einem gewissen Abschluss gekommen, beim II. Vatikanum sei es erneut als Lehre der Kirche vorgetragen worden. Die ostkirchliche Praxis als Folge eines komplexen historischen Prozesses, einer immer liberaleren „und sich mehr und mehr vom HERRENwort entfernenden Interpretation einiger dunkler Vätertexte sowie eines nicht geringen Einflus­ses ziviler Gesetze“ könne von der katholischen Kirche nicht übernommen werden. Es sei unrichtig, dass die katholische Kirche die orthodoxe Praxis einfach toleriert habe. Die mittelalterlichen Kanonisten hätten durchgängig von einer „missbräuchlichen Praxis“ gesprochen und es gebe Zeugnisse, wo von Gruppen katholisch gewordener Orthodoxer „ein Glaubensbekenntnis mit dem ausdrücklichen Verweis auf die Unmöglichkeit einer Zweitehe“ unterzeichnet werden musste.

Im 3. Punkt ging der heutige Papst auf die Vorschläge ein, die „traditionellen Prinzipien der Epikie und der ‚Aequitas canonica’“ zur Grundlage für Ausnahmen zu nehmen. Man sage, bestimmte Ehefälle könnten nicht im „Forum externum“ [äußerer Bereich] geregelt werden; die Kirche dürfe nicht nur auf rechtliche Normen verweisen, sondern „müsse auch das Gewissen der Einzelnen achten“. Doch „Epikie und ‚Aequitas canonica’“ seien „im Bereich menschlicher und rein kirchlicher Normen von großer Bedeutung, können aber nicht im Bereich von Normen angewandt werden, über die die Kirche keine Verfügungsgewalt hat. Die Unauflöslichkeit der Ehe ist eine dieser Normen, die auf den HERRN selbst zurückgehen und daher als Normen GÖTTlichen Rechts bezeichnet werden“. Die Kirche könne nicht pastorale Praktiken gutheißen, die dem eindeutigen Gebot des HERRN widersprächen: „Wenn die vorausgehende Ehe von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen gültig war, kann ihre neue Verbindung unter keinen Umständen als rechtmäßig betrachtet werden, daher ist ein Sakramentenempfang aus inneren Gründen nicht möglich. Das Gewissen des Einzelnen ist ausnahmslos an diese Norm gebunden.“ (In der Fußnote wird hier auf „Familiaris consortio“, 84, verwiesen, wo Papst Johannes Paul II. unterstrich, dass die Wiederversöhnung in der Beichte als Weg zum Kommunionempfang nur möglich ist bei „aufrichtiger Bereitschaft zu einem Leben, das nicht mehr im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe steht“, konkret „wenn die beiden Partner aus ernsthaften Gründen - z. B. wegen der Erziehung der Kinder - der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, sie sich verpflichten, völlig enthaltsam zu leben“.)

Die Kirche habe allerdings die Vollmacht, zu klären, welche Bedingungen für eine unauflösliche Ehe gelten – etwa dass (nach 1 Kor 7) nur zwei Christen eine sakramentale Ehe schließen; mit Rückgriff auf die „porneia“-Klauseln bei Matthäus und in Apg 15,20 seien „Ehehindernisse formuliert“ worden; Ehenichtigkeitsgründe seien immer klarer erkannt worden. Man könne sagen, dass auf diese Weise auch in der Westkirche dem Prinzip der ‚oikonomia’ Raum gegeben worden sei, „allerdings ohne die Unauflöslichkeit der Ehe als solche anzutasten“. „An sich scheinen damit nach Ansicht kompetenter Fachleute die Fälle praktisch ausgeschlossen, in denen eine ungültige Ehe auf dem prozessualen Weg nicht als solche nachweisbar ist“. Da die Ehe wesentlich öffentlich-rechtlichen Charakter hat und niemand Richter in eigener Sache sein könne, müssten Eheangelegenheiten im „Forum externum“ gelöst werden. „Wenn wiederverheiratete geschiedene Gläubige meinen, dass ihre frühere Ehe nicht gültig war, sind sie demnach verpflichtet, sich an das zuständige Ehegericht zu wenden, das die Frage objektiv und unter Anwendung aller rechtlich verfügbaren Möglichkeiten zu prüfen hat.“ Freilich sei nicht ausgeschlossen, dass bei Eheprozessen Fehler unterlaufen könnten. Es gebe unterschiedliche theologische Meinungen, ob Gläubige sich an ihrer Meinung nach falsche gerichtliche Urteile zu halten hätten; dies bedürfe noch der Klärungen; die Bedingungen für ein Geltendmachen einer Ausnahme müssten sehr genau geklärt werden.

Im 4. Punkt wies Ratzinger Behauptungen zurück, die Kirche vertrete hier eine „naturalistische, legalistische Auffassung“ von der Ehe, während das 2. Vatikanum dieses „statische Verständnis überwunden“ habe, und sagt u.a.: „Wenn die Kirche die Theorie annehmen würde, dass eine Ehe tot ist, wenn die beiden Gatten sich nicht mehr lieben, dann würde sie damit die Ehescheidung gutheißen und die Unauflöslichkeit der Ehe nur noch verbal, aber nicht mehr faktisch vertreten.“ Allerdings müsse die Frage noch gründlicher studiert werden, „ob ungläubige Christen – Getaufte, die nicht oder nicht mehr an GOTT glauben – wirklich eine sakramentale Ehe schließen können“; es bleibe „die rechtliche Frage zu klären, welche Eindeutigkeit von Unglaube dazu führt, dass ein Sakrament nicht zustande kommt“.

In einem letzten 5. Punkt sprach der damalige Präfekt der Glaubenskongregation die Kritik an, die Sprache der kirchlichen Dokumente sei zu legalistisch, und räumte ein, dass „die Ausdrucksform des kirchlichen Lehramtes manchmal nicht gerade leicht verständlich“ erscheine; Prediger und Katecheten müssten dies – unter Wahrung des wesentlichen Inhalts, ohne Verwässerung – übersetzen. Dass es schwierig sei, dem säkularisierten Menschen die Forderungen des Evangeliums verständlich zu machen, dürfe aber nicht zu Kompromissen mit der Wahrheit führen. Die neueren Dokumente bezüglich der Frage der wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen verbänden aber sehr ausgewogen die Forderungen der Wahrheit mit denen der Liebe. „Sicher kann die Wahrheit weh tun und unbequem sein. Aber es ist der Weg zur Heilung, zum Frieden, zur inneren Freiheit. Eine Pastoral, die den betroffenen Menschen wirklich helfen will, muss immer in der Wahrheit gründen. Nur das Wahre kann letzten Endes auch pastoral sein“.

 

 

 

 

»Die Ehe soll von allen in Ehren gehalten werden«

(Hebr 13,4)

 

Hirtenbrief von Bischof Vitus Huonder, Chur, zur Fastenzeit 2012

 

 

 

»Brüder und Schwestern im HERRN,

„Die Ehe soll von allen in Ehren gehalten werden.“

Diese Ermahnung entnehmen wir dem Brief an die Hebräer (13,4). Es ist dem Verfasser des Schreibens wichtig, bei den verschiedenen Hinweisen auf die christliche Lebensführung die Ehe eigens zu nennen. Das zeigt uns, welchen Stellenwert die Ehe im Leben der Kirche von Anfang an hatte. Eine gut geführte Ehe galt als ein unverzichtbares Glaubenszeugnis. Das intakte Ehe- und Familienleben war selbst Maßstab bei der Nachprüfung, ob jemand in der Kirche eine Aufgabe übernehmen kann (2 Vgl. 1 Tim 3,4; zur gesamten Lehre der Kirche zum Sakrament der Ehe vgl. den Katechismus der Katholischen Kirche 1601-1666). Anderseits wird das Wort aus dem Brief an die Hebräer auf dem Hintergrund bestehender Probleme zu interpretieren sein. Der Verfasser muss es als notwendig erachten, darauf zu verweisen. Offenbar wird die Ehe nicht von allen respektiert. Es entstehen bittere Situationen. Daher fährt der Autor in einem auffallend strengen Ton fort: „... das Ehebett bleibe unbefleckt, denn Unzüchtige und Ehebrecher wird GOTT richten.“

 

Verankerung in der Heilsgeschichte

Die heutige Lesung des dritten Sonntags der Fastenzeit des Lesejahres B kommt auch auf die Ehe zu sprechen. Die Zehn Gebote, der Kern des Gesetzes des Alten Bundes, greifen das Thema zweimal auf: Im sechsten Gebot im Wortlaut „Du sollst nicht die Ehe brechen“, im neunten Gebot mit der Formulierung „Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen“ (Ex 20,14.17). In diesen zwei Geboten spiegelt sich die Sorge GOTTES um die Ehe wieder. Denn GOTTES Gebote sind eine Hilfe zum Gelingen des Lebens, daher auch zum Gelingen der Ehe.

