Kanadas Bischöfe verkünden „Humanae vitae“
als befreiende Kraft
Dass es nunmehr vierzig Jahre sind, seit Papst Paul VI. seine Eheenzyklika „Humanae vitae“ verkündet hat, hat sich erfreulicherweise doch in einer Reihe von Veranstaltungen und Äußerungen auch im deutschen Sprachraum niedergeschlagen, wo die prophetische Lehre des geschmähten Papstes mit Wertschätzung behandelt und die Lehre von „Humanae vitae“ verteidigt wurde. – Leider aber vermissen wir eine solche Aussage der Deutschen Bischofskonferenz, die mit einer Distanzierung von der damaligen „Königsteiner Erklärung“ und ihrem falschen Gewissensbegriff verbunden sein müsste. Papst Johannes Paul II. hatte diese mehrfach – vergeblich – von den deutschen Bischöfen eingefordert (vgl. der verstorbene Kardinal Scheffczyk 2001: „„Nach der langjährigen Vernachlässigung der Lehre von ‚Humanae vitae’ in der Verkündigung wäre die hier vorzunehmende Korrektur der ‚Königsteiner Erklärung’ zwar ein schwerer, aber ein für die Kirche wie für die Gesellschaft ungemein wichtiger Schritt auf das Ziel der Entfaltung einer integralen Kultur des Lebens hin. Dieser Schritt würde die nicht nur vom Papst, sondern auch von vielen Gläubigen gehegte Sorge um die Kirche in einem entscheidenden Punkte beheben. Es wäre ein Testfall für das Ernstnehmen dieses päpstlichen Schreibens und für die Erneuerungsbereitschaft der Kirche in Deutschland.“).
Der Vorsitzende der DBK, Erzbischof Robert Zollitsch, erklärte vielmehr am Ende der Herbstvollversammlung in Fulda, man habe der „Glaubenskommission“ der DBK unter Federführung von Kardinal Lehmann den Auftrag gegeben zu einer „neuen Verständnishilfe“ für eine „angemessene Auseinandersetzung“, doch „beide Dokumente“ – HV und Königsteiner Erklärung, „behielten ihre Gültigkeit“. Es gehe „nicht um eine Revision, sondern um eine Weiterführung angesichts der Fragen, die sich zusätzlich gestellt haben“ (vgl. rv/kna 26.9.2008).
Wie anders klang da die Veröffentlichung der US-amerikanischen Bischofskonferenz vom November 2006 „Eheliche Liebe und das Geschenk des Lebens“, aus der wir in der FMG-INFORMATION 92 wesentliche Abschnitte zitieren konnten. Und mit welcher Freude und Ermutigung entdeckt man das folgende Pastorale Schreiben der Kanadischen Bischöfe zum 40. Jahrestag der Enzyklika „Humanae vitae“, das die Vollversammlung der Katholischen Bischofskonferenz Kanadas am 26. September 2008, dem Fest der Kanadischen Märtyrer, unter dem Titel „Liberating Potential“ („Befreiendes Potenzial“) verabschiedete. Denn hier wird klar bekräftigt und überzeugend begründet, dass die beiden Sinngehalte der Ehe – liebende Vereinigung und Fortpflanzung - nicht auseinandergerissen werden dürfen, wie es die Empfängnisverhütung tut. Und die kanadischen Bischöfe rufen dazu auf, sich der Herausforderung von „Humanae vitae“ und der sie weiterführenden „Theologie des Leibes“ Papst Johannes Pauls I. zu stellen und sie in unserer Welt zu bezeugen.
»1. Vier Jahrzehnte sind bereits vergangen seit der Veröffentlichung der Enzyklika Humanae vitae durch Papst Paul VI. (1968), eines Textes, der eine große Kontroverse veranlasste, ablehnende Reaktionen hervorrief und auf ein beträchtliches Missverstehen stieß.
2. Die Vollversammlung der Kanadischen Bischofskonferenz (CCCB) nimmt den 40. Jahrestag zum Anlass, die Gläubigen einzuladen, dieses prophetische Dokument zu entdecken oder wiederzuentdecken, das „die überaus ernste Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben, durch die die Gatten freie und bewusste Mitarbeiter des SchöpferGOTTES sind“,[1] in den Brennpunkt rückt - eine Angelegenheit, die „aufs Engste mit menschlichem Leben und Glück zusammenhängt“[2]. Wir ermutigen die Katholiken, ihr Verständnis des Originaltextes der Enzyklika zu vertiefen, um diese wichtige Lehre für ihr Leben zu bedenken und sie in ihr Leben einzubeziehen.
3. Wie könnten wir doch ihren prophetischen Charakter verkennen, wenn wir die beunruhigende Entwicklung zweier fundamentaler menschlicher Institutionen, der Ehe und der Familie, betrachten? Beide werden fortwährend von der Verhütungsmentalität betroffen, die in der Enzyklika von Papst Paul VI. befürchtet und abgelehnt wird. Und was kann über den Bevölkerungsrückgang gesagt werden, dem die Gesellschaft des Westens gegenübersteht? Dies schließt nicht aus, dass es in der ehelichen Erfahrung ein rechtmäßiges Interesse an der natürlichen Familienplanung und am zeitlichen Abstand von Geburten gibt.
4. Dennoch ist Humanae vitae viel mehr als nur ein ‚Nein zur Verhütung’. Diese Enzyklika ist in Wahrheit eine wichtige Reflexion über GOTTES Plan der menschlichen Liebe. Sie eröffnet eine Vision über „den ganzen Menschen und die gesamte Aufgabe, zu der er berufen ist; ... seine natürliche und irdische und seine übernatürliche und ewige Existenz“[3]. Es ist eine Einladung, offen zu sein für die Größe, Schönheit und Würde dieses Rufs des Schöpfers zur Ehe-Berufung.
5. Es ist erwähnenswert, dass Papst Johannes Paul II. von Beginn seines Pontifikats an diese Reflexion fortführte in seinen 129 Mittwochskatechesen von 1979 bis 1984. Indem er den Reichtum von 27 Jahren pastoraler Erfahrung mit jungen Paaren mitbrachte, unterbreitete der Papst einen eigenen positiven Zugang zum GÖTTlichen Plan der Ehe und Sexualität, besonders geprägt durch seine tiefgründige personalistische Sicht.
6. Seine „Theologie des Leibes“ ist eine Pädagogik, die den wahren Sinn unseres Leibes zu verstehen hilft. Sie eröffnet theologische und pastorale Einblicke von erstaunlicher Tiefe und unschätzbarem Reichtum, die die in Humanae vitae schon vorhandenen Aspekte integrieren und verdeutlichen. Sie eröffnet einen weiten Blick auf die tiefe Bedeutung menschlicher Existenz, eine Bedeutung, die die Antwort auf die Suche eines jeden Menschen nach dem Glück bildet, nämlich lernen zu lieben, wie GOTT liebt, und lernen, sich selbst hinzugeben. Wir glauben, dass die Zeit gekommen ist, einige Schlüsselelemente dieser „Theologie des Leibes“ zu betrachten, um so ein tieferes Verständnis des GÖTTlichen Plans zu gewinnen und daran mit einem gebildeten Gewissen festzuhalten.
7. Auf der Suche nach der Wahrheit über den Menschen, befasst sich Johannes Paul II. mit der biblischen Anthropologie. Er fragt: Was war die Absicht GOTTES bei der Erschaffung des „männlichen Wesens“ und des „weiblichen Wesens“ mit einem sexuellen Leib? Die Antwort finden wir auf den ersten Seiten des Buches Genesis. Durch die Erfahrungen der Einsamkeit, des Durstes nach Vereinigung, der ursprünglichen Nacktheit - einer Nacktheit, die die vollkommene Durchsichtigkeit und das gegenseitige Vertrauen von Adam und Eva widerspiegelt – entdecken unsere Stammeltern ihre fundamentale Berufung: die Berufung, sich selbst hinzugeben und in Liebe eins zu werden.
8. Sie sind sich der ehelichen Bedeutung ihres Leibes bewusst geworden. Da ist ihre Würde als Personen zu finden, in ihrer Fähigkeit sich einander in aller Freiheit hinzugeben, mit ihrer Psyche, ihrer Zuneigung und ihren Gefühlen, ihrer spezifischen männlichen und fraulichen Geschlechtlichkeit, die so von GOTT gewollt ist. Johannes Paul II. erinnert uns: „Durch das Mittel der sichtbaren Männlich- und Weiblichkeit ist der Leib, und er allein, fähig sichtbar zu machen, was unsichtbar ist: das Spirituelle und das Göttliche. Es wurde erschaffen, um in die sichtbare Wirklichkeit der Welt das Mysterium hineinzutragen, das seit undenklicher Zeit in GOTT verborgen ist, und so ein Zeichen dafür zu sein.“ [4]
9. Was ist dieses Mysterium? Es ist das, was uns durch Christus geoffenbart wurde: „GOTT selbst ist ewiger Liebesaustausch – VATER, SOHN und HL. GEIST - und [Er] hat uns dazu bestimmt, daran teilzuhaben“[5] in Ewigkeit. Alle Menschen, ob in der Ehe oder im zölibatären Leben, sind gerufen, sich für andere hinzugeben. Für Eheleute ist es der Moment des Ein-Fleisch-Werdens: „Es ist im Augenblick dieser Entdeckung der leiblichen Einheit, dass Mann und Frau vollkommen zum Abbild GOTTES werden. Es geschieht durch den fleischlichen Akt, das Geschenk des Leibes, der die Vollkommenheit des Geschenkes der einen Person an die andere ausdrückt, dass Mann und Frau, im Fleisch, das Abbild der GÖTTlichen DREIFALTIGKEIT“[6] sind.
10. Die Bibel kehrt immer wieder zum Bild der Ehe zurück, um die Liebe Gottes zur Menschheit und die Liebe Christi zu Seiner Kirche zu veranschaulichen. Das hilft uns zu verstehen, dass „die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt wird, durch den Ehebund, d. h. durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis gestiftet... Dieses heilige Band unterliegt... nicht mehr menschlicher Willkür. GOTT selbst ist Urheber der Ehe und hat sie mit verschiedenen Gütern und Zielen ausgestattet“[7].
11. Da GOTT das Eheleben und insbesondere den ehelichen Akt geschaffen hat als einen Ausdruck seiner eigenen Liebe, stellt sich die Frage: Wie liebt GOTT? CHRISTUS der menschgewordene GOTT, gibt uns die Antwort. Das Schauen auf das Kreuz und die hl. Eucharistie befähigt uns, die ganzen Eigenschaften und Forderungen der Liebe zu erfassen, die sich hingibt „bis zur Vollendung“. Das ist die Liebe, zu der Paare in ihrer Ehe gerufen sind.
12. Um in der Ehe die Liebe CHRISTI widerzuspiegeln, sind die Ehepaare zu einer Liebe berufen, die total ist[8], ohne Vorbehalte, treu und fruchtbar. Auf diese Weise bemühen sie sich, die Liebe Christi nachzuahmen.
Die Liebe Christi ist ganz und vorbehaltlos. Er behält nichts für sich selber, sondern schenkt uns alles: Seinen Leib, Sein Blut, Seine Seele und Seine GOTTHEIT.
Die Liebe Christi ist treu, sogar bis in den Tod: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“[9]
Und die Liebe CHRISTI ist fruchtbar: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“
Die Liebe Christi ist frei und deshalb vollkommen menschlich: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe... Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin.“[10]
13. Der 40. Jahrestag der Enzyklika Humanae vitae bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit, unsere Wertschätzung für dieses außerordentliche Geheimnis von der Liebe Christi zu vertiefen. Die freie, totale, uneingeschränkte, treue und fruchtbare Liebe Christi, der Sein Leben hingibt für Seine Braut, die Kirche und ihre Glieder, ist die Liebe, zu der die Ehegatten besonders gerufen sind. Das gegenseitige Versprechen bei ihrem Ehesakrament läuft in der Tat auf das Versprechen hinaus, den anderen so zu lieben, wie GOTT ihn liebt. Folglich sind sie dazu berufen, jedes Mal, wenn sie „ein Fleisch“ werden, durch die Sprache ihrer Körper ihre Verpflichtung zu erneuern, eine freie, totale, treue und fruchtbare Liebe zu leben, die sich in neuem Leben ausdrückt. Welch eine Würde! Noch mehr: Wenn sie sich durch die Speise der hl. Eucharistie nähren, finden die Ehegatten die Kraft, wie Christus zu leben. Gerade in der Eucharistie entdecken sie die Quelle und das Vorbild der Liebe, für die sie in ihrem täglichen Leben Zeugnis zu geben versuchen.
14. Indem er die vereinigende und lebenspendende Natur der ehelichen Umarmung bedacht hat, schrieb ein zeitgenössischer Philosoph sehr richtig:
Der menschliche Leib ist nicht nur für die Fortpflanzung gemacht, als würde er nur dem Imperativ folgen, der uns wie den Tieren auferlegt ist. Fruchtbarkeit in der Zeugung und durch sie ist ein Überfließen der Liebe. Der menschliche Leib ist mit seinem Geschlecht und durch es für eine Vereinigung von Personen bestimmt. Die Frucht dieser Vereinigung, wie auch ihre Ausweitung, ist das Fruchtbarwerden in Gestalt einer weiteren Person. Wir können die Geschlechtlichkeit aber nicht auf die Fortpflanzungsfunktion reduzieren, ohne die Bedeutung des Leibes für die eheliche Berufung zu verraten. Die Vereinigung ist das erste, die Zeugung ist das zweite, denn sie ist die Frucht dieser Vereinigung. In diesem Sinne ist sie ein Beweis für die Wahrheit der Vereinigung.[11]
15. Eben um die Wahrheit dieser Vereinigung zu schützen, besteht die Enzyklika Humanae vitae auf der „von GOTT bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte – liebende Vereinigung und Fortpflanzung -, die beide dem ehelichen Akt innewohnen ..., einer Verknüpfung, die der Mensch nicht eigenmächtig auflösen darf“.[12] Abtreibung, Sterilisation und Empfängnisverhütung stehen im Gegensatz zu GOTTES Plan vom innersten Wesen des Geschlechtsverkehrs, weil sie die - wenn dies GOTTES Wille ist - Erschaffung einer einzigartigen Seele für einen einzigartigen Körper verhindern, welche die Ehegatten zu formen helfen*. Mehr denn je muss man an die Bedeutung dieser Verbindung erinnern, die zwischen ehelicher Liebe, Geschlechtlichkeit und Fruchtbarkeit besteht. Im Herzen GOTTES sind diese drei Dimensionen der Ehe miteinander verknüpft. Die Geschlechtlichkeit als Zeichen der Liebe ist dazu berufen, offen zu sein für etwas, das größer ist als sie selber, nämlich die Fruchtbarkeit gern anzunehmen, die umgekehrt auch mit dem Wohl der Ehegatten verknüpft ist und ihre eheliche Liebe zum Ausdruck bringt. Und diese Liebe ist ein Geschenk, das mit dem Leben verknüpft ist.
16. Es muss nicht erwähnt werden, dass nicht jeder eheliche Akt zu neuem Leben führt. Die Ehegatten haben das Recht und die Pflicht, ihre Familie zu planen und ihre Verantwortung der Mutterschaft und Vaterschaft vernünftig unter der Führung des HL. GEISTES auszuüben. Sie müssen, mit Hochherzigkeit und Klarheit „in Wahrung der rechten Güter- und Wertordnung ihre Pflichten gegenüber GOTT, sich selbst, gegenüber ihrer Familie und der menschlichen Gesellschaft anerkennen“[13] und wahrnehmen, ob es für sie der richtige Augenblick ist, um einem Kind das Leben zu schenken. Wenn sie vor ihrem Gewissen meinen, dass sie eine Geburt aus schwerwiegenden Gründen, wie körperlichen, wirtschaftlichen und psychischen Bedingungen, hinausschieben sollen, werden natürliche Planungsmethoden ihnen erlauben, ihre Fruchtbarkeit recht zu handhaben, wobei sie „die unlösbare Verbindung zwischen liebender Vereinigung und dem fruchtbaren Potenzial des Geschlechtsverkehrs im Zusammenhang von ehelicher Liebe respektieren“[14].
17. Ehegatten die die natürliche Familienplanung wählen und gemeinsam Selbstbeherrschung üben, anerkennen und schätzen sich gegenseitig in ihrer Personwürde, einschließlich des Geschenks der Fruchtbarkeit. Sie entdecken auch, dass es „Freude und Lohn bringt, wenn sie in ihrem Verlangen nach leiblicher Vereinigung auf den natürlichen Rhythmus ihres Partners Rücksicht nehmen. Alle wirklich Liebenden würden zustimmen, dass menschliche Geschlechtlichkeit viel mehr ist als nur die körperliche Vereinigung von Mann und Frau. Es ist eine Sprache des Einsseins, ein Ausdruck der Zärtlichkeit und der höchste Akt der Intimität."[15]
18. Dies wollte auch Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika „DEUS CARITAS EST“ erklären, als er schrieb: „Aber es lieben nicht Geist oder Leib – der Mensch, die Person, liebt als einziges und einiges Geschöpf, zu dem beides gehört. Nur in der wirklichen Einswerdung von beidem wird der Mensch ganz er selbst. Nur so kann Liebe - Eros – zu ihrer wahren Größe reifen“[16], kann Agape werden, das ist „Sorge um den anderen und für den anderen. Sie will nicht mehr sich selbst..., sie will das Gute für den Geliebten: Sie wird Verzicht, sie wird bereit zum Opfer, ja sie will es.“[17]
19. Kurz gesagt: Die Enzyklika Humanae vitae von Papst Paul VI. und die nachfolgende von Papst Johannes Paul II. entwickelte „Theologie des Leibes“ liefern eine enorme Herausforderung an eine Welt, die viel zu oft damit beschäftigt ist, sich gegen das außerordentliche Lebenspotenzial der Geschlechtlichkeit abzusichern. Im Gefolge dieser zwei prophetischen Päpste gibt die Kirche als „Expertin der Menschlichkeit“ eine unerwartete Botschaft heraus: Geschlechtlichkeit ist ein Freund /eine Hilfe, ein Geschenk GOTTES. Sie wird uns offenbart durch den DREIEINEN GOTT, der uns darum bittet, sie in ihrer ganzen Größe und Würde unseren Zeitgenossen am Beginn des dritten Jahrtausends zu offenbaren. Die Theologie des Leibes wurde mit einer Revolution verglichen, die positive Auswirkungen auf das Christentum des 21. Jahrhunderts haben würde. Wir laden die Gläubigen ein, als erste ihr befreiendes Potenzial zu erfahren.
