(FMG-INFORMATION 100, Juli 2010)

 

Kardinal Sterzinskys völlig falsche Antwort

 

Schulsexual„erziehung“ ist kein Schutz vor Missbrauch, sondern eine „Form des Missbrauchs der jungen Generation in der Sexualsphäre“

 

1. Am 12. April wandte sich der Freundeskreis Maria Goretti e. V. angesichts der heftigen öffentlichen Debatte über den schreck­lichen Kindesmissbrauch mit einer Stellungnahme (als Leserbrief) an verschiedene Zeitungen. (Vereinzelt, zum Teil stark verkürzt, wurde der Leserbrief veröffentlicht.) Darin schrieben wir:

 

»Ein Nachdenken über die Ursache des Kindesmissbrauchs setzt ein. Doch unter dem Stichwort „Prävention“ versteht gar mancher, Kinder und Jugendliche einfach „noch mehr aufzuklären“. Das halten wir für einen verhängnisvollen Irrweg, sowohl von der Vernunft als auch von der Erfahrung der Pädagogik und von der gesunden Lehre der Kir­che her.

Wer kann erklären, dass eine „Aufklärung“, die mit Entschamung und Störung der kindlichen Unbefangenheit einhergeht und die detaillierte phantasiebelastende Beschreibung des Ge­schlechtsaktes und Verhütungsindoktrination beinhaltet, vor sexuellem Missbrauch schützen soll?

Steht an der Wurzel des Missbrauchs nicht vor allem die Missachtung des Wertes der Keuschheit (als Tugend eines jeden Menschen, je nach seinem Lebensstand)? Die Erziehung zur Keuschheit hat der Konvertitenkardinal John Henry New­man, der bald seliggesprochen wird, als „Ruhm der katholi­schen Kirche“ bezeichnet. Der Aufstand gegen „Humanae vitae“ seit 1968 und die Infragestellung der kirchlichen Sexualmoral schon vorher (sonst wäre der Dammbruch 1968 gar nicht möglich gewesen) im Kontext der „sexuellen Revo­lution“ der Gesellschaft sind wohl nicht für alle abscheulichen Missbrauchsverbrechen ursächlich, aber sie haben doch viele von diesen schuldig gewordenen Ordensleuten und Priestern bestärkt, ihren sündhaften Neigungen nachzugeben und junge Menschen zu missbrauchen.

Hätte man nicht unterlassen, die „Faszination der Keuschheit“ (Johannes Paul II.) zu leben und jungen Menschen anziehend vor Augen zu stellen, wäre eine Vorbereitung auf treue Ehen, auf das Halten von Zölibatsversprechen und Ordensgelübden, die Ehrfurcht vor in Ehe und Priesterstand gebundenen Men­schen und die Ehrfurcht vor den verletzlichen Kindern und Jugendlichen aufgebaut worden.

Mit der Keuschheit untrennbar verbunden ist die Tugend des Starkmutes, der dem sexualisierten Zeitgeist widersteht, aber auch Kraft schenkt, eher unsittliche Berührungen und Miss­brauchsversuche abzuwehren – getragen von der Atmosphäre einer liebenden Familie.

Die Richtigkeit dieser Ansicht bestätigt übrigens auch die Aus­sage des renommierten Sexualtherapeuten Christoph Joseph Ahlers von der Berliner Charité in einem Interview der links-alternativen Tageszeitung „taz“ (18.3.2010): „Es werden vor allem Kinder Opfer sexueller Übergriffe, die zu Hause nicht genug Liebe und Aufmerksamkeit bekommen. Je geborgener und wertgeschätzter Kinder aufwachsen, desto besser sind sie gegen sexuelle Übergriffe gefeit. Selbstbewusste Kinder kön­nen sich stärker abgrenzen und gegebenenfalls widersetzen, auch bei Missbrauch in ihrem persönlichen Umfeld.“

 

An einfachen Beispielen heiliger Jugendlicher wird die Richtig­keit katholischer (wirklicher) Sexualerziehung deutlich. Eine heilige Maria Goretti wurde ohne detaillierte Sexualaufklärung von der Mutter durch ihr Beispiel und ihr Wort tief im Glauben gefestigt. Trotzdem wusste sie ganz genau Bescheid, was der Verführer Alessandro von ihr wollte. Sie machte ihn auf die Sünde aufmerksam. Zwar konnte sie sich dann seiner physischen Gewalt nicht erwehren und wurde, weil sie ihm nicht zu Willen war, tödlich verletzt. Ihren heroischen Starkmut zeigte sie, als sie auf dem Sterbebett ihrem Mörder „um JESU willen“ verzieh.

Ist das nur fernes, unerreichbares Ideal? Die Antwort mag der Brief eines 16-jährigen Jugendlichen an den Papst geben (geschrieben vor einem Jahr nach den Attacken von Presse und Politik gegen Benedikt XVI. wegen der Ablehnung des Kondoms): „…Dank Ihnen, Heiliger Vater, der uns erinnert, einfache, redliche Menschen zu sein, während so viele, die sich als Intellektuelle bezeichnen, uns erniedrigen wollen in den Rang unserer vierfüßigen Freunde. Dank Ihnen, dass Sie mir gesagt haben, dass Reinheit eine Tugend ist, die schwer zu praktizieren ist, aber dennoch möglich, und dass sie uns zu entdecken hilft, was wahre Liebe ist… Ich will weiter glauben, dass das schönste Geschenk an die Frau, die mit mir das Leben teilen will, die Tatsache ist, dass ich mich für sie vorbe­halten habe… Charles“.«

 

2. Zu vielfachem Entsetzen und Unverständnis traten nicht (nur) „die üblichen Verdächtigen“, die bekannten Wortführer der Schulsexual„erziehung“, mit der Forderung auf, die Sexualerziehung müsse vermehrt und verstärkt werden, um den Missbrauch zu verhindern, sondern ein leibhafter Kardinal.

 

In einer Talksendung des SWR („2+Leif“) zeigte der Berliner Erzbischof, Georg Kardinal Sterzinsky, seine Betroffenheit über die Missbrauchsfälle und forderte „bereits in der ersten Klasse Sexualkundeunterricht einzuführen“. Er habe seinen Schul­dezernenten gefragt und „war selber verwundert, wie viel Phantasie da aufgebracht wird, seit Jahren, seit Jahrzehnten, was da also zur Prävention geschieht“. Doch solle man nicht erst in der dritten oder vierten Klasse, sondern bereits in der ersten Klasse mit der Sexualerziehung beginnen.

Im christlichen Internetforum „Medrum“ kommentierte am 20.4. Kurt J. Heinz: Der Kardinal habe damit „ein erweitertes Einsatzfeld für Vereine wie ‚pro familia’ und die ‚Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung’ oder auch für Theaterstücke wie ‚Mein Körper gehört mir’ entdeckt'. Seine Idee von der schulischen Sexualfrühaufklärung wird Kinder kaum vor dem Missbrauch durch Täter aus dem Amtsbereich der Katholischen Kirche oder pädophiler Reformpädagogen bewahren.“

Weiß der Kardinal wirklich nicht, was schon in der Grund­schule, ja mitunter schon im Kindergarten an Missbrauch der kindlichen Seelen durch die sog. Sexual„erziehung“ geschieht? Die ihm seit Jahrzehnten zugesandte „FMG-INFORMATION“ hat er offensichtlich mit Missachtung ge­straft. - Bei den „Reformpädagogen“, die schon in Kinder­läden „freie“ Sexualität praktizierten, hätte es dann im Übrigen keinerlei Missbrauch junger Menschen geben dür­fen!

Regine Schwarzhoff, Vorsitzende des Elternvereins NRW e. V. stellte in einem Interview mit der Internetzeitung „Die Freie Welt“ (abgerufen 5.5.10) fest:

„An unserem Nottelefon haben wir immer wieder entsetzte Eltern, die beim Elternverein Rat suchen und haarsträubende Geschichten erzählen. Im Alter von 8 bis 9 Jahren lernen Kinder in der Grundschule unter anderem, Kondome über Holzpenisse oder Bananen zu ziehen, und müssen Schilde­rungen sexueller Praktiken von ihren Lehrkräften anhören. Oft wird ihnen von sexuellen Kontakten Erwachsener so detailliert berichtet und vorgeschwärmt, dass besonders Jungen neu­gierig gemacht werden und versuchen, diese Dinge an sich selbst oder gar an Mitschülerinnen auszuprobieren. Die stimu­lierenden und sexualisierenden Broschüren der Bundes­zentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA – immerhin eine Bundesbehörde – dienen dazu als Grundlage, aber gleichzeitig als Legitimation, obwohl die BZgA sie ‚nur’ zur Verfügung stellt. Die Broschüre der BZgA für die 8-12-Jährigen ‚Kleines Körper-ABC’ enthält unter anderem detailgetreue realistische Zeichnungen von Erwachsenengenitalien beider Geschlechter. Über Kinder, die sich beim Betrachten solcher Bilder schämen, wird gelacht; manchmal stellen Lehrkräfte sie sogar vor der Klasse bloß als verklemmt und prüde. Deshalb schämen sie sich so sehr, dass sie sich nicht einmal der eigenen Mutter anvertrauen können. Wenn wir Eltern von die­sen Dingen erfahren, dann nur aus Zufall, weil die Kinder eine Frage stellen oder irgendein Wort gebrauchen, das wir nicht in ihrem Wortschatz vermutet hätten. Eine Mutter berichtete kürzlich von einer Lehrerin, die den Kindern frank und frei eine Abtreibung gestand und dies als geeignetes Mittel der ‚Empfängnisverhütung’ darstellte. In einem anderen Fall wurde Grundschulkindern der Geburtsvorgang anschaulich darge­stellt, indem eine mit der Lehrerin befreundete Hebamme eine Puppe durch den Ausschnitt eines Pullovers quetschte, während die Lehrkraft dazu passend stöhnte und hechelte. Man muss nicht mal gläubiger Christ sein, um solche Darstel­lungen abzulehnen. Wenn Eltern ihre Kinder bewusst christlich erziehen, werden ihre Erziehungs- und Glaubensgrundsätze durch solchen ‚Unterricht’ gravierend untergraben…“

Regina Schwarzhoff antwortete auch auf die Frage, ob Kinder nicht frühzeitig eine klare Vorstellung von Sexualität bräuchten, um sich gegen Übergriffe wehren zu können: „Das ist ein schwerwiegender Irrtum, der diese Misere mit ausgelöst hat. Die sexuelle ‚Befreiung’ führt dazu, dass die natürliche Scham der Kinder ausgehebelt wird… Das bedeutet, dass der angeborene Schutzmechanismus, der ein Kind vor einem entblößten Geschlechtsteil oder ungewollten Berüh­rungen weglaufen lässt, vernichtet wird. ‚Das habe ich ja schon in der Schule gesehen, dann ist das ja wohl normal’, wird das Kind denken, statt sich in Sicherheit zu bringen. Die detail­lierten Ausführungen über die Sexualität Erwachsener er­wecken bei den Kindern den Eindruck, dass sie sich dafür interessieren müssen und dass es sie angeht, schon im Alter von 8 oder 9 Jahren. Das bedeutet, ihnen wird ihre Unwis­senheit, also ihre ‚Unschuld’ genommen, die sie auch davor schützt, sich daran schuldig zu fühlen, wenn Erwachsene sich an ihnen vergreifen. Dadurch dass ihnen Verständnis für solche Handlungen abverlangt wird – sie sollen ja diese Hand­lungen verstehen –, wird ihre Distanz derart verringert, dass sie sich von Beginn an einbezogen und verwickelt fühlen; der Be­freiungsimpuls wird dadurch erst recht ausgehebelt.“

