FMG-INFORMATION 108, April 2013

 

   

1. Glaube und Kirche

 

„Mit dem Apostolischen Schreiben Porta fidei habe ich dieses besondere Jahr [des Glaubens] ausgerufen, auf dass die Kirche die Begeisterung, an JESUS CHRISTUS, den einzigen Erlöser der Welt, zu glauben, erneuern, die Freude, den Weg zu gehen, den Er uns gezeigt hat, neu beleben und die verwandelnde Kraft des Glaubens konkret bezeugen möge…

An den HERRN zu glauben ist nicht etwas, das nur unsere In­telligenz, den Bereich des intellektuellen Wissens betrifft, sondern es ist eine Veränderung, die das Leben, unser ganzes Sein einbezieht: Empfinden, Verstand, Wille, Leiblichkeit, Gefühle, menschliche Beziehungen. Mit dem Glauben ändert sich wirklich alles in uns und für uns, und unsere zukünftige Bestimmung, die Wahrheit über unsere Berufung in der Geschichte, der Sinn des Lebens, der Genuss, Pilger auf dem Weg ins himmlische Vaterland zu sein, treten ganz deutlich zutage. Aber – so fragen wir uns – ist der Glaube wirklich die verwandelnde Kraft in unserem Leben, in meinem Leben? Oder ist er nur eines der Elemente, die zum Leben gehören, ohne das entscheidende Element zu sein, das es vollkommen einnimmt? Mit den Katechesen dieses Jahres des Glaubens möchten wir einen Weg beschreiten, um die Freude des Glaubens zu stärken

Der Glauben an den einen GOTT, der Liebe ist und der zum Menschen gekommen ist, indem Er Mensch geworden ist und sich selbst am Kreuz hingegeben hat, um uns zu erlösen und uns die Tore des Himmels wieder zu öffnen, zeigt auf leuchtende Weise, dass die Fülle des Menschen nur in der Liebe besteht. Das muss heute, da der derzeit stattfindende kulturelle Wandel oft viele Formen der Barbarei aufzeigt, die als ‚zivilisatorische Errungenschaften‘ gelten, noch einmal deut­lich gesagt werden: Der Glaube sagt, dass es keine wahre Menschlichkeit gibt außer an den Orten, in den Gesten, in den Zeiten und in den Formen, in denen der Mensch beseelt ist von der Liebe, die von GOTT kommt, dass sie als Geschenk zum Ausdruck kommt und sich in Beziehungen offenbart, die reich sind an Liebe, Mitgefühl, Aufmerksamkeit und uneigennützigem Dienst am anderen. Wo Herrschaft, Besitzstreben, Ausbeutung ist, wo der andere für den eigenen Egoismus zur Ware degradiert wird, wo die Arroganz des in sich selbst verschlossenen Ich vorhanden ist, dort verarmt der Mensch, wird er herabgewürdigt und entstellt. Der christliche Glaube, der in der Lie­be tätig und in der Hoffnung stark ist, beschränkt das Leben nicht, sondern macht es menschlich – ja sogar vollmenschlich.

Der Glaube bedeutet, diese verwandelnde Botschaft in unserem Leben anzunehmen, die Offenbarung GOTTES anzunehmen, die uns erkennen lässt, wer Er ist, wie Er handelt, was Seine Pläne für uns sind… Das ist das Wunderbare am Glauben: In Seiner Liebe schafft GOTT in uns – durch das Wirken des HL. GEISTES – die angemessenen Bedingungen, damit wir Sein Wort erkennen können. GOTT selbst versetzt uns durch Seinen Willen, sich zu offenbaren, mit uns in Berührung zu treten, in unserer Geschichte gegenwärtig zu sein, in die Lage, Ihn zu hören und Ihn anzunehmen…

Die Kirche, die aus der geöffneten Seite CHRISTI hervorgegangen ist, ist zur Trägerin einer neuen, festen Hoffnung geworden… Von Anfang an stellte sich jedoch das Problem der ‚Glaubensregel‘, also der Treue der Gläubigen zur Wahrheit des Evangeliums, in der man fest bleiben muss, zur Heilswahrheit über GOTT und über den Menschen, die bewahrt und weitergegeben werden muss. Der hl. Paulus schreibt: ‚Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe. Oder habt ihr den Glauben vielleicht unüberlegt angenommen?‘ (1 Kor 15,2)…

Vor allem ist es wichtig, dass das Credo sozusagen ‚anerkannt‘ wird. Erkennen kann nämlich ein rein intellektueller Vorgang sein, während ‚anerkennen‘ auf die Notwendigkeit hinweist, die tiefe Bindung zwischen den Wahrheiten, die wir im Credo bekennen, und unserem täglichen Leben zu entdecken, damit diese Wahrheiten wirklich und konkret – wie sie es schon immer gewesen sind – Licht für die Schritte unseres Le­bens sein können, Wasser, das die Dürre unseres Weges benetzt, Leben, das die Wüsten des gegenwärtigen Lebens überwindet. Im Credo ist das sittliche Leben des Christen verwurzelt, der in ihm seine Grundlage und seine Rechtfertigung findet

Wir leben heute in einer zutiefst veränderten Gesellschaft…, die sich in ständiger Bewegung befindet. Die Prozesse der Säkularisierung und einer verbreiteten nihilistischen Mentalität, in der alles relativ ist, haben das allgemeine Denken stark geprägt. So wird das Leben oft leichtfertig gelebt, ohne klare Ideale und feste Hoffnungen, innerhalb flüchtiger, unbeständiger sozialer und familiärer Bindungen. Vor allem die neuen Generationen werden nicht zur Suche nach der Wahrheit und dem tiefen Sinn des Lebens, der über das Unwesentliche hinausgeht, zu stabilen Affekten, zum Vertrauen, erzogen. Der Relativismus führt im Gegenteil dazu, keine festen Bezugspunkte zu haben, Misstrauen und Unbeständigkeit rufen Brüche hervor, während man das Leben in Experimenten verbringt, die nur von kurzer Dauer sind, ohne Verantwortungsübernahme. Während Individualismus und Relativismus das Herz vieler Zeitgenossen zu beherrschen scheinen, kann man nicht sagen, dass die Gläubigen vor diesen Gefahren, de­nen wir bei der Weitergabe des Glaubens begegnen, völlig ge­feit seien… Der Christ kennt oft nicht einmal das Herzstück des eigenen Glaubens, das Credo, was Raum lässt für einen gewissen Synkretismus und religiösen Relativismus, ohne Klarheit über die Wahrheiten, die es zu glauben gilt, und über die Einzigartigkeit des Christentums in Bezug auf das Heil. Heute ist die Gefahr, sozusagen eine ‚selbstgemachte‘ Religion zu konstruieren, nicht weit. Wir müssen jedoch vielmehr zurückkehren zu GOTT, zum GOTT JESU CHRISTI, wir müssen die Botschaft des Evangeliums wiederentdecken, es tiefer in unser Bewusstsein und in das tägliche Leben eintreten lassen…“