20. In Kontinuität mit Paul VI. und Johannes Paul II. und unter der Lehre von Benedikt XVI. laden wir Katholiken und alle Männer und Frauen guten Willens ein, das Leben und die Familie zu fördern und zu verteidigen. Mögen Sie Erleuchtung finden in der reichen Tradition der Kirche, um die Jugend und die Familien über die Schönheit der ehelichen Liebe zu erziehen und unaufhörlich daran zu arbeiten, die Schönheit und die Erhabenheit von Ehe und Familie zu schützen.
21. Den verheirateten Paaren wiederholen wir unsere Bewunderung und bieten ihnen unsere Unterstützung an. Ihre Berufung ist großartig und schwierig: Diener der Liebe und des Lebens in dieser Welt zu sein, wie es die Kanadische Katholische Bischofskonferenz in ihrer Botschaft „Ein vollständiges Bild der ehelichen Liebe und der Weitergabe des Lebens“ („An Integral Vision of Marital Love and the Transmission of Life“) anlässlich des 25. Jahrestages der Enzyklika Humanae vitae verkündet hat. Möge die Liebe und die Gemeinschaft des Lebens in GOTT eine Quelle des Lebens, der Kraft und des Lichtes sein, damit Sie Zeugnis geben können von der Liebe und Treue, die Ihnen durch die Verpflichtung Ihrer Taufe und Ehe übertragen wurden!«
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Hinweis: Die Fußnoten finden Sie ganz am Ende der Texte!
Wir veröffentlichen die Predigt, die Kardinal Christoph Schönborn, Wien, am 27. März 2008 bei einer Messfeier mit mehr als 150 europäischen Bischöfen im Abendmahlsaal in Jerusalem in italienischer Sprache hielt. Der Abendmahlsaal wird nur sehr selten für katholische Messfeiern freigegeben. Kardinal Schönborn und die anderen Bischöfe waren auf Einladung des „Neokatechumenalen Wegs“ Teilnehmer eines mehrtägigen Treffens über die Neuevangelisierung Europas in der „Domus Galilaeae“ auf dem Berg der Seligpreisungen in Galiläa (Quelle des deutschen Textes: http: //stephanscom.at/edw/predigten/0/articles /2008/10/16/a15468/, von uns, weil offenbar Nachschrift wörtlicher Rede, geringfügig gekürzt; vgl. zum Anlass: stjosef.at/stephanscom.at 1.4.08. Übrigens sprach Kardinal Schönborn den offenbar auch anwesenden Kardinal Meisner auf seinen Vorgänger [als Berliner Oberhirte] Bengsch an).
Kardinal Schönborn spricht hier von der Schuld der Bischöfe im „Nein“ zur Enzyklika Humanae vitae, auch wenn er und die anwesenden Bischöfe damals noch nicht im Hirtenamt waren, aber er sieht sich gedrängt, für diese Gemeinschaft der europäischen Bischöfe der letzten vierzig Jahre zu sprechen.
Eine solche Predigt eines Kardinals ist ein Ereignis. Es macht betroffen, dass die sehr ehrlichen Worte des Wiener Erzbischofs in der Öffentlichkeit kein Echo gefunden haben, ja unserer Kenntnis nach bis vor kurzem nicht bekannt wurden. Erst die Zeitschrift „Kirche heute“ vom Oktober 2008 und am 17.10.2008 die schweizerische „Katholischen Wochenzeitung“ haben diese sensationelle Predigt veröffentlicht. Liegt es daran, dass sich eine Mehrheit etwa der deutschen Bischöfe mit diesem Wort der Umkehr nicht identifiziert, wie der vor einem halben Jahr gewählte Nachfolger Kardinal Lehmanns, Erzbischof Robert Zollitsch, als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz von 2008 ja enthüllte, wenn er sagte, die „Königsteiner Erklärung“ behalte ihre Gültigkeit (rv/kann 26.9.2008). Übrigens wurde vor ein paar Monaten erst bekannt, dass Papst Paul VI. vor der Veröffentlichung der Enzyklika alle Bischöfe der Welt anschrieb und eindringlich bat, „fester denn je an seiner Seite zu stehen... und ihm zu helfen, diesen heiklen Punkt der kirchlichen Lehre dem christlichen Volk zu präsentieren und seine tiefen Gründe zu erklären“. „LifeSiteNews“ nennt in der entsprechenden Meldung den neu entdecken Brief einen „Gewissensspiegel“ für heute (vgl. kath.net/LifeSiteNews.com 30.7.2008)
Von Christoph Kardinal Schönborn, Wien
»An diesem Ort [dem Abendmahlsaal] (sagte) JESUS zu Seinen Aposteln: „Dafür seid ihr Zeugen.“ Wovon sind wir Zeugen? Was sind wir gerufen zu bezeugen im Europa von heute? Das, was die [Emmaus-]Jünger auf ihrem Weg erlebt haben, als sie zurückgekehrt sind - der griechische Ausdruck ist anastrophe, Umkehr -. Sie haben sich in Emmaus bekehrt und sind zurückgekehrt nach Jerusalem, sie haben JESUS beim Brechen des Brotes wieder erkannt...
Ich möchte euch eine Sache sagen, die ich im Herzen trage. Ich denke, es ist ein Wort des HL. GEISTES, das ich sagen muss. Was ist die Schuld Europas? Die Schuld Europas, die Hauptschuld, ist das Nein zum Leben. Vor einigen Tagen habe ich im österreichischen Fernsehen auf die Frage eines Journalisten geantwortet: „Europa hat dreimal Nein zu seiner eigenen Zukunft gesagt“: Das erste Mal im Jahre 1968, wir feiern jetzt 40 Jahre, durch das Ablehnen von Humanae vitae. Das zweite Mal im Jahre 1975, als die Abtreibungsgesetze Europa überschwemmt haben. Das dritte Mal zur Zukunft und zum Leben. Gerade gestern habe ich aus Österreich die Nachricht bekommen, dass die Regierung der „homosexuellen Ehe“ zugestimmt hat, auch in Österreich: das ist das dritte Nein. Und dies ist nicht zuerst eine moralische Sache, sondern eine Frage der Gegebenheiten, der Fakten: Europa ist im Begriff zu sterben, da es Nein zum Leben gesagt hat...
Es gibt in meinem Herzen folgendes zu sagen - gerade dies ist der Ort, wo Jesus uns gesagt hat, dass wir die Vergebung unserer Sünden empfangen, - denn ich denke, dass dies auch eine Sünde von uns Bischöfen ist, auch wenn niemand von uns im Jahre 1968 Bischof war. Heute haben in Deutschland bei hundert Eltern 64 Kinder und 44 Enkelkinder: das bedeutet, dass in einer Generation die deutsche Bevölkerung - ohne Einwanderung - sich halbiert. Wir haben „Nein“ gesagt zu Humanae vitae. Wir waren nicht Bischöfe, aber es waren unsere Mitbrüder. Wir haben nicht den Mut gehabt, ein klares „Ja“ zu Humanae vitae zu sagen. Es gibt Ausnahmen: der damalige Kardinal von Berlin, Kardinal Bengsch... Er hatte einen Text für die deutsche Bischofskonferenz vorbereitet, einen Text, der ein prophetischer Text war. Dieser Text ist verschwunden1, und erschienen ist die „Königsteiner Erklärung“, die die katholische Kirche in Deutschland geschwächt hat, das Ja zum Leben zu sagen.
Es gab noch eine andere Ausnahme in Krakau: eine Gruppe von Theologen unter der Leitung des Erzbischofs und Kardinals von Krakau, des vielgeliebten Papstes Johannes Paul II., hat ein „Memorandum“ geschrieben und diesen Text Papst Paul VI. geschickt. Ich denke, dass dieses Zeugnis eines Bischofs der Märtyrerkirche, der schweigenden Kirche, mehr Gewicht hatte, als all die Expertisen..., die Papst Paul VI. erstellen hat lassen über dieses Thema, und das ihn diese mutige Entscheidung hat treffen lassen, wegen der er dann in einer schlimmen Einsamkeit geblieben ist. Dieser Text aus Krakau - auch wenn ich keinen historischen Beweis habe, bin ich mir innerlich sicher - hat geholfen, Paul VI. den Mut zu geben, Humanae vitae zu schreiben.
Dann hat es einen „Verrückten“ in Spanien gegeben, in den Baracken mit einer „Verrückten“2, die den Mut hatten, „Ja“ zum Leben zu sagen, „Ja“ zu Humanae vitae, gegen den Strom, und wie stark war dieser Strom! Ich erinnere mich an die Veröffentlichung des „Spiegel“ in Deutschland: auf der Titelseite Papst Paul VI. mit der Pille in der Hand und mit dem „Nein“ lächerlich gemacht! Aber von diesen „Verrückten in CHRISTUS“ her entstand eine Wirklichkeit, die genau so wenig zu negieren ist wie die Wirklichkeit des demographischen Zusammenbruchs Europas: Es sind die Familien des Weges3, die uns in diesem Europa das Zeugnis geben, dass Paul VI. recht hatte, dass das Leben das große Geschenk Gottes ist und das „Ja“ zum Leben eine Bedingung für ein wirkliches Leben ist, eine Bedingung für ein lebendiges Europa ist.
Aber wir Bischöfe, verschlossen hinter den Türen wegen der Angst, nicht wegen der Angst vor den Hebräern, sondern wegen der Presse, und auch wegen des Unverständnisses unserer Gläubigen. Wir hatten nicht den Mut! In Österreich hatten wir die „Mariatroster Erklärung“ - wie in Deutschland die „Königsteiner Erklärung“. Das hat den Sinn des Lebens im Volke Gottes geschwächt, dies hat entmutigt, sich für das Leben zu öffnen.
Wie dann die Welle der Abtreibung gekommen ist, war die Kirche geschwächt, da sie nicht gelernt hatte, diesen Mut des Widerstands, den wir in Krakau gesehen haben, den Papst Johannes Paul II. während seines ganzen Pontifikates gezeigt hat, diesen Mut, „Ja“ zu sagen zu Gott, zu Jesus, auch um den Preis der Verachtung. Wir waren hinter den verschlossenen Türen, aus Angst.
Ich denke, auch wenn wir damals nicht Bischöfe waren, so müssen wir diese Sünde des europäischen Episkopats bereuen, des Episkopats, der nicht den Mut hatte, Paul VI. mit Kraft zu unterstützen, denn heute tragen wir alle in unseren Kirchen und in unseren Diözesen die Last der Konsequenzen dieser Sünde.
„Brüder, ich weiß, dass ihr aus Unwissenheit gehandelt habt“, sagt Petrus zu den Hebräern, seinen Brüdern4. „Ihr habt aus Unwissenheit gehandelt“. Wenn wir die Konsequenzen dieses „Nein“ zum Leben gekannt hätten, hätten wir niemals „Nein“ zu Humanae vitae gesagt, hätten wir den Mut gehabt unseren Brüdern zu sagen: „Habt Vertrauen, glaubt an das Leben“. Aber wir haben nicht den Mut gehabt. „Ich weiß, dass ihr aus Unwissenheit gehandelt habt, wie eure Führer. Gott aber hat so erfüllt, was Er durch den Mund aller Propheten... verkündet hat“: dieses Leiden, für das wir mitverantwortlich sind, die Leiden des „Nein“ zum Leben. Wir wissen alle aus der Beichte, welch großen Schmerz es gibt, wenn die Sünde der Abtreibung gebeichtet wird, und dann die Traurigkeit eines Lebens, gemacht aus dem „Nein“ zum Leben. Wir sind mitverantwortlich für diese Traurigkeit Europas.
„Bereut also und ändert euer Leben“, sagt Petrus zu den Hebräern, nicht zu uns Bischöfen. Er sagt zu den Hebräern: „Kehrt um und ändert das Leben, damit eure Sünden vergeben werden und so der Herr Zeiten des Aufatmens kommen lässt“5.
Welchen Trost haben wir für Europa? Ich sage Euch meine Erfahrung als Bischof, als armer Sünder. Ich sehe die Familien des Weges2, der Gemeinschaften: Personen, die durch eine Katechese, eine Umkehr, den Mut hatten, „Ja“ zum Leben zu sagen und heute, dank eines Charismas, das zwei „Verrückte“ vom Herrn bekommen und angenommen haben, so wie sie sind, mit ihren Gaben und ihren Schwächen. Aber sie haben dieses Charisma angenommen, sie haben den Mut gehabt, die Leiden eines solchen Charismas zu tragen. Wie vieler Leiden! Heute haben wir in der Kirche das Privileg, das Geschenk, Gemeinschaften zu haben mit Familien, aber mit wahren Familien, großen Familien, wie sie viele von euch und von uns in ihrer Jugend kennen gelernt haben, in ihrer eigenen Familie, sechs, zehn, zwölf Kinder. Es war normal.
Heute befinden wir uns in der europäischen Wüste, und hier sehen wir Gemeinschaften mit Familien! Aber ich sehe die Früchte. Ich sehe unser „Redemptoris Mater“6: wenn wir nicht dieses Seminar hätten, welche Armut in unseren Diözesen wegen des Fehlens an Berufungen - sicherlich könnt ihr uns noch weitere Berufungen schicken! Hier haben wir diese Berufungen, und ich sehe, wie diese Berufungen begleitet werden. Mit Demut, mit Ehrlichkeit muss ich sagen, dass trotz all der Anstrengungen im diözesanen Seminar wir es nicht schaffen, menschlich gesehen unsere Seminaristen zu formen, zu bilden, wie sie in den Gemeinschaften des Weges geformt werden. Warum? Weil sie hier die Familien haben, weil sie die Erfahrung darüber haben, was Vaterschaft ist. Ich komme aus einer geschiedenen Familie, meine Eltern waren geschieden, mein Großvater war geschieden, meine zwei Brüder sind geschieden. Ich kenne die Wirklichkeit der Scheidung. Aber wo soll man die priesterliche Vaterschaft lernen, wenn es keine Beispiele der Vaterschaft in den Familien gibt? Hier lernen es diese Seminaristen. Jetzt hatte ich den Fall eines jungen Priesters, der aus dem Seminar „Redemptoris Mater“ gekommen ist, der mit einer Frau gesündigt hat. Wir Bischöfe kennen alle die Situation, wenn dies geschieht: einer geht weg, weil er ein Verhältnis hatte, er verlässt das Priesteramt. Die Familien dieser Pfarre und des Weges haben ihn mit Wahrheit und Güte aufgenommen und so seine Berufung gerettet. Er ist vor Ostern zu mir gekommen voller Freude: „Ja, ich habe gesündigt, aber ich habe den Mut gehabt, diese Beziehung zu verlassen, und zurückzukehren“. Es sind die Familien, die diese Berufung und diesen Priester gerettet haben!
Ich bin überzeugt, dass der Herr uns in der Kirche dieses Charisma gegeben hat, es ist nicht das einzige, es gibt viele Charismen; aber es ist ein Charisma, das uns zeigt, dass es ohne die Familien, ohne das „Ja“ zum Leben keine Zukunft in der Kirche gibt. Deshalb möchte ich unseren Familien des Weges danken, ihrem Zeugnis, diesem Mut, sich überall hin senden zu lassen. Eine Familie aus Wien mit 9 Kindern ist in Mission nach Istanbul gegangen, in die Türkei! Diese Familien zeigen uns, was Auferstehung ist.
... Aber an diesem Ort möchte ich Papst Paul VI., Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt dafür danken, dass sie das getan haben, was die Arbeit des Bischofs ist, wie der hl. Paulus im 14. Kapitel des 1. Briefes an die Korinther sagt, nämlich die Charismen zu unterscheiden und zu sagen: „Das ist von Gott.“ Das heißt nicht, dass die Begründer heilig sind, vielleicht werden sie es, denn der hl. Thomas von Aquin hat uns erklärt, dass die Charismen Gnaden sind, kostenlos gegeben, für die Kirche und zum Aufbau der Kirche. Sie bedeuten nicht automatisch eine Heiligung des Trägers des Charismas, es ist eine Einladung auch an die Träger des Charismas sich zu heiligen, aber es ist vor allem ein Geschenk an die Kirche. Und ich sehe, hier gibt es ein Geschenk an die Kirche.
Abschließend möchte ich von einer Wirklichkeit sprechen, die wir in all unseren Diözesen kennen, wo es den Weg gibt: Er ist nicht immer gut angenommen, es gibt Spannungen, man sagt, er spalte die Pfarren. Ich bin nicht sehr mutig, um immer die Schwachen, die Verfolgten zu stützen, aber eine Sache kann ich sagen: in einem Körper gibt es Spannungen, nur in einem toten Körper gibt es keine Spannungen. Und diese Spannungen sind auch ein Teil der notwendigen Umkehr. Das entschuldigt nicht die menschlichen Fehler, die immer wieder geschehen, aber wenn das Evangelium für die Umkehr verkündet wird, werden Spannungen geschaffen, die unvermeidbar sind! Wir Bischöfe müssen uns fragen, ob nicht diese Spannungen auch heilsam sein können! Weil sie uns wachrütteln, weil sie uns erlauben, uns zu fragen: Was will Gott von uns?
An diesem heiligen Ort möchte ich bitten, dass der Herr eintrete, auch durch verschlossene Türen, und dass Er uns den Mut gebe, auch wenn uns in den letzten 40 Jahren der Mut zum „Ja zu Leben“ gefehlt hat. Wir haben es gesagt, aber wir müssen es mit dieser Kraft sagen. Dass Er uns das Fehlen des Mutes verzeihen möge und uns die Kraft gebe, die Er den Aposteln gegeben hat, als er sie von diesem Ort ausgesandt hat.
Anmerkungen des FMG:
1 Zur Erklärung dazu ein Zitat aus Guido Horst, Pille und Papst, Gewissen und Gehorsam, 40 Jahre Enzyklika Humanae vitae, in: Komma, 50-51/2008, S. 104-108: Der Münchner Erzbischof Julius Kardinal Döpfner „ist der Architekt der ‚Königsteiner Erklärung’. Und so bestimmend war sein Einfluss, dass mancher sich gar nicht mehr traute, abweichende Meinungen vorzutragen. Da war etwa Generalvikar Adolph, den Kardinal Alfred Bengsch aus Westberlin nach Königstein geschickt hatte, um zwei Voten des Berliner Erzbischofs zu überbringen, in denen dieser seine schweren Bedenken gegen den Entwurf der ‚Königsteiner Erklärung’ zum Ausdruck brachte. Bengsch war damals Oberhrte der geteilten Stadt mit Sitz in Ostberlin und konnte nicht selber nach Königstein fahren. Döpfner sagte dem armen Generalvikar ins Gesicht, dass er die Ausführungen Bengschs ablehne. Außerdem füge sich die Stellungnahme, da sie der Berliner Kardinal nicht selber vortrage, nicht in den Rahmen des vorgesehenen Konferenzablaufs. Generalvikar Adolph verzichtete schließlich darauf, die Voten seines Kardinals austeilen zu lassen, und es kam zu einer breiten Mehrheit für den von Döpfner favorisierten Entwurf der ‚Königsteiner Erklärung’. Die Bischöfe im Gebiet der damaligen DDR, die sog. ‚Berliner Ordinarienkonferenz’, gaben daraufhin am 9. September 1968 eigene ‚Hinweise zur pastoralen Besinnung nach der Enzyklika Humanae vitae’ heraus, in denen sie sich ganz hinter den Inhalt des Papstschreibens stellten.“ Vgl. zur „Königsteiner Erklärung“ auch FMG-INFORMATION 73, S. 15 f., wo auch das Zeugnis des verstorbenen Augsburger Bischofs Stimpfle berichtet wird, dass Kardinal Döpfner wenige Tage vor seinem Tod geäußert habe: „Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zur Überzeugung: Der Papst hatte doch recht.“
2 Der in der „Katholischen Wochenzeitung“ abgedruckte Text der Predigt Kardinal Schönborns fügt Erklärungen ein: hier: „ich meine zwei ‚Verrückte in CHRISTUS: Kiko Arguello und Carmen Hernandez“. [Kiko Arguello ist der Gründer des Neokatechumenats.]
3 des Neokatechumenalen Weges
4 Apg 3,17f
5 Apg 3,19-20
6 Priesterseminar des Neokatechumenalen Weges
Das Problem der Pornografie
40 Jahre „Humanae vitae“ und Pornografie – im ersten Augenblick stutzt man. Bischof Michael J. Sheridan (*1945), Oberhirte der amerikanischen Diözese Colorado Springs, hat sich in einem Beitrag der Zeitschrift „Lay Witness“ der Vereinigung „Catholics United for the Faith“ (September/October 2008; 827 North Fourth Street, Steubenville, OH 43952; www. cuf.org) mit dem Problem der Pornografie befasst und sich dabei mehrfach auf die Enzyklika Pauls VI. bezogen. Anlass dazu ist wohl, dass seine Diözese eine „Anti-Pornografie-Initiative gestartet hat und Hilfen für die Gläubigen entwickelt: als Auftakt ein kurzes Video, das Gefahr und Ausmaß des pornografischen Sumpfes aufzeigen soll, ferner Info-Pakete mit Broschüren, Gebetsblättern und Hinweiskarten. Die Broschüren erklären das Programm und stellen hilfreiche Bücher, CDs, DVDs und Internet-Filter vor. Die Hinweiskarten enthalten eine „Checkliste für eine geistlich gesunde Familie“ sowie Kontakt-Adressen von Beratungs- und Selbsthilfegruppen. Die diözesane Kampagne, so heißt es, wendet sich besonders an Eltern, die ihre Kinder schützen wollen, und will die Beschäftigung mit der Lehre der Kirche zur Geschlechtlichkeit und der „Theologie des Leibes“ anstoßen; sie will auch zu Aktionen von Pfarreien und Einzelpersonen, etwa der Bildung von kleinen Gruppen, die sich verantwortlich wissen, anregen. – So ist dies ein weiteres Beispiel, wie ein Bischof angesichts der Verheerung durch die Pornografie aktiv wird. Ähnlich hat anfangs des vergangenen Jahres Bischof Robert William Finn, Kansas City-St.Joseph, zum Widerstand und zur Heilung von der Pornosucht aufgerufen, vor allem mit dem ausgezeichneten und aus der Fülle des Glaubens Hilfe anbietenden Hirtenbrief „Selig, die reinen Herzens sind“, den wir nach wie vor in deutscher Übersetzung als Sonderdruck zur Verbreitung anbieten.
Dass die Situation bei uns sich von der in den Vereinigten Staaten nicht unterscheidet, zeigten Pressemeldungen vom September über eine Umfrage z. B. des Senders Pro Sieben, für die fast 56.000 Internet-Fragebögen ausgewertet wurden. Danach sieht sich ein Drittel der befragten Männer täglich Pornos, besonders häufig im Internet; bei den Frauen sind es rund 8 Prozent. Von den Jugendlichen, die die Fragen beantwortet haben, wurde angegeben, dass die Hälfte bereits im Alter von 14 Jahren Pornos angeschaut hat. Ein Sexualforscher Jakob Pastötter, der die Umfrage vorstellte, kommentierte: „Pornografie hat aufgehört, ein Randphänomen zu sein. Wir sind ein Volk von Pornophilen.“ (Vgl. netzeitung/dpa 19.9.08)
»Eine der großen Plagen unserer Gesellschaft ist die Pornografie. Sie durchsetzt unsere Medien, die Häuser und Schulen bereits so sehr, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Unser Kampf gegen Pornografie ist eine Frage von Leben und Tod. Eine Kultur, die pornosüchtig ist, wird kein gesundes Verhältnis zwischen den Geschlechtern zulassen. Eine Kultur, die pornosüchtig ist, wird keine gesunden Familien fördern. Eine Kultur, die pornosüchtig ist, verfault langsam aber sicher von innen her. Als mir dies bewusst wurde, rief ich in unserer Diözese eine Aktion ins Leben, die vor der pornografischen Zerstörungsgewalt warnt und denen Hoffnung macht, die mit diesem Problem zu ringen haben.
Bei der Vorbereitung unserer Initiative kamen mir viele traurige Geschichten zu Ohren: Ich erfuhr, wie dieses Übel junge Menschen in Bedrängnis bringt. Die wunderbare Gabe der menschlichen Geschlechtlichkeit wird zu etwas Anstößigem und Schändlichem verkehrt, Bilder aus Kino und Internet verstören die Kinder und löschen die Vorstellung vom gesunden Eheleben in ihrer Phantasie. Ich erfuhr, wie Pornosucht manches Eheleben erschütterte; Alleinstehende mussten schamvoll eingestehen, welche Unmengen Zeit und Geld sie für den Konsum von Pornos aufgewendet hatten. Jeder Geistliche, mit dem ich sprach, ob katholisch oder nichtkatholisch, bestätigte mir, dass seine Pfarrkinder mit dem Problem zu kämpfen hatten.
Die Ursachen:
Wie konnte sich die Pornografie in diesem Ausmaß entwickeln? Erinnern wir uns an die Mahnung von Edmund Burke: „Das Böse braucht nichts weiter zu seinem Erfolg als die Untätigkeit der Guten.“ Vor vierzig Jahren riet Papst Paul VI. in seiner epochalen Enzyklika Humanae vitae allen Menschen guten Willens: Alle „müssen einstimmig verurteilen, was bei den modernen Massenmedien dazu beiträgt, die Sinne aufzupeitschen und Sittenverfall zu verbreiten, ebenso jede Form von Pornografie in Schrift, Wort und Darstellung“ (Nr. 22). Das vierzigjährige Schweigen der Anständigen hat einen Umsatz von vielen Milliarden Dollar für die pornografische Industrie ermöglicht, die Männer, Frauen und Kinder zu Lustobjekten herabwürdigt, statt sie als menschliche Wesen zu behandeln.
In der Praxis hat die leichte Zugänglichkeit wie auch die Anonymität dem Übel zum unbemerkten Wachstum verholfen. Noch vor zwanzig Jahren wurden selbst im Kabelfernsehen die anzüglichsten Sendungen erst spät abends gesendet. Heute ist fast jedes Programm schon zur besten Sendezeit mit sexueller Stimulation und pornografischen Bildern durchsetzt. Jeder Haushalt mit Internet-Anschluss hat unmittelbaren Zugang zu jedem denkbaren Geschlechtsakt, und grafische Darstellungen der perversesten Art sind nur ein paar Klicks weiter zu finden.
Ein so weit geöffnetes Tor zur pornografischen Perversion ist ein Angriff auf die Grundfesten der Moral. Nach Papst Paul „braucht man nicht viel Erfahrung, um zu wissen, wie schwach der Mensch ist, und um zu begreifen, dass der Mensch – besonders der jugendliche, der gegenüber seiner Triebwelt so verwundbar ist – anspornender Hilfe bedarf, um das Sittengesetz zu beobachten, und dass es unverantwortlich wäre, wenn man ihm die Verletzung des Gesetzes selbst erleichterte“ (HV, Nr. 17). Das Böse floriert bei uns, weil so wenige in der Gesellschaft für die Wahrheit aufgestanden sind.
Zur Pornografieschwemme hat auch die Anonymität des Internets beigetragen. Um sich schmutzige Bilder anzuschauen, braucht niemand mehr schäbige Stadtteile aufzusuchen oder durch das Betreten von Videoshops öffentliche Verachtung zu riskieren. Teenager müssen nicht mehr die Peinlichkeit auf sich nehmen, ein schlechtes Heft über die Ladentheke ausgehändigt zu bekommen. Die denkbar genauesten Abbildungen kommen nun ungehindert direkt in die häusliche Privatsphäre, und das in diskreter Anonymität.
So wird es dem Mann ein leichtes, aus dem ehelichen Schlafzimmer auszubrechen und in eine namenlose Welt einzutauchen, in der es weder Regeln noch Verbote gibt. Für die Gattin bedeutet es jedoch eine tiefe Verwundung, wenn er die Tür vor ihr zuschlägt. Alleingelassen, fragt sie sich, was an ihr nicht stimmt. Warum ist sie nicht mehr gut genug? In Wirklichkeit aber liegt der Fehler nicht bei ihr. Ihr Gatte hat den Reichtum und die Schönheit der ehelichen Liebe für die selbstsüchtige und flüchtige Befriedigung seiner Lust verraten.
In vielerlei Hinsicht bestätigt die Pornografie die Verhütungsmentalität mit ihrer Ablehnung des natürlichen Sittengesetzes. Es kann keinen Ausdruck ehelicher Liebe geben, der die beiden Aspekte der Geschlechtsakte, Vereinigung und Fortpflanzung, voneinander trennt. „Seiner innersten Struktur nach befähigt der eheliche Akt, indem er den Gatten und die Gattin aufs Engste miteinander vereint, zugleich zur Zeugung neuen Lebens, entsprechend den Gesetzen, die in die Natur des Mannes und der Frau eingeschrieben sind“ (HV, Nr. 12). Wenn ein Paar einmal das Element der Fortpflanzung aus seiner Geschlechtsbeziehung entfernt hat, was hindert sie dann, in einem nächsten Schritt auch die Vereinigung fortzulassen?
Manche mögen vorbringen, auch die liebende Vereinigung eines Paares, das sich für künstliche Verhütung entschieden habe, könne noch ein reiner und heiliger Akt sein. Doch bedeutet eine solche Vereinigung nicht immer, dass die Partner einander etwas vorenthalten: nämlich ihre Fruchtbarkeit? Michael Casey schreibt In seinem Buch „Toward GOD: The ancient wisdom of Western Prayer“ („Hin zu GOTT. Die alte Gebetsweisheit des Westens“): „Was nicht geteilt wird, fördert die Spaltung. Manchmal versteht die Liebe intuitiv, was sich nicht in Worte fassen lässt. Doch was man zurückhält, kann sich als trennende Barriere in eine Beziehung schieben. Keiner von beiden versteht, was vor sich geht. Dennoch leiden beide.“
Ein Pornos konsumierender Ehegatte hat den ersten Schritt getan, um sich selbst aus der Beziehung zurückzunehmen. Wenn er sogar das Vereinigungsmoment des ehelichen Umgangs verweigert, baut er eine weitere Barriere in der Beziehung auf. Dies führt unvermeidlich zu schmerzlichem Auseinanderleben.
Weil Pornografie süchtig macht, scheint sie zunächst unüberwindlich. Man ist vor ihr ja fast nirgends sicher. Sobald man vor die Tür geht, und wäre es nur zum Einkaufen um die Ecke, wird man mit den Bildern bombardiert. Ist Widerstand angesichts der allgegenwärtigen Verführung nicht zwecklos? Unser verstorbener Heiliger Vater Johannes Paul II. ermutigte uns immer wieder: „Habt keine Furcht!“ „Für Menschen ist das unmöglich, für GOTT aber ist alles möglich.“ (Mt 19,26). Unser jetziger Papst, Benedikt XVI., verkündet in seiner neuesten Enzyklika CHRISTUS als unsere Hoffnung, und: „auf Hoffnung hin sind wir gerettet“ (Spe salvi, Nr. 1).
Das Erste, was wir brauchen, um jede Versuchung zu überwinden, ist das Gebet. Wir müssen demütig werden und zur Kenntnis nehmen, dass wir die Versuchung nicht allein aus eigener Kraft bestehen können. Wenn wir uns im Gebet den Strömen der Gnade öffnen, die aus der GÖTTlichen Barmherzigkeit JESU CHRISTI fließen, erhalten wir die Kraft, uns zu bewahren, selbst in hoffnungslos scheinenden Situationen. Auch das Gebet zu unserer Mutter Maria, in dem wir ihre Fürbitte anrufen, ist ein starker Schutzschild in der Versuchung.
Unsere Bemühungen im Kampf gegen die Pornografie sollen vernünftig geplant und auch theologisch durchdacht sein. Es gibt einige einfache Vorgehensweisen, um eine erfolgreiche Strategie zu entwickeln.
Zum Schutz der Jugend ist es zunächst einmal entscheidend, dass die Eltern wissen, welche Medienerzeugnisse ihre Kinder konsumieren. Dazu kann es hilfreich sein, alle Computer mit Internetzugang in gemeinschaftlich genutzten Räumen unterzubringen. Das gleiche gilt für Fernseher. Wenn Kinder sich in ihren Zimmern versteckt hinter verschlossenen Türen aufhalten, kann die Versuchung der modernen Technologien übermächtig werden.
Ältere Jugendliche und Erwachsene können durch Selbsthilfegruppen in ihrem inneren Entschluss zum Ausstieg bestärkt werden. Auch kann mit Hilfe spezieller Internet-Dienste das jeweilige Nutzerverhalten durch die gewählten Aufsichtspersonen registriert und dadurch positiv beeinflusst werden. Wie bei allen Suchtproblemen ist allerdings in hartnäckigen Fällen professionelle Hilfe erforderlich.
Freilich dürfen wir uns nicht allein auf unsere eigenen Methoden verlassen. Im Bußsakrament haben wir das Erbarmen und Verzeihen GOTTES. Wenn wir regelmäßig beichten, werden uns nicht nur die begangenen Sünden vergeben; es wird auch immer mehr unser Entschluss befestigt, in der Zukunft die nächste Gelegenheit zur Sünde zu meiden. Der häufige Empfang der heiligen Kommunion ist auch eine Quelle großer Kraft und großen Trostes. Wer das Fleisch und Blut des HERRN JESUS CHRISTUS würdig empfängt, wird die Kraft erlangen, scheinbar übermenschlichen Versuchungen zu widerstehen.
Es ist ein schwieriges Unterfangen, das Thema Pornografie ins Auge zu fassen und zu erörtern. Man möchte ihm gerne ausweichen: Es ist nicht salonfähig. Trotzdem: Gerade durch unser Schweigen geben wir dem Unrat weiteren Raum. Wir müssen also diesem Übel gegenüber Stellung beziehen.
Angesichts dieser großen Herausforderung sind Klerus und Laien auf Zusammenarbeit angewiesen. Auch noch andere Diözesen im Land haben die Initiative ergriffen und neue Wege in der Bekämpfung der Pornografie beschritten. Wir wollen bereit und entschlossen sein, an diesen Aktionen gegenseitig teilzunehmen. Vor allem dürfen wir dabei nie vergessen, den HERRN um Seinen Segen zu bitten für uns alle, die wir versuchen, Seinem Weg zu folgen und dem Aufruf zur Heiligkeit zu entsprechen, der an alle ergeht.«
Rom. Bei der Jahresversammlung der „American Academy of Fertility Care Professionals“ in Rom hielt Francis James Kardinal Stafford, Großpönitentiar (Leiter der Apostolischen Pönitentiarie), einen Vortrag, den L’Osservatore Romano (deutsch) am 22.8.2008 veröffentlichte. Kardinal Stafford ist 1932 in Baltimore geboren und wurde 1957 zum Priester und 1976 zum Bischof geweiht; vor seiner Berufung nach Rom war er Erzbischof von Denver.
Der Kardinal schilderte sein eigenes Erleben des Jahres 1968, in dem Papst Paul VI. die Enzyklika „Humanae vitae“ veröffentlichte und „auf die unmittelbare, vorsätzliche und bis dahin nicht gekannte Opposition von Seiten einiger amerikanischer Theologen und Hirten“ stieß. Stafford stellte sein Referat unter das Stichwort „peirasmòs“, das griechische Wort für „Versuchung“ im Vaterunser. „1968 geschah etwas Schreckliches in der Kirche. Innerhalb der Priesterschaft, unter Freunden, kam es überall zu Brüchen, die nie geheilt wurden. Unter diesen Wunden leidet noch immer die ganze Kirche. Der Dissens wurde zusammen mit der Manipulation der Wut, die die Anführer selbst schürten, zu einer harten Probe.“ Persönlich war er vom Erzbischof von Baltimore, Kardinal Shehan, den Papst Paul VI. in die Kommission berufen hatte, die die Fragen von Familie, Bevölkerung und Geburtenrate untersuchen sollte, um eine Stellungnahme gebeten worden. Stafford schildert seine eigene Sicht: „Durch Familie und Erziehung war mir eine christliche Auffassung von der Sexualität vermittelt worden. Sie war für mich ein wundervolles Geheimnis. Es waren keine theologischen Argumente notwendig, um mich von der engen Verbindung zwischen Geschlechtsakt und neuem Leben zu überzeugen...“ „Der Mut der hl. Maria Goretti, die im Jahr 1950 heiliggesprochen wurde, schlug in meine Generation ein wie ein starkes Gebirgsgewitter...“ Stafford, der 1958 bis 1966 als Priester in Washington und Baltimore wirkte, stellte aber dann „einen Bewusstseinswandel der Amerikaner gegenüber der Tugend der Reinheit“ fest, erkennbar etwa am Anstieg unehelicher Schwangerschaften. In seinem Brief an Kardinal Shehan habe er diesem seine Besorgnisse mitgeteilt und seine Überzeugung betont, das Geschenk der Liebe müsse fruchtbar gemacht werden, die beiden Sinngehalte der Ehe – liebende Vereinigung und Fortpflanzung – dürften nicht getrennt werden. Shehan habe dann allerdings zu der Mehrheit des Kommission gehört, die Paul VI. eine Änderung der kirchlichen Lehre zur Empfängnisverhütung empfahlen. Der Papst habe aber anders entschieden. Shehan scheint aber zur päpstlichen Lehre gestanden zu haben, denn Stafford zitiert aus den Erinnerungen des Kardinals von Baltimore, dass sogleich nach der Nachricht von der Veröffentlichung der Enzyklika „Humanae vitae“ der Moraltheologe Charles E. Curran sich mit neun weiteren Theologieprofessoren getroffen habe und sie – nach vorheriger Absprache mit der Zeitung „Washington Post“- jedes einzelne Kapitel der Enzklika unmittelbar aus der Druckerei in Empfang nahmen, sie sogleich analysiert und noch bis zum Abend eine Erklärung, das „Statement of Dissent“, verfassten, für die sie telefonisch bis in den Morgen hinein die namentliche Zustimmung vieler Theologen im Osten der USA erreichten, ohne dass diese die Enzyklika gelesen noch den vollständigen Text der ablehnenden Erklärung gesehen hatten. Kardinal Shehan habe 1982 kommentiert: „Soweit ich es beurteilen kann, wurde niemals zuvor in der Geschichte der Kirche die feierliche Erklärung eines Papstes durch irgendeine Gruppe von Katholiken mit soviel Respektlosigkeit und Verachtung aufgenommen.“ Kardinal Stafford selber berichtet, dass er anfangs August 1968, einige Tage nach der Veröffentlichung der Enzyklika, zu einer Versammlung einiger Priester in Baltimore eingeladen worden sei. Seine Erwartung, dass man Kopien der Enzyklika verteilen und darüber sprechen würde, wurde enttäuscht. Vielmehr hatten die einberufenden Priester – ein Pfarrer und mehrere Professoren des Priesterseminars - die Absicht, von allen die Zustimmung zu einer am folgenden Morgen in der Presse zu veröffentlichenden Erklärung der Ablehnung der Enzyklika von Seiten der Priester von Baltimore einzuholen: Es „forderte der Pfarrer von jedem von uns die Zustimmung, den eigenen Namen darunterzusetzen. Es gab keine Zeit zu diskutieren, nachzudenken oder zu beten.“ Er allein lehnt ab (und in der folgenden Nacht zog ein Priester seine Zustimmung zurück): „Die Reaktion des Leiters der Versammlung auf meine Weigerung war voraussehbar und schrecklich. Der ganze Prozess wurde jetzt zu einem aufreibenden Kampf, zu einer furchtbaren Prüfung, zum ‚peirasmòs’. Der Priester/Leiter reagierte verächtlich auf meine Entscheidung und gebrauchte mir gegenüber eine schmutzige Ausdrucksweise... Er wollte mich zwingen, meine Meinung zu ändern. Er wurde sichtbar wütend und attackierte mich mit Worten. Die unterschwellige ‚brüderliche’ Gewalt kam jetzt deutlich zum Vorschein.“ Kardinal Stafford vergleicht in seinem Vortrag dieses Geschehen mit gewalttätigen Unruhen, die im selben Jahr auf die Ermordung von Martin Luther King Jr. in Baltimore stattfanden: „Kirchlicher Dissens kann in Form und Inhalt zu einer Art geistlicher Gewalt werden.“ Die Folge sei ein Zerbrechen der Brüderlichkeit gewesen, die über Generationen hinweg zwischen den Priestern der Diözese geherrscht habe: „Wo es Gespräche unter den Priestern überhaupt gab, waren sie von Angst gezeichnet. Es herrschte ständiger Argwohn...“ Die Gewalt des ersten Ungehorsams sei der Auftakt zu weiter um sich greifender Gewalt gewesen: „Die Verachtung der Wahrheit, sowohl in aggressiver als auch in passiver Form, ist im kirchlichen Leben alltäglich geworden. Abtrünnige Priester, Theologen und Laien haben ihre Zwangsmethoden weiter angewandt. Von Anfang an hat die Presse sie zur Durchführung ihrer eigenen perfiden Pläne benutzt“, so Stafford, der für sich diese Erfahrungen in geistlicher Weise verarbeitete.
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Vatikan. Einer der vielen Redebeiträge bei der Weltbischofssynode im Oktober 2008 in Rom kam von dem lettischen Bischof von Jelgava, Anton Justs. Beim Gedenken an all jene Glaubenszeugen, die ihre Leben ließen, weil sie eine Bibel besaßen oder darin lasen, rührte er mit seiner Rede über diese Märtyrer des 20.Jahrhunderts einige der Anwesenden zu Tränen. Seine Worte, die er in Anwesenheit Benedikts XVI. sprach, waren jenen gewidmet, die in der ehemaligen Sowjetunion den Tod fanden – „Priestern, Männern und Frauen, die sterben mussten, weil sie das Wort Gottes verkündeten“. Bischof Justs sprach insbesondere über den ihm früher bekannten Priester Viktors, „der während des Sowjetregimes in Lettland verhaftet wurde, weil er eine Bibel besaß. In den Augen der Sowjets stellte die Heilige Schrift antirevolutionäres Gedankengut dar. Die Agenten warfen die Bibel zu Boden und zwangen den Priester darauf zu treten. Dieser weigerte sich jedoch, und anstatt zu gehorchen, kniete er nieder und küsste das Buch.“ Für diese Geste war der Priester zu zehn Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt worden. Als er nach dieser Zeit in seine Gemeinde zurückkehrte, feierte er die heilige Messe, und nachdem er das Evangelium gelesen hatte, hielt er das Buch hoch und sagte: ‚Das Wort Gottes!’ Die Menschen weinten und dankten Gott. Sie wagten es jedoch nicht, dem Priester zu applaudieren, denn dies wäre erneut als eine Provokation aufgefasst worden.“ Der Bischof von Jelgava erinnerte die Synodenväter daran, dass während der Sowjetära keine Art von religiösen Schriften gedruckt werden durften. „Die Menschen in Lettland starben, wie es die Christen im ersten Jahrhundert getan hatten“, so Bischof Justs. „Sie lernten die Worte der Heiligen Schrift auswendig. Noch heute ist in unserem Land die mündliche Überlieferung stark verbreitet. Wir stehen auf den Schultern unserer Märtyrer, um das Wort Gottes zu verkünden. Unsere Enkel erinnern sich an ihre Großväter und Großmütter, die für ihre Überzeugung starben, und so wollen auch sie ‚Helden’ des Glaubens sein.“ (Zenit 16.10.2008)
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New York. In einer Kolumne der New Yorker Kirchenzeitung vom 23.10.2008 schrieb Kardinal Edward Egan, der Erzbischof von New York vom Verbrechen der Abtreibung:
Eines Tages, wenn der Würgegriff aufgehört hat, in dem sich die öffentliche Meinung in den USA befindet durch die Extremisten, für die Abtreibung das Zentrum ihres politischen und moralischen Lebens ist, wird unsere Nation nach meiner Meinung auf das, was wir unschuldigen Menschen in ihren Müttern angetan haben, zurückschauen als auf ein Verbrechen, das nicht weniger abscheulich ist als jenes, das im ‚Dred Scott-Fall’ im 19. Jahrhundert vom Obersten Gericht gutgeheißen wurde, und nicht weniger abscheulich als jenes, das von Hitler und Stalin im 20. Jahrhundert verübt wurde.“ Im erwähnten „Dred Scott-Fall“ entschied der Oberste Gerichtshof, aus Afrika importierte Sklaven und ihre Nachkommen könnten nie Bürger der Vereinigten Staaten werden, und die Sklaverei könne in den USA niemals verboten werden.
Der Kardinal forderte seine Leser auf, das Bild eines 20 Wochen alten ungeborenen Kindes zu betrachten. Wenn sie nicht daran zweifelten, dass es ein Mensch sei, könnten sie nicht in Zweifel ziehen, „dass die Verantwortlichen in einer zivilisierten Gesellschaft verpflichtet sind, diese unschuldigen Menschen zu beschützen“. Wenn die Leser meinten, es handle sich bei dem abgebildeten ungeborenen Kind nicht um einen lebendigen, unschuldigen Menschen, sondern z. B. um einen „bloßen Gewebeklumpen“, dann hätten sie „ein viel grundlegenderes Problem“, nämlich die „Selbsttäuschung in einer ganz extremen Form“. Der Kardinal betonte: „Es ist höchste Zeit, dass wir aufhören, so zu tun, als ob wir nicht wüssten, was diese unsere Nation erlaubt - und gutheißt – mit dem jährlichen Töten von mehr als 1,6 Millionen unschuldigen Menschen in ihren Müttern...“ (Vgl. kath.net/Cwnews 29.10.2008)
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Canberra. In einem gemeinsamen Hirtenbrief warnten die australischen Bischöfe im Frühjahr vor den Gefahren des Internets vor allem für Kinder und Jugendliche und forderten zu einer kritischen Nutzung der neuen Technologien, damit diese in den Dienst der Würde des Menschen und der Verkündigung des Evangeliums gestellt werden könnten. Der Hirtenbrief wurde auch mit einem Video im Internet veröffentlicht. Die Bischöfe rieten zum Schutz der Kinder zur Installation von Filtern und zur Beschränkung der Zeit vor dem Computer für Kinder. (Vgl. kath.net/Fidesdienst 5.4.2008)
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El Salvador. Die Bischöfe von El Savador äußerten sich skeptisch zur Einführung des Sexualkunde-Unterrichts an öffentlichen Schulen. Die Kirche werde die Lehrbücher genau prüfen, ehe sie diese in ihren eigenen Schulen einsetze. Sexualkunde sei eine heikle Materie; es gelte, nicht irgendwelche Techniken zu vermitteln, sondern Werte. (Vgl. rv 5.8.08)
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Kanada. Kardinal Jean Claude Turcotte gab das kanadische Bundesverdienstkreuz, den „Order of Canada“ zurück, um damit gegen die Ehrung eines Abtreibungsarztes zu protestieren. Der Kardinal hatte die hohe Auszeichnung 1996 erhalten, nun wurde sie auch an den Abtreibungsarzt Henry Morgentaler verliehen. (Vgl. rv 18.9.08)
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Vatikan. Bei einer Vorstellung des nächsten Weltfamilientages 2009 in Mexiko wiederholte der neue Präsident des „Päpstlichen Rates für die Familie“, Kardinal Ennio Antonelli, dass die katholische Kirche weiterhin die Kommunion für Wiederverheiratete ablehne. Die Gründe dafür seien im Evangelium festgeschrieben, so Antonelli. Die Kirche könne die Scheidung einer gültigen Ehe niemals gutheißen. (Vgl. rv 18.9.08)
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Madrid. Der Erzbischof von Madrid, Kardinal Antonio Maria Rouco Varala, hat die katholischen Schulen seines Bistums angewiesen, Eltern zu unterstützen, die ihre Kinder vom umstrittenen Fach Staatsbürgerkunde abmelden wollen. Gemeinsam mit zwei weiteren Bischöfen betonte der Kardinal nach Angaben der Zeitung „La Razon“, das von der sozialistischen Regierung eingeführte Schulfach beinhalte „Elemente, die im Gegensatz zur katholischen Lehre stehen“. (Vgl. rv 20.9.2008)
# Anmerkung: Nun ist für jeden objektiv Prüfenden klar, dass es in der „Schulsexualerziehung“ „Elemente gibt, die im Gegensatz zur katholischen Lehre“ (und zur Menschenwürde und zur Vernunft) stehen. Wann weisen unsere Bischöfe wenigstens die katholischen Schulen an, „Eltern zu unterstützen“, die ihre Kinder davor bewahren wollen?
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Hirtenwort zu Lebensschutz
Prag. Die tschechischen Bischöfe nahmen in einem Hirtenbrief zu aktuellen Fragen des Lebensschutzes Stellung. Sie fordern unter anderem, dass Mediziner im Gesundheitsbereich die Möglichkeit erhalten, eine Abtreibung „ohne Risiko einer Diskriminierung“ abzulehnen. In jüngster Zeit werde in der tschechischen Gesellschaft, „insbesondere in den Medien, viel über ethische Fragen gesprochen, die das menschliche Leben betreffen“, schreiben die Bischöfe. Gesetze, die vorbereitet würden, beeinflussten die Einstellungen von Menschen. Die Behandlung von Unfruchtbarkeit sei „selbstverständlich erlaubt, nicht jedoch technische Verfahren, bei denen die Befruchtung anders als durch geschlechtliche Vereinigung von Mann und Frau“ zustande komme. Abzulehnen sei auch eine Vernichtung oder anderweitige Verwendung von Embryonen sowie ihre „Verwertung“ als Stammzellen. Der Mensch habe „ein Recht, als Frucht der Liebe geboren zu werden“, betonen die Bischöfe Tschechiens. (Vgl. kap/rv 29.10.2008)
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Kardinal distanziert sich von „Humanae vitae“
Jerusalem. JESUS kämpfte gegen Ungerechtigkeit und widersetze sich auch heute den „Lügen“ und dem „Schaden“, den die Enzyklika „Humanae vitae“ anrichte, indem sie künstliche Verhütung verbiete. Diese Ansicht von Kardinal Carlo Maria Martini wird in einer Meldung von kath.net (5.11.08, mit Verweis auf eine italienische Website) aus dem Interview-Buch „Jerusalemer Nachtgespräche“ berichtet, das P. Georg Sporschill SJ veröffentlichte (Freiburg 2008) und das kürzlich auch in Italienisch erschien. Sporschill stellt darin die unterschiedlichen JESUSbilder von Papst Benedikt (in „JESUS von Nazareth“) und von Kardinal Martini gegenüber. Der Papst lege ein Glaubensbekenntnis an den guten, braven JESUS ab, während der emeritierte Erzbischof von Mailand JESUS als Freund der Sünder sehe, der an der Seite der Menschen gegen die Ungerechtigkeit kämpfe. Der 81-jährige Kardinal aus dem Jesuitenorden, der seit seiner Emeritierung 2002 in Jerusalem lebt und seit einigen Jahren unter einer Form der Parkinson-Krankheit leidet, distanziere sich klar von der Eheenzyklika Pauls VI. Martini bezichtigt das Schreiben, mit dem Verbot künstlicher Verhütungsmittel einen Schaden zu verursachen. Viele Menschen hätten sich dadurch von der Kirche zurückgezogen und auch die Kirche habe sich von den Menschen distanziert. Die damaligen Stellungnahmen der deutschen und österreichischen Bischöfe hätten dagegen einen auch heute gangbaren Weg eröffnet. Darin drücke sich ein „vorurteilsfreier“ Zugang zur Sexualität aus. Martini, der im Konklave 2005 als „papapile“ gehandelt wurde, erhoffe sich zukünftig eine Korrektur des „rigorosen“ Kurses von Johannes Paul II. in dieser Frage.
# Nun, es haben sich vor allem viele Menschen von der Kirche „distanziert“, weil sie dank der Ablehnung von „Humanae vitae“ gar nicht erst geboren werden durften! Und was den „rigorosen Kurs“ und den „Schaden“ angeht, lese man etwa die vorstehend abgedruckten Hirtenworte der kanadischen Bischöfe und des US-Bischofs Sheridan! - Übrigens steht der Namen von Kardinal Martini auch unter einer Stellungnahme von „Wissenschaftlern“, die das Hirntodkriterium verteidigen (veröffentlicht von der „Päpstl. Akademie der Wissenschaften“).
Und Kardinal Martini hat auch vor einiger Zeit den Kondomgebrauch angesichts der Aids-Gefahr als „kleineres Übel“ verteidigt (vgl. FMG-INFORMATION 89 S. 22f; vgl. auch FMG-INFORMATION 94, S. 19).
Fußnoten zum Pastoralen Schreiben der Kanadischen Bischöfe:
1 Paul VI., Humanae vitae, Nr. 1
2 Humanae vitae, Nr. 1
[3] Humanae vitae, Nr. 7
[4] Johannes Paul II.., Generalaudienz 20. Februar 1980, Nr. 3-4
[5] Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 221
[6] Johannes Paul II.., Generalaudienz, 14. November 1979
[7] Gaudium et spes, 48
[8] einer „Liebe die aufs Ganze geht“, wie die treffende Formulierung in der deutschen Übersetzung der Enzyklika Humanae vitae lautet (Anmerkung FMG)
[9] Mt 28,20
[10] Joh 10,17-18
[11] Yves Semen, La sexualité selon Jean-Paul II.: Presses de la Renaissance, 2004, p. 109. Vergleiche auch Christopher West, Theologie des Leibes erklärt (Theology of the Body Explained), Boston: Pauline Books & Media, 2003, pp. 415-416.
[12] Humanae vitae, Nr. 12 - [*Der englische Text fügt diesen Satz irrtümlich noch dem vorstehenden Zitat aus Humanae vitae zu, ist aber offensichtlich eine Folgerung daraus. Anm. FMG]
[13] Humanae vitae, Nr. 10
[14] Catholic Organization for Life and the Family, In the Name of Love: The natural approach to family planning, 1998
[15] Catholic Organization for Life and the Family, In the Name of Love: The natural approach to family planning, 1998
[16] Benedikt XVI., DEUS caritas est, Nr. 5
[17] Benedikt XVI., DEUS caritas est, Nr. 6