Diese Sorge GOTTES zeigt sich weiter darin, dass die ganze Heilige Schrift von Hinweisen auf das Eheleben durchdrungen ist (vgl. Lev 18,6-18.19-20; Dtn 22,13-21.22.23-27.28-29; 23,1; 24,1-4.5; Spr 5,1-23; 6,20-7,27; Tob 7,13; Weish 14,26; Sir 23,16-27; 1 Kor 7,1-40; Eph 5,21-33; Kol 3,18-19; 1 Petr 3,1-7. Dies ist keine erschöpfende Aufzählung. In diesen Schrifttexten ist oft die Rede vom Ehebruch. Die Ehe wird oft von dieser negativen Seite her ins Spiel gebracht. Positiv steht aber dahinter das Bestreben, die Ehe zu schützen). Die Ehe ist ein hohes Gut, das erkannt, gepflegt, erhalten und geschützt werden will. Die vielen Vergleiche mit der Ehe, welche das Verhältnis GOTTES zu seinem Volk umschreiben, bestätigen diese Feststellung (vgl. etwa das Buch des Propheten Hosea).

 

Heutige Wirklichkeit

Im vergangenen Jahr haben wir in unserer Diözese den ersten Tag der Ehe durchgeführt und damit die Anregung im Hirten­brief 2011 aufgegriffen („Als Mann und Frau schuf er sie“ [Gen 1,27]. Ein Wort zum Sakrament der Ehe, Hirtenbrief zur Fastenzeit 2011.). Es war ein Tag der Besinnung auf die Werte der Ehe im Allgemeinen, auf die Ehegemeinschaft als Hauskirche im Besonderen, ein Tag ebenso der gegenseitigen Bestärkung und Ermutigung, schließlich ein Anlass zur Erneuerung des Eheversprechens. Diese Begegnung mit jüngeren und älteren Ehepaaren hat gezeigt, wie heute noch Ehe gelingen kann. Und sie gibt mir Anlass, allen Ehepaaren, die in Liebe und Treue ihren gemein­samen Weg gehen, für ihr Glaubenszeugnis Dank zu sagen. Von dieser positiven Erfahrung ausgehend, spüren wir, dass GOTTES Geist auch in unserer Zeit wirkt, auf die Ehen Einfluss nimmt und hilft, die Gemeinschaft von Mann und Frau in Har­monie mit GOTT zu leben, den Alltag familienfreundlich zu gestalten sowie Probleme im gemeinsamen Leben anzupacken und zu lösen.

Diese Feststellung ist umso wichtiger, als die Statistik der Eheschließungen und der Ehescheidungen der vergangenen 40 Jahre ein düsteres Bild zeichnet. Waren es 1970 noch 15% der Ehen, die geschieden wurden, kam man 2009 auf das Dreifache, nämlich auf 47% (Quelle: Bundesamt für Statistik, Statistik des jährlichen Bevölkerungsstandes [ESPOP] und der natürlichen Bevölkerungsbewe­gung [BEVNAT]). Da die Ehe ein hohes Gut darstellt und unserer sorgenden Aufmerksamkeit bedarf, muss uns das Ausmaß dieser Entwicklung beschäftigen.

 

Folgen einer Entwicklung

Jede Ehescheidung ist ein menschliches Drama. Keine Scheidung darf uns unberührt lassen, auch wenn uns scheinen will, dass wir ohnmächtig vor dieser Entwicklung stehen. Die Folgen der Ehescheidung sind in mehrfacher Hinsicht schwer: Für das Paar selber, für die Kinder, sofern Kinder da sind, für die Gesellschaft, schließlich auch für die Glaubensgemein­schaft sowie die GOTTESbeziehung. Wir müssen alles unternehmen, um solche Dramen vermeiden zu helfen und die betroffenen Menschen mit unserer Sorge um ihr zeitliches Wohl, aber ebenso um ihr ewiges Heil umgeben.

Die Folgen für die Glaubensgemeinschaft und die GOTTESbeziehung werden uns bewusst, wenn wir das Wort GOTTES betrachten und uns in die Weisungen des HERRN vertiefen. Denn die Lehre des HERRN ist klar: Die Ehe ist unauflöslich (Vgl. Mt 19,3-12; Mk 10,2-12; Lk 16,16-18). Deshalb geben jene Ge­trennten und Geschiedenen, welche allein bleiben, ein kost­bares Zeugnis für die Unauflöslichkeit der Ehe. Denn in gewissen Fällen ist es nicht nur erlaubt, sondern unvermeidbar, dass eine Trennung erfolgen muss. Indem die betroffenen Personen jedoch eine Wiederverheiratung ausschließen, halten sie sich an das einmal gegebene Wort und nehmen die Lehre unseres HERRN ernst.

 

Die Folgen für die GOTTESbeziehung sind vor allem im Falle einer Wiederverheiratung schmerzhaft, da wiederverheiratete Geschiedene nicht zu den Sakramenten zugelassen sind (Vgl. Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum Caritatis (22. Februar 2007), 29). Betroffene kommen nämlich durch ihre Ent­scheidung, eine neue Partnerschaft einzugehen, in eine Situa­tion, die den Empfang der Sakramente verunmöglicht. Umso mehr müssen sich die Seelsorger diesen Gläubigen mit beson­derem Feingefühl zuwenden und ihnen helfen, ihre Situation im Angesicht CHRISTI zu überdenken, um immer mehr ins Ver­ständnis Seiner Lehre, aber auch in die Macht Seiner er­lösenden Liebe hineinzuwachsen. Daraus kann eine Kraft entspringen, die zu einer neuen Sicht der Dinge führt und hilft, die Weisungen unseres HERRN anzunehmen und dem Leben eine Orientierung nach dem Herzen des Erlösers zu geben. Leider sind bestehende kirchliche Angebote, um zivilrechtlich wiederverheiratete Geschiedene neu und tiefer ins Leben der Kirche zu integrieren, oft nicht bekannt. Doch haben sie schon manchen Betroffenen zu einer neuen und verstärkten CHRISTUSbeziehung und zu einer vertieften Erkenntnis der Haltung und der Disziplin der Kirche verholfen. Auch möchte ich auf die Möglichkeit hinweisen, ein Ehenichtigkeitsverfahren durchzuführen. Selbstverständlich geht es hier nicht um eine Form der Ehescheidung, sondern darum, von vorneherein un­gültige Eheschließungen zu erkennen und so den Betroffenen eine kirchliche Eheschließung zu ermöglichen.

 

Fragen an die Seelsorger

Nochmals auf die erwähnte Statistik zurückgreifend, müssen wir uns fragen, ob Traupaare genügend in die Ehe und ihren christlichen Gehalt eingeführt werden. Wird ihnen die Tragweite des Versprechens bewusst gemacht? Werden die Fragen be­züglich der Bereitschaft zur christlichen Ehe ehrlich beantwor­tet? Ja, wird die liturgische Form der Trauung, die in sich eine wunderbare Ehekatechese ist, überhaupt eingehalten? Aus Gesprächen bezüglich Nichtigkeitsverfahren geht nicht selten hervor, das die Unterweisung mangelhaft war, oder dass ab­sichtlich gewisse liturgische Formulierungen ausgeblendet wur­den wie etwa „bis der Tod euch scheidet.“

Dazu stellen sich noch folgende Fragen: Werden die Traupaare auf ihre geistig-seelische Reife genügend geprüft? Müsste nicht manche kirchliche Trauung abgesagt oder verschoben werden, weil die notwendigen Voraussetzungen für eine christ­liche Ehe fehlen? Treten Paare wirklich im Glauben an das Sakrament an den Traualtar? Wollen sie den Ehebund wirklich mit Blick auf CHRISTUS und auf dem Fundament Seiner Lehre eingehen?

Wenn wir die Ehe nur als eine rein gesellschaftliche Größe betrachten und den Tag der Trauung als einen Event werten mit möglichst vielen Überraschungseffekten - darunter auch kirchlichen -, kommen wir an den gestellten Fragen rasch vor­bei. Alles ist ja dann in diesem Fall nicht so ernst zu nehmen und nicht auf Dauer angelegt. Als Christen können wir aber nicht so denken, vielmehr muss uns daran gelegen sein, die Aufforderung des Briefes an die Hebräer umzusetzen: „Die Ehe soll von allen in Ehren gehalten werden.“

Bei der Hochzeit in Kana richtete Maria die besorgten Worte an ihren Sohn: „Sie haben keinen Wein mehr.“ (Joh 2,3 ) Das war mehr als nur eine Bitte um ein vergängliches Getränk. Es war eine Bitte um den Geist, um den Geist des Glaubens. Nur aus diesem Geist können Eheleute ihr Leben so gestalten, dass sie als Zeugen CHRISTI erkannt werden, eben als Christen.

Diesen Geist möge die GOTTESmutter auch unserer Zeit erbitten. Mit diesem Wunsch grüße ich Euch alle recht von Herzen und erteile Euch gerne meinen bischöflichen Segen

+ Vitus, Bischof von Chur«

 

Hintergrund:

 

Dieser Fastenhirtenbrief des Churer Bischofs, am 10./11 März zu verlesen, war bereits eine Woche vorher durch eine Indis­kretion in der Presse attackiert worden. Der Kernpunkt ist offensichtlich, dass Huonder die verbindliche Lehre der Kirche darin vertritt, dass wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion gehen können.

 

Auf dem offiziellen Medienportal der katholischen Kirche der Schweiz „kath.ch“, finden sich die Presseschlagzeilen: „Seel­sorgerat entsetzt über Hirtenbrief“ (Radio DRS), „Seelsorger widersetzen sich dem Bischof“ (Zürichsee-Zeitung), „Bischof Huonder betreibt Apartheid mit den Geschiedenen“ (Tages-Anzeiger), „Bischof Huonder ist isoliert – und wehrt sich“ (20 Minuten), „Vitus Huonder provoziert Bischöfe“ (Sonntag/Mittel­landzeitung); „Hirt führt seine Schafe in die Irre“ (Zürichsee-Zeitung), „Den Kadavergehorsam gibt es in der Kirche nicht“ (Neue Luzerner Zeitung) usw. Eine Pfarrei in Rorschach, Bistum St. Gallen, plakatierte „Wir schließen niemand aus! Bei uns sind auch Geschiedene Wiederverheiratete willkommen!“

Es breitete sich offenbar auch bei vielen Pfarrern eine Rebellion aus. „Wir distanzieren uns sowohl vom Inhalt als auch von der Form des Hirtenbriefs“ schrieb der Dekan und Pfarrer von Winterthur als Sprecher „zahlreicher Pastoral­assistenten“ der Region Winterthur und des Zürcher Unter­landes. Es sei „gemäß unserer Erfahrung inhuman und nicht aus der christlichen Botschaft ableitbar“, von geschiedenen Mitgliedern der Kirche zu verlangen, unverheiratet zu bleiben. Offenbar wurde der Hirtenbrief auch von vielen Pfarrern nicht verlesen. Der Pastoralrat von Zürich forderte die Seelsorger auf, die Wiederverheirateten zur Kommunion zuzulassen. Die Seelsorger des Kantons Nidwalden entschieden einstimmig, den Hirtenbrief nicht zu verlesen, der Unruhe und Protest auslöse. Man werde weiterhin den wiederverheirateten Geschiedenen die Sakramente gewähren. Der „Schweize­rische Katholische Frauenbund“ (SKF) sah sich „brüskiert“ und forderte, dass geschiedene Wiederverheiratete nicht von den Sakramenten ausgeschlossen werden dürften, auch nicht vom Ehesakrament! (Vgl. kath.ch 19.3.12, rv 5.3.12, kath.net 15.3.12, katholisches.info 17.3.12, Aargauer Zeitung 12.3.12)

 

Bischof Huonder selber verteidigte in einem Interview seinen Hirtenbrief. Dagegen, dass Pfarrer sich weigerten, den Brief zu verlesen, greife er nicht ein; es gebe heute auch andere Mög­lichkeiten, den Hirtenbrief zu publizieren. Auf den Vorwurf, der Brief sei „ein gewaltiger Rückschritt“, erwiderte er, wenn die Wahrheit auf den Tisch komme, sei das „immer ein Fortschritt“. Er vertrete „schlicht und einfach die Lehre der Kirche, diese ist zeitlos gültig“. Die Zehn Gebote seien nie beliebt gewesen, aber sie gehörten „zu den christlichen Essentials“. Es gebe Menschen, die auf solche Hinweise negativ reagierten, aber auch andere, die dankbar sind. Wenn es zu Austritten komme, müsse man das in Kauf nehmen. Doch er könne nicht anders, als die Lehre der Kirche zu vertreten. Er stelle fest, „dass in der Schweiz offenbar ein Riesendruck herrscht, gängige gesell­schaftliche Standards auch in der Kirche zu übernehmen.“ Dabei habe sich die Kirche nie von der Mehrheit abhängig gemacht. Man sei keine „Nationalkirche“, sondern Teil der römisch-katholischen Weltkirche und müsse auch zeitbedingte Standards hinterfragen. Auf den Einwand, da in der Schweiz fast jede zweite Ehe geschieden werde, müsse die Kirche umdenken, erwiderte der Bischof: „Seit 2000 Jahren ist die katholische Kirche der Weisung JESU gefolgt.“ Es geht nicht um „Verbote“ von Sakramenten, sondern diese könnten „in den Gläubigen nur dann fruchtbar und wirksam werden, wenn sie gemäß dem Glauben der Kirche empfangen werden“. (Vgl. „SonntagsZeitung 11.3.12)

Hatten Presseorgane gemutmaßt, der Bischof von Chur greife „eine Initiative seiner liberalen Kollegen“ an, so scheint auch kein anderer Bischof sich beistimmend zum Churer Ober­hirten gestellt zu haben. Ja, der Basler Bischof Felix Gmür stellte sich offen gegen ihn. Bei einer Veranstaltung für katho­lische Kirchenjournalisten in Solothurn forderte der Basler Bischof die Anwesenden auf, sich dieses Themas anzunehmen und das „Dilemma“ zwischen der ins Kirchenrecht eingegan­genen Unauflöslichkeit der Ehe, der „Barmherzigkeitspraxis JESU“ und der Wirklichkeit des heutigen Menschen auf­zuzeigen. Er nannte es nach Darstellung der Aargauer Zeitung (12.3.12: „Bischof Felix Gmür übt Kritik an Kollege Vitus Huonder“) „absurd“, wenn „alle denkbaren Sünden irgendwann und irgendwo ver­gebungswürdig seien – mit Ausnahme der Wiederverheiratung“ (vgl. auch kath.net 13.3.12).

Ist also die Umkehr und Änderung eines sündhaften Verhaltens nicht Voraussetzung für die Vergebung? Und das JESUSwort „Geh hin und sündige nicht mehr!“ (Joh 8,11)?

 

Zur ganzen Fragestellung hatte schon vier Wochen vorher der Churer Domherr Christoph Casetti in einem Artikel „Auch JESUS hat Recht“ in der „Tagespost“ (7.2.2012) sehr klare und sachliche Ausführungen gemacht. Er griff da unter anderem die Argumentation eines deutschen Moraltheologen im vergange­nen Jahr auf. Hatte dieser mit der „steigenden Zahl der Betrof­fenen“ argumentiert, so sei dies ein soziologisch-statistisches, kein theologisches Argument. Die Forderung, das „Gewissens­urteil“ der Betroffe­nen zu respektieren, von denen die wenigsten eine erneute Heirat als problematisch ansähen, sah Casetti sehr ähnlich der Argumente gegen „Humanae vitae“.

Der Domherr berief sich dann auf den Verweis des franzö­sischen Theologen Bertrand de Margerie auf das 11. Kapitel des 1. Korintherbriefes. Die Mahnung des hl. Paulus vor unwürdiger Kommunion gelte über den konkreten Fall in Korinth hinaus: „Wer in den Lastern verharrt, welche vom Him­melreich ausschließen, anerkennt nicht die Herrschaft über den Leib, die CHRISTUS so teuer erkauft hat. Wie könnte der  SOHN jene dem VATER unterwerfen, die sich geweigert haben, Ihm ihren Leib zu unterwerfen, und sogar Seinen Leib profaniert haben, indem sie Ihn ohne Rücksicht auf Seine Passion gegessen haben. – Wie könnte ein Christ, der im Ehebruch lebt, indem er kommuniziert, in seinem Fleisch den Tod des HERRN verkünden? Er macht sich gleichzeitig schul­dig sowohl durch sein Tun als auch durch die fehlende Reue… Der Ehegatte, der in einer ehebrecherischen Situation verbleibt, trägt nicht mehr das hochzeitliche Gewand der Liebe. Seine Kommunion in diesem unwürdigen Zustand verschlimmert seinen Fehler. Denn er verrät seinerseits den Menschensohn mit einem Kuss. Indem er sich so der Eucharistie nähert, verurteilt er sich selbst als des ewigen Lebens unwürdig.“ De Margerie gehe dann auf die Didache und frühe Theologen und Kirchenväter ein und ziehe das Fazit: „In ihrer Auslegung des Neuen Testamentes waren sich die Väter darin einig, dass alle Getauften von der Kommunion auszuschließen sind, wel­che sich dafür entscheiden, in einem schwerwiegenden Laster zu verharren. Dazu zählten sie namentlich den Ehebruch.“ Auch die großen mittelalterlichen Theologen seien ganz auf dieser Linie der Väter gewesen. „Im Namen der einhelligen Tradition der Väter, die orientalischen eingeschlossen, kann die katholische Kirche der Lehre und Praxis in den orthodoxen Kirchen nicht folgen, was die Zulassung von wiederverheira­teten Geschiedenen zur Eucharistie betrifft.“ Casetti spricht dann von der fürsorgenden Liebe der Kirche für die Geschie­denen (vgl. Familiaris consortio, 4. Teil) und verweist auf „gut begleitete Gruppen von Betroffenen“, „Oasen der Barmherzigkeit“, in denen „in einer geschwisterlichen Atmosphäre notwendige Schritte der Vergebung eingeübt, das Verständnis für die Lehre der Kirche vertieft und die Freundschaft mit CHRISTUS gefestigt werden“ könne.

 

Die Forderung nach der Sakramentenzulassung von wieder­verheirateten Geschiedenen kehrt im Raum der deutsch­sprachigen Kirche ja beständig wieder. Der Freiburger Moral­theologe Eberhard Schockenhoff behauptete im Februar bei einer Studientagung in Salzburg, „Bibel und frühchristliche Praxis“ sprächen gegen einen dauerhaften Ausschluss von der Kommunion und forderte auch, eine Zivilehe nicht einfach als ungültig anzusehen, wenn sie „wesentliche Elemente“ einer Ehe respektiere. Im Zusammenhang mit dieser Tagung äußerte die Verbandspräsidentin der österreichischen „Katholischen Aktion“, die Kirche dürfe dieses Problem „nicht aussitzen“, weil die sakramentale Ehe dann irgendwann gar nicht mehr angestrebt werde (vgl. rv 2.2.2012, rv 5.2.2012).

 

Der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, sagte in einem Zeitungsinterview mit dem „Münchner Merkur“, die Kirche müsse deutlich machen, dass sie „an der Unauflöslichkeit der Ehe“ festhalte, aber auch „diese zweite Ehe in irgendeiner Weise“ toleriere“ (rv. 31.12.2011). ???

 

Der Südtiroler Bischof Ivo Muser gab auf Befragen bei einem Treffen der „Katholischen Frauenbewegung“ in Brixen die Antwort, ein Christ müsse barmherzig sein und verzeihen; im Leben gebe es Brüche. „Er selbst könne sich nicht vorstellen, jemandem die Kommunion zu verweigern – er sei kein Richter; jeder müsse selbst mit seinem Gewissen entscheiden, ob er zur Kommunion gehen wolle.“ (Dolomiten 12.2.2011).

 

Ist der Priester und erst recht der Bischof nicht verpflichtet, aus Liebe zu CHRISTUS und aus Liebe zum betroffenen Menschen auf die Ausrichtung des Gewissens auf den Willen GOTTES und die rechte Gewissensbildung zu drängen? Immer wieder wird deutlich, wie sehr seit dem Aufstand gegen „Humanae vitae“ und der Umdeutung des Gewissensurteils in der „Königsteiner Erklärung“ und ähnlichen bischöflichen Worten das „Gewissen“ als persönliche Willensäußerung und nicht als Urteil der Vernunft über Gut und Böse und Ort der Prüfung des eigenen Handelns und Wollens vor dem Willen GOTTES missverstanden wird. „Das richtige und wahrhaftige Gewissen wird durch die Erziehung und durch die Aneignung des Wortes GOTTES und der Lehre der Kirche gebildet“ (KKKK 374).

 

Und der Wiener Theologe Paul Zulehner, der zum Beginn der Tagung der Österreichischen Bischofskonferenz die Ungehor­sams-Pfarrer-Initiative von Helmut Schüller in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“, Graz, verteidigte, behauptete, vieles von deren Forderungen, „wie etwa die Zulassung von Geschie­denen-Wiederverheirateten zu den Sakramenten, geschieht in Pfarrgemeinden schon. Doch die offizielle Kirche anerkennt das nicht, obwohl andere christliche Kirchen wie die orthodoxe das auf das Evangelium begründet anerkennen“. Die katholische Kirche soll so „demütig“ sein und von anderen christlichen Kir­chen lernen. Zulehner behauptete auch, 85% der Pfarrge­meinden gingen diesen „ostkirchlichen Weg“, der angeblich 1980 schon von den österreichischen Bischöfen unter Kardinal König als richtiger Weg vorgeschlagen worden sei (vgl. Kleine Zeitung 18.3.12, kath.net 19.3.12).

 

 

Abschließend zitieren wir zu dieser Thematik aus dem

„Nachsynodalen Apostolischen Schreiben ‚Sacramentum caritatis’“ über die hl. Eucharistie

von Papst Benedikt XVI. (22. Februar 2007):

 

»Eucharistie und Unauflöslichkeit der Ehe

29. Wenn die Eucharistie die Unwiderruflichkeit der Liebe GOTTES in CHRISTUS zu Seiner Kirche ausdrückt, wird verständlich, warum sie in Beziehung zum Sakrament der Ehe jene Unauflöslichkeit einschließt, nach der sich jede wahre Liebe unweigerlich sehnt. Darum ist die pastorale Aufmerksam­keit mehr als gerechtfertigt, die die Synode den schmerzlichen Situationen gewidmet hat, in denen sich nicht wenige Gläubige befinden, die sich nach einer sakramentalen Trauung haben scheiden lassen und eine neue Verbindung eingegangen sind. Es handelt sich um ein dornenreiches und kompliziertes pastorales Problem, eine wahre Plage des heutigen sozialen Umfelds, die in zunehmendem Maße auch auf katholische Kreise übergreift. Die Hirten sind aus Liebe zur Wahrheit ver­pflichtet, die verschiedenen Situationen genau zu unter­scheiden, um den betroffenen Gläubigen in angemessener Weise geistlich zu helfen. Die Bischofssynode hat die auf die Heilige Schrift (vgl. Mk 10,2-12) gegründete Praxis der Kirche, wiederverheiratete Geschiedene nicht zu den Sa­kramenten zuzulassen, bestätigt, weil ihr Status und ihre Lebenslage objektiv jener Liebesvereinigung zwischen CHRISTUS und Seiner Kirche widersprechen, die in der Eucharistie bedeutet und verwirklicht wird. Die wiederver­heirateten Geschiedenen gehören jedoch trotz ihrer Situation weiter zur Kirche, die ihnen mit spezieller Aufmerksamkeit nachgeht, in dem Wunsch, dass sie so weit als möglich einen christlichen Lebensstil pflegen durch die Teilnahme an der heiligen Messe, wenn auch ohne Kommunionempfang, das Hören des Wortes GOTTES, die eucharistische Anbetung, das Gebet, die Teilnahme am Gemeindeleben, das vertrauensvolle Gespräch mit einem Priester oder einem geistlichen Führer, hingebungsvoll geübte Nächstenliebe, Werke der Buße und den Einsatz in der Erziehung der Kinder.

Wo berechtigte Zweifel an der Gültigkeit der sakramental geschlossenen Ehe aufkommen, muss das Notwendige unternommen werden, um deren Fundierung zu überprüfen. Sodann ist es nötig, unter voller Beachtung des kanonischen Rechts das Vorhandensein kirchlicher Gerichte im jeweiligen Gebiet sowie ihren pastoralen Charakter und ihr korrektes und schnelles Handeln sicherzustellen.

Für eine zügige Arbeitsweise der kirchlichen Gerichte bedarf es in jeder Diözese einer ausreichenden Anzahl entsprechend ausgebildeter Personen. Ich erinnere daran, dass es ,,eine dringende Pflicht ist, den Gläubigen das institutionelle Wirken der Kirche in den Gerichten immer näher zu bringen’’. Es ist jedoch unbedingt zu vermeiden, dass die pastorale Sorge als Gegenposition zum Recht missdeutet wird. Man sollte vielmehr von der Voraussetzung ausgehen, dass der grund­legende Berührungspunkt zwischen Recht und Pastoral die Liebe zur Wahrheit ist: Diese ist nämlich niemals abstrakt, sondern ,,fügt sich in den menschlichen und christlichen Weg jedes Gläubigen ein’’. Wo schließlich die Ehenichtigkeit nicht anerkannt wird und objektive Bedingungen gegeben sind, die das Zusammenleben tatsächlich irreversibel machen, ermutigt die Kirche jene Gläubigen, ihre Beziehung entsprechend den Anforderungen des Gesetzes GOTTES als Freunde, wie Bruder und Schwester, zu leben; so können sie — unter Berücksichtigung der bewährten kirchlichen Praxis — wieder am eucharistischen Mahl teilnehmen. Damit ein solcher Weg möglich ist und fruchtbar wird, muss er durch die Hilfe der Seelsorger und durch geeignete kirchliche Initiativen unterstützt werden, wobei in jedem Fall zu vermei­den ist, diese Verbindungen zu segnen, damit unter den Gläubigen keine Verwirrungen in Bezug auf den Wert der Ehe aufkommen. Angesichts der Vielschichtigkeit des kulturellen Umfelds, in der die Kirche in vielen Ländern lebt, hat die Synode zudem empfohlen, in der Vorbereitung der Brautleute und in der vorausgehenden Prüfung ihrer Ansichten über die für die Gültigkeit des Ehesakraments unverzichtbaren Verpflichtungen größte pastorale Sorgfalt walten zu lassen. Durch eine ernsthafte Klärung in diesem Punkt kann vermieden werden, dass emotive Impulse oder oberflächliche Gründe die beiden jungen Leute dazu führen, Verantwortungen zu übernehmen, denen sie dann nicht gerecht werden können. Das Gute, das die Kirche und die ganze Gesellschaft von der Ehe und der auf sie gegründeten Familie erwarten, ist zu groß, um sich in diesem spezifischen pastoralen Bereich nicht bis zum Grunde einzusetzen. Ehe und Familie sind Einrichtungen, die gefördert und gegen jegliches Missverständnis bezüglich ihrer Grundwahrheit verteidigt werden müssen, denn jeder Schaden, der ihnen zugefügt wird, ist in der Tat eine Verletzung, die dem menschlichen Zusammenleben als solchem beigebracht wird.«

 

 

Meldungen - Meinungen

 

 

Aids und Kondome

Würzburg / Cotonou, Benin. In einem Gespräch mit der „Tagespost“ (17.11.2011) anlässlich des Besuchs des Hl. Vater in diesem afrikanischen Land unterstrich der Generalvikar der Erzdiözese Cotonou, Philippe Kinkpon, dass für einen Christen die Verwurzelung in JESUS CHRISTUS, nicht die in einer ethischen Gruppe Priorität haben müsse, wie das für den Afrikaner sonst sei. Er hoffte auf Ermutigung durch den Papst für die Familie, die der Ort sei, wo Menschsein gelernt werde. Und auf die Frage nach dem Thema Aids-Infizierung sagte der Generalvikar klar, Aidsinfizierung beinhalte „eine hundert­prozentige Gefahr, die zum Tod führt… Wir wissen, dass das Kondom keine hundertprozentige Wirkung hat. Auch wenn es nur eine Gefahr von 5% gäbe, dass es trotz Kondomgebrauch zu einer Aidsansteckung kommt, so ist das schon viel zu viel. Das Ziel der Kirche aber ist: null Risiko.“ Deshalb sei die Kirche auch gegen das Kondom.

Kritik am Diözesanrat

Freiburg i. Br. Die Aussprache des Freiburger Diözesanrates über den Papstbesuch im September sei „keine Sternstunde“ gewesen, so schrieb der Freiburger Weihbischof Rainer Klug in einem Leserbrief im „Konradsblatt“. Als „langjähriges und ehemaliges Mitglied dieses Rates“ urteilte er, „die mit Namen dokumentierten Aussagen sind in ihrer Einseitigkeit erschütternd kleingeistig“; sie entsprächen „nicht dem Niveau, das von einem Repräsentativorgan der Katholiken der Erzdiözese erwartet werden muss“. Unter den 100.000 Gläubigen bei der Eucharistiefeier mit dem Papst und unter den Jugendlichen bei der Jugendvigil sei die Glaubensfreude „mit Händen zu greifen“ gewesen. „Wenn von all dem  im Diözesanrat nichts ange­kommen wäre, hätte er den Kontakt zu den Menschen verloren und sich überflüssig gemacht“, so Klug. Bei der Diözesanratssitzung Mitte Oktober und in der Berichterstattung im „Konradsblatt“ hatte die Kritik am Papstbesuch breiten Raum eingenommen. So hatte ein Vertreter des „Familienbundes“ das lateinisch gebetete Vaterunser moniert und eine Haltung der „Unterwürfigkeit“ gegenüber dem Papst wahrgenommen. Die BDKJ-Diözesanvorsitzende Heim kritisierte, dass an der Papstmesse kaum Frauen mitgewirkt hätten; sie habe sich „schon lange nicht mehr so schlecht gefühlt als Frau“ (vgl. kath.net 27.11.2012).

Die Bedeutung der Familie

Madrid. In einer Botschaft zum Fest der Hl. Familie am 30. Dezember 2011 unter dem Titel „Christliche Familie, verwurzelt in CHRISTUS“ betonten die spanischen Bischöfe, die Zukunft Europas hänge von der Familie ab. Es werde für den Kontinent unmöglich sein, aus der aktuellen tiefen Krise herauszu­kommen, die nicht nur wirtschaftlicher Natur sei, wenn nicht entschlossen die Werte und die konkrete Unterstützung der traditionellen, in ihrer Struktur von GOTT gewollten Familie in den Mittelpunkt gestellt werde. Der Plan GOTTES für die Familie müsse Leitstern einer gerechten Familienpolitik sein. Die Bischöfe erinnerten an den Weltjugendtag und forderten alle christlichen Gemeinden, Bewegungen und Vereinigungen auf, „Zeugen und Sprecher der Botschaft und des Auftrags zu sein“, den der Papst Spanien hinterlassen habe: die Familie, gegründet auf dem Geschenk, das CHRISTUS – der Bräutigam – der Ehe macht, sei Teil der Hoffnung des Menschen (vgl. kath.net 12.12.2011).

Lebensrecht

Washington D.C. „Behinderte Kinder sind keine Last, sondern sie sind ein wertvolles Geschenk an uns alle. Sie sind ein Zugang zur wahren Bedeutung unseres Menschseins.“ Das sagte Charles J. Chaput, Erzbischof von Philadelphia, bei einer Konferenz in der Georgetown University in Washington. Die Veranstaltung gehörte zum Rahmenprogramm des dies­jährigen „Marsch für das Leben“, zu dem Lebensschützer für den 23. Januar 2012 zum 38. Mal aufgerufen hatten; rund eine halbe Million Menschen, vorwiegend jüngeren Alters, hatte daran teilgenommen, eine Steigerung um etwa 100.000 gegenüber 2011. Der Erzbischof forderte bei dieser Konferenz auf, Katholiken sollten ihren Glauben als öffentliche Amtsträger in die Gesetzgebung einbringen, als Ärzte in das medizinische Handeln, als Bürger in die öffentlichen Diskussionen. „Abtrei­bung tötet ein Kind, verwundet einen wertvollen Teil der Würde und Identität der Frau und raubt Hoffnung. Deshalb ist sie falsch. Sie muss aufhören.“ Wenn sich die USA nicht klar auf Glaube und Moral gründeten, würden sie ihren Gründungs­idealen zuwider handeln (vgl. kath.net 23.1.12).

Privatschulen benachteiligt

Harrisburg, USA. Joseph McFadden, Bischof der Diözese Harrisburg, übte scharf Kritik am Schulsystem in Bundesstaat Pennsylvania: „Totalitären Regierungen würde unser System gefallen.“ McFadden tritt seit Jahren für Schulgutscheine ein; diesen Schulgutscheinen des Bundesstaates könnten die Eltern sowohl bei privaten wie bei öffentlichen Schulen einlösen und hätten so die Möglichkeit, die für ihre Kinder am besten geeignete Schule auszuwählen. Derzeit hätten nur öffentliche Schulen Zugang zu Steuermitteln. Auch Erzbischof Chaput von Philadelphia hält die derzeit geltende Regelung für un­gerecht. Eltern, die ihre Kinder in Privatschulen geben, müss­ten zweimal für die Schule bezahlen – mit ihren Steuern für die öffentlichen Schulen und zusätzlich mit Gebühren für die Privatschule. Der Kongress von Pennsylvania hatte im De­zember die Einführung von Schulgutscheinen abgelehnt. Die katholische Kirche, die in den letzen Jahren eine Reihe von Privatschulen schließen musste, möchte die öffentliche Diskus­sion weiterführen (vgl. kath.net 29.1.2012).

Ein konservativer Bischof

Lincoln, Nebraska, USA. Bischof Fabian Bruskewitz (76 Jahre), berichtete anlässlich seines bevorstehenden alters­bedingten Rücktritts in einem Interview über sein Wirken und seine Diözese. Er war bekannt geworden, weil er 1996 eine „Wir-sind-Kirche“-Gruppe exkommuniziert hatte; im Jahr 2006 hatte dann auf die Anfechtung dieser Entscheidung in Rom hin der Vatikan diese Disziplinarmaßnahmen bestätigt. Von der Exkommunikation waren auch Mitglieder der Pro-Abtreibungs-Organisation „Catholics for a Free Choice“ und „Planned Parenthood“, Freimaurer-Organisationen und auch die Pius-Bruderschaft betroffen. Der Bischof hatte erklärt, eine Zugehörigkeit zu diesen Gruppen zöge die automatische Ex­kommunikation nach sich, räumte aber den katholischen Mitgliedern dieser Gruppen eine gewisse Zeit ein, um auszutreten, ehe die Exkommunikation wirksam würde.

Bruskewitz war in einer sehr gläubigen Familie aufgewachsen und hatte vor seiner Ernennung zum Bischof von Lincoln 1992 in der Kongregation für das katholische Bildungswesen gearbeitet. Lincoln ist eine ländliche Diözese mit 100.000 Katholiken. Nach den Aussagen des Bischofs blüht das religiöse Leben; es habe GOTT sei Dank keine Missbrauchsanklagen gegeben. In den 20 Jahren seines Wirkens habe es überdurchschnittlich viele Priesterberufungen gegeben. Auch das Seminar der Petrusbruderschaft, die er in die Diözese eingeladen hatte, habe mehr Priesteranwärter, als es fassen könne. Für das beschauliche Gebet von Karmelitinnen und von Anbetungsschwestern sei er dankbar, dies hätte „viele geistliche Segnungen gebracht“. Es gebe viele gut ausgebildete, engagierte Laien. Zu seinem Ruf als „konservativer“ Bischof meinte er, ihm gefalle, was Chesterton sagte: „Kon­servativ sein heißt, dass man einfach überlegt, warum der Zaun gebaut wurde, bevor man ihn niederreißt“. Zu den Exkommunikationsdekreten 1996 habe er 50.000 unterstützende Briefe erhalten und etwa 300 negative. Viele Bischöfe hätten ihm privat gratuliert, aber gesagt, dass das in ihren Diözesen so nicht funktionieren würde. Er habe einfach seinen Dienst als Bischof tun wollen. Bruskewitz äußerte seine Sorge um die politische Entwicklung – dass die allgemeinen Krankenkassen Abtreibung und Verhütung finanzieren sollen, während katholische karitative Organisationen bei Auslandseinsätzen keine finanzielle Unterstützung bekämen, weil sie Abtreibung und Verhütung nicht förderten. Das sei „alarmierend und beängstigend“. Bruskewitz hob die große Bedeutung einer tiefen Mitfeier der Hl. Messe, der Bibellesung „mit einem guten katholischen Kommentar“ und des Rosenkranzgebets hervor, da marianische Frömmigkeit näher zu CHRISTUS führe. Papst Johannes Paul II., den er als „besonders guten Freund“ be­zeichnete, sei ein brillanter Mann  mit zweifachem Doktorat und außerordentlichen IQ gewesen, und doch sei der Rosenkranz sein Lieblingsgebet gewesen (vgl. www. ncregister.com 26.1.2012, kath.net 1.2.2012) – Bischof Bruskewitz gehört auch zu den Unterzeichnern der Erklärung (Essay) „Hirntod ist nicht Tod!“ nach der Tagung der Päpstl. Akademie der Wissenschaften 2005 (vgl. FMG-Information 87 S. 25ff.).

Säkularismus in katholischen Caritas-Einrichtungen

Rom. Paul Josef Kardinal Cordes, von 1995 bis 2010 Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ für die caritativen Aktivitäten der weltweiten Kirche. In einem Artikel in der „Tagespost“ (4.2.2012) drückte er seine Sorge aus, dass in den caritativen Organisationen der Glaubensgeist vom Säkula­rismus verdrängt werde. Ein Schweizer Bischof habe ihm vor ein paar Jahren geklagt, dass sie „die christliche Verankerung der dortigen ‚Caritas’ nur mit größter Mühe in deren Statuten verankern können“. In den Niederlanden sei schließlich die katholische Caritas in ein konfessionsloses Hilfswerk „Cordaid“ hinein aufgelöst worden. Cordes fragte: „Sollen die christlichen Werke des Helfens wirklich unter die Flügel humanitärer Neutralität flüchten? Sind für das Heil des Menschen CHRISTI Botschaft und Werk relativierbar oder wirklich unverzichtbar?“ Wer die Kirche nicht bloß als Gesellschaftsfaktor, sondern von GOTTES Offenbarung her verstehe, lasse sich „weder durch den Zeitgeist noch durch technische Effizienz beirren“.

Kommentar: zur „halben Million hauptamtlicher Mitarbeiter“ des deutschen Caritas-Verbandes (nach Cordes) gehören auch die Sexualaufklärer, die mit Verhütungsmitteln in die Schulen gehen, wie wir immer wieder berichten mussten (vgl. z. B. FMG-Information 101, S. 33 oder die folgende Meldung!) Hier ist die Ausrichtung am Evangelium und an der Lehre der Kirche längst der „Effizienz“ des Zeitgeistes gewichen! Ein anderes Beispiel: Ein Gastkommentar des Präsidenten der öster­reichischen „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände“ im Internet-Nachrichtendienst „kath.net“ (15.11.2011) kritisierte ent­schieden die Pläne der Caritas, den zwangsweisen verlän­gerten Kindergartenbesuch zu fordern, als Eingriff in die Grund­rechte der Eltern und die Missachtung der Individualität der Kinder.

Sterilisation und Verhütung mit Hilfe von Caritas und SkF

Aachen. In einem Beitrag der „Tagespost“ (3.3.2012) wies Stefan Rehder kürzlich darauf hin, dass die „Städteregion Aachen“ ein mehrsprachiges Faltblatt herausgegeben hat, das unter anderem in katholischen Schulen und Kindergärten des Bistums verteilt wird, auch in Arztpraxen, Apotheken und Kirchengemeinden. Darin werden Männer und Frauen in deutscher, englischer, französischer, arabischer und türkischer Sprache über die Existenz eines sog. „Verhütungsmittelfonds“ in Kenntnis gesetzt, der „Frauen und Männern mit geringem Einkommen“ die Möglichkeit biete, sich „ärztlich verord­nete, langfristige Verhütungsmittel wie Spirale und Hormonimplantat“ bezuschussen zu lassen; Gleiches gelte für „Sterili­sationen für Frauen und Männer“ sowie „in Ausnahmen“ für „Antibabypille, Hormonpflaster, Hormonring und Dreimonatsspritze“. Dieser Fond beläuft sich offenbar auf 30.000 Euro für 2012. Auf dem Faltblatt werden Kontaktdaten von Beratungsstellen aufgeführt, darunter – neben „pro familia“, „donum vitae“ und anderen auch die Schwangerenberatungsstellen „Rat u. Hilfe“ des „Caritasverbandes für das Bistum Aachen“, des „Caritasverbandes für die Region Eifel“ und des „Sozial­dienstes katholischer Frauen“ (SkF). Bei jeder dieser Stellen könne mit den nötigen Unterlagen ein entsprechender Zu­schuss beantragt werden, den die Beratungsstelle prüfe und gewähre.

Auf Rückfrage wurde dem Autor der „Tagespost“ seitens des Caritas-Verbandes erklärt, die katholischen Beratungsstellen wirkten mit, um Menschen mit geringem Einkommen mit dem gesamten Präventions- und Beratungsangebot erreichen zu können; diese könnten dann „eine Gewissensentscheidung“ treffen. Die kirchliche Morallehre akzeptiere zwar nur natürliche Methoden, überlasse aber „die Entscheidung über den Einsatz der gewählten Mittel dem Gewissen der Betroffenen“. Die „Tagespost“ zitiert demgegenüber zu Recht die Lehre des Katechismus, der klar Sterilisation oder Verhütungsmittel als unzulässig bezeichne (KKK 2297, 2399). Auf eine Anfrage der „Tagespost“ an das Bistum Aachen beschied der Presse­sprecher, die Stellungnahme der Caritas spiegle auch die Haltung des Bistums wider.

Kommentar: Der Bischof von Aachen, in dessen letzter Verantwortung das Tun von Caritas und SkF liegt, lässt also Mitarbeiter der katholischen Kirche mitwirken an der Verbreitung von Verhütungsmitteln (von denen manche auch frühabtreibend wirken) und an der Finanzierung von Sterilisationen, die die Lehre der Kirche strikt als moralisch unerlaubt ablehnt! Entsetzlich!

 „Was wir im Auge haben, das prägt uns“

Freiburg i. Br. In seinem Fastenhirtenbrief 2012 „Mit der Kraft der Liebe GOTTES die Welt verwandeln“ schrieb der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, wir machten uns meist kaum Gedanken über die Flut der Wahrnehmungen in den Medien oder auf der Straße. Unser Sehen geschehe beinahe allein. „Doch all das, was wir sehen, prägt uns weit mehr als uns meist bewusst ist. Der optische Eindruck hinterlässt in unserem Fühlen und Denken so manch inneren Fußabdruck.“ Zollitsch zitiert den geistlichen Schriftsteller Heinrich Spaemann: „Was wir im Auge haben, das prägt uns, dahinein werden wir verwandelt. Und wir kommen, wohin wir schauen.“ Er mache uns aufmerksam, dass es „nicht gleichgültig ist, was wir anschauen; dass unser Herz und Denken prägt, worauf wir unseren Blick richten“. Man könne sagen: „Sage mir, was Du anschaust, und ich sage Dir, wer Du bist!“

Kommentar: Es gibt eine ganz konkrete Anwendung dieser Erkenntnis: Was prägt unsere Kinder in „Herz und Denken“, wenn sie in der Schulsexual„erziehung“ mit schamlosen Materialien konfrontiert werden? Wo bleibt die Sorge der Hirten um die „inneren Fußabdrücke“ bei unseren jungen Menschen? Wann werden derartige quälende Sorgen von Eltern ernstgenommen, in die Öffentlichkeit hinein vertreten, bei Gesprächen mit Politikern formuliert? (Aber auch: Was prägt die Kunden des „Weltbild“-Konzerns beim Angebot von pornografischer Literatur? Was prägt auch die „Weltbild“-Mitarbeiter, von deren Arbeitsplätzen jetzt die Rede ist, wenn sie solche Literatur verbreiten?)

Die sieben Wurzelsünden

Bamberg / Wemding. Die Beherrschung der sieben Wurzelsünden machte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick am 17.2.2012 in Wemding bei der Vollversammlung der Freisinger Bischofskonferenz zum Thema. Der Katechismus nenne die Wurzelsünden Stolz, Habsucht, Neid, Zorn, Unkeuschheit, Unmäßigkeit und Überdruss. Sie müssten wir mit allen Möglichkeiten bekämpfen. Demut und Bescheidenheit überwinde den Stolz, die Freigiebigkeit die Habsucht. Der Zorn werde überwunden, indem wir GOTT um Gutes für jene bäten, auf die wir zornig seien. Schick erinnerte an die Versprechen bei Eheschließung oder Priesterweihe, die vor Unkeuschheit bewahrten. Die Unmäßigkeit würde gezügelt durch Fasten, Freitagsgebot usw. Die Erfüllung der Pflichten und Aufgaben bewahre vor der Trägheit. Viele heute seien der Ansicht, es brauche keine Askese und keinen Kampf gegen das Böse. „Diese Haltung macht uns Christen und die Kirche schwach und konturlos“, so Schick. Der Bamberger Oberhirte und zweite Vorsitzende der Freisinger Bischofskonferenz warnte eindringlich vor „Lust und Frust“. Diese beiden ähnlich klingenden Begriffe würden einander bedingen: „Wer seinen Gelüsten nachgibt, endet im Frust“. Das Ziel jedes Christen müsse sein, die sieben Wurzelsünden zu beherrschen, um „frei zu werden für ein Leben vor GOTT mit JESUS CHRISTUS zum Wohl des Nächsten“. Jeder Christ und die gesamte Kirche trage das Leben CHRISTI in Fülle in sich. „Wer das erkannt hat, der wird in Freude und Freiheit das Evangelium leben in der Nachfolge CHRISTI“, und so werde die Kirche erneuert (vgl. kath.net/peb 17.2.2012).

Treue zu liturgischen Vorschriften eingefordert

Utrecht, Niederlande. Der Erzbischof von Utrecht, Wim Kardinal Eijck, hatte im Januar 2012 einem Pastoralreferenten die Missio Canonica entzogen, weil dieser in einer hl. Messe gepredigt hatte. Nach dem Kirchenrecht (can. 767 § 2) ist die Homilie einer Messe dem Bischof, Priester oder Diakon vorbehalten. Nachdem dieser Pastoralreferent sich öffentlich für seinen liturgischen Missbrauch entschuldigt und seine künftige Treue zu den liturgischen Vorschriften erklärt hatte, setzte der Kardinal ihn wieder in sein Amt ein. - In einem Brief erinnerte der Erzbischof dann alle Priester, Diakone und Laien im pastoralen Dienst der Erzdiözese an die Einhaltung der liturgischen Vorschriften. Es sei Pflicht der Bischöfe, die „gemeinsame Ordnung der ganzen Kirche zu fördern und deshalb auf die Befolgung aller kirchlichen Gesetze zu drängen“. Er ermahnte alle: „Sollte ich in Zukunft unerwartet feststellen, dass die für die hl. Eucharistie geltenden litur­gischen Vorschriften wiederum verletzt werden, werde ich nicht davor zurückschrecken, den Verantwortlichen kirchenrechtliche Strafen aufzuerlegen, wobei auch der Entzug der Missio Canonica nicht ausgeschlossen ist“ (vgl. kathnews.de 24.1.2012; kathnews.de 8.13.2012).

Den persönlichen „Reformstau“ abbauen

Regensburg. Bischof Gerhard Ludwig Müller warnte in seinem Fastenhirtenbrief vor einer Verweltlichung der Kirche. Die Botschaft der vorösterlichen Gnadenzeit sei der Ruf „zur Erneuerung in JESUS CHRISTUS“. Jene, die das Schlagwort vom „Reformstau“ unreflektiert auf die Kirche übertragen, merkten nicht, dass sie „dadurch den Tempel GOTTES entweihen und die Kirche JESU CHRISTI verweltlichen“. Mit der „Unterwerfung kirchlicher Einrichtungen und Lehren unter den Zeitgeist“ sei keine neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Es gebe Reformbedarf, „aber der liegt bei uns“. Wir sollten „den Reformstau vor der eigenen Haustür“ abbauen, indem wir die Gebote GOTTES und die Weisungen der Kirche treu und freudig erfüllen“, denn sie dienten dem Heil (vgl. kath.net 24.2.2012). – Der Regensburger Bischof, für den Gerüchte einen Ruf nach Rom zuschreiben, hatte in einer Predigt zu Maria Lichtmess die österreichische „Pfarrer-Initiative“ massiv kritisiert: „Die Unter­stützer schlagen ihre Weiheversprechen in den Wind, wenn sie in ihrer Aktion zum Ungehorsam aufrufen“. Der Ungehorsam gegenüber GOTT und auch gegenüber der legitimen kirchlichen Leitung sei „ein Übel, das Spaltung in die Kirche hineinträgt und unser Grundverhältnis zu GOTT verfälscht“. Man soll sich nicht einreden lassen, dass Gehorsam nicht zu einem „von Autonomie und Selbstbestimmung geprägten Menschen“ passe; der Mensch sei nicht autonom, sondern verdanke sich „eucharistisch ganz und gar GOTT“. Wahre Reform im christlichen Sinn heiße Erneuerung in JESUS CHRISTUS (vgl. kath.net 7.2.2012).

Konzelebrationen reduzieren

Vatikan. Kardinal Antonio Canizares Llovera, der Präfekt der Liturgiekongregation, äußerte mit Bezugnahme auf ein neues französischsprachiges Buch über die Konzelebration der hl. Eucharistie, die Konzelebrationen müssten eingeschränkt wer­den. Die Konzelebration sei „ein außerordentlicher, feierlicher und öffentlicher Ritus, dem normalerweise der Bischof oder sein Delegat vorsteht, umgeben von seinem Presbyterium und der ganzen Gemeinde der Gläubigen“. Die täglichen Konzele­brationen nur von Priestern statt der individuell gefeierten Messen seien kein Teil der lateinischen liturgischen Tradition. Es sei nötig, die Ausweitung der Konzelebrationsmöglichkeiten zu mäßigen, sagte der Präfekt mit Hinweis auf das 2. Vatikanum. Das Zeichen der Konzelebration sei es, das Paschamysterium gegenwärtig zu machen, indem die Einheit des Priesteramtes manifestiert wird, aus dem die hl. Eucharistie geboren werde. Wenn die Zahl der Konzelebranten zu groß sei, gehe ein wesentlicher Aspekt verloren. Er zitierte Papst Benedikt XVI., der den Äußerungen der Synodenväter zugestimmt hatte, „die tägliche Feier der Messe zu empfehlen, auch wenn Gläubige nicht anwesend sind. Diese Empfehlung stimmt überein mit dem objektiv unendlichen Wert jeder Eucharistiefeier und ist motiviert aus der einzigartigen geist­lichen Fruchtbarkeit der Messe“ (vgl. kath.net 7.3.2012).

Klerikerrevolte im 20. Jahrhundert

Rom / Würzburg. Der neuernannte Kardinal Walter Brandmüller, emeritierter vatikanischer Kirchengeschichtler, lenkte in einem Artikel der Würzburger katholischen Tageszeitung „Tagespost“ (8.3.2012) den Blick auf die tschechoslowakische Klerikerrevolte Anfang des 20. Jahrhunderts und zog Parallelen zur „Pfarrer-Initiative“ in Österreich. Aufrufe von Klerikern zum Ungehorsam gegenüber der katholischen Kirchenführung seien nicht neu. An der Wende zum 20. Jahrhundert habe es eine in Österreich entstandene „Los-von-Rom-Bewegung“ des Georg Ritter von Schönerer gegeben, der deutschnationale, antiklerikale und antisemitische Ideen zugrunde lagen: „Ohne Juda, ohne Rom bauen wir den deutschen Dom“. Es sei der intensiven Propaganda, vom deutschen „Gustav-Adolf-Verein“ unterstützt, gelungen, im Verlauf eines Jahrzehnts etwa 100.000 österreichische Katholiken zum Abfall von der Kirche zu bewegen. Nach der Zerschlagung der habsburgischen Monarchie und der Errichtung der tschechoslowakischen Republik 1918 habe sich dort eine Bewegung für eine demokratische unab­hängige Nationalkirche gebildet, verbunden mit der Forderung nach nationalsprachlicher Liturgie, Verkürzung des Brevier­gebetes und vor allem nach Abschaffung des Zölibats. Der päpstliche Nuntius in Wien habe sich in Prag ein Bild der Lage verschafft, sei auch mit den Führern dieser „Jednota“-Be­wegung zusammengetroffen. Zwar sei die Ernennung einge­sessener tschechischer bzw. slowakischer Bischöfe und die Abschaffung von Adelsrechten auf der Linie von Benedikt XV. gelegen und habe auch die Frage der Liturgiesprache erwogen werden können, alles übrige aber sei mit dem Glauben und dem Recht der Kirche unvereinbar beurteilt worden. Eine „Jednota“-Delegation konnte diesbezüglich auch in Rom keinen Erfolg haben. So kam es zu einer Scheidung der Geister im Klerus; ein „harter Kern“ war entschlossen, ihre Reform­forderungen durchzusetzen. So wurden die Priester aufgerufen, öffentlich zu heiraten, es wurden 1200 Gesuche um Dispens vom Zölibat eingereicht, und die Entwicklung steuerte auf ein Schisma zu. Ausweislich einer Volkszählung von 1921 schlos­sen sich dieser proklamierten „Tschechoslowakischen Kirche“ nur 3,9% der Tschechen an, während 76,3% der katholischen Kirche treu blieben. Heute, so Brandmüller, dürften dieser sich mittlerweile tschechisch-hussitischen Kirche nennenden Ge­meinschaft etwa 100.000 Mitglieder angehören. Der ge­schichtskundige Kardinal analysiert in seinem Artikel die Reak­tion des Hl. Stuhls auf die Entwicklung: „In Rom erfasste man – nach einer relativ kurzen Phase des Beobachtens – den ganzen Ernst der Lage.“ Der Nuntius hatte dem Kardinalstaats­sekretär Gasparri zu einer unmissverständlichen und entschie­denen Haltung geraten, denn die Vorkämpfer der „Jednota“ seien durch Konzessionen nicht mehr zu gewinnen, während Schwankende durch Nachgeben weiter verunsichert würden. Nach Vollzug des Schismas am 8.1.1920 reagierte Rom unver­züglich; die schismatischen Priester wurden exkommuniziert und dieses Dekret unverzüglich den Gläubigen bekannt­gemacht. Papst Benedikt XV. nahm bei zwei Gelegenheiten persönlich Stellung und betonte insbesondere, dass dir Kirche niemals „dieses heilige und höchst heilsame Gesetz des pries­terlichen Zölibats in irgendeiner Hinsicht abschwächen oder abschaffen werde“. Kardinal Brandmüller bewertet in seinem Artikel die „nicht durch pragmatisch-politische Überlegungen bestimmte, sondern allein an der Wahrheit des Glaubens orientierte Handlungsweise des Hl. Stuhls“ als richtig, was die erwähnte Volkszählung, aber auch die Massenkundgebung Hunderttausender bei der Weihe des Olmützer Bischofs Stojan 1921 als „eindrucksvolle Demonstration der Treue zu Papst und Kirche“ gezeigt hätten.

Gegen Bedrohung der Religionsfreiheit in den USA

Vatikan / Washington D.C. Seit Januar gibt es eine große Zahl von Meldungen über die energische Kritik vieler US-Bischöfe an einem Aspekt des Gesundheitsgesetzes von US-Präsi­dent Obama. Dieses beinhaltet die Finanzierung von Mitteln zur „Familienplanung“ – Sterilisierungen, Verhütung einschließ­lich abtreibender Mittel – und die Verpflichtung der Arbeitgeber, ihren Beschäftigten die Finanzierung derartiger Leistungen anzubieten. Zwar wären Religionsgemeinschaften im engen Sinn ausgenommen, nicht aber Unternehmen in konfessioneller Trägerschaft wie Krankenhäuser oder Schulen. Die Bischöfe sehen die Gefahr, dass so religiöse Gruppen oder Personen genötigt werden, gegen ihre Gewissensüberzeugung zu verstoßen. Zwar begrüßen die Bischöfe die Gesundheitsreform an sich, fordern aber, sie dürfe ausschließlich der Prävention und Behandlung von Krankheiten dienen. Es gibt auch schon Klagen von Bundesstaaten und, als erster katholischer Organisation, vom Privatsender EWTN gegen dieses Bundesgesetz.

Ein zweiter Bereich, in dem die US-Bischöfe zunehmend die im US-Grundrechtskatalog definierte Religionsfreiheit gefährdet sehen, die sich immer mehr auf eine „sehr begrenzte Kultfrei­heit“ reduziere, ist die Ehegesetzgebung. Belege dafür sind die Auseinandersetzungen zur Definition der Ehe (auch bei homo­sexuellen Verbindungen), die Forderung, kirchliche Adoptions­vermittlungsstellen dürften Homosexuelle nicht ausschließen (was schon zur Schließung einiger katholischer Adoptions­agenturen geführt hat).

Der Bischof von Chicago, Francis Kardinal George, drohte mit einer Schließung katholischer Kliniken, wenn die Gesundheits­reform nicht korrigiert werde. Die Kirche stehe vor der Wahl, die katholische Ausrichtung ihrer Sozial- und Bildungs­einrichtungen aufzugeben, horrende Strafen zu zahlen, die Einrichtungen an nichtkatholische Träger zu verkaufen oder sie binnen zwei Jahren zu schließen.

Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Timothy Michael Dolan von New York, hob in einem Schreiben an alle Mitbischöfe – verfasst zusammen mit  William Edward Lori (Bischof von Bridgeport und Vorsitzender des Komitees für Religionsfreiheit der Bischofskonferenz; er wurde am 20. März vom Hl. Vater mit dem angesehenen Stuhl des Erzbistums Baltimore betraut) – hervor, dass es nicht um eine Option zwischen Republikanern oder Demokraten, zwischen Konser­vativen oder Progressiven gehe, auch nicht nur um das Thema Verhütung und pharmazeutische Abtreibung, sondern um die Achtung der Gläubigen. Das sei die erste und wichtigste Voraussetzung für die Religionsfreiheit und gehe alle an. Der Kardinal dankte allen Bischöfen für das Zeugnis der Einheit im Glauben. Auch Papst Benedikt XVI. machte sich in seiner Ansprache an die zu Ad-limina-Besuchen nach Rom gekom­menen US-Bischöfe diese Themen der Bedrohung der Gewissens- und Religionsfreiheit und der Ehe zu eigen. (Vgl. kath.net 28.2.2012, 10.3.2012, DT 28.2.2012 u.a.)

Kommentar: Als deutscher Katholik staunt man über diese massive und alarmierende geschlossene Reaktion der US-Bischöfe. Hierzulande wird der Zwang für alle Bürger, mit ihren Steuern die Abtreibung und mit ihren Krankenkassenbeiträgen Sterilisierung oder Verhütung zu finanzieren, längst ohne Protest der Kirche hingenommen, ja katholische Organisationen wirken sogar mit (siehe oben: Caritas usw.)!

Firmung vor Erstkommunion

Rom / Fargo, USA. Bei seinem Ad-limina-Besuch bei Papst Benedikt XVI., so berichtete der Bischof von Fargo in North Dakota, Samuel Aquila, habe dieser ihm zu seiner Überraschung gesagt, „wie glücklich er sei, dass die Einführungssakramente wieder in ihre ursprüngliche Reihenfolge versetzt sind“. Entgegen der heute meist üblichen Praxis tritt Aquila in seiner Diözese für die Firmung vor der Erstkommunion ein. Bei den Kindern mache die Reihenfolge Erstkommunion nach der Firmung deutlich, dass sowohl Taufe wie Firmung zur Eucharistie hinführten. Er lehne falsche theologische Aussagen ab, wonach die Firmung „ein Sakrament des Erwachsenwerdens“ oder „ein Sakrament des ‚Ich entscheide mich für GOTT’ sei (vgl. kath.net 12.3.2012, dazu FMG-INFORMATION 103, S. 12).

Scharfe Kritik an der Änderung der Ehe-Definition

London. Die Erzbischöfe von Westminster und Southwark, Vorsitzende der Bischofskonferenz von England und Wales, kritisierten in einem Hirtenbrief die Vorhaben der englischen Regierung, die gesetzliche Definition der Ehe zu ändern, nämlich schwule und lesbische Partnerschaften auch mit dem Begriff „Ehe“ zu beschreiben. Das wäre ein „ungemein radikaler Schritt“ mit ernsten Konsequenzen. Die Erzbischöfe Vincent Nichols und Peter Smith schrieben, eine Gesetzesänderung „würde allmählich das Verständnis des Ehezwecks verändern und auf die Bindung zwischen nur zwei Personen reduzieren, auf Kosten der Anerkennung der Komplementarität von Mann und Frau“ und auf Kosten der Anerkennung der Tatsache, dass „der Ehezweck die Hervorbringung und Erziehung von Kindern“ ist. Die Wurzeln der Ehe lägen in der menschlichen Natur, in die Komplementarität von Mann und Frau und Fruchtbarkeit hineingeschrieben sei. Die christliche Lehre decke die tiefste Bedeutung auf, doch weder Staat noch Kirche hätten das Recht, dieses grundlegende Verständnis von Ehe zu ändern. Dies sei nicht nur eine Frage der öffentlichen Meinung. Das katholische Verständnis gehe von der Ehe als natürlicher Einrichtung aus, hebe diese als Sakrament auf eine noch höhere Ebene, „wo GÖTTliche Gnade fließt“ (vgl. kath.net 13.3.2012). Schon vorher hatte Kardinal Keith O’Brien, der Vorsitzende der Schottischen Bischofskonferenz, im „Sunday Telegraph“ kritisiert, man könne es sich nicht leisten, „diesen Wahnsinn hinzunehmen“. Die Regierung plane „in grotesker Verkennung eines weltweit akzeptierten Menschenrechts“, eine über Jahrhunderte gewachsene Institution „auf Bestreben einer kleinen Minderheit von Aktivisten“ neu zu definieren. Die Ehe sei nicht durch Regierungen ins Leben gerufen worden und „sollte deswegen auch nicht durch sie geändert werden“, so O’Brien. Gegen die Gesetzesinitiative wendet sich ein breites Bündnis von Politikern und Kirchenvertretern; eine Unterschriftenliste hatte innerhalb von wenigen Wochen rund 100.000 Unterstützer (vgl. DT 6.3.2012).

Dialog oder Zweifel am Lehramt

Köln. Der emeritierte Kölner Weihbischof Klaus Dick hob in einem Interview mit der „Tagespost“ (20.3.2012) hervor, die Kirche – jeder Einzelne - müsse die Wahrheit verkünden, „sei es gelegen oder ungelegen“: „Ohne GOTTES Wahrheit wird unser Leben unerklärlich und sinnlos“. Dick hält es deshalb für notwendig für das „Jahr des Glaubens“, „dafür zu sorgen, dass der Analphabetismus des Glaubens weitestgehend behoben wird“. Auf den „Dialogprozess“ auf dem Hintergrund der Würz­burger Synode vor 30 Jahren angesprochen, bescheinigte Dick unserer Gesellschaft eine „sehr schlechte Dialogkultur“. In politischen Gesprächsrunden gehe es nicht darum, Erkenntnis zu gewinnen, sondern den eigenen Standpunkt durchzusetzen. Diese Gefahr bestehe auch in der Kirche. Zum Thema Zölibat sagte der Weihbischof, wenn darüber ein „Dialog“ gefordert werde, dann müsse man aus Redlichkeitsgründen sagen, „dass sich seit dem Konzil eine ganze Bischofssynode mit diesem Thema befasst hat. Wenn man dann deren Ergebnisse wieder bekämpfen und den eigenen Standpunkt durchsetzen will“, solle man nicht nach „Dialog“ rufen, sondern klar machen, dass man protestiere und damit „das Lehramt in Zweifel“ ziehe – mit Dialog habe das „aber nichts mehr zu tun“.

  

  

 

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