 

Wir haben in der FMG-INFORMATION schon mehrfach zitiert aus dem „Lexikon Familie“, herausgegeben vom Päpstlichen Rat für die Familie. Das Geleitwort zur deutsch­sprachigen Ausgabe 2007 unterschrieb – ja wer? Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky als „Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie“ der Deutschen Bischofskonferenz. Wir empfehlen ihm dringend, sich den Artikel „Verletzung der Rechte des Kindes, Gewalt und sexuelle Ausbeutung“ einmal anzuschauen und anzueignen. Darin wird aufgezeigt, dass der Kindesmissbrauch „zuerst und vor allem als eine Verletzung sittlichen Charakters zu verurteilen ist“ und nicht nur psychischer Schaden und negative Folgen für die soziale und emotionale Entwicklung des Kindes verursacht, sondern insbesondere deshalb „so empörend (ist), weil er spirituell schadet, den Persönlichkeitswert und die Würde des Kindes verletzt, dessen Fähigkeit beeinträchtigt, sich selbst zu ak­zeptieren, und des Kindes Blick auf die Welt und seine Vor­stellung von GOTT zerstört“ (S. 420). Unter den „kulturellen Bedingungen des Missbrauchs“ wird die „Allgegenwärtigkeit der Sexualität in der westlichen Kultur“ benannt: „sie vermittelt den Kindern allerorten sexuelle Kenntnisse, setzt sie sexuellen Reizen aus, lässt sie nach sexuellen Erfahrungen gieren (Sexualität als Droge), zerstört das Gefühl für Scham und Anstand, das Bedürfnis nach Intimität und Privatsphäre sowie die Achtung vor dem Körper – und zugleich macht sie das Kind für sexuelle Verführung anfällig, während Individuen mit krankhaften Neigungen zu schamlosen Handlungen provoziert werden“. Und in diesem Kontext, so wird dargelegt, steht auch das Präsentieren der Sexualität in den Medien und im Sexual­unterricht (S. 423).

 

Wörtlich heißt es im „Lexikon Familie“ (S. 425): „Der Heilige Stuhl weist warnend darauf hin, dass der Sexualkundeunterricht in den Schulen und die Pornographie in den Medien gegenüber der jungen Generation Formen des Missbrauchs in der Sexualsphäre sind.“

Will Kardinal Sterzinsky also – und wir folgen hier nur den Ausführungen in einem Werk, für das er das Geleitwort schrieb! – den Kindesmissbrauch bekämpfen, indem er eine Vermehrung des Missbrauchs fordert? Wir erhoffen Einsicht und eine Rücknahme und Richtigstellung seiner Aussagen im Fernsehen!

 

 

 

 

Ehe und homosexuelle Lebensgemeinschaft

 

Eine Stellungnahme von Kardinal Carlo Caffarra, Erzbischof von Bologna

vom 14. 2. 2010 (Fest der Europapatrone Cyrill und Methodius)

 

Quelle: FMG-Übersetzung aus „Cristianità“ 355, 1-3/2010; dort heißt es, diese „nota dottrinale“ („Lehrschreiben”)

sei übernommen aus „Bologna Sette“, Beilage des „Avvenire“, Nr. 7, Mailand, 14.02.2010.

 

In einer Meldung von LifeSiteNews im Februar hieß es dazu, Erzbischof Caffarra, Moraltheologe und Kirchenrechtler, habe in einer auf der diözesanen Website veröffentlichten Stellungnahme, die auch in der Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“ auszugsweise abgedruckt wurde, gesagt, Politiker, die ein Recht auf gleichgeschlechtliche Ehen anerkennen, dürften sich nicht als Katholiken bezeichnen. Die Gleichstellung sogenannter homosexueller „Ehen“ mit der Ehe von Mann und Frau sei eine schwere Verletzung des Gemeinwohls, ebenso wie etwa ein Adoptionsrecht für Homosexuelle. Katholische Politiker hätten die ernste Verpflichtung, in ihren Überzeugungen, Gedanken und Vorschlägen, widerspruchsfrei  zu sein und nicht Inhalte zu vertreten, die mit der Lehre der Kirche unvereinbar seien. Noch schwerwiegender sei es, wenn ein Politiker einen Gesetzesvorschlag einbringe, der gleichgeschlechtliche „Ehen“ ermögliche oder wenn er für diesen abstimme. „Dies ist ein öffentlicher und schwerer Akt der Unmoral“. - Wir wollten den Wortlaut der Stellungnahme kennenlernen:

 

»Das vorliegende Schreiben richtet sich in erster Linie an die Gläubigen, damit sie sich nicht durch die Massenmedien ver­wirren lassen. Ich wage jedoch zu hoffen, dass es auch von Nicht-Gläubigen in Betracht gezogen wird, die ohne jedes Vorurteil von der eigenen Vernunft Gebrauch machen wollen.

1. Die Ehe ist eines der kostbarsten Güter, über die die Menschheit verfügt. In ihr findet die menschliche Person eine der grundlegenden Formen der eigenen Verwirklichung; und jede Rechtsordnung ließ ihr eine bevorzugte Behandlung zu­teilwerden, weil man sie stets als von größtem öffentlichem Interesse betrachtete.

Im Westen macht die Institution Ehe vielleicht ihre größte Krise durch. Ich sage dies nicht mit Blick auf oder wegen der immer höheren Scheidungs- und Trennungsraten; ich sage es nicht wegen der Zerbrechlichkeit, die die eheliche Bindung immer mehr von innen heraus zu untergraben scheint; ich sage es nicht wegen der wachsenden Zahl derer, die ungebunden mit­einander zusammenleben. Ich sage es also nicht mit Blick auf die Verhaltensweisen.

Die Krise betrifft vielmehr die Bewertung des Gutes der Ehe. Vor der Vernunft ist die Ehe in eine Krise geraten, weil man für sie nicht mehr die angemessene Wertschätzung hat, die ihr aufgrund ihrer Kostbarkeit zukommen müsste. Die Sicht auf ihre unvergleichbare ethische Einzigartigkeit hat sich ver­dunkelt.

Das sichtbarste, wenn auch nicht einzige Signal dieser „intellektuellen Missachtung" ist die Tatsache, dass einige Staaten den homosexuellen Verbindungen die rechtliche Anerkennung gewährt haben oder gewähren wollen, indem man sie der legitimen Verbindung zwischen Mann und Frau gleichstellt und auch die Berechtigung zur Adoption von Kindern mitein­schließt.

Unabhängig von der Zahl der Paare, die von dieser Anerkennung Gebrauch machen wollen – und sei es nur ein einziges! – würde eine solche Gleichstellung eine schwere Verletzung des Gemeinwohls bedeuten.

Dieses Schreiben beabsichtigt dabei zu helfen, diesen Schaden zu erkennen. Es will auch jene katholischen Gläubigen erleuchten, die öffentliche Verantwortung tragen, damit sie keine Entscheidungen treffen, die öffentlich ihre Zugehörigkeit zur Kirche Lügen strafen würden.

2. Die Gleichstellung der homosexuellen Verbindung mit der Ehe würde objektiv die Neutralität des Staates bedeuten ge­genüber zwei Formen, die Sexualität zu leben, die in Wirklich­keit nicht gleich bedeutend sind für das Gemeinwohl.

Während die legitime Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau das – nicht nur biologische! – Gut der Fortpflanzung und des Überlebens der Menschheit sichert, ist die homosexuelle Verbindung in sich der Fähigkeit zur Zeugung neuen Lebens beraubt. Die heute durch die künst­liche Befruchtung angebotenen Möglichkeiten – abgesehen davon dass sie nicht frei sind von schwerwiegenden Ver­letzungen der Menschenwürde – ändern in der Substanz nichts daran, dass homosexuelle Paare unfähig sind, neues Leben zu zeugen.

Zudem ist nachgewiesen, dass das Fehlen der geschlecht­lichen Bipolarität die Entwicklung eines von solchen Paaren adoptierten Kindes ernstlich behindern kann. Die Sache entspräche einer Gewaltanwendung zum Schaden des Kleins­ten und Schwächsten, das in einen Zusammenhang gestellt wäre, der nicht geeignet ist für seine harmonische Entwicklung.

Diese einfachen Überlegungen belegen, dass der Staat in seiner Rechtsordnung nicht neutral sein darf gegenüber Ehe und homosexuellen Verbindungen, da er es nicht gegenüber dem Gemeinwohl sein kann: die Gesellschaft verdankt ihr Überleben nicht den homosexuellen Verbindungen, sondern der auf der Ehe gegründeten Familie.

3. Jenen, die dieses Problem ernsthaft bedenken wollen, möchte ich eine weitere Überlegung unterbreiten:

Die Gleichstellung hätte Folgen zuerst in der Rechtsordnung und dann im Ethos unseres Volkes, die ich nicht anders be­zeichnen kann als zerstörerisch. Wenn die homosexuelle Ver­bindung der Ehe gleichgestellt würde, wäre die Ehe degradiert, zu einer von verschiedenen Möglichkeiten zu heiraten, und es würde signalisieren, dass es für den Staat gleichgültig ist, ob einer sich für diese oder jene Möglichkeit entscheidet.

Mit anderen Worten: Die Gleichstellung würde objektiv bedeuten, dass den Staat die Verknüpfung der Sexualität mit der Fortpflanzung und Erziehung nicht interessiert, da sie keine Bedeutung für das Gemeinwohl habe. Damit würde eine der Säulen unserer Rechtsordnung einstürzen: die Ehe als öffentliches Gut. Eine Säule, die nicht nur von unserer Ver­fassung anerkannt ist, sondern auch von den früheren Rechtsordnungen, einschließlich jener so stolz antiklerikalen des Savoyerstaates.

4. Nun möchte ich einige Argumente betrachten, die zugunsten der genannten Gleichstellung vorgebracht werden.

Das erste und verbreitetste lautet, dass es vorrangige Aufgabe des Staates ist, jede Diskriminierung aus der Gesellschaft zu verbannen und, positiv formuliert, die Sphäre der subjektiven Rechte soweit als möglich auszudehnen.

Diskriminierung besteht allerdings darin, auf unterschiedliche Weise jene zu behandeln, die sich in derselben Situation befinden, wie Thomas von Aquin scharfsinnig betonte, indem er die große Tradition der griechischen Ethik und des römischen Rechts aufgriff: „Die Gleichheit der distributiven Gerechtigkeit besteht darin, verschiedenen Personen Verschiedenes zuzuteilen – im Verhältnis zu den Verdiensten der Personen. Wenn jemand folglich eine persönliche Eigenschaft der Person betrachtet, aufgrund der das, was ihr verliehen wird, ihr zukommt, dann stellt das keine Bewertung der Person dar, sondern eines Umstandes.“ (2,2,q. 63, a. 1c)

Wenn Lebensformen, die weder ehelicher Natur sind noch sein können, nicht der Rechtsstatus der Ehe zuerkannt wird, dann ist das keine Diskriminierung, sondern lediglich die Anerkennung der Tatsachen, so wie sie sind. Die Gerechtigkeit ist die höchste Ausdrucksform der Wahrheit in den zwischenmenschlichen Beziehungen.

Man wirft ein, dass der Staat mit der Nicht-Gleichstellung der beiden Formen eine bestimmte ethische Sichtweise an Stelle einer anderen ethischen Sichtweise aufzwinge.

Die Pflicht des Staates zur Nicht-Gleichstellung findet ihre Grundlage nicht im ethisch negativen Urteil über das homosexuelle Verhalten: der Staat ist diesbezüglich inkompe­tent. Sie findet sie hingegen in der Tatsache, dass die Ehe für das Gemeinwohl, dessen Förderung die vorrangige Aufgabe des Staates ist, eine andere Bedeutung hat als die homosexuelle Verbindung. Die verheirateten Paare erfüllen die Aufgabe, die Generationenordnung sicherzustellen, und sind daher von eminentem öffentlichem Interesse; und deshalb muss ihnen das Bürgerliche Recht eine institutionelle Anerkennung zukommen lassen, die ihrer Aufgabe entspricht. Da die homosexuellen Verbindungen keine solche Aufgabe für das Gemeinwohl erfüllen, brauchen sie keine vergleichbare Aner­kennung.

Natürlich können – das steht nicht zur Diskussion – die homo­sexuell Zusammenlebenden jederzeit, wie jeder Staatsbürger, das allgemeine Recht in Anspruch nehmen, um ihre Rechte und Interessen zu wahren, die aus ihrem Zusammenleben er­wachsen.

5. Nun wende ich mich an die gläubige Person, die öffentliche Verantwortung trägt, welche es auch immer sei.

Abgesehen von der mit allen geteilten Pflicht, das Gemeinwohl zu fördern und zu verteidigen, hat der Gläubige auch die große Pflicht zur vollständigen Kohärenz zwischen dem, was er glaubt und dem, was er zum Gemeinwohl denkt und vor­schlägt. Es ist unmöglich, sowohl den katholischen Glauben, als auch die Unterstützung der Gleichstellung homosexueller Verbindungen mit der Ehe, mit dem eigenen Gewissen zu vereinbaren: die beiden schließen sich aus.

Natürlich ist die Verantwortung von jenen schwerwiegender, die die Einführung einer solchen Gleichstellung in unsere Rechts­ordnung vorschlagen oder im Parlament für ein solches Gesetz stimmen. Das ist ein öffentlicher und schwerwiegender unmoralischer Akt.

Es gibt aber auch die Verantwortung jener, die dieses Gesetz auf verschiedene Weise zur Anwendung bringen. Sollte es notwendig sein, quod Deus advertat [was GOTT verhindern möge], werden wir zu gegebener Zeit die nötigen Hinweise geben.

Es ist unmöglich, sich für einen Katholiken zu halten, wenn man auf irgendeine Weise das Recht auf Ehe zwischen Personen des gleichen Geschlechts anerkennt.

Abschließend möchte ich mich vor allem an die Jugendlichen wenden. Schätzt die eheliche Liebe; lasst es zu, dass deren leuchtende Reinheit sich eurem Gewissen einprägt. Seid frei in euren Gedanken und lasst euch nicht das Joch der Pseudo-Wahrheiten aufzwingen, die die mediale Verwirrung erzeugt.  Die Wahrheit und die Kostbarkeit eurer Männlichkeit und Weiblichkeit werden nicht durch Mehrheiten oder politische Kämpfe definiert und gemessen.«

 

 

 

Umkehr und Mission

 

Vortrag von Joachim Kardinal Meisner, Köln, beim Internationalen Priestertreffen zum Abschluss des Priesterjahres

in der Basilika St. Paul vor den Mauern in Rom am 9. Juni 2010

 

»Ich werde mit Ihnen jetzt nicht eine neue Buß- und Missionstheologie zu entfalten suchen. Aber ich möchte mich zusammen mit Ihnen vom Evangelium selbst zur Umkehr führen lassen, um dann, vom HL. GEIST gesendet, den Menschen die Botschaft CHRISTI zu überbringen. Auf diesem Weg möchte ich jetzt zusammen mit Ihnen 15 gedankliche Schritte vorangehen.

1. Wir müssen wieder – wie mein Vorgänger als Erzbischof von Köln, Joseph Kardinal Höffner, zu sagen pflegte – eine „Geh-hin-Kirche“ werden. Das geht nicht auf Befehl. Dazu bewegt uns der HL. GEIST. Einer der tragischsten Verluste, den unsere Kirche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlitten hat, ist der Verlust des HL. GEISTES im Buß­sakrament. Für uns Priester hatte das einen ungeheuren inne­ren Profilverlust zur Folge. Wenn mich gläubige Christen fra­gen: „Wie können wir unseren Priestern helfen?“, dann antwor­te ich ihnen immer: „Gehen Sie zu ihnen beichten!“. Dort, wo der Priester nicht mehr Beichtvater ist, wird er zum religiösen Sozialarbeiter. Ihm fehlt dann die Erfahrung großer pastoraler Erfolge, wo er mitwirken darf, dass ein Sünder auch durch seine Hilfe den Beichtstuhl wieder als Geheiligter verlässt. Im Beichtstuhl darf der Priester in die Herzen vieler Menschen schauen und bekommt von daher Impulse, Ermutigungen und Anregungen für die eigene CHRISTUSnachfolge.

2. Vor den Toren von Damaskus stürzt ein kleiner kranker Mann, der heilige Paulus, geblendet zu Boden. Im 2. Korin­therbrief zitiert er selbst den Eindruck seiner Gegner über seine Person, er sei körperlich matt und rhetorisch schwach (vgl. 2 Kor 10,10). Den Städten Kleinasiens und Europas aber wird in den nächsten Jahren durch diesen kleinen kranken Mann das Evangelium verkündet werden. Die Wunder GOTTES gesche­hen nie im Rampenlicht der Weltgeschichte. Sie ereignen sich immer im Abseits, eben vor den Toren der Stadt, eben in der Verborgenheit des Beichtstuhles. Das darf für uns alle ein großer Trost sein, die wir mit großen Aufgaben betraut sind, aber gleichzeitig um unsere oftmals kleinen Möglichkeiten wis­sen. Es gehört zur Strategie GOTTES, mit kleinen Ursachen große Wirkungen hervorzurufen. Paulus vor den Toren von Damaskus geschlagen, wird zum Eroberer der Städte Kleinasiens und Europas. Seine Sendung ist die Sammlung der Berufenen in die Kirche, in die Ecclesia GOTTES, hinein. Obwohl sie – von außen gesehen – nur ein kleines bedrängtes Häufchen ist, von innen angefochten, vergleicht Paulus sie mit dem Leib CHRISTI, ja, er identifiziert sie sogar mit dem Leib CHRISTI, der eben die Kirche ist. Diese Möglichkeit aus den Händen des HERRN zu empfangen, heißt in unserer menschlichen Erfahrung „Bekehrung“. Die Kirche ist die „Ecclesia semper reformanda“, und darin sind der Priester und der Bischof ein „semper reformandus“, der immer wieder – wie Paulus vor Damaskus – vom hohen Ross gestoßen werden muss, um in die Arme des barmherzigen GOTTES zu fallen, der uns dann in die Welt hinein sendet.

3. Darum genügt es nicht, dass wir in unserer pastoralen Arbeit nur Korrekturen an den Strukturen unserer Kirche vornehmen wollen, um sie augenscheinlich attraktiver zu machen. Das reicht nicht! Was Not tut, ist eine Bekehrung des Herzens, meines Herzens. Nur ein bekehrter Paulus konnte die Welt verändern, nicht aber ein Ingenieur kirchlicher Strukturen. Der Priester ist durch die Aufnahme in die Lebensweise JESU so von ihm bewohnt, dass JESUS im Priester für andere berührbar wird. Bei Johannes 14,23 lesen wir: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein VATER wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). Das ist nicht nur ein schönes Bild! Wenn das Herz des Priesters GOTT liebt und die Gnade hat, so kommt der dreieinige GOTT persönlich und schlägt Seine Wohnung im Herzen des Priesters auf. Gewiss, GOTT ist allgegenwärtig. GOTT wohnt überall. Die ganze Welt ist wie eine große Kirche GOTTES, aber das Herz des Priesters ist wie ein Tabernakel in der Kirche. Dort wohnt GOTT in geheim­nisvoller und besonderer Weise.

4. Das größte Hindernis, CHRISTUS durch uns berührbar werden zu lassen, ist die Sünde. Sie verhindert die Gegen­wart des HERRN in unserem Dasein, und darum ist nichts notwendiger für uns als die Bekehrung, und zwar auch um der Mission willen. Es geht dabei – bringen wir es auf einen Punkt – um das Bußsakrament. Ein Priester, der nicht häufig auf beiden Seiten des Beichtgitters anzutreffen ist, leidet auf Dauer Schaden an seiner Seele und an seiner Mission. Hier liegt sicher eine wesentliche Ursache für die vielfältigen Krisen, in die das Priestertum in den letzten 50 Jahren geraten ist. Das ist ja die besondere Gnade des Priestertums, dass der Priester auf beiden Seiten des Beichtgitters zu Hause sein kann: als Bekennender und als Vergebender. Wo sich der Priester vom Beichtstuhl entfernt, dort gerät er in eine schwerwiegende Identitätskrise. Das Bußsakrament ist der bevorzugte Ort für die Vertiefung der Identität des Priesters, der dazu berufen ist, sich selbst und die Gläubigen zurück zu binden an die Fülle CHRISTI.

Im hohepriesterlichen Gebet spricht JESUS zu Seinem und unserem VATER über diese Identität: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst. Sie sind nicht von der Welt, wie ich auch nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit“ (Joh 17,15-17). Es geht im Bußsakrament um die Wahrheit in uns. Wie kommt es, dass wir der Wahrheit nicht gern ins Gesicht schauen?

5. Wir müssen uns daher fragen lassen: Haben wir denn noch nicht die Freude erfahren, einen Fehler zu erkennen, ihn einzugestehen und den von uns Beleidigten aufzusuchen? – „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt“ (Lk 15,18). – Kennen wir nicht die Freude, dann zu sehen, wie der Andere die Arme gleich dem Vater des verlorenen Sohnes ausbreitet: „Der Vater sah ihn schon von weitem kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn“ (Lk 15,20). Können wir denn nicht die Freude des VATERS darüber er­ahnen, dass Er uns wieder gefunden hat: „Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern“ (Lk 15,24)? Da dieses Fest jedes Mal, wenn wir zurückkehren, im Himmel begangen wird, warum kehren wir dann nicht häufiger zurück? Warum sind wir – ich spreche in Menschenweise – so geizig gegenüber GOTT und den Heiligen des Himmels und lassen ihnen so selten die Freude, ein Fest zu feiern, weil wir uns vom HERRN, vom VATER, ans Herz drücken ließen?