Generalaudienz-Ansprache, 17.10.2012

Der Glaube der Kirche

„Der Glaube ist eine theologische Tugend, die von GOTT geschenkt, aber von der Kirche in der Geschichte weitergegeben wird. Der hl. Paulus schreibt an die Korinther, dass er ihnen überliefert hat, was auch er empfangen hat (vgl. 1 Kor 15,3). Es gibt ein ununterbrochenes Band des kirchlichen Lebens, der Verkündigung des Wortes GOTTES, der Feier der Sakramente, das bis zu uns reicht und das wir Tradition nennen. Sie ist uns dafür die Garantie, dass das, woran wir glauben, die ursprüngliche Botschaft CHRISTI ist, die von den Aposteln verkündigt wurde…

Abschließend möchte ich hervorheben, dass der persönliche Glaube in der kirchlichen Gemeinschaft wächst und reift. Es ist interessant zu sehen, dass das Wort ‚Heilige‘ im Neuen Testament die Christen als Ganzes bezeichnet, und gewiss hatten nicht alle die Voraussetzungen, zu Heiligen der Kirche erhoben zu werden. Worauf wollte man mit diesem Begriff also hinweisen? Auf die Tatsache, dass jene, die den Glauben an den auferstandenen CHRISTUS hatten und lebten, berufen waren, ein Bezugspunkt für alle anderen zu werden und sie so in Berührung zu bringen mit der Person und der Botschaft JESU, der das Antlitz des lebendigen GOTTES offenbart. Und das gilt auch für uns: Ein Christ, der sich nach und nach vom Glauben der Kirche führen und formen lässt, trotz seiner Schwächen, seiner Grenzen und seiner Schwierigkeiten, wird gleichsam zu einem Fenster, das offen ist für das Licht des lebendigen GOTTES, das dieses Licht aufnimmt und es an die Welt weitergibt…“

Generalaudienz-Ansprache, 31.10.2012,

Das innere Verlangen nach GOTT

„Der Mensch trägt ein geheimnisvolles Verlangen nach GOTT in sich… Eine solche Aussage, die auch heute in vielen Kulturkreisen völlig annehmbar, ja beinahe selbstverständlich wirkt, könnte im säkularisierten westlichen Kulturkreis dagegen als Provokation erscheinen, denn viele unserer Zeitgenossen könnten einwenden, dass sie überhaupt kein solches Verlangen nach GOTT spüren. Für große Teile der Gesellschaft ist Er nicht mehr der Erwartete, der Herbeigesehnte, sondern vielmehr eine Wirklichkeit, der man gleichgültig gegenübersteht, die es nicht einmal der Mühe wert ist, sich dazu zu äußern. In Wirklichkeit ist das, was wir als ‚Verlangen nach GOTT‘ bezeichnet haben, nicht völlig verschwunden, sondern es taucht auch heute in vielerlei Weise im Herzen des Menschen auf. Das menschliche Verlangen ist stets auf bestimmte konkrete Güter ausgerichtet, die oft alles andere als geistlich sind, und dennoch steht der Mensch vor der Frage, was wirklich ‚das‘ Gute ist, und muss sich also mit etwas auseinandersetzen, das etwas anderes ist als er selbst, das er nicht selbst herstellen kann, sondern zu erkennen aufgefordert ist. Was kann das Verlangen des Menschen wirklich stillen?... Nicht einmal die geliebte Person kann das Verlangen stillen, das im menschlichen Herzen wohnt, sondern je authentischer die Liebe zum anderen ist, desto mehr wirft sie die Frage über ihren Ursprung und ihre Bestimmung auf, über ihre Möglichkeit, auf immer zu währen. Die menschliche Erfahrung der Liebe hat also eine Dynamik in sich, die über sich selbst hinaus weist, sie ist die Erfahrung von etwas Gutem, das den Menschen aus sich selbst herausgehen lässt und ihn dem Geheimnis gegenüberstellt, das die gesamte Existenz umgibt

Wir müssen also festhalten, dass es auch in unserer Zeit, die für die transzendente Dimension so unempfänglich scheint, möglich ist, einen Weg zum wahren religiösen Sinn des Lebens hin zu öffnen, der zeigt, dass das Geschenk des Glaubens nicht sinnlos, nicht irrational ist… Von jungen Jahren an dazu erzogen zu werden, die wahren Freuden zu genießen, in allen Bereichen des Lebens – Familie, Freundschaft, Solidarität mit den Leidenden, Selbstverzicht zum Dienst an den anderen, Liebe zur Erkenntnis, zur Kunst, zu den Schönheiten der Natur -, all das bedeutet, inneren Genuss zu üben und wirksame Abwehrkräfte gegen die heute verbreitete Banalisierung und Verflachung zu bilden. Auch die Erwachsenen müssen diese Freuden wiederentdecken, echte Wirklichkeiten verlangen und sich von der Mittelmäßigkeit reinigen, in die sie vielleicht hineingeraten sind. Dadurch wird es einfacher, alles fallenzulassen oder abzulehnen, was zwar scheinbar anziehend ist, sich jedoch als schal erweist, als Quelle der Gewohnheit und nicht der Freiheit. Und daraus tritt dann jenes Verlangen nach GOTT zutage, von dem wir sprechen…“

Generalaudienz-Ansprache 7.11.2012

Die Caritas-Organisationen

„Gleichwohl ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass ‚die praktische Aktion zu wenig bleibt, wenn in ihr nicht die Liebe zum Menschen selbst spürbar wird, die sich von der Begegnung mit CHRISTUS nährt‘ (Enzyklika DEUS caritas est, 34). Deshalb dürfen sich die vielen katholischen Organisationen bei ihrer karitativen Tätigkeit nicht auf die bloße Sammlung oder Verteilung von Geldmitteln beschränken, sondern müssen ihre besondere Aufmerksamkeit stets der bedürftigen Person selbst widmen. Darüber hinaus müssen sie eine wertvolle pädagogische Funktion innerhalb der christlichen Gemeinschaft wahrnehmen, indem sie die Erziehung zu gemeinsamem Teilen, zu Respekt und Liebe im Sinne des Evangeliums CHRISTI fördern. Denn das karitative Wirken der Kirche muss sich auf allen Ebenen der Gefahr entziehen, einfach als eine Variante im allgemeinen Wohlfahrtswesen aufzugehen (vgl. ebd., 31)… Verfügungen… Art. 7 - § 2: Um die Bezeugung des Evangeliums im karitativen Dienst zu gewährleisten, möge der Bischof dafür Sorge tragen, dass jene Personen, die im pastoralen, karitativen Dienst der Kirche tätig sind, nicht nur über die erforderlichen beruflichen Kompetenzen verfügen, sondern auch ein Beispiel christlicher Lebensführung geben und eine Herzensbildung aufweisen, durch die ein in der tätigen Nächstenliebe wirkender Glaube zum Ausdruck kommt…. Art. 9 - § 3: Der Diözesanbischof und der jeweilige Pfarrer haben die Pflicht zu verhindern, dass die Gläubigen in diesem Bereich in die Irre geführt oder zu Missverständnissen verleitet werden. Aus diesem Grund müssen sie verhindern, dass über die Pfarr- oder Diözesanstrukturen für Initiativen Werbung gemacht wird, die zwar karitativ ausgerichtet sind, aber Ziele oder Methoden vorschlagen, die in Widerspruch zur kirchlichen Lehre stehen… Art. 10 - § 3: Im Besonderen muss der Diözesanbischof verhindern, dass die ihm unterstellten karitativen Organisationen von Einrichtungen oder Institutionen finanziert werden, deren Zielsetzungen im Widerspruch zur kirchlichen Lehre stehen… Art. 11 – Der Diözesanbischof ist gehalten, wenn nötig, seine Gläubigen öffentlich darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Aktivitäten einer bestimmten karitativen Organisation die Anforderungen der kirchlichen Lehre nicht mehr erfüllen. Auch muss er in diesen Fällen die Verwendung der Bezeichnung ‚katholisch‘ untersagen…“

Motu proprio „Intima Ecclesiae natura“ über
den Dienst der Liebe, 11.11.2012

Die Person des Menschen wird entwertet

„Obwohl der Schutz der Rechte in unserer Zeit große Fortschritte gemacht hat, tendiert die heutige Kultur – die unter anderem gekennzeichnet ist von einem utilitaristischen Individualismus und technokratischen Ökonomismusdazu, die Person zu entwerten. Diese wird als ‚flüchtiges‘ Wesen gesehen, ohne dauerhafte Beständigkeit. Obwohl der Mensch von heute in ein unendliches Netz von Beziehungen und Kommunikation eingetaucht ist, scheint er paradoxerweise oft ein isoliertes Wesen zu sein, weil er der für sein Wesen grundlegenden Beziehung gleichgültig gegenüber steht, der Beziehung zu GOTT, die die Wurzel aller anderen Beziehungen ist. Der Mensch von heute wird vor allem aus biologischem Blickwinkel oder als ‚Humankapital‘, Ressource, gesehen, als Teil eines Produktions- und Finanzapparats, der ihn beherrscht. Wenn man auch einerseits weiterhin die Würde der Person verkündet, so tragen doch andererseits neue Ideologien – wie die hedonistische und egoistische Ideologie der Sexual- und Reproduktionsrechte oder die eines maßlosen Finanzkapitalismus, der die Politik benutzt und die Strukturen der Realwirtschaft schädigt – dazu bei, den Arbeitnehmer und seine Arbeit als ‚geringeres‘ Gut zu betrachten und die natürlichen Grundlagen der Gesellschaft zu zerstören, insbesondere der Familie…

Eine neue Evangelisierung des Sozialen kann die Grundlage sein für einen neuen Humanismus und einen erneuerten kulturellen und planerischen Einsatz. Sie trägt dazu bei, die modernen Götzen zu entthronen sowie Individualismus, materialistischen Konsumismus und Technokratie durch die Kultur der Brüderlichkeit, der Unentgeltlichkeit und der solidarischen Liebe zu ersetzen…“

Ansprache an die Vollversammlung des Pp. Rates
 für Gerechtigkeit und Frieden, 3.12.2012

Theologie als Quelle des Staunens

„Da die Jugend die Hoffnung und die Zukunft der Kirche und der Welt ist, möchte ich es nicht versäumen, die große Bedeutung der katholischen Erziehung zu erwähnen… Dankbar verweise ich auf die bereits in einigen Diözesen in die Wege geleiteten Initiativen, um eine theologische Einführung für junge Studenten in weltlichen Studienfächern zu fördern. Die Theologie ist eine Quelle der Weisheit, der Freude, des Staunens, die nicht allein den Seminaristen, den Priestern und GOTTgeweihten vorbehalten sein darf. Wird sie zahlreichen Jugendlichen und Erwachsenen angeboten, wird diese sie in ihrem Glauben stärken und sie zweifelsohne zu mutigen und überzeugten Aposteln machen… Was die katholischen Schulen angeht, haben diese, die das christliche und kulturelle Leben eures Landes geformt haben, heute eine historische Verantwortung. Als Orte der Wissensvermittlung und der Formung der Persönlichkeit, als Orte der bedingungslosen Annahme, wo man lernt, in Gemeinschaft zu leben, genießen sie oft ein verdientes Ansehen. Es ist notwendig, Wege zu finden, damit die Weitergabe des Glaubens weiterhin im Zentrum ihres Erziehungsprojektes steht…“

Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Frankreich, 30.11.2012

Der „sensus fidei“ der Gläubigen

„Unter anderen Kriterien für eine katholische Theologie erwähnt das Dokument [eine ‚Botschaft‘ der ‚Internationalen Theologischen Kommission‘ zum Jahr des Glaubens] auch die Aufmerksamkeit, die die Theologen dem sensus fidelium vorbehalten müssen… Diese Gabe, der sensus fidei, stellt im Gläubigen eine Art von übernatürlichem Instinkt dar, der mit dem Objekt des Glaubens selbst eine lebensnotwendige Wesensgleichheit hat. Wir beobachten, dass gerade die einfachen Gläubigen diese Gewissheit in sich tragen, diese Sicherheit des Glaubenssinnes. Der sensus fidei ist das Kriterium, an dem gemessen wird, ob eine Wahrheit dem lebendigen Glaubensgut der apostolischen Tradition angehört oder nicht. Er verkörpert auch eine konstruktive Funktion, insofern der HL. GEIST weiterhin zur Kirche spricht und sie in die ganze Wahrheit einführt. Gleichwohl ist es heutzutage ganz besonders wichtig, die Kriterien genau zu bestimmen, die es gestatten, den authentischen sensus fidelium von Verfälschungen desselben zu unterscheiden. In Wirklichkeit ist dieser keineswegs eine Art öffentlicher Meinung der Kirche, und es ist unvorstellbar, dass dieser angeführt werden könnte, um die Lehren des Lehramtes zu bestreiten, da der sensus fidei sich im Gläubigen nur in dem Maß authentisch entfalten kann, in dem dieser voll am Leben der Kirche teilnimmt, und das setzt ein verantwortliches Festhalten an deren Lehramt, am Glaubensgut, voraus…“

Audienz für die Vollversammlung der
Theologischen Kommission, 8.12.2012

Mut zum Widerspruch
gegen die Dogmen des intoleranten Agnostizismus

„Für die glaubende und betende Kirche sind die Weisen aus dem Morgenland, die unter der Führung des Sterns zur Krippe von Bethlehem gefunden haben, nur der Anfang einer großen Prozession, die sich durch die Geschichte hindurchzieht… Wie die Hirten, die als erste Gäste beim neugeborenen Kind in der Krippe die Armen Israel verkörpern und überhaupt die demütigen Seelen, die von innen her ganz nah bei JESUS leben, so verkörpern die Männer aus dem Morgenland die Welt der Völker, die Kirche aus den Heiden – die Menschen, die sich alle Jahrhunderte hindurch auf den Weg zum Kind von Bethlehem machen, in Ihm den SOHN GOTTES verehren und sich vor Ihm beugen…

Einer vom seligen Papst Johannes Paul II. begründeten Tradition folgend, begehen wir das Fest der Epiphanie des HERRN zugleich als Tag der Bischofsweihe… Der Zusammenhang dieser Bischofsweihe mit dem Thema der Wallfahrt der Völker zu JESUS CHRISTUS Ist offenkundig. Dem Bischof ist es aufgetragen, in dieser Wallfahrt nicht nur mitzugehen, sondern voranzugehen und den Weg zu zeigen…

… Wie muss ein Mensch sein, dem die Hände zur Bischofsweihe in der Kirche JESU CHRISTI aufgelegt werden? Wir können sagen: Er muss vor allem ein Mensch sein, dem es um GOTT geht, denn nur dann geht es ihm auch wirklich um die Menschen. Wir könnten auch umgekehrt sagen: Ein Bischof muss ein Mensch sein, dem die Menschen am Herzen liegen, den das Geschick der Menschen bewegt. Er muss ein Mensch für die anderen sein. Aber das kann er nur dann wirklich, wenn er ein von GOTT ergriffener Mensch ist… Die Unruhe des Menschen nach GOTT und von ihr her die Unruhe GOTTES nach dem Menschen muss den Bischof umtreiben… Die innere Pilgerschaft des Glaubens zu GOTT hin vollzieht sich vor allem im Gebet. Der hl. Augustinus hat einmal gesagt, das Gebet sei letztlich nichts anderes als Aktualisierung und Radikalisierung unserer Sehnsucht nach GOTT…

Kehren wir zurück zu den Weisen aus dem Morgenland. Dies waren vor allem auch Menschen, die Mut hatten, den Mut und die Demut des Glaubens. Es brauchte Mut, um das Zeichen des Sterns als Auftrag zum Aufbruch anzunehmen, hinauszuziehen – ins Unbekannte, Ungewisse, auf Wegen, auf denen vielerlei Gefahren lauerten. Wir können uns vorstellen, dass der Entscheid dieser Männer Spott hervorrief: den Spott der Realisten, die die Träumerei dieser Menschen nur belachen konnten… Die Suche nach der Wahrheit war ihnen wichtiger als der Spott der scheinbar gescheiten Welt.

Wie sollten wir bei einer solchen Situation nicht an die Aufgabe eines Bischofs in unserer Zeit denken? Die Demut des Glaubens, des Mitglaubens mit dem Glauben der Kirche aller Zeiten wird immer wieder in Konflikt geraten mit der herrschenden Klugheit derer, die sich ans scheinbar Sichere halten. Wer den Glauben der Kirche lebt und verkündet, steht in vielen Punkten quer zu den herrschenden Meinungen gerade auch in unserer Zeit. Der heute weithin bestimmende Agnostizismus hat seine Dogmen und ist höchst intolerant gegenüber all dem, was ihn und seine Maßstäbe in Frage stellt. Deshalb ist der Mut zum Widerspruch gegen die herrschenden Orientierungen für einen Bischof besonders vordringlich. Er muss tapfer sein. Und Tapferkeit besteht nicht im Dreinschlagen, in der Aggressivität, sondern im Sich-schlagen-Lassen und im Standhalten gegenüber den Maßstäben der herrschenden Meinungen. Der Mut des Stehenbleibens bei der Wahrheit ist unausweichlich von denen gefordert, die der HERR wie Schafe unter die Wölfe schickt. ‚Wer GOTT fürchtet, zittert nicht‘, sagt das Buch Jesus Sirach (34,16). GOTTESfurcht befreit von der Menschenfurcht. Sie macht frei.

Mir kommt da eine Begebenheit aus den Anfängen des Christentums in den Sinn… ‚Sie aber gingen weg vom Hohen Rat und freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für Seinen Namen Schmach zu erleiden. Und Tag für Tag lehrten sie unermüdlich… und verkündeten das Evangelium von JESUS, dem CHRISTUS‘ (Apg 5,40ff). Auch die Nachfolger der Apostel müssen damit rechnen, dass sie immer wieder auf moderne Weise verprügelt werden, wenn sie nicht aufhören, das Evangelium JESU CHRISTI hörbar und verständlich zu verkündigen. Und dann dürfen sie sich freuen, dass sie gewürdigt wurden, für Ihn Schmach zu erleiden. Natürlich wollen wir wie die Apostel die Menschen überzeugen und in diesem Sinn Zustimmung gewinnen. Natürlich provozieren wir nicht, sondern ganz im Gegenteil laden wir alle ein in die Freude der Wahrheit, die den Weg zeigt. Aber die Zustimmung der herrschenden Meinungen ist nicht der Maßstab, dem wir uns unterwerfen. Der Maßstab ist ER selbst: der HERR. Wenn wir für Ihn eintreten, werden wir GOTTlob immer wieder Menschen für den Weg des Evangeliums gewinnen. Aber unweigerlich werden wir auch von denen, die mit ihrem Leben dem Evangelium entgegenstehen, verprügelt, und dann dürfen wir dankbar sein, dass wir gewürdigt werden, am Leiden CHRISTI teilzuhaben…“

Predigt zur Bischofsweihe an Epiphanie, 6.1.2013

Das Böse durch das Gute besiegen

„…Im TE DEUM ist eine tiefe Weisheit enthalten, jene Weisheit, die uns sagen lässt, dass es in der Welt trotz allem Gutes gibt und dass dieses Gute dazu bestimmt ist zu siegen, durch GOTT, den GOTT des menschgewordenen, gestorbenen und auferstandenen JESUS CHRISTUS. Sicherlich ist es zuweilen schwierig, diese tiefe Wirklichkeit wahrzunehmen, denn das Böse macht mehr Lärm als das Gute; ein grausamer Mord, weitverbreitete Gewalt, schwere Ungerechtigkeiten tauchen in den Schlagzeilen auf; die Gesten der Liebe und des Dienstes, die treu und geduldig ertragene tägliche Mühe stehen dagegen häufig im Schatten, treten nicht ins Rampenlicht…

Vor allem in der Sammlung des Gewissens, wo GOTT zu uns spricht, lernt man, das eigene Handeln und auch das in uns und um uns herum vorhandene Böse im Licht der Wahrheit zu betrachten, um einen Weg der Bekehrung zu beginnen, der einen weiser und besser werden lässt, fähiger dazu, Solidarität und Gemeinschaft zu stiften, das Böse mit dem Guten zu besiegen. Der Christ ist ein Mensch der Hoffnung – auch und vor allem angesichts der Dunkelheit, die es oft in der Welt gibt und die nicht vom Plan GOTTES abhängt, sondern von den falschen Entscheidungen des Menschen –, denn er weiß, dass der Glaube Berge versetzen kann (vgl. Mt 17,20): der HERR kann auch die tiefste Dunkelheit erleuchten.

Das Jahr des Glaubens, das die Kirche derzeit lebt, möchte im Herzen jedes Gläubigen ein tieferes Bewusstsein davon hervorrufen, dass die Begegnung mit CHRISTUS die Quelle wahren Lebens und einer festen Hoffnung ist. Der Glaube an JESUS ermöglicht eine beständige Erneuerung im Guten und die Fähigkeit, dem Treibsand der Sünde zu entkommen und neu anzufangen…“

Predigt bei der Vesper zum Jahresschluss, 31.12.2013

Der Glaube und die vielen Götzen
in unseren Gesellschaften

An GOTT glauben macht uns zu Trägern von Werten, die oft nicht mit der Mode und der Meinung des Augenblicks übereinstimmen; es verlangt von uns, Kriterien und Verhaltensweisen anzunehmen, die nicht zum allgemein verbreiteten Denken gehören. Der Christ darf keine Furcht haben, ‚gegen den Strom zu schwimmen‘, um den eigenen Glauben zu leben, und muss der Versuchung widerstehen, sich ‚anzupassen‘. In vielen unserer Gesellschaften ist GOTT der ‚große Abwesende‘ und an Seiner Stelle stehen viele Götzen, sehr verschiedene Götzen, vor allem der Besitz und das autonome ‚Ich‘. Und auch die beachtlichen und positiven Fortschritte von Wissenschaft und Technik haben den Menschen zur Illusion der Allmacht und der Unabhängigkeit verleitet, und eine wachsende Egozentrik hat nicht wenig Ungleichgewicht in den zwischenmenschlichen Beziehungen und im Sozialverhalten geschaffen. Dennoch ist das Verlangen nach GOTT nicht ausgelöscht, und die Botschaft des Evangeliums hallt auch weiterhin in den Worten und Werken vieler gläubiger Männer und Frauen wider… Es ist die vom Glauben gesegnete Welt, zu der wir berufen sind, um furchtlos JESUS CHRISTUS, dem HERRN, nachzufolgen. Und manchmal ist es ein schwieriger Weg, der auch Prüfung und Tod kennt, jedoch zum Leben hin öffnet, in einer radikalen Verwandlung der Wirklichkeit, die nur die Augen des Glaubens sehen und in Fülle genießen können…“

Generalaudienz-Ansprache, 23.1.2013

Glaube und Ehe

„Im Kontext des Jahres des Glaubens möchte ich insbesondere über einige Aspekte der Beziehung zwischen Glaube und Ehe sprechen und anmerken, dass die gegenwärtige Glaubenskrise, die verschiedene Teile der Welt betrifft, eine Krise der Ehegemeinschaft mit sich bringt, mit all den Leiden und Entbehrungen, die diese auch für die Kinder nach sich zieht

Der unauflösliche Bund zwischen Mann und Frau erfordert für die Sakramentalität nicht den persönlichen Glauben der Brautleute; erforderlich ist, als notwendige Mindestvoraussetzung, die Intention, das zu tun, was die Kirche tut. Zwar ist es wichtig, das Problem der Intention nicht mit dem des persönlichen Glaubens der Eheschließenden zu verwechseln, sie lassen sich jedoch nicht völlig voneinander trennen… Der sel. Johannes Paul II. erläuterte… vor zehn Jahren, in einer Ansprache an die­sen Gerichtshof, dass ‚eine Haltung der Eheschließenden, die nicht der übernatürlichen Dimension in der Ehe Rechnung trägt, diese nur ungültig machen kann, wenn sie deren Gültigkeit auf der natürlichen Ebene berührt, in die das sakramentale Zeichen eingegossen ist‘…

Die gegenwärtige Kultur, die von einem ausgeprägten ethischen und religiösen Subjektivismus und Relativismus gekennzeichnet ist, stellt die Person und die Familie vor dringende Herausforderungen – in erster Linie angesichts der Frage nach der Bindungsfähigkeit des Menschen als solcher und ob eine lebenslange Bindung wirklich möglich ist und der Natur des Menschen entspricht oder ob sie nicht vielmehr seiner Freiheit und seiner Selbstverwirklichung widerspricht. Denn es gehört zu einer weit verbreiteten Denkweise zu meinen, dass der Mensch er selber wird, indem er ‚unabhängig‘ bleibt und zum anderen nur Beziehungen eingeht, die er jederzeit wieder abbrechen kann… Es entgeht niemandem, dass die Entscheidung des Menschen, eine Bindung einzugehen, die das ganze Leben andauert, von der Grundhaltung des Einzelnen beeinflusst ist – je nachdem, ob er in einer rein menschlichen Ebene verankert ist oder sich zum Licht des Glaubens an den HERRN hin öffnet. Denn nur wenn man sich zur Wahrheit GOTTES hin öffnet, kann man die Wahrheit des Menschen als sein durch die Taufe wiedergeborenes Kind verstehen und auch im konkreten Ehe- und Familienleben verwirklichen: ‚Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen‘ (Joh 15,5): So lehrte JESUS Seine Jünger und rief ihnen die grundsätzliche Unfähigkeit des Menschen ins Gedächtnis, allein von sich aus das zu vollbringen, was zur Erlangung des wahren Wohls nötig ist.

Die Ablehnung des GÖTTlichen Angebots führt in der Tat zu einer tiefen Störung aller zwischenmenschlichen Beziehungen…, einschließlich der Ehe, und leistet einem falschen Verständnis der Freiheit und der Selbstverwirklichung Vorschub, das vereint mit der Flucht vor geduldig ertragenen Leiden den Menschen dazu verurteilt, sich in seinen Egoismus und Egozentrismus zu verschließen. Die Annahme des Glaubens dagegen befähigt den Menschen zur Selbsthingabe, denn ‚nur indem er sich dem anderen, den anderen, den Kindern, der Familie öffnet, nur indem er im Leiden sich selbst verändern lässt, entdeckt er die Weite des Menschseins‘…

Der Glaube an GOTT, gestützt von der GÖTTlichen Gnade, ist also ein sehr wichtiges Element, um die gegenseitige Hingabe und die eheliche Treue zu leben… Das soll nicht heißen, dass die Treue und die anderen Eigenschaften der natürlichen Ehe, die zwischen Nichtgetauften geschlossen wird, nicht möglich seien. Denn dieser fehlt es nicht an den Gütern, all diese Güter aber kommen von GOTT, dem Schöpfer, und sie werden anfanghaft in die bräutliche Liebe CHRISTI zu Seiner Kirche eingefügt… Gewiss macht jedoch das Verschlossensein gegenüber GOTT oder die Ablehnung der sakralen Dimension des Ehebundes und seines Wertes in der Ordnung der Gnade die konkrete Umsetzung des erhabenen Modells der Ehe, wie es nach dem Plan GOTTES von der Kirche verstanden wird, schwierig und kann sogar die Gültigkeit des Bundes in Frage stellen, wenn dies… in einer grundsätzlichen Ablehnung der ehelichen Treuepflicht oder anderer wesentlicher Elemente oder Eigenschaften der Ehe zum Ausdruck kommt…

Die Heiligen, die den Ehe- und Familienbund in christlicher Perspektive gelebt haben, konnten selbst die schwierigsten Situationen meistern und manchmal die Heiligung des Ehepartners und der Kinder erlangen, durch eine stets vom festen Vertrauen in GOTT, von aufrichtiger Frömmigkeit und von einem tiefen sakramentalen Leben gestärkten Liebe. Gerade diese vom Glauben geprägten Erfahrungen vermitteln, wie wertvoll auch heute noch das vom Ehepartner, der verlassen wurde oder die Scheidung über sich ergehen lassen musste, dargebrachte Opfer ist, wenn er die Unauflöslichkeit des gültigen Ehebundes anerkennt und ‚darum keine neue Verbindung eingeht… Ein solches Beispiel der Treue und christlichen Konsequenz ist ein wertvolles Zeugnis vor der Welt und der Kirche‘ (Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio, 22.11.1981, 83)…“

Ansprache an den Gerichtshof der „Rota Romana“, 26.1.2013

GOTT, der allmächtige VATER

„Heute ist es nicht immer einfach, über Vaterschaft zu sprechen. Zerbrochene Familien, immer stärker beanspruchende berufliche Verpflichtungen, Sorgen und oft Mühe, die Haushaltsbilanz der Familie auszugleichen, das Eindringen der Massenmedien mit all ihren Ablenkungen in das tägliche Leben sind – vor allem in der westlichen Welt – einige der vielen Faktoren, die eine friedliche und konstruktive Beziehung zwischen Vätern und Kindern verhindern können… So wird es auch problematisch, sich GOTT als Vater vorzustellen, wenn man keine angemessenen Bezugsmodelle hat. Wer Erfahrungen mit einem zu autoritären und unbeugsamen oder gleichgültigen oder lieblosen oder sogar abwesenden Vater gemacht hat, für den ist es nicht einfach, mit innerem Frieden an GOTT als Vater zu denken und sich Ihm vertrauensvoll zu überlassen. Die biblische Offenbarung hilft, diese Schwierigkeiten zu überwinden, indem sie zu uns von einem GOTT spricht, der uns zeigt, was ‚Vater‘ sein wirklich bedeutet; und vor allem das Evangelium offenbart uns dieses Angesicht GOTTES als VATER, der liebt – bis zur Hingabe des eigenen Sohnes für das Heil der Menschheit…

Wie ist es möglich, an einen allmächtigen GOTT zu denken, wenn wir auf das Kreuz CHRISTI schauen? Auf diese Macht des Bösen, die so weit geht, dass sie sogar den SOHN GOTTES tötet? Gewiss hätten wir gern eine GÖTTliche Allmacht nach unseren Denkschemata und unseren Wünschen: einen ‚allmächtigen‘ GOTT, der unsere Probleme löst, der eingreift, um Schwierigkeiten für uns zu vermeiden, der die feindlichen Mächte besiegt, den Lauf der Ereignisse ändert und den Schmerz hinwegnimmt… Für viele… wird es tatsächlich problematisch, schwierig, angesichts des Bösen und des Leids an einen GOTT als Vater zu glauben und zu glauben, dass Er allmächtig ist… Der Glaube an GOTT, den Allmächtigen, drängt uns jedoch, ganz andere Wege zu beschreiten: verstehen zu lernen, dass GOTTES Gedanken anders sind als unsere Gedanken… und dass auch Seine Allmacht anders ist. Sie kommt nicht als automatische oder willkürliche Kraft zum Ausdruck, sondern ist geprägt von einer liebevollen und väterlichen Freiheit. Indem GOTT freie Geschöpfe geschaffen, Freiheit geschenkt hat, hat Er tatsächlich auf einen Teil Seiner Macht verzichtet… So liebt Er und achtet die freie, liebevolle Antwort auf Seinen Ruf. Als VATER möchte GOTT, dass wir Seine Kinder werden und als solche in Seinem SOHN leben, in Gemeinschaft, in völliger Vertrautheit mit Ihm. Seine Allmacht kommt nicht in der Gewalt zum Ausdruck, kommt nicht in der Zerstörung jeder feindlichen Macht zum Ausdruck, wie wir es wünschen, sondern kommt in der Liebe, in der Barmherzigkeit, in der Vergebung, in der Annahme unserer Freiheit und im unermüdlichen Appell an die Bekehrung des Herzens zum Ausdruck, in einer nur scheinbar schwachen Haltung – GOTT scheint schwach zu sein, wenn wir an JESUS CHRISTUS denken, der betet, der sich töten lässt. Eine scheinbar schwache Haltung aus Geduld, Sanftmut und Liebe zeigt, dass dies die wahre Art ist, mächtig zu sein!...

Nur wer wirklich mächtig ist, kann das Böse ertragen und sich als barmherzig erweisen; nur wer wirklich mächtig ist, kann die Kraft der Liebe in Fülle ausüben. Und GOTT, dem alles gehört, weil alles von Ihm erschaffen wurde, offenbart Seine Kraft, indem Er alles und alle liebt, in geduldiger Erwartung der Bekehrung von uns Menschen, die Seine Kinder werden sollen. GOTT wartet auf unsere Bekehrung… Das ist die wahre, echte und vollkommene GÖTTliche Macht: Böses nicht mit Bösem zu vergelten, sondern mit Gutem, Beleidigungen mit Vergebung, tödlichen Hass mit lebenspendender Liebe…“

Generalaudienz-Ansprache, 30.1.2013

Die Entscheidungen im Licht des Wortes GOTTES treffen

„Auch wer in einer christlichen Familie geboren und religiös erzogen wurde, muss jeden Tag erneut die Entscheidung treffen, Christ zu sein, also GOTT den ersten Platz zu geben, gegenüber den Versuchungen, vor die eine säkularisierte Kultur ihn ständig stellt, gegenüber dem kritischen Urteil vieler Zeitgenossen. Die Prüfungen, derer die gegenwärtige Gesellschaft den Christen unterzieht, sind in der Tat zahlreich und berühren das persönliche und das gesellschaftliche Leben. Es ist nicht leicht, der christlichen Ehe treu zu sein, im täglichen Leben Barmherzigkeit zu üben, dem Gebet und der inneren Stille Raum zu geben; es ist nicht leicht, sich öffentlich Entscheidungen zu widersetzen, die viele als selbstverständlich betrachten – wie die Abtreibung im Falle einer unerwünschten Schwangerschaft, die Euthanasie im Falle schwerer Krankheiten oder die Selektion von Embryonen, um Erbkrankheiten vorzubeugen. Die Versuchung, den eigenen Glauben beiseite zu stellen, ist stets gegenwärtig, und die Umkehr wird zur Antwort an GOTT, die im Leben öfter bestätigt werden muss…“

Generalaudienz-Ansprache, 13.2.2013

Erinnerungen an das Konzil

„Es gab… mehrere (wesentliche Vorstellungen des Konzils): vor allem das Ostergeheimnis als Mittelpunkt des Christseins und somit des christlichen Lebens, des Jahres, der christlichen Zeit… (Es) ist schade, dass der Sonntag heute zum Wochenende geworden ist, während er doch der erste Tag, der Anfang ist. Innerlich müssen wir uns dessen immer bewusst sein, dass er der Anfang ist: der Anfang der Schöpfung und der Anfang der Neuschöpfung in der Kirche, Begegnung mit dem Schöpfer und mit dem auferstandenen CHRISTUS…

Verständlichkeit bedeutet nicht Banalität, denn die großen Texte der Liturgie – auch wenn sie… in der Muttersprache gesprochen werden – sind nicht einfach zu verstehen; sie bedürfen einer ständigen Weiterbildung des Christen… Wer könnte von sich sagen, dass er es sofort versteht, nur weil es in der eigenen Sprache ist? Nur eine ständige Bildung des Herzens und des Verstandes kann wirklich Verständlichkeit schaffen und eine Teilnahme, die nicht nur äußeres Handeln ist, sondern ein Eintreten der Person, meines Seins, in die Gemeinschaft der Kirche und so in die Gemeinschaft mit CHRIS­TUS…

Die Kirche ist keine Struktur; wir Christen selbst, alle zusammen, sind der lebendige Leib der Kirche. Und natürlich gilt das in dem Sinne, dass wir, das wahre ‚Wir‘ der Gläubigen, zusammen mit dem ‚Ich‘ CHRISTI die Kirche sind; jeder von uns, nicht ‚ein Wir‘, eine Gruppe, die sich zur Kirche erklärt. Nein: dieses ‚Wir sind Kirche‘ verlangt gerade meine Einfügung in das große ‚Wir‘ der Gläubigen aller Zeiten und Orte

Es war die Vorstellung aufgekommen, dass die Schrift vollständig ist, sich dort alles findet; man braucht also die Tradition nicht, und daher hat das Lehramt nichts zu sagen… Die Gewissheit der Kirche über den Glauben entspringt nicht nur einem für sich allein genommenen Buch, sondern sie braucht das erleuchtete Subjekt Kirche, getragen vom HL. GEIST. Nur so spricht dann die Schrift und hat all ihre Autorität… Bereits der Kanon selbst ist etwas Kirchliches: Dass diese Schriften die Hl. Schrift sind, kommt aus der Erleuchtung der Kirche, die diesen Schriftkanon in sich gefunden hat – gefunden, nicht geschaffen hat –, und immer nur in dieser Gemeinschaft der lebendigen Kirche kann man die Schrift auch wirklich als Wort GOTTES verstehen und lesen, als Wort, das uns im Leben und im Tod leitet… Auch heute neigt die Exegese dazu, die Schrift außerhalb der Kirche zu lesen, außerhalb des Glaubens…

Für einen Gläubigen ist es unmöglich zu meinen, die Religionen seien alle nur Variationen ein und desselben Themas. Nein, es gibt eine Wirklichkeit des lebendigen GOTTES, der gesprochen hat, und es ist der eine GOTT, es ist der eine menschgewordene GOTT und daher das eine Wort GOTTES, das wirklich Wort GOTTES ist…

Es gab das Konzil der Väter – das wahre Konzil –, aber es gab auch das Konzil der Medien. Es war fast ein Konzil für sich, und die Welt hat das Konzil durch diese, durch die Medien, wahrgenommen… Es war das vorherrschende, das sich stärker ausgewirkt und viel Unheil, viele Probleme, wirklich viel Elend herbeigeführt hat: geschlossene Seminare, geschlossene Klöster, banalisierte Liturgie… und das wahre Konzil hatte Schwierigkeiten, umgesetzt, verwirklicht zu werden, das virtuelle Konzil war stärker als das wahre Konzil… Unsere Aufgabe ist es, gerade jetzt im Jahr des Glaubens, vom Jahr des Glaubens ausgehend daran zu arbeiten, dass sich das wahre Konzil mit seiner Kraft des HL. GEISTES verwirklicht und die Kirche wirklich erneuert wird…“

Ansprache an den Klerus der Diözese Rom, 14.2.2013

 

 

2. Soziale Themen

 

Zur Wahrheit erziehen

Erziehung und Bildung… geschieht heute in Umfeldern, in denen die Entwicklung der Lebensstile und des Wissens Brüche im menschlichen kulturellen, sozialen und spirituellen Bereich hervorruft, wie es sie in der Geschichte noch nie gab… Im schulischen und akademischen Bereich (wird) die Autorität der Lehrer und Professoren in Frage gestellt, und leider ist die Fachkenntnis einiger von ihnen nicht frei von kognitiver Parteilichkeit und anthropologischer Einseitigkeit, womit sie die Wahrheit über die menschliche Person ausschließen oder mindern. Denn die menschliche Person ist ein ganzheitliches Wesen und nicht eine Summe von Elementen, die man isolieren und nach Belieben manipulieren kann. Schule und Universität scheinen zu kreativen Entwürfen unfähig geworden zu sein, die eine transzendentale Teleologie beinhalten und die jungen Menschen tief in ihrem Inneren faszinieren können. Das führt dazu, dass diese… sich verführen lassen von der geringsten Anstrengung, dem notwendigen Minimum und dem schnellen Erfolg…

Ich (bin) davon überzeugt, ‚dass die wahre Würde und Größe des Menschen in sittlichen Eigenschaften, das heißt in der Tugend beruht, dass die Tugend aber ein Gut sei, welches allen gleich zugänglich ist…‘ (Rerum novarum, 20). Ich lade daher Ihre Regierungen ein, mutig zum Fortschritt unserer Menschheit beizutragen, indem sie die Erziehung und Ausbildung junger Generationen unterstützen durch die Förderung einer gesunden Anthropologie, unersetzliche Grundlage für jede echte ErziehungDas Recht auf eine Erziehung zu den richtigen Werten darf niemals verweigert oder vergessen werden… Aus diesem Grund ist es notwendig, in der Wahrheit und zur Wahrheit zu erziehen. Aber: ‚Was ist Wahrheit? (Joh 18,38), fragte sich bereits Pilatus… In unseren Tagen ist es verdächtig geworden, von Wahrheit zu sprechen, in der Wahrheit leben zu wollen scheint veraltet zu sein, und für die Wahrheit einzutreten, scheint vergebliche Mühe zu sein. Und doch liegt die Zukunft der Menschheit auch in der Beziehung der Kinder und Jugendlichen zur Wahrheit: zur Wahrheit über den Menschen, zur Wahrheit über die Schöpfung, zur Wahrheit über die Institutionen, etc. Neben der Erziehung zur Aufrichtigkeit des Herzens und des Denkens haben die jungen Menschen es heute mehr denn je nötig, zu einem Sinn für die Anstrengung und die Ausdauer in den Schwierigkeiten erzogen zu werden. Man muss sie lehren, dass jede menschliche Handlung verantwortlich sein und mit der Sehnsucht des Menschen nach Unendlichkeit übereinstimmen muss, und dass dieses Handeln sein Wachstum begleitet im Hinblick auf eine immer brüderlichere und von den individualistischen und materialistischen Versuchungen befreite Menschlichkeit…“

Ansprache an 6 neue Botschafter beim Hl. Stuhl, 13.12.2012

Gewalt als Folge der Gottvergessenheit

„Aus christlicher Sicht gibt es eine enge Verbindung zwischen der Verherrlichung GOTTES und dem Frieden der Menschen auf Erden, so dass der Friede nicht von einem bloß menschlichen Bemühen kommt, sondern Teilnahme an der Liebe GOTTES selbst ist. Und es ist gerade die Gottvergessenheit, und nicht Seine Verherrlichung, die Gewalt erzeugt. Wenn man nämlich aufhört, sich auf eine objektive und transzendente Wahrheit zu beziehen, wie ist es dann möglich, einen echten Dialog zu führen? Wie kann man in diesem Fall vermeiden, dass offene und versteckte Gewalt zur letzten Regel der menschlichen Beziehungen werden? Ohne eine Offenheit auf das Transzendente hin wird der Mensch tatsächlich leicht zur Beute des Relativismus, und dann fällt es ihm schwer, gerecht zu handeln und sich für den Frieden einzusetzen…“

Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps, 7.1.2013

Soziale Netzwerke – neue Räume der Evangelisierung

„Für diejenigen, die mit offenem Herzen das Geschenk des Glaubens angenommen haben, findet sich in der Person JESU CHRISTI die radikalste Antwort auf die Fragen des Menschen nach der Liebe, der Wahrheit und der Bedeutung des Lebens – Fragen, die wirklich nicht fehlen in den ‚social networks‘. Es ist natürlich, dass derjenige, der glaubt, voll Respekt und Sensibilität den Wunsch hegt, den Glauben mit denen zu teilen, denen er in der digitalen Welt begegnet. Wenn jedoch unser Mitteilen des Evangeliums gute Früchte tragen kann, so geschieht das letztlich immer dank der dem Wort GOTTES eigenen Kraft, die Herzen zu berühren noch vor all unserem Bemühen. Das Vertrauen in die Kraft des Handelns GOTTES muss stets größer sein als alle Sicherheit, die man aus dem Gebrauch menschlicher Mittel ableitet. Auch in der digitalen Welt, wo leicht zu hitzige und polemische Stimmen zu hören sind und wo gelegentlich die Gefahr besteht, dass die Sensationslust die Oberhand behält, sind wir zu einem sorgfältigen Urteil aufgerufen. Und denken wir daran, dass Elias die Stimme GOTTES nicht in einem starken, heftigen Sturm erkannte, nicht in einem Erdbeben oder im Feuer, sondern in einem sanften, leisen Säuseln (vgl. 1 Kön 19,11-12). Wir müssen auf die Tatsache vertrauen, dass die Grundsehnsucht des Menschen, zu lieben und geliebt zu werden, Sinn und Wahrheit zu finden – die GOTT selbst ins Herz des Menschen gelegt hat –, auch die Frauen und Männer unserer Zeit stets und in jedem Fall auf das hin offen hält, was der selige Kardinal Newman das ‚milde Licht‘ des Glaubens nannte…“

Botschaft zum 47. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel,
vom 24.1.2013

Nein zu „Gender“

„Der Christ, vor allem derjenige, der in karitativen Einrichtungen arbeitet, muss sich durch die Prinzipien des Glaubens leiten lassen, durch die wir auf ‚GOTTES Gesichtspunkte‘ eingehen und in den Plan, den Er für uns hat, einwilligen (vgl. Enzyklika Caritas in veritate, 1)…. Leider (kennt) auch unsere Zeit dunkle Wolken, die GOTTES Plan überschatten. Ich beziehe mich hierbei vor allem auf eine tragische anthropologische Verkürzung, die den alten hedonistischen Materialismus erneut hervorholt, dem sich dann aber auch noch ein ‚technologischer Prometheismus‘ hinzugesellt. Aus der Verbindung zwischen einer materialistischen Sicht des Menschen und den Riesenschritten der technologischen Neuerungen entsteht eine in ihrem tiefsten Grunde atheistische Anthropologie. Diese nimmt an, dass der Mensch sich auf autonome Funktionen, der Geist auf das Gehirn, die Menschