(FMG-INFORMATION 97, Juli 2009)

 

„Humanae vitae“, „Donum vitae“ und „Evangelium vitae“

 

„Die Tagespost“ veröffentlichte am 19. Mai 2009 einen ausführlichen Artikel von Erzbischof Reinhard Marx unter dem Titel „Lebensschutz als Einsatz für die Menschenwürde“ (vgl. auch kath.net, 27.5.09). Als Quelle war „Familia et vita“ (No. 1/2009) angegeben, die Vierteljahreszeitschrift des Päpstlichen Rates für die Familie, in der mehrere Beiträge erschienen zum Thema „Humanae vitae nach 40 Jahren“. Der Münchner Erzbischof befasst sich in seinem Beitrag mit Empfängnisregelung, künstlicher Befruchtung und Abtreibung bzw. mit den Dokumenten „Humanae vitae“ (Enzyklika 1968), „Donum vitae“ (Instruktion der Glaubenskongregation „über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung“, 1987) sowie „Evangelium vitae“ (Enzyklika 1995).

Bemerkenswert, dass ein deutscher Bischof die Lehre von „Humanae vitae“ doch als etwas Selbstverständliches behandelt - allerdings eher nur in wissenschaftlicher Perspektive, nicht als nachdrückliche Verkündigung an die Gläubigen (wo auch die Sündhaftigkeit der Empfängnisverhütung und die Notwendigkeit gerechter Gründe für die ethische Akzeptanz der Natürlichen Empfängnisregelung mit benannt werden müssten – das fehlt hier leider).

 

Erzbischof Marx konstatiert zunächst, dass bei Äußerungen der Kirche zu moralischen Fragen zunächst das „Nein“ gehört und empört abgelehnt würde, wie besonders 1968 bei „Humanae vitae“. Man habe von „Revision des Dialogs“ gesprochen und die Revision der Enzyklika gemeint, und Luise Rinser habe dem Papst sogar vorgeworfen, „der Sünde des Mordes Tür und Tor“ zu öffnen, da das Verbot der Verhütung Abtreibung fördere. Oder man habe von der „nicht unfehlbaren“ Entscheidung Pauls VI. gesprochen, von der „jedes Ehepaar nach ernsthafter Gewissensprüfung abweichen dürfe“. Der Instruktion „Donum vitae“ 1987 sei es nicht viel anders gegangen. Der umfassenderen Enzyklika „Evangelium vitae“ sei es zwar besser gegangen, doch werde sie kaum beachtet.

 

»Nicht nur „Evangelium vitae“, sondern auch „Humanae vitae“ und „Donum vitae“ als Dokumente einer Kultur des Lebens zu betrachten, fordert 40 Jahre nach dem Sturm von 1968 zu­nächst zu einer Relecture von „Humanae vitae“ heraus, einer Relecture, die nicht zuerst nach dem fragt, was die Enzyklika verbietet, sondern nach dem, was sie verteidigt. „Humanae vitae“ verteidigt die eheliche Sexualität als Ausdruck personaler Liebe. Die Enzyklika verteidigt mithin ein Menschenbild, in dessen Zentrum die Person steht, die An­spruch auf Anerkennung hat und für die die Selbsthingabe ebenso zu den Bedingungen eines gelingenden Lebens gehört wie die Selbstbestimmung. Sie verteidigt ein Menschenbild, in dem der Mensch ein geschlechtliches Wesen ist, in dem Mann und Frau füreinander geschaffen sind, und in dem die Ehe nicht nur eine Vertragsbeziehung, sondern eine Bedingung der sexuellen Vereinigung, biblisch gesprochen, des gegenseitigen „Erkennens“ von Mann und Frau ist. Mann und Frau streben „durch ihre gegenseitige Hingabe, die ihnen in der Ehe eigen und ausschließlich ist, nach jener personalen Gemeinschaft, in der sie sich gegenseitig vollenden, um mit Gott zusammen­zuwirken bei der Weckung und Erziehung neuen menschlichen Lebens“.

Die gegenseitige Vollendung im ehelichen Akt und die Zeugung neuen Lebens sind durch die hormonale Empfängnisverhütung Anfang der 60er Jahre ebenso auseinander gerissen worden wie 15 bis 20 Jahre später durch die künstliche Befruchtung, die 1978 zur Geburt des ersten auf diesem Weg erzeugten Menschen führte. Das Anliegen der Kirche aber war es, nicht nur deutlich zu machen, dass die gegenseitige Vollendung im Geschlechtsakt und die Offenheit für die Empfängnis neuen Lebens zusammengehören, sondern dass das eine durch die Verknüpfung mit dem anderen mitkonstituiert wird. Der Ge­schlechtsakt ist nicht nur ein körperlicher Akt, sondern „ein untrennbar leiblicher und geistiger Akt zugleich“, wie „Donum vitae“ knapp 20 Jahre später unterstreicht. Er ist ein Akt gegenseitiger Vollendung durch gegenseitige, vorbehalt­lose Hingabe. „Nur du und du für immer“, so kennzeichnete Joseph Kardinal Höffner die Identität einer christlichen Ehe. Die vorbehaltlose Hingabe setzt die umfassende gegenseitige Bejahung, die lebenslange Treue und die Bereitschaft zur Transzendierung der Beziehung in der Offenheit für neues Leben voraus – und zwar in jedem ehelichen Akt. Die beiden Sinngehalte des ehelichen Aktes – gegenseitige Vollendung im „Ein-Fleisch-Werden“, wie es biblisch heißt, und Fortpflanzung – zwar für die Totalität des Ehelebens, nicht aber für jeden einzelnen ehelichen Akt gelten zu lassen, heißt in jenen Akten, die die Empfängnisfähigkeit durch Hormone manipulieren, einen Vorbehalt machen, heißt die Ganzhingabe zu verweigern.

Die Entscheidung für die Natürliche Empfängnisregelung, das heißt für die natürlichen Rhythmen der Frau, beinhaltet dagegen diesen Vorbehalt nicht. Schon „Humanae vitae“ hat im ehelichen Akt, der diese natürlichen Rhythmen der Frau berücksichtigt, den Charakter der gegenseitigen Vollen­dung gewürdigt. Johannes Paul II. hat dies in seinem Aposto­lischen Schreiben über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute „Familiaris consortio“ vom 22. November 1981 bekräftigt und auch eine wesentliche Eigenschaft der Natürlichen Empfängnisregelung erwähnt, die von deren Pio­nieren und vielen Ehepaaren, die sie praktizieren, bestätigt wird. Dass sie nämlich den Dialog der Ehepaare über ihre Sexualität zugleich erfordert und erleichtert. „Die Entscheidung für die natürlichen Rhythmen beinhaltet ein Annehmen der Zeiten der Person, der Frau, und damit auch ein Annehmen des Dialoges, der gegenseitigen Achtung, der gemeinsamen Verantwortung, der Selbstbeherrschung. Die Zeiten und den Dialog annehmen heißt, den zugleich geistigen und körper­lichen Charakter der ehelichen Vereinigung anerkennen und die personale Liebe in ihrem Treueanspruch leben“. Hinzuzufügen ist, dass die Methoden dieser Zeitwahl gegenüber „Humanae vitae“, als nur die Kalendermethode nach Knaus-Ogino bekannt war, durch Rötzer und Billings wesentlich weiterentwickelt worden sind. Die Argumentation von „Humanae vitae“ im Hinblick auf die Methoden der Empfängnisverhütung als bio­logistisch oder physiozistisch zu bezeichnen, wird der Enzyklika nicht gerecht. Ihre Argumentation ist vielmehr eine moralische. Sie will die eheliche Sexualität als eine anthropologische Grundbefindlichkeit verteidigen. Es geht darum, die Frage der geschlechtlichen Vereinigung und der Weitergabe des Lebens nicht nur unter biologischen, psychologischen, demographischen und soziologischen Aspekten oder im Hin­blick auf die Tradition des päpstlichen Lehramtes zu betrach­ten, sondern sie in das personale Menschenbild zu integrie­ren und „den ganzen Menschen im Auge“ zu behalten.