6. Wir lieben diese ausdrückliche Vergebung oft nicht. Und doch zeigt sich GOTT niemals so sehr als GOTT, als wenn er vergibt. GOTT ist die Liebe! Er ist Schenken in Person! Er verschenkt die Gnade der Vergebung. Aber am stärksten ist jene Liebe, die das Haupthindernis der Liebe überwindet: die Sünde. Die größte Gnade ist die Begnadigung, und die kost­barste Gabe ist die Vergabung, die Vergebung. Gäbe es keine Sünder, die der Verzeihung mehr bedürfen als des täglichen Brotes, wir würden die Tiefe des GÖTTlichen Herzens gar nicht kennen. Der HERR betont es ausdrücklich: „Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte die es nicht nötig haben umzukehren“ (Lk 15,7). Wie kommt es – fragen wir nochmals –, dass ein Sakrament, das so große Freude im Himmel hervorruft, so viel Abnei­gung auf Erden weckt? Das liegt an unserem Stolz, der ständigen Neigung unseres Herzens sich zu verschanzen, sich selbst zu genügen, sich zu isolieren, sich auf sich selbst zu­rückzuziehen. Was ziehen wir eigentlich vor, Sünder zu sein, denen GOTT verzeiht, oder scheinbar ohne Sünde zu sein, d.h. in der Illusion der Selbstgerechtigkeit zu leben – ohne die Offenbarung der Liebe GOTTES? Reicht es wirklich, zufrieden zu sein mit sich selbst? Was sind wir denn ohne GOTT? Nur eine kindliche Demut, wie sie die Heiligen haben, lässt uns fröhlich den Vergleich zwischen unserer Unwürdigkeit und der Herrlichkeit GOTTES ertragen.

7. Es ist nicht der Sinn der Beichte, dass wir im Vergessen unserer Sünden nicht mehr an GOTT denken. Die Beichte schenkt uns vielmehr Zugang in ein Leben, wo man an nichts anderes mehr denken kann als an GOTT. GOTT sagt in uns: „Du hast doch nur gesündigt, weil du nicht glauben kannst, dass ich dich genug liebe, dass mir genug an dir liegt, dass in mir genug Zärtlichkeit für dich ist, dass ich mich genug freue über die geringste Geste, die mir deine Zustimmung bezeugt, um dir alles zu verzeihen, was du in die Beichte hineinbringst. Wissen wir um eine solche Verzeihung, um eine solche Liebe, dann werden wir geradezu überflutet sein von Freude und Dankbarkeit, sodass uns dann auch allmählich die Lust zum Sündigen vergeht und die Beichte zu einem regelmäßigen Ereignis der Freude in unserem Leben wird. Beichten gehen heißt, hingehen und die Liebe zu GOTT ein wenig herz­licher zu gestalten, sich erneut sagen zu lassen und wirk­sam zu erfahren – denn Beichte ist ja nicht nur Zuspruch von außen –, dass GOTT uns liebt; beichten heißt, wieder anfan­gen, daran zu glauben und zugleich entdecken, dass wir bisher niemals tief genug daran geglaubt haben, und dass man hierfür um Verzeihung bitten muss. Vor JESUS fühlt man sich als Sünder, man entdeckt sich als Sünder, der nicht Seinen Erwartungen entspricht. Beichten heißt, sich vom HERRN auf Sein GÖTTliches Niveau heben zu lassen.

8. Der verlorene Sohn verlässt das väterliche Haus, weil er ungläubig geworden ist. Er hat keinen Glauben mehr an die Liebe des Vaters, die ihm genügen würde, und daher verlangt er sein Erbteil, um seine Angelegenheit ganz allein zu ordnen. Als er sich entschließt, zurückzukehren und um Verzeihung zu bitten, ist sein Herz noch tot. Er glaubt, er werde nicht mehr geliebt, er sei nicht mehr Sohn. Nur, um nicht Hungers zu sterben, kommt er zurück. Das nennen wir unvollkommene Reue! Aber der Vater erwartet ihn seit langem. Seit langem erfreut ihn nichts mehr als der Gedanke, der Sohn könnte eines Tages heimkommen. Sobald er ihn entdeckt, eilt er ihm ent­gegen, umarmt ihn, lässt ihm nicht einmal die Zeit, sein Ge­ständnis zu beenden und ruft die Diener herbei, damit sie ihn kleiden, nähren und pflegen. Weil man ihm so große Liebe er­zeigt, beginnt der Sohn in diesem Augenblick, sie auch zu ver­spüren, von ihr erfüllt zu werden. Eine ungeahnte Reue über­kommt ihn. Das ist die vollkommene Reue. Erst als ihn der Vater umarmt, ermisst er seine Undankbarkeit, seine Unver­schämtheit und seine Ungerechtigkeit. Dann erst kommt er wirklich zurück, wird er wieder Sohn, dem Vater gegenüber offen und vertrauend, wird er wieder lebendig: „Dein Bruder war tot und lebt wieder“ (Lk 15,32), sagt der Vater daher dem zu Hause gebliebenen Sohn.

9. Der ältere Sohn, der Gerechte, hat eine ähnliche Wandlung erfahren – so möchten wir das Gleichnis hoffnungsvoll weiter­denken. Der Fall dieses Sohnes ist aber sehr viel schwieriger. Man darf nicht sagen, dass GOTT die Sünder mehr liebt als die Gerechten! Eine Mutter liebt das kranke Kind, dem sie ihre besondere Sorge zuwendet, nicht mehr als die gesunden Kinder, die sie allein spielen lässt, denen sie ihre – nicht weniger tiefe – Liebe aber auf andere Weise bekundet. Soweit die Menschen sich weigern, ihre Sünden anzuerkennen und zu bekennen, soweit sie stolze Sünder sind, zieht GOTT ihnen die demütigen Sünder vor. Mit allen hat Er Geduld.

Auch mit dem daheim gebliebenen Sohn hat der Vater Geduld. Er bittet ihn, und er redet ihm gut zu: „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern“ (Lk 15,31). Die Verzeihung der Hartherzigkeit des Älteren wird dabei noch nicht einmal ausgesprochen, sondern ist impliziert. Wie groß muss die Beschämung des älteren Sohnes vor solcher Milde sein. Alles hatte er vorhergesehen, nur nicht diese demütige Zärtlichkeit des Vaters. Plötzlich findet er sich entwaffnet, verwirrt, teilnehmend an der allgemeinen Freude. Und er fragt sich, wie er nur daran denken konnte, absichtlich fern zu blei­ben, wie er es nur einen Augenblick lang habe vorziehen kön­nen, ganz allein unglücklich zu sein, während alle einander liebten und einander verziehen. Glücklicherweise ist der Vater da und erwischt ihn rechtzeitig. Zum Glück ist der Vater nicht wie er! Zum Glück ist der Vater viel besser als sie alle zusam­men! GOTT allein kann die Sünden vergeben. Er allein vermag diese Geste der Gnade, der Freude und des Überflusses der Liebe zu vollziehen. Darum ist das Bußsakrament die Quelle permanenter Erneuerung und Revitalisierung unseres priester­lichen Seins.

10. Für mich wird darum die geistliche Reife für den Empfang des Weihesakramentes eines Priesteramtskandidaten darin deutlich, dass er regelmäßig, und zwar mindestens im Rhyth­mus von einem Monat, das Bußsakrament empfängt. Denn im Bußsakrament begegne ich dem barmherzigen VATER mit den kostbarsten Gaben, die Er zu vergeben hat, nämlich die Ver­gabung, die Vergebung und die Begnadigung. Wenn aber einer durch seine mangelnde Beichtpraxis dem VATER sagt: „Behalte Deine kostbaren Gaben für Dich! Ich brauche Dich und Deine Gaben nicht!“, dann hört er auf, Sohn zu sein, indem er Ihm sein Vatersein aufkündigt, weil er Ihm Seine kostbarsten Gaben nicht mehr abnimmt. Und wenn man nicht mehr Sohn des himmlischen VATERS ist, kann man nicht Priester werden, denn der Priester ist durch die Taufe zunächst einmal Sohn des Vaters, und dann ist er durch die Priesterweihe mit CHRISTUS Sohn mit dem SOHN. Dann erst kann er den Menschen wirklich Bruder sein.

11. Der Umstieg von der Umkehr in die Mission kann sich zu­nächst darin zeigen, dass ich von der einen Seite des Beicht­gitters auf die andere wechsele, von der Seite des Pönitenten auf die Seite des Beichtvaters. Der Verlust des Bußsakra­mentes ist die Wurzel vieler Übel im Leben der Kirche und im Leben des Priesters. Und die so genannte Krise des Buß­sakramentes liegt nicht nur darin begründet, dass die Leute nicht mehr zum Beichten kommen, sondern dass wir Priester nicht mehr im Beichtstuhl präsent sind. Ein besetzter Beicht­stuhl in einer leeren Kirche ist das ergreifendste Symbol für die wartende Geduld GOTTES. So ist GOTT. Er wartet auf uns lebenslang. Ich kenne aus meiner 35-jährigen bischöf­lichen Tätigkeit ergreifende Beispiele, wo Priester täglich im Beichtstuhl präsent waren, ohne dass ein Pönitent gekommen ist, – bis dann aber der Erste oder die Erste nach Monaten oder Jahren des Wartens kam. Damit war, wie man so sagt, der Knoten geplatzt. Dann wurde der Beichtstuhl reichlich fre­quentiert. Hier wird der Priester angefordert, aus aller äußeren Planungsarbeit der Seelsorge mit Gruppen umzusteigen in die persönliche Not eines Menschen. Und hier hat er zunächst nicht zu reden, sondern zu hören. Eine eiternde Wunde am Körper kann nur heilen, wenn sie sich ausbluten kann. Ein ver­wundetes Herz des Menschen kann nur geheilt werden, wenn es sich ausbluten, d. h. aussprechen kann. Und es kann sich nur aussprechen, wenn jemand zuhört, und zwar in dieser absoluten Diskretion des Bußsakramentes. Für den Beichtvater gilt zunächst einmal, nicht zu reden, sondern zu hören. Wie viel innere Anregung für seine eigene CHRISTUSnachfolge erfährt und erhält der Beichtvater gerade in seiner Tätigkeit bei der Spendung des Bußsakramentes, wenn er spürt und erfährt, wie weit ihm einfache katholische Männer, Frauen und Kinder in der CHRISTUSnachfolge voraus sind.

12. Wenn uns dieser wesentliche Bereich des priesterlichen Dienstes weitgehend verloren geht, sinken wir Priester leicht auf eine Beamtenmentalität oder auf das Niveau einer reinen Pastoraltechnik herab. Unsere Ver­ortung diesseits und jenseits des Beichtgitters bringt uns durch unser Zeugnis dazu, CHRISTUS für die Menschen berührbar werden zu lassen. Um es zunächst an einem Negativbeispiel deutlich zu machen: Wer mit radioaktiver Materie in Berührung kommt, wird selbst radioaktiv verseucht. Wenn ein solcher nun einen anderen berührt, dann wird er ebenfalls von seiner Radioaktivität negativ angesteckt. Nun aber das Beispiel positiv: Wer mit CHRISTUS in Berührung kommt, der wird CHRISTOaktiv. Und wenn der Priester dann als ein solcher CHRISTOaktiver mit anderen Menschen in Berührung kommt, dann werden sie selbstverständlich von seiner CHRISTOaktivität angesteckt. Das ist Mission, wie sie von Anfang an im Christentum präsent war. Die Menschen drängten sich um die Person JESU herum, um Ihn zu berühren, und wenn es nur der Saum Seines Gewandes war. Und selbst, wenn es dieser nur von hinten war, dann wurden sie gesund: „Denn es ging eine Kraft von Ihm aus, die alle heilte“ (Lk 6,19).

13. Uns laufen die Menschen oft davon, sie drängen sich nicht mehr um uns, um mit uns in Berührung zu kommen. Im Gegenteil, sie laufen uns davon. Damit das nicht geschieht, müssen wir uns konkret fragen: Was berühren die Menschen denn, wenn sie mit mir in Berührung kommen? – JESUS CHRISTUS in seiner unermesslichen Liebe zu den Menschen, oder irgendwelche theologischen Privatmeinungen oder Gejammer über die Zustände in der Kirche und der Welt? Be­rühren sie bei uns JESUS CHRISTUS? Wenn das der Fall ist, dann kommen die Menschen. Sie sprechen untereinander von einem solchen Priester. Sie bringen es in solche Ausdrücke wie „Mit dem kann man reden. Der versteht mich. Der kann einem wirklich helfen“. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Menschen nach solchen Priestern Sehnsucht haben, in denen sie authentisch CHRISTUS begegnen, der sie frei macht von allen Verstrickungen und sie an Seine Person bindet.

14. Damit wir recht verzeihen können, brauchen wir viel Liebe. Die einzige Verzeihung, die wir recht gewähren könnten, ist jene, die wir von GOTT empfangen haben. Nur wenn man den barmherzigen VATER erfahren hat, wird man barmherziger Bruder der Menschen. Wer nicht verzeiht, der liebt nicht. Wer wenig verzeiht, der liebt auch wenig. Wer viel verzeiht, der liebt viel. Wenn man den Beichtstuhl als Ausgangspunkt unserer Mission verlässt, von welcher Seite des Beichtstuhls auch immer, aber besonders von der Seite des Pönitenten, dann möchte man am liebsten alle umarmen, sie um Verzeihung bitten. Ich selbst habe so beglückend GOTTES verzeihende Liebe erfahren, dass ich nur dringend bitten kann: „Nimm auch du seine Verzeihung an! Nimm einen Teil der Verzeihung, an der ich nun Überfluss habe. Vergib mir, dass ich sie dir so schlecht anbiete!“. Man geht mit der gleichen Bewegung wieder in die Liebe GOTTES und in die Bruderliebe hinein, in die Vereinigung mit GOTT und mit der Kirche, von der man sich durch die Sünde ausgeschlossen hatte. Wir können und müssen alle Menschen lieben, wenn GOTT uns aufs Neue zu lieben gelehrt hat. Wäre es nicht so, dann wäre es ein Zeichen dafür, dass wir falsch gebeichtet haben und daher nochmals beichten müssten.

Der wohl größte Beichtvater unserer Kirche ist der heilige Pfarrer von Ars. Ihm verdanken wir das Priesterjahr und damit unsere jetzige Zusammenkunft als Priester und Bischöfe mit dem Heiligen Vater hier in Rom. Mit diesem heiligen Pfarrer habe ich über das Geheimnis der heiligen Beichte nachge­dacht. Denn sein täglicher Dienst der Versöhnung im Beichtstuhl in Ars ließ ihn zum großen Weltmissionar wer­den. Man sagt, er habe als Beichtvater die Französische Revo­lution geistlich überwunden. Was mir im geistlichen Dialog mit Jean-Marie Vianney aufgegangen ist, das habe ich hier verkündet. Dabei hat er mich noch an etwas ganz Wichtiges erinnert:

15. Wir lieben alle, wir verzeihen allen! Hüten wir uns indessen, einen zu vergessen! Ein Wesen existiert nämlich, das uns enttäuscht und belastet, ein Wesen, mit dem wir ständig unzufrieden sind. Und das sind wir selbst. Wir haben uns oft so satt. Wir sind unserer Mittelmäßigkeit überdrüssig und müde unserer eigenen Monotonie. Wir leben in einem Zustand der Kälte und sogar einer unglaublichen Gleichgültigkeit gegenüber diesem nächsten Nächsten, den GOTT uns anvertraut, damit wir ihn von seiner Vergebung berühren lassen. Und das sind wir selbst. Es heißt doch, dass wir unseren Nächsten lieben sollen wie uns selbst (vgl. Lev 19,18). Wir sollen also auch uns lieben, wie wir unseren Nächsten zu lieben suchen. Dann müs­sen wir GOTT bitten, uns zu lehren, dass wir uns selber verzei­hen: den Ärger unseres Stolzes, die Enttäuschungen unseres Ehrgeizes. Bitten wir ihn, dass die Güte, die Zärtlichkeit, die Nachsicht und das unerhörte Vertrauen, womit Er uns verzeiht, uns so weit gewinnen, dass wir den Überdruss an uns selbst los werden, der uns überall hin begleitet und uns oft nicht einmal beschämt. Wir können die Liebe GOTTES zu uns nicht erkennen, ohne die Meinung im Hinblick auch auf uns selbst zu ändern, ohne GOTT selbst zu uns Recht zu geben, wenn Er uns liebt. Die Verzeihung GOTTES versöhnt uns mit Ihm, mit uns, mit unseren Menschenbrüdern und -schwestern und mit der ganzen Welt. Sie macht uns zu authentischen Missionaren. Glaubt ihr das, liebe Brüder? -- Probiert es aus – heute noch!!«

 

 

 

Meldungen - Meinungen

 

„Verhütung untergräbt die Liebe“

Wien. In einem gemeinsamen Hirtenbrief wandten sich die österreichischen Bischöfe im April 2010 zur „Woche für das Leben“ an die Katholiken Österreichs. Darin wird der Behauptung entgegengetreten, die traditionelle Familie sei am Aus­sterben, es wird aber die Zahl der Kinder als „sehr niedrig“ beklagt. Das Anliegen des Hirtenbriefes sei es, Mut zu Kindern zu machen: „Als Bischöfe möchten wir Eltern ermutigen, zu Kindern JA zu sagen und sich der Familie zu widmen.“ Leider recht zaghaft wird im Zusammenhang mit der Kinderzahl auch die Verhütung negativ bewertet: Entsprechend dem 2. Vatikanum hätten „die Ehepaare über die Zahl ihrer Kinder selber eine verantwortliche Entscheidung“ zu treffen. Die Kirche habe die Aufgabe, „zur Großherzigkeit zu ermutigen“. „Wer offen ist für das GOTTESgeschenk von Kindern, darf und soll in gemeinsamer Verantwortung bedenken, was möglich ist, und über die Zahl der Kinder und den Abstand zwischen den Geburten je nach den eigenen seelischen und materiellen Möglichkeiten entscheiden“, heißt es in dem Schreiben. Doch auch „die Art der Empfängnisregelung“ sei „von Bedeutung“. „Nicht nur, was einen Verstoß gegen die Integrität des Lebens dar­stellt, ist zu vermeiden, auch Verhütung untergräbt die gegenseitige Hingabe der Eheleute und damit ihre Liebe.“ Dass es hier um schwere Sünde geht, wird leider nicht ausgesprochen. Lebensrechtler kritisierten, dass der Hirtenbrief das Thema Abtreibung und Fristenlösung überhaupt nicht aufgriff.

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Neue Moral?

Wien. Äußerungen des Wiener Erzbischofs, Kardinal Christoph Schönborn, zu Homosexualität und Wiederverheiratung von Geschiedenen erregten Befremdung. Bei einer Veranstaltung in Wien meinte er: „Beim Thema Homosexualität etwa sollten wir stärker die Qualität einer Beziehung sehen. Und über diese Qualität auch wertschätzend sprechen. Eine stabile Beziehung ist sicher besser, als wenn jemand seine Promiskuität einfach auslebt.“ Auch der Wiederheirat Geschiedener gewann er etwas Positives ab: „Die Kirche braucht da eine neue Sichtweise. Viele heiraten heute ja gar nicht mehr.“ Der Kardinal sprach dann von einem Wandel einer „Pflicht-Moral“ zu einer „Moral des Glücks“ und plädierte für das „altbewährte Prinzip der Gradualität“, bei dem nicht die Sünde im Blickpunkt stehe, sondern der Versuch, den Geboten zu entsprechen. Nicht nur die Gesellschaft, auch die Kirche stehe vor einem Paradigmenwechsel. Die „Katholische Aktion Österreich“ begrüßte diesen „Paradigmenwechsel“ des Kardinals als „bedeutenden Schritt in die richtige Richtung“ und sprach die Hoffnung aus, andere Bischöfe mögen sich ihm anschließen. (Vgl. kath.net 30.4., 3.5.10, rv 3.5.10)

Kommentar:

Unverständlich ist die Wankelmütigkeit Schönborns in seinen Aussagen: 2008 hatte der Wiener Kardinal in seiner „Jerusalem-Predigt“ die Anerkennung der „Homo-Ehe“ eines der drei „Nein“ Europas zu seiner Zukunft genannt. Im „Katechismus der Katholischen Kirche“, dessen Redaktionsarbeit bei Schönborn lag, sind die Aussagen über homosexuelles Verhalten ganz klar: „objektiv ungeordnet“, „schlimme Abirrung“, „in sich nicht in Ordnung“ (vgl. KKK 2357, 2358). Nun will er homosexuellem Verhalten, wenn es in einer Verbindung gelebt wird, etwas Gutes zusprechen. Ganz abgesehen davon, dass homosexuelle Verbindungen oft nur kurze Zeit halten.

 

Der Moraltheologe Dr. theol. habil. Josef Spindelböck, St. Pölten, sagte in einer Stellungnahme zu den Aussagen des Kardinals über die Gradualität unter anderem, richtig sei, dass die Kirche nie eine reine Pflichtmoral vertreten habe, sondern die Menschen zur Lebensfülle in CHRISTUS, also zum Glück, zur Seligkeit führen wolle. Das Prinzip der Gradualitätbesage, „dass die Kirche in ihrer Pastoral das Bemühen der Men­schen jedenfalls anerkennt, mit Hilfe der Gnade GOTTES das Gute zu tun und den Geboten GOTTES zu entsprechen“. Ein­geschlossen sei dabei, dass Menschen auch versagten, aber bei Umkehrbereitschaft und Vertrauen auf die Gnade GOTTES Sein Erbarmen erfahren. „Diese Gradualität des Bemühens darf jedoch nicht mit einer Gradualität des Gebotes bzw. der sittlichen Norm verwechselt werden, so als ob die von JESUS CHRISTUS selbst vorgestellte und eingeforderte ‚Radikalität des Evangeliums’ mit halben Lösungen zufrieden sein könne: Echte Bekehrung zu GOTT zielt immer auf das Ganze und darf das Böse nie rechtfertigen. Insofern sind Kompromisse mit der Sünde jedenfalls auszuschließen und abzulehnen – bei aller Liebe und allem Verständnis für den Menschen, der sündigt.“

Der Vergleich zwischen verschiedenwertigen Arten homosexu­eller Beziehungen darf nicht übersehen lassen, dass es sich überall dort, wo homosexuelle Akte eingeschlossen sind, um objektiv schwer sündhafte Verhaltensweisen handelt, die von der Kirche als ‚in sich schlecht’ abgelehnt werden. D. h. weder besondere Umstände noch subjektiv gute Motive können die innere Schlechtigkeit der betreffenden Handlung aufheben.“ Aus pastoraler Sicht sei es unerlässlich, ganz klar „die objek­tive Sündhaftigkeit bestimmter Handlungen zu benennen, die die Kirche als ‚in sich schlecht’ (‚intrinsece malum’) bezeichnet“ – um der Wahrheit wie um der Liebe willen, um Menschen von einem (objektiv) sündhaften Verhalten wegzuführen. Man dürfe sich nicht damit trösten, „dass es ja noch schlimmer sein könnte“, sondern auf die Gnade der Bekehrung hoffen.

Ähnliches gelte, so Spindelböck, gegenüber wiederverheiratet Geschiedenen: „Wollte die Kirche ihre Lebenssituation einfach ‚anerkennen’ oder gar ‚absegnen’, so würde sie das Ideal der Unauflöslichkeit und Treue der gültigen sakramentalen Ehe verleugnen, das JESUS selbst verkündet hat (vgl. Mt 19)“ und wozu GOTT auch die Gnade anbiete. Jeder „billigere“ Weg sei keineswegs ein Leben zum Glück, „sondern wäre ein Verrat an der Wahrheit und an der Liebe!“ Genau das könne auch der Kardinal nicht wollen (vgl. news.stjosef.at 3.5.10).

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Sünde „wertschätzen“?

Salzburg. Ohne den Begriff der „Gradualität“ zu gebrauchen oder auf Kardinal Schönborn Bezug zu nehmen, legte Weihbischof Andreas Laun in seiner Rubrik „Klartext“ im Internet-Nachrichtenportal „kath.net“ (11.5.2010) dar, dass die Kirche eine nicht-eheliche Beziehung, die sexuell gelebt wird, nie und nim­mer gutheißen und wertschätzen kann. Das umgangssprach­liche „besser“ setze eigentlich ein „gut“ voraus. So sei es „besser“, mit einem „Lawinen-Piepserl“ verschüttet zu werden als ohne. Doch dass der Ehemann besser eine Freundin habe, als ins Bordell zu gehen, würde sich die Ehefrau verbieten. Die Kirche sage, beides sei Sünde, vielleicht größere und kleinere Sünde, aber Sünde. „Wertschätzen“ könne man weder das eine noch das andere Verhalten. „Den Täter selbst kann und soll man immer noch ‚wertschätzen’ nach den Regeln der christlichen Liebe“, doch diskriminiere man ihn nicht, wenn man sein Verhalten als Sünde bezeichne, ihm gingen vielleicht sogar dabei die Augen auf. Laun: „Es gibt, mit einem Wort, keine noch so kleine Sünde, die man ‚wertschätzen’ kann, auch dann nicht, wenn der Sünder ‚neben’ und ‚um seine Sünde herum’ Gutes tut, das man natürlich schätzen und anerkennen soll, auch wenn es ein ‚Sünder’ tut!“ Ein liebevolles Umgehen homosexueller Menschen sei wertzuschätzen, doch beide seien zur Keuschheit berufen. Der große amerikanische Seelsorger für Menschen mit homosexuellen Neigungen, P. Harvey, empfehle deshalb Freundschaft, weil es für niemand gut sei, allein zu sein – aber keusche Freundschaft. „Insofern eine nicht-eheliche Beziehung sexuell gelebt wird, kann die Kirche sie nie und nimmer gutheißen und wertschätzen“, so unter­schiedlich andere Rahmenbedingungen sein mögen. Und es könne „keine ‚pastorale Lösung’ oder gar ‚pastorale Begleitung’ geben, indem man die Forderung GOTTES außer Kraft setzt“. Die „enge Pforte“, durch die alle gehen sollten, Homosexuelle, Zusammenlebende, „wiederverheiratete“ Geschiedene, „einfach alle, die außerhalb der Ehe sexuell miteinander verkehren möchten“, könne man durch kein gutes Motiv und kein Mitleid „weiter machen“. Dass die Lehre JESU in mancher Hinsicht „hart“ sei, sei bereits den Zeitgenossen aufgefallen, und Er habe doch nicht mit sich handeln lassen, wenn es um GOTTES Gebot ging, wohl aber paradoxerweise die mit Ihm getragene Last „leicht“ genannt (Mt 11,30);das könne man allerdings erst erfahren, wenn man sie trage.

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Die heutige Gesellschaft ist pädophil“

Porto Alegre, Brasilien. Der brasilianische Erzbischof von Porto Alegre, Dadeus Grings, übte zum Auftakt der brasilia­nischen Bischofskonferenz im Mai scharfe Kritik an der Gesell­schaft und nannte sie „pädophil“. Für Grings ist klar, dass die stufenweise Akzeptanz der Homosexualität durch die Öffent­lichkeit der Vorläufer für eine breitere Anerkennung der Pädo­philie sei (vgl. kath.net 6.5.10).

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Korrektur der englischen Messtexte

Sydney. Kardinal George Pell, Erzbischof von Sydney, hob die Bedeutung der Texte der hl. Messe heraus. Denn wenn jemand einen wissenschaftlichen Artikel schreibe, würden ihn einige hundert Menschen lesen; ein theologisches Buch würden einige Tausend lesen, „aber die Messe, an der viele Millionen Menschen regelmäßig teilnehmen, ist eine sehr wirksame Form der Katechese“. Anlass seiner Äußerungen war die Approbation des neuen englischsprachigen Messbuchs durch Papst Benedikt XVI. In neunjähriger Arbeit eines von Kardinal Pell geleiteten Komitees „Vox Clara“ war eine Übersetzung erstellt worden, die den Glauben und die Lehre der Kirche besser zum Ausdruck bringen soll als die bislang gültige englische Version, die von vielen als zu umgangs­sprachlich und stark vereinfachend kritisiert wurde. „Den Übersetzern war es offenbar ein wenig peinlich, Engel, Aufopferung und immerwährende Jungfräulichkeit beim Namen zu nennen“, sagte Pell. Die neue Fassung entspricht genauer der lateini­schen Urfassung und verwendet eindeutige Ausdrücke wie z. B. „Opfer“, „ewiges Heil“; so ist die Antwort auf den priesterlichen Gruß „The Lord be with you“ von „And also with you“ wieder in „And with your spirit“ („Und mit deinem Geist“) berichtigt worden. In den Wandlungsworten des Weines wurde aus „for all“ wieder „for many („für viele“). (Vgl. kath.net 9.5.10; www. usccb.org/romanmissal/examples.shtml).

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Wiederverheiratete Geschiedene…

Wien. Die Österreichische Bischofskonferenz will, wie Kardinal Christoph Schönborn bei einer Pressekonferenz Mitte Mai ankündigte, neue Vorschläge für die seelsorgliche Be­gleitung von Geschiedenen und Wiederverheirateten erarbeiten. Eine Kommission unter Leitung des Salzburger Erzbischofs Alois Kothgasser solle bis November 2010 konkrete Vorschläge auf den Tisch legen. Der Kärntner Diö­zesanbischof Alois Schwarz erklärte, der Umgang der Kirche mit Geschiedenen und Wiederverheirateten gehöre zu jenen zahlreichen offenen Themenfeldern, „über die wir weiterhin sehr einfühlsam und von unterschiedlichen Standpunkten her sprechen müssen, um zu Lösungen zu kommen“. Schon einige Tage vorher hatte Kothgasser vor Mitgliedern einer Salzburger Basisgemeinde erklärt, die aus fünf Bischöfen bestehende Kommission solle „die pastoralen Möglichkeiten unter Bewah­rung der Unauflöslichkeit der Ehe prüfen“.

Der Bischof von Eisenstadt, Paul Iby, der die Altersgrenze erreicht und sein Rücktrittsgesuch bereits eingegeben hat, meldete sich mit einem ruppigen Presseinterview zu Wort. Er wünsche sich „eine Lösung wie in der orthodoxen Kirche“, dass „nach einer Zeit der Buße die Segnung einer zweiten Partnerschaft möglich wäre“, doch gehe in Rom nichts weiter, Rom sei „zu ängstlich in diesen Dingen“. Iby sprach sich auch gegen eine „Diskriminierung Homosexueller“ aus, will es jedem Priester freigestellt sehen, ob er zölibatär lebe oder in einer Familie, und „mittelfristig“ müsse auch die Weihe von Priesterinnen überlegt werden.

Kardinal Schönborn sagte, als er auf die Aussagen Bischofs Iby angesprochen wurde, die Sorgen Ibys um die Gemeinden, um Ehe und Beziehungsfragen seien „unser aller Sorgen, auch wenn es Unterschiede in den Lösungsansätzen gibt“. Als das von der Presse als Zustimmung interpretiert wurde, sagte sein Pressesprecher, es sei „eine alte und vielbewährte Regel“, dass kein Bischof einen anderen kommentiere. Doch die Äußerung Schönborns heißt, „ins Alltagsdeutsch übersetzt: Wir denken anders!“ (Vgl. DT 18.5., kath.net 7.5., rv. 7.5., DT 15.5., DT 26.5.10).

[Zu dieser „vielbewährten Regel“: Vor einigen Monaten machte öffentliche Kritik Schönborns am früheren Kardinalstaatssekretär Sodano international Schlagzeilen und führte angeb­lich zu einem Brief des Hl. Vaters an Schönborn, jedenfalls aber zu einer Abklärung in Rom am 28.6.; in einer ungewöhnlichen Presseerklärung des Vatikans dazu heißt es u. a., es wurden „einige weit verbreitete Missverständnisse geklärt und aufgelöst, die zum Teil aus Aussagen von Kardinal Christoph Schönborn herrührten, welcher sein Bedauern dafür ausdrückt, wie diese interpretiert wurden…“]

Der St. Pöltener Bischof Klaus Küng sagte zum Auftrag der neuen Kommission der österreichischen Bischöfe in einem Interview der italienischen Zeitung „Il foglio“ unter anderem, das Thema der wiederverheirateten Geschiedenen bewege viele Gläubige in Österreich. Er sei „gebeten worden, Teil dieser Kommission zu sein“. Schon vor Jahren habe es eine ähnliche Gruppe gegeben, „deren Ergebnisse der Glaubenskongregation vorgelegt wurden“. Küng fragte: „Warum nun dieser neue Anlauf?“ Sie könnten die Lehre der Kirche und auch die Praxis der Universalkirche nicht ändern (vgl.kath.net 17.6.10).

Der Linzer Bischof Ludwig Schwarz äußerte sich in einem Zeitungsinterview kritisch zu den Zölibatsäußerungen Bischof Ibys: „Es ist nicht Aufgabe eines Bischofs, dass er einen Gongschlag macht, wenn er zurücktritt.“ Er wolle aber über den Mitbischof nicht urteilen. Der Zölibat sei „ein brennendes Thema“. CHRISTUS habe selbst ehelos gelebt und denen, die für das Reich GOTTES arbeiten, die Ehelosigkeit empfohlen. Es sei gut, den Zölibat zu stärken. Er sei ein Segen für die Kirche, aber kein Gebot; grundsätzlich könne man ihn ändern, aber das müsse der Papst gemeinsam mit allen Bischöfen beschließen. (Vgl. kath.net 1.6.10)

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Koptisch-orthodoxe Kirche kennt keine Wiederheirat
Geschiedener

Kairo. Die koptisch-orthodoxe Kirche wird Ehescheidungen und Wiederverheiratung Geschiedener nicht zulassen. Sie widersetzt sich einem Urteil des ägyptischen Höchstgerichts, das die koptisch-orthodoxe Kirche dazu verpflichtete, ihre Lehre hinsichtlich Ehescheidung und  Wiederheirat zu ändern. In Ägyp­ten muss jede Ehe von einer religiösen Gemeinschaft bestätigt werden. Das Recht, eine Familie zu gründen, sei ein verfassungsgemäßes Recht, begründete das Gericht sein Urteil. Daher dürfe keine religiöse Einrichtung dieses Recht verweigern. Die koptisch-orthodoxe Kirche habe daher ihre Lehre anzupassen. Shenouda III. Oberhaupt der koptischen Kirche, bekräftigte aber, dass sich die Kirche der Forderung des Gerichts nicht beugen werde (vgl. kath.net/CC 9.6.10).

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Nordische Bischöfe bekräftigen „Humanae vitae“

Jönköping, Schweden. In einem Hirtenwort zu einem Familienkongress, der im Mai im schwedischen Jönköping stattfand, stellten sich die nordischen Bischöfe hinter die Enzylika „Humanae vitae“: Der Respekt vor dem menschlichen Leben, der Schutz der Würde jeder Person und die Förderung der ehelichen Liebe waren die Beweggründe für die Eheenzyklika Papst Paul’ VI. 1968, und das sei heute noch aktuell. Der rasche Wandel des Lebensstils und des Menschenbildes sowie der freie Zugriff auf Verhütungsmittel hätten die Einstellung zu Ehe und Familie verändert. „Die menschliche Sexualität wird oft nicht als Ausdruck der gegenseitigen Liebe und Hingabe zwischen den Ehepartnern gesehen und gelebt. Auch die Hinordnung der Sexualität auf die Zeugung neuen Lebens wird hinterfragt oder gar verneint“, heißt es in dem Hirtenwort. Paul VI. habe 1968 bereits diese Problematik gesehen, und heute würden die Schattenseiten einer Geisteshaltung deutlich, die damals zu viel Kritik an der Enzyklika geführt habe. „Ein unter dem Begriff der Freiheit geführter Individualismus hat zu einer heftigen Kritik an der Enzyklika geführt. Doch der freie Gebrauch der Sexualität hat den Menschen nicht glücklicher und die Ehe nicht stärker gemacht.“ Ausdrücklich sagen die Mitglieder der nordischen Bischofskonferenz, die die Bistümer in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden umfasst: „Die nordischen Bischöfe stellen sich erneut hinter die Botschaft von ‚Humanae vitae’ und stehen auch zu ihrer weiteren Aktualität, so wie sie Papst Benedikt XVI. anlässlich des 40. Jahrestages der Veröffentlichung ausdrückte: ‚Das Lehramt der Kirche kann nicht darauf verzichten, auf immer neue und tiefere Weise über die fundamentalen Prinzipien der Ehe und der Zeugung nachzudenken. Was gestern wahr gewesen ist, bleibt auch heute wahr.’“ Die Bischöfe fordern die Seelsorger auf, junge Menschen und Eheleute zu ermutigen und zu unterstützen, nach der Lehre der Kirche zu leben. Zur Förderung des Schutzes des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod wird der bisher nur in Schweden begangene jährliche „Tag des Lebens“ am 3. Advent auf alle Bistümer ausgedehnt. (Vgl. kath.net 17.5.10)

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Zölibat in Frage gestellt

Bamberg. In der Debatte um die Missbrauchsfälle wurde immer wieder, wenn auch erwiesenermaßen völlig unberechtigt, dem priesterlichen Zölibat Schuld gegeben und der von der ver­öffentlichten Meinung beständig geführte Kampf gegen die priesterliche Ehelosigkeit verstärkt. In diesem Kontext ließ sich der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick in einem Interview des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ zu Äußerungen für eine Lockerung des Zölibats bewegen. Er sagte, der Zölibat gehöre zur Kirche und sollte in jedem Fall von Bischöfen, Ordensleuten und Domkapitularen gelebt werden, doch ob jeder Pfarrer den Zölibat leben müsse, sei eine andere Frage. Er sei sehr dafür, hierüber ernsthaft nachzudenken. - Der Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann bedauerte im ZDF, dass die Zölibatsdiskussion im Zusammenhang mit der Missbrauchsdebatte geführt werde, doch er sei „sicher“, dass der Papst über diese Frage nachdenke. (Vgl. rv 8.5.10, kath.net 8.5.10, DT 11.5.10).

„Nicht glücklich“ über das „Spiegel“-Interview Schicks äußerte sich der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann. „Ich hätte mir eine andere Stellungnahme erwartet“, Beim Zölibat wie bei der eucharistischen Gemeinschaft gehe es nicht um „Peanuts oder theologische Randprobleme“, sondern um zentrale Themen, die miteinander besprochen werden müssten. Hofmann kritisierte in seinem Interview, dass der 2. Ökumenische Kirchentag in München sich in einer großen thematischen Bandbreite verzettelt habe; vermisst habe er die Frage nach dem Lebensschutz. Zur provokanten Äußerung der Protestantin Käßmann im Münchner Dom, die Pille sei „eine Gabe GOTTES“, kommentierte Hofmann zaghaft: „Wenn Frau Käßmann im Münchner Liebfrauendom für Verhütungsmittel spricht, dann weiß sie, dass die katholische Kirche eine etwas andere Haltung dazu hat“.

Kommentar: Natürlich wusste Frau Käßmann um die verbindliche Lehre der katholischen Kirche, die die Verhütung als „verwerfliche Handlung“ (HV 14) beurteilt – und nicht nur als „etwas andere Haltung“!, und missbrauchte darum bewusst ihr Gastrecht mit dieser geradezu blasphemischen Äußerung.

 

Würzburg. In Interviews mit der „Tagespost“ traten der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller wie der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck deutlich für den priesterlichen Zölibat ein. Müller antwortete auf die Frage, wie ein Bischof damit umgehe, dass ein Mitbruder den Zölibat in Frage stelle: „Wieweit hinter unbedachten Äußerungen ein Infragestellen der priesterlichen Ehelosigkeit steht, kann nur der Betreffende selbst erklären. Auf jeden Fall werden wir die Probleme der Kirche in einer säkularisierten Umwelt nicht mit einer Ermäßigung der Anforderungen an die Kandidaten des Priesteramtes lösen. Eine innere Umformung der katholischen Kirche nach protestantischem Vorbild kann und wird niemals ein Weg aus der Krise sein können und würde die Suche nach der sichtbaren Einheit in der Wahrheit zum Erliegen bringen“. Der Zölibat sei nicht Ursache des Priestermangels, und dieser sei auch nicht Auslöser der Abnahme der religiösen Praxis, sondern deren deutlichstes Symptom. Der „überzeugend ge­lebte Priesterzölibat und das ernst genommene Ordens­gelübde“ hätten in der Geschichte immer wesentlich zu einer Reform der Kirche beigetragen. „Kirchenreform kam nie von den Angepassten an den Geist dieser Welt“. Die „Lebens­form charismatischer Ehelosigkeit“ werde immer ein Stachel für ein verbürgerlichtes, verweltlichtes Christentum bleiben. Mit einer Aufgabe oder „Lockerung“ des Zölibats würde man keine Probleme lösen, sondern „nur neue schaffen“. (Vgl. DT 29.5.10)

Ähnlich unverblümt sprach sich der Essener Bischof Overbeck aus: Auch wenn „das selbstverständliche Mitgetragen­werden in der zölibatären Lebensform“ geringer zu werden scheine, sage er „als Bischof sehr klar: Ich werde nicht am Zölibat rütteln. Es ist die den Priestern angemessene Lebens­form.“ Wenn bischöfliche Mitbrüder sich für Änderungen aus­sprächen, könne das deren Meinung sein; er „habe sie nicht und werde sie auch nicht teilen“.

Im selben Interview präzisierte Overbeck auch eine Stel­lungnahme in der Talk-Show „Anne Will“ zum Thema Homo­sexualität. Dort hatte er gesagt, Homosexualität sie Sünde und widerspreche der menschlichen Natur. Nun verdeutlichte er: „Es wäre sicherlich eindeutiger gewesen, wenn ich in der Sendung gesagt hätte: Homosexualität ist nicht Sünde im Sinne der Anlage, sondern im Sinne einer ausgelebten Homo­sexualität. Das steht auch so im Katechismus“ [Anmerkung: Tatsächlich spricht der KKK in seiner revidierten Fassung nicht von „Veranlagung“, sondern von „homosexueller Neigung“!] Overbeck bekräftigte in dem DT-Interview aber: „Es gehört zu meinen Pflichten, das zu tun. Es muss eine öffentlich wahr­nehmbare Diskussion geben. Dafür stehen wir als Bischöfe ein“. Man müsste „damit leben lernen, dass die Kirche und ihre Lehre nicht mehr unumstritten hingenommen werden… Auch dazu müssen wir stehen“. (Vgl. DT 10.6.10, kath.net 10.6.10)

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Nonne exkommuniziert

Phoenix / Arizona (USA). Eine katholische Ordensfrau hat sich aufgrund der Beteiligung an einer Abtreibung die auto­matische Exkommunikation zugezogen. Dies teilte Bischof Thomas J. Olstedt vom Bistum Phoenix mit. Schwester Mar­garet Mary McBride war Mitglied einer „Ethikkommission“, die darüber entschied, bei einer Mutter eine Abtreibung vorzu­nehmen. Angeblich gab es laut Krankenhausleitung eine ge­wisse Gefahr für das Leben der Mutter, die an Lungenhoch­druck litt. Die Nonne gab offensichtlich die Zustimmung zur Abtreibung, die erlaubt und „moralisch gut“ sei, und bestätigte das auch gegenüber dem Bischof. Der Bischof betonte in seiner Erklärung zu dem Fall, dass die direkte Tötung eines ungeborenen Kindes moralisch niemals erlaubt sei; dies hänge auch nicht von den Umständen ab. (Vgl. kath.net 20.5.10)

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Heiligmäßige Bischöfe gesucht

St. Pölten. Was die Kirche und die Gesellschaft brauche, seien „heiligmäßige Bischöfe, die sich nicht vom Zeitgeist oder anderen Geistern einschüchtern lassen“, gab der St. Pöltener Bischof Dr. Klaus Küng in einem NEWS-Interview auf die Frage nach demnächst in Österreich anstehenden Bischofs­ernennungen zur Antwort und fügte hinzu: „Hoffentlich findet der Hl. Vater die geeigneten Leute.“ Anders als der Eisen­städter Bischof Iby sei er „persönlich davon überzeugt, dass der Zölibat als Voraussetzung für den Empfang der Prieste­weihe auch heute sinnvoll“ sei als „starkes Zeichen einer Ganz­hingabe an GOTT und des Freiseins für den Dienst an den Menschen“. Er denke darüber nach, wie man Priestern helfen könne, den Zölibat heute besser zu leben. Angesprochen auf seine kürzlich gemachte Aussage, auch in die Kirche sei „Erotisierung“ hineingeschwappt, erklärte Küng, „nach der welt­weiten Verbreitung der Pille und anderer Antikonzeptiva, durch omnipotente Erotisierung“ der Werbung und der Medien sei eine gewaltige Veränderung im Verhalten vieler Menschen geschehen, und diese Einstellungen und Trends hätten „nicht wenige Mitglieder der Kirche erfasst“, mit schlimmen Folgen für das geistliche Leben, für die Persönlichkeitsentwicklung und die Beziehungen. Es gebe auch „diesbezügliche Defizite in der Verkündigung der Kirche in den letzten Jahren“ (vgl. www. dsp.at 31.5.10).

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Krankenhaus verliert katholischen Status

Baker / Oregon (USA). Weil es sich „an einige Lehren der Kirche nicht hält“, entzog die Diözese Baker, Oregon, einem Krankenhaus die Förderung. Das „St. Charles Medical Center“, vor 92 Jahren von einem Frauenorden gegründet, war in den 1970er Jahren in eine gemeinnützige Organisation umge­wandelt worden – in ein medizinisches Zentrum unter katho­lischer Patenschaft, weil es sich nach den katholischen Maß­stäben entsprechend den „ethischen und religiösen Richtlinien für katholische Gesundheitsleistungen“ der US-Bischöfe orien­tierte. 2007 ließ Bischof Robert F. Vasa eine Prüfung vor­nehmen, ob das Verhalten der Klinik mit den freiwillig über­nommenen Richtlinien übereinstimme. In einem Artikel der Kir­chenzeitung „Catholic Sentinel“ im März 2010 stellte der Bi­schof fest, dass die Klinik zwar verbal an den Richtlinien fest­halte, diese aber in der Praxis nicht als verbindlich ansehe, sondern sich mehr und mehr davon wegbewegt habe. Das Krankenhaus bietet seinen Patientinnen Eileiter-Abbindungen, eine Form der Sterilisation, an. So wurde der Klinik der katholi­sche Status entzogen und die Erlaubnis zur Feier der hl. Messe in der Hauskapelle aufgehoben. (Vgl. Lay Witness, May/June 2010).

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Köln. In diesem Zusammenhang: Unter dem Titel „Kardinal verbietet auch die ‚Pille danach’“ berichtete im Juni ein Presseorgan aus Simmerath, Städteregion Aachen, über das St.-Brigida-Krankenhaus. Es war von der Ordensgemeinschaft der Zellitinnen 1909 gegründet und bis 1997 geführt und dann an die Maltester übergeben worden. Beim Verkauf gibt es ein Rückfallrecht, so dass der Kölner Erzbischof einer Übernahme durch die Städteregion Aachen nun zustimmen muss. In dem Bericht heißt es: „Weil das Haus auch unter dem weltlichen Träger Städteregion Aachen weiterhin im Geist und nach dem Buchstaben des Katholizismus geführt werden soll, macht Kardinal Meisner seine Zustimmung von der Verpflichtung der Städteregion abhängig, dass es im St. Brigida-Krankenhaus keine Abtreibungen und keinerlei Maßnahmen geben darf, die einer Schwangerschaft vorbeugen oder die sie beenden, wie das Einsetzen der Spirale oder die ’Pille danach’“. Es sei eine Zustimmung signalisiert worden, wenn halbjährig durch eine anonymisierte Dokumentation eine Prüfung des Generalvika­riats Köln möglich sei, ob der Krankenhausträger seiner dies­bezüglichen Verpflichtung nachkomme. Diese Ausschlussbe­dingung für Häuser in katholischer Trägerschaft sei nach Aus­kunft des Kath. Krankenhausverbandes Deutschland üblich, doch nannte der Sozialdezernent der Städteregion eine solche Bedingung unzumutbar (vgl. az-web.de 22.06.10).

Und nun ist der Verkauf dieses katholischen Krankenhauses in der Eifel geplatzt, weil der potentielle öffentliche Krankenhaus­träger die Forderung, auch in Zukunft weder vorgeburtliche Kindstötungen noch andere medizinische Leistungen anzubie­ten, die auf die Beendigung einer Schwangerschaft zielen (z. B. frühabtreibende Mittel wie „Spirale“ oder „Pille danach“ einzu­setzen – dass auch die normale „Pille“ frühabtreibend wirken kann, wird leider nicht angeführt), nicht akzeptiert. Der Städte­regionsrat Etschenberg (CDU) schiebt Kardinal Meisner die Schuld am Scheitern des Krankenhausverkaufs zu: „Der Erz­bischof ist der ausschließliche Schlüssel…“ Tatsächlich aber stehen, wie „Die Tagespost“ berichtet, die Malteser als bisheri­ger Krankenhausträger hinter dem Anliegen des Kardinals: Die Entwicklung überrasche sie, da sie der Städteregion in wirt­schaftlichen Fragen sehr weit entgegengekommen seien. Sie hätten kein Verständnis dafür, „dass man lieber das Kranken­haus aufgibt, als auf Abtreibung zu verzichten“. (Vgl. kath.net 2.7.10; rv 2.7.10, DT 3.7.10)

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Manila, Philippinen. Der von der Regierung beschlossene Sexualkundeunterricht in der Schule untergrabe das Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder, erklärte die phi­lippinische Bischofskonferenz in Manila. Den Kindern sollte „nicht beigebracht werden, was unpassend für sie ist, und erst recht nicht an Schulen“, sagte der Sprecher der Bischofskon­ferenz. Das Bildungsministerium hatte am gleichen Tag die Einführung der Sexualkunde für das in zwei Wochen beginnen­de Schuljahr angekündigt. Die Ministerin begründete dies da­mit, man wolle Teenagerschwangerschaften und Infektions­krankheiten vorbeugen helfen (rv 2.6.10). – Wegen der starken Opposition durch die Kirche stoppte das Bildungsminis­terium der Philippinen das Pilotprogramm zur Einführung des Sexualkundeunterrichts. Die Bildungsministerin wolle prüfen, inwieweit „christliche Werte“ berührt würden, und sich ausführlich mit der Bischofskonferenz beraten. Die Bischofs­konferenz zeigte sich „erfreut“. Die Leiterin der Rechtsabteilung hatte zusammen mit 30 anderen Eltern und einer katholischen Partei bei einem Gericht in Manila Klage eingereicht mit der Begründung, schulischer Sexualkundeunterricht verletze das Recht der Eltern, selbst den „moralischen Charakter“ ihrer Kinder zu formen. (Vgl. kath.net 24.6.10)

Nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten haben die philippinischen Bischöfe diesem einen 13-Punkte-Appell zukom­men lassen; darin fordern sie neben Agrarreform, Kampf gegen Korruption und anderem als 2. Punkt den Stopp für das Gesetz zur sog. „reproduktiven Gesundheit“, das im ver­gangenen Monat zu einer heftigen Diskussion im Land führte. Die Bischöfe fordern, dass gleichgeschlechtliche Ehen, Schei­dungen, Abtreibungen, Euthanasie, Empfängnisverhütung und alle Maßnahmen, die nicht dem Schutz des Lebens dienen, von der politischen Agenda gestrichen werden. (Vgl. zenit 6.7.10, rv 2.7.10)

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Verfolgung

Madrid. Als „kulturellen Selbstmord“ kritisierte die spanische Bischofskonferenz das von der Regierung Spaniens geplante Entfernen von „religiösen Symbolen“ und damit auch den Kruzifixen aus allen staatlichen Schulen, Krankenhäusern, Ministerien, Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden. Dies sei Teil der „Verfolgung“, unter der die katholische Kirche derzeit in Spanien leide (vgl. zenit 28..6.10).

Als Verstoß gegen alle ethischen und moralischen Werte beurteilen die Bischöfe Spaniens das neue Abtreibungs­gesetz. Das bisher gültige Abtreibungsverbot wird durch dieses nunmehr in Kraft getretene Gesetz in vielen Punkten aufgeho­ben: Abtreibungen werden bis zu 14. (und in Ausnahmefällen 22.) Woche legalisiert; Minderjährige ab 16 Jahren können ohne Einverständnis der Eltern abtreiben lassen (vgl. rv 6.7.10).

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Zur Weihe von Frauen nicht ermächtigt

Münster. Für den Münsteraner Bischof Felix Genn können weder eine Aufhebung des Zölibats noch der Zugang von Frauen zum Priesteramt den Priestermangel beheben. In einer Presse-Stellungnahme wies Genn darauf hin, dass neben der Zahl der Priester auch die Zahl der GOTTESdienstbesucher zurückgegangen sei. „Mit Fug und Recht“ könne man nicht nur von einem Priestermangel, sondern auch von einem „Gläubi­genmangel“ sprechen. Die Verantwortlichen im Bistum und in den Gemeinden sollten Priestern helfen, „die zölibatäre Le­bensform angemessen zu gestalten“. Bischof Genn betonte, es sei verbindlich, dass die katholische Kirche „vom Auftrag und der Weisung JESU her nicht ermächtigt ist, das Sakrament der Weihe Frauen zu spenden“. Das habe Papst Johannes Paul II. 1994 lehramtlich festgehalten. Wie Frauen in Leitungsämtern, die nicht mit der Weihe verbunden sind, mehr Berücksichtigung finden, sei zu bedenken; in dieser Frage seien Schreiben des früheren Papstes über Rolle und Würde der Frau noch nicht ausgeschöpft. (Vgl. kath.net 1.7.10)

 

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