„Humanae vitae“ fügt sich ein in die vom II. Vatikanischen Konzil propagierte „Förderung der Würde der Ehe und der Familie“. Mit diesem Titel überschrieb das Konzil das erste Kapitel des II. Hauptteils von „Gaudium et spes“. Darin ist von der Berufung zu Ehe und Familie und von der sittlichen Würde des ehelichen Geschlechtsaktes die Rede.«

 

Die Verteidigung der ehelichen Sexualität und der Würde der Fortpflanzung sei auch das große Anliegen von „Donum vitae“ knapp 20 Jahre später, der ersten Aussage zur künstlichen Befruchtung, da 1978 erstmals in Großbritannien (und 1982 in Deutschland) ein künstlich im Labor erzeugter Mensch geboren wurde. Marx schildert kurz die Vorgehensweise. In Deutschland würden inzwischen bei rund 60.000 „In-vitro-Fertilisationen“ oder „Intracytoplasmatischen Spermieninjektionen“ rund 6.500 Geburten jährlich registriert (wegen Mehrlingsquote ca. 9.000 Kinder). Diese „assistierte Reproduktion“ werfe eine Fülle von Problemen verschiedener Art hervor, nicht zuletzt die damit einhergehende Zerstörung von unzähligen Embryonen. Auch das Einfrieren von Embryonen (eine „Beleidigung“ des Embry­os und Verletzung des Grundgesetz-Rechts auf körperliche Un­versehrtheit) sowie die erhöhte Fehlbildungsrate von Kindern, die Tötung von Mehrlings-Embryonen im Mutterleib und die Verletzung des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung und auf eigene Identität führt der Erzbischof an. Selbst wenn diese Probleme gelöst werden könnten, bliebe die Problematik, dass die Eltern nur Rohstofflieferanten seien, die Mediziner die eigentlich Handelnden. Dagegen verteidige die Kirche

»nicht nur die eheliche Sexualität und die Würde der Fort­pflanzung, sondern auch den klassischen Beruf des Geburts­helfers. Sie verteidigt die liebende Vereinigung von Vater und Mutter im Geschlechtsakt, die eine Voraussetzung der Elternschaft ist. Sie verteidigt das Recht der Eheleute, dass „der eine nur durch den anderen Vater oder Mutter wird

Marx kommt auf das Leid von Eheleuten zu sprechen, deren Kinderwunsch unerfüllt bleibt; die Kirche unterstütze alle Be­mühungen, die Unfruchtbarkeit medizinisch oder psychologisch zu behandeln, doch dürfe dabei nicht die eheliche Sexualität suspendiert werden. Die Kirche unterstreiche auch, dass es „kein Recht auf ein Kind“ gebe, denn ein Kind sei „nichts Geschuldetes“ und kein Eigentumsobjekt, sondern Geschenk und „lebendiges Zeugnis der gegenseitigen Hingabe“.

Die Instruktion „Donum vitae“ trete auch für das Recht des Kindes ein, »einen ganz und gar menschlichen Ursprung durch die der personalen Natur des menschlichen Wesens entspre­chende Empfängnis zu haben«. Die „assistierte Reproduktion“ erniedrige das Kind zum »Produkt eines Eingriffs medizinischer Techniken, zum Objekt einer wissenschaftlichen Technologie«, das in einer »existentiellen Abhängigkeit vom Produzenten« sei. Das Kind habe aber »einen moralischen Anspruch, ja mehr noch, ein Recht darauf, „die Frucht des spezifischen Aktes der ehelichen Hingabe seiner Eltern zu sein und... vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an als Person geachtet zu werden“. Es ist weder das Produkt noch das Eigentum der Eltern. Es hat ein Recht, seine Existenz nicht als Chimäre, Hybride, Klon oder zertifiziertes Laborprodukt zu beginnen, sondern als Frucht einer menschenwürdigen Empfängnis, die die liebende Vereinigung seiner Eltern im Fleisch und im Geist voraussetzt.« Die Verteidigung der Würde der Fortpflanzung sei zugleich eine Verteidigung des Geschlechtsaktes und der Würde des Kindes.

 

Erzbischof Marx geht dann auf die Enzyklika „Evangelium vitae“ ein, die ein viel breiteres Themenspektrum erörtere und viele Aspekte einer „Kultur des Todes“ anspreche, vor allem Abtreibung und Euthanasie, aber auch an zentraler Stelle die Würde der Fortpflanzung behandle (Ziffern 42, 43), die ihre tiefste Wurzel in der Mitwirkung an GOTTES Schöpfung habe, die eine Hingabe, ein Sichschenken, voraussetze.

Bemerkenswert die folgende Passage im Artikel von Erzbischof Marx über den Zusammenhang von Verhütung und Abtreibung:

»Eine Relecture von „Humanae vitae“, „Donum vitae“ und „Evangelium vitae“ im Hinblick auf die Würde der Fortpflanzung erfordert auch, einen Zusammenhang ins Auge zu fassen, der meist vehement bestritten wird, den Zusammenhang nämlich zwischen hormonaler Empfängnisverhütung und Abtreibung. Bestritten wird dieser Zusammenhang oft, weil in der hormonalen Empfängnisverhütung – vordergründig – ein Mittel gesehen wird, um Abtreibungen zu verhindern. Schon der eingangs zitierte Brief der Schriftstellerin Luise Rinser dokumen­tierte diese vordergründige Sichtweise. Für sie war die Ablehnung der hormonalen Empfängnisverhütung durch Paul VI. gleichbedeutend mit einer Verführung zur Abtreibung. Das Gegenteil ist richtig. Der Zusammenhang zwischen der Verhütungsmentalität und der Abtreibungsbereitschaft ist nicht von der Hand zu weisen. Die Legalisierung der Abtreibung erfolgte in vielen westlichen Staaten in nur geringem zeitlichen Abstand zur Verbreitung der Pille und gleichzeitig führte diese Verbreitung zu einer Explosion der Abtreibungszahlen.

Die innere Logik dieser Entwicklung liegt auf der Hand. Die hormonalen Mittel der Empfängnisverhütung suggerieren ihren Benutzern, die Fruchtbarkeit des Geschlechtsaktes vollkommen zu beherrschen. Trat dennoch eine Empfängnis ein, galt dies als Katastrophe oder Unfall, dessen Folgen durch die Abtreibung zu beseitigen waren. Der gesetz­geberische und der statistische Zusammenhang zwischen Pille und Abtreibung zeigt, dass diese Methode der Emp­fängnisverhütung kein Mittel war, um Abtreibungen zu verhin­dern.«

Johannes Paul II. habe den bis heute zu hörenden Einwand zurückgewiesen, die Kirche solle, wenn sie gegen Abtreibung sei, wenigstens die hormonale Empfängnisverhütung akzep­tieren, die dazu beitrage, Abtreibungen zu verhindern. Die der Verhütungsmentalität innewohnenden Pseudowerte verstärken die Versuchung zur Abtreibung angesichts der möglichen Empfängnis eines unerwünschten Lebens. »Gynäkologische Vergleiche unter Wöchnerinnen in Berlin und Krakau, die sowohl nach den Methoden der Empfängnisregelung als auch nach vorausgehenden Abtreibungen fragten, legen einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Methode der Empfängnisregelung und der Abtreibungshäufigkeit nahe. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass in Berlin 64 Prozent der Wöch­nerinnen die Methode der hormonalen Empfängnisregelung anwandten und nur zwölf Prozent die Natürliche Emp­fängnisregelung, während in Krakau nur elf Prozent die Pille benutzten und 56 Prozent sich der Natürlichen Emp­fängnisregelung bedienten. Jeweils rund 20 Prozent wandten Barrieremethoden (Kondom, Spirale) an. Die Abtreibungsrate je Entbindung war in Berlin mit 0, 39 dreizehn mal höher als in Krakau mit 0, 03.« Drastisch bestätigt habe dies der Supreme Court der USA 1992 mit der Argumentation, die Menschen hätten sich an die Verfügbarkeit der Abtreibung beim Fehl­schlage der Verhütung gewöhnt.

 

Erzbischof Marx kommt dann auf einen weiteren Aspekt zu sprechen: dass diese Mitwirkung mit dem Schöpfer dem Menschen nicht immer leicht falle, sondern Anstrengung, Askese und Tugenden voraussetze. Den Päpsten sei die Versuchbarkeit und Schwäche des Menschen bewusst, und sie argumentierten nicht nur als Lehrer, sondern auch als Seelsorger. In „Humanae vitae“ sei darum auf die Hilfe GOT­TES und auf die Barmherzigkeit GOTTES im Bußsakrament hingewiesen, so wie „Evangelium vitae“ besonders Frauen, die ab­getrieben hätten, auf Reue und Vergebung aufmerksam mache.

»Diese pastoralen Weisungen sind deshalb so hilfreich, weil sie nicht die falschen Entscheidungen von Eheleuten oder Schwangeren mit utilitaristischen Argumenten entschuldigen, sondern Wege zur Umkehr weisen und das Erbarmen GOTTES in Erinnerung rufen, das Trost schenkt und einen Neuanfang ermöglicht.«

 

Schließlich fordert Erzbischof Marx »auch einen Neuanfang der Politik. Gewiss ist die Zeugung eines Kindes im ehelichen Liebesakt eine höchst intime Angelegenheit, über die immer und an jedem Ort der Erde allein die Eheleute zu entscheiden befugt sind. Aber es ist die Aufgabe der Politik und der staatlichen Rechtsordnung, dem gerade von internationalen Organisationen vertretenen Anspruch entgegenzutreten, dass zu diesem Menschenrecht auf Reproduktion auch ein Recht auf Abtreibung gehört. Es ist die Aufgabe der Politik und der Rechtsordnung, das aus dem ehelichen Liebesakt möglicher­weise hervorgehende Kind als eigenes Subjekt zu schützen und die Eltern in ihrer Verantwortung für dieses Kind zu unterstützen, anstatt es schutz- und rechtlos zu lassen und sein Lebensrecht dem Willen der Schwangeren zu unterwerfen. Mit der Legalisierung der Abtreibung und der Duldung von Mitteln, die nicht die Empfängnis, sondern die Nidation verhindern, verletzt der Gesetzgeber seine Pflicht.«

Daher ziehe sich der Kampf gegen die „Kultur des Todes“ wie ein roter Faden durch das Pontifikat Johannes’ Pauls II., so habe er »eine Selbstzerstörung der Demokratien zu verhindern« versucht. Er habe aber auch diese ethischen Fragen als zentrales Anliegen der katholischen Soziallehre etabliert. Wie Ende des 19. Jahrhunderts Leo XIII. die Rechte der Arbeiterklasse verteidigte, so verteidige am Ende des 20. Jh. die Kirche die Rechte der ungeborenen Kinder. »Die Kirche ist verpflichtet, ihnen eine Stimme zu geben. Sie ist verpflichtet, den Zusammenhang zwischen der Würde der Fortpflanzung und dem Schutz des Lebens in Erinnerung zu rufen. Sie ist verpflichtet, das Evangelium des Lebens zu verkünden – sei es gelegen oder ungelegen.«

 

 

Meldungen - Meinungen

 

 

Bonn. Als Nachfolger von Hans Joachim Meyer als Präsident des sogenannten „Zentralkomitees der deutschen Katholi­ken“ wurde vom ZdK-Präsidium der hessische Bildungsstaats­sekretär Heinz-Wilhelm Brockmann vorgeschlagen. Brock­mann war schon in der Diskussion über die Kölner Erklärung von Dissens-Theologen 1989 „als unduldsamer Gegner kir­chentreuer Katholiken“ (DT) aufgefallen und war Mitbegründer des Schwangerenberatungs-Vereins „Donum Vitae“. Bei der Sitzung des Ständigen Rates der Bischöfe in Würzburg erhielt Brockmann nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit (d. h., dass möglicherweise 65% der regierenden Bischöfe für Brockmann waren!). Der Osnabrücker Bischof Bode bedauerte die Ablehnung Brockmanns. Das ZdK-Präsidium äußerte „Unverständnis“ für die Ablehnung und schlug eine Verschiebung der Wahl eines Nachfolgers von Meyer vor, der BDKJ-Vorsitzende äußerte heftige Kritik an der Ablehnung der Bischöfe und widersprach einer Verschiebung der Wahl. Die katholischen Laien hätten das Recht, einen Präsidenten nach ihren Vorstellungen zu wählen (vgl. DT 2.5.09). - Der Vorgang macht erneut deutlich, dass das Zentralkomitee, das sich auf keine Bevollmächtigung durch die deutschen Katholiken berufen kann, offenbar nicht den Glauben der Kirche vertritt.

Schon einige Zeit vorher hatte die deutsche Bischofskonferenz auch Kritik geübt an einer Erklärung des ZdKs „Nein zur Judenmission – Ja zum Dialog zwischen Juden und Heiden“. In der ausführlichen Stellungnahme, die der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, Vorsitzender der Öku­menekommission, im Auftrag des DBK-Vorsitzenden Zollitsch verfasst hatte, wird kritisiert, dass „wesentliche christliche Glaubensaussagen zu den Mysterien der Trinität und der Inkarnation, zu Erlösung und Rechtfertigung des Sünders, zu Gnade und Erbsünde, zur universalen und einzigen Mittlerschaft CHRISTI, zur Heilsnotwendigkeit der Kirche, des CHRISTUSbekenntnisses und der Verbindung mit CHRISTUS in den Sakramenten, zum Verhältnis von universalem Heils­willen und seiner ekklesialen und sakramentalen Vergegen­wärtigung entweder relativiert oder ungenau wiedergegeben werden“ (vgl. kath.net 15.4.09).

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Mailand. Erneut äußerte der emeritierte Mailänder Erzbischof, Carlo Kardinal Martini SJ in einem Interview mit einer Bezugnahme auf die Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe, die Kirche müsse eine Lösung für die wiederverheirateten Geschiedenen finden. Einige Tage später nahm der Theologe Inos Biffi zu der ausgelösten Debatte in der Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“ Stel­lung. Der Fall liege bei Geschiedenen anders, denn bei ihnen gebe es auch nach Scheidung und eventueller Wiederheirat keine Exkommunikation, die man aufheben könne. Sie seien aufgefordert, an der Messfeier teilzunehmen, doch ohne die hl. Kommunion zu empfangen, und dafür gebe es Vorbilder in der Kirchengeschichte, etwa die Katechumenen (rv 20.5; 29.5.09).

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Bamberg/Hildesheim. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick kritisierte eine Tagung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zu grüner Gentechnik als „einseitig ausge­richtet“. Schick, der Vorsitzender der Kommission Weltkirche der DBK ist, schloss sich damit Vorwürfen des „Bund Natur­schutz“ in Bayern an, dass die meisten eingeladenen Wissen­schaftler strikte Befürworter der Agro-Gentechnik seien, auch enge Kontakte zur Industrie hätten. – Der Diözesandirektor der Päpstlichen Missionswerke in Hildesheim, Dietmar Müßig, hatte schon früher eine ähnliche Kritik an der römischen Studientagung zum Thema „Transgene Pflanzen für die Nahrungsmittelsicherheit im Entwicklungszusammenhang“ geäußert. (Vgl. DT 14.5.09, rv 15.4.09)

Anmerkung: Gegen die einseitige Zusammensetzung anderer vatikanischer Akademietagungen zur Transplantationsmedizin und Hirntod meldeten sich keine Stimmen aus der deutschen Kirche, die gegen die Akzeptanz des sog. Hirntodes und die Organentnahme bei noch Lebenden eingetreten wären. Im Gegenteil, das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz stellte sich in einem Brief vom Januar dieses Jahres positiv zum sog. „Hirntod“, dessen Wertung zwar „stark umstritten und emotional aufgeladen“ sei, aber „von bedeutenden wissen­schaftlichen Institutionen einschließlich der päpstlichen Akademie der Wissenschaften anerkannt“ sei“. Auch die Aussagen des Hl. Vaters vom November 2008 werden als „Akzeptanz des Hirntodes als valides Kriterium der Todesfeststellung“ interpretiert!

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Budapest. Die Ungarische Bischofskonferenz hat angeordnet, dass die Wandlungsworte bei der Konsekration des Kelches ab Pfingsten 2009 in der korrigierten Fassung zu sprechen seien: „sokakért“ (für viele) und nicht mehr „mindenkiért“ (für alle). Die Priester hatten die entsprechende Anordnung, unterzeichnet von Kardinal Péter Erdö, Primas von Ungarn, zur Korrektur der Wandlungsworte zusammen mit kleinen Aufklebern zum Überkleben der früheren Übersetzung erhalten (vgl. stjosef.at 27.5.09).

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Recife/Brasilien. Zu dem in der FMG-INFORMATION 96 S. 26ff. berichteten massiven unberechtigten Kritik des Präsidenten der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Fisichella, an dem brasilianischen Erzbischof Jose Cardoso Sobrinho sind weitere Pressemeldungen erschienen. Erzbischof Cardoso Sobrinho von Recife wandte sich in einem sechsseitigen Memorandum an den Vatikan – nicht als offizielle Anklageschrift gegen Fisichella zu verstehen, sondern als Versuch, eine „freundschaftliche und christliche Lösung“ in diesem offenen Konflikt zu erzielen, sagte der Leiter von Human Life International in Rom. In dem Memorandum legte der brasilianische Oberhirte dar, dass die Kritik Fisichellas auf falschen Informationen beruht habe. Die Lage des schwangeren neunjährigen Mädchens sei nie in Gefahr gewesen usw. Er zeigte sich sehr enttäuscht, dass die vatikanischen Kritiker niemals mit ihm über den Fall gesprochen hätten (vgl. kath.net/CWNews.com/LifeSiteNews.com 10.6.09). Die „Tagespost“ (13.6.09) berichtete, dass das Erzbistum Olinda e Recife angesichts der sachlichen Fehler in Fisichellas Artikel eine Richtigstellung im L'Osservatore Romano verlangt hat – vergeblich. Wir hatten in FMG-INFORMATION 96 die fragwürdigen Äußerungen Fisichellas mit der Frage zusammengefasst, ob ein solcher Mann weiter die Pp. Akademie „für das Leben“ leiten könne.

Prof. Josef Seifert, Ordentliches Mitglied dieser Pp. Akademie für das Leben, Gründungsrektor der Internationalen Akademie für Philosophie in Liechtenstein, der auch in Südamerika doziert, sah sich veranlasst, mit dem ungewöhnlichen Mittel eines Offenen Briefes auf diese „Krise der Pp. Akademie für das Leben und, noch wichtiger, auf die öffentliche Wahr­nehmung der Lehre der Kirche über Abtreibung“ aufmerksam zu machen, da zahllose Personen und Medien in der ganzen Welt der Pp. Akademie für das Leben [und, wegen der Stellungnahme des päpstlichen Pressesprechers P. Lombardi, auch dem Hl. Vater] die „Verbreitung einer neuen moralischen Lehre“ zugeschrieben hätten, die diametral der Lehre der Kir­che und der Enzyklika „Evangelium vitae“ entgegenstehe. Er empfinde es als seine Pflicht, seine Hoffnung auszudrücken, „dass die höchsten Lehrautoritäten der Kirche rasch und ein­deutig die authentische Lehre der Kirche über das intrinsisch Böse jeder Abtreibung darstellen und öffentlich und unmiss­verständlich die erwähnten Aussagen korrigieren mögen, um die verheerenden Konsequenzen… soweit noch möglich abzu­wenden.“ Andernfalls könne es dazu führen, dass selbst katholische Krankenhäuser und Ärzte mit Berufung auf die „neue katholische Lehre“ „das abscheuliche Übel und den Mord verteidigen, der unzutreffenderweise mit dem Begriff ‚thera­peutische Abtreibung’ bezeichnet wird“ (vgl. Friday-Fax 1.5.09, DT 13.6.2009). Die „Tagespost“ zitiert Erzbischof Cardoso Solbrinhos Aussage, Fisichella haben mehreren Bischöfen, die ihn angerufen hätten, gesagt, er habe die Anweisungen seiner Vorgesetzten befolgt. Das deutet nach Darstellung der „Ta­gespost“ auf Kardinalstaatssekretär Bertone. Offenbar habe man damals – nach den Medienattacken auf den Hl. Vater zum Thema „Kondome“ – eine öffentliche Debatte „um eine juris­tische Selbstverständlichkeit wie die automatisch nach einer Abtreibung eintretende Kirchenstrafe der Exkommunikation für die Verantwortlichen“ (DT) verhindern wollen. - Soeben wurde auch bekannt, dass der mit Vollendung des 75. Lebensjahrs eingereichte Rücktritt von Erzbischof Cardoso Sobrinho ange­nommen wurde. Die Nachrichten von Radio Vatikan (dt.) bringen dies noch in Zusammenhang mit der „Rüge“ von Fisichella an dem brasilianischen Oberhirten (rv 1.7.09).

Das Ganze wirft die sehr bedenkliche Frage auf, welche Mitarbeiter der Hl. Vater hier hat!

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Bologna. In einem Dekret ordnete der Erzbischof von Bologna, Carlo Kardinal Caffarra, kürzlich an, dass die Handkommunion in den drei wichtigsten Kirchen der Erzdiözese verboten sei. Dabei handle es sich um die Kathedrale St. Peter, die Basilika des hl. Petronius und das Marienheiligtum vom hl. Lukas. Der Kardinal betonte in diesem Zusammenhang, dass sich die Andacht und die innere Verehrung, mit der sich die Gläubigen dem HEILAND nähern, auch in der äußeren Weise des Kommunionempfangs zeige. In dem Dekret heißt es: „Wir müssen feststellen, dass es leider viele Fälle von Profanierungen der Eucharistie gab.“ Ursache sei die Duldung der Handkommunion gewesen, so Caffarra. Der Kardinal stellte auch klar, dass entsprechend dem Kirchenrecht nur Priester und Diakone ordentliche Kommunionspender seien; ausgebildete Laien oder Klosterfrauen dürften nur in „wirklich außerordentlichen Fällen“ zur Kommunionspendung beauftragt werden (vgl. stjosef.at/kathnews 12.6.09).

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Lima. Die Bischofskonferenz von Peru hat die kanadischen Bischöfe offiziell in einem Brief gebeten, keine Abtreibungs­organisation in Peru mehr finanziell zu fördern. Dies ge­schieht durch die kanadische katholische Organisation „Development & Peace“ (D&P): Die peruanischen Bischöfe schrieben: „Es ist sehr beunruhigend, dass Gruppen, die gegen die Bischöfe Perus arbeiten, indem sie den Rechtsschutz des Lebensrechts ungeborener Kinder untergraben wollen, von unseren Mitbrüdern im Bischofsamt in Kanada gefördert werden.“ Im März war bekanntgeworden, dass D&P 140.000 Dollar an fünf mexikanische Organisationen überwiesen hatte, die Abtreibungen durchführen. Die peruanischen Bischöfe untersuchten dann alle Organisationen Perus, die von D&P unterstützt werden: drei davon sprechen sich für Abtreibung und künstliche Verhütung oder deren euphemistische Bezeich­nung „sexuelle und reproduktive Rechte“ aus (vgl. kath.net/LifeSiteNews.com 16.6.09).

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London. Die katholischen Bischöfe in England und Wales wandten sich in einer Stellungnahme gegen Pläne des briti­schen Rundfunkausschusses für Werbepraxis, Rundfunk- und Werbespots für Abtreibung und Verhütungsmittel zuzulassen. Bei der Abtreibung handle es sich weder um ein „Heilmittel“ noch um eine „Ware“, so die Bischöfe. Eine solche Darstellung wäre „irreführend“ und sie setze Frauen unter Druck, im Fall einer ungewollten Schwangerschaft eine „schnelle Entscheidung“ zu treffen, die dann nicht rückgängig zu machen sei (vgl. rv 23.6.09).

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Washington DC. Die US-Bischofskonferenz hat Leitlinien für die Gründung katholischer Gewerkschaften für Mitarbeiter im Gesundheitswesen erlassen. Damit sollen die katholische Soziallehre und das Recht der Arbeiter zusammengebracht werden, so Kardinal Theodore McCarrick, Mitverfasser der Leitlinien. Die Arbeitnehmer sollten ohne Druck entscheiden können, welche Arbeiten sie moralisch verantworten können und welche nicht (vgl. rv/cna 24.6.09).

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Limburg/Lahn. Keine Laien als „Pfarrbeauftragte“ mehr anstellen will der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Als leitende Pfarrseelsorger werden nur noch Priester eingesetzt. Das Statut des Vorgängerbischofs Kamphaus von 1995, das Laien als leitende pfarrliche Seelsorger vorsah, läuft Ende des Jahres aus und wird nicht mehr verlängert. Der Bischof findet wegen dieser „Gewissensentscheidung“ Kritik. In seinem Hirtenbrief zu Pfingsten betonte er bereits, dass in der Frage nach der Zukunft der Pfarrseelsorge „auf die Dauer keine pragmatischen Lösungen helfen, die zu wenig berücksichtigen, dass Glaube und Kirche aus den Sakramenten leben“. Schon vor einem Jahr hatte Tebartz-van Elst eine stärkere Ausrich­tung des Bistums auf Rom angekündigt. (Vgl. kath.net 30.6.09)

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Kamerun. Die Bischöfe Kameruns reagierten auf eine Entscheidung des Parlaments, wonach der Präsident das so genannte „Protokoll von Maputo“ unterzeichnen kann, mit einem Ja zum Schutz der afrikanischen Frau vor Gewalt und Diskriminierung, aber mit einem Nein zur Abtreibung. Das „Protokoll von Maputo“ von 2003 als Ergänzung zur „Afrika-Charta der Menschen- und Völkerrechte“ besagt u.a., dass die unterzeichnenden Staaten im Fall von Vergewaltigung, Inzest oder wenn die Schwangerschaft Gesundheit bzw. Leben der Mutter oder des Fötus gefährdet, die Abtreibung erlauben sollten. Dieser Paragraph sei „eine offene Tür zur Legalisierung der Abtreibung in Afrika“, so die Bischöfe (vgl. rv 2.7.09).

 

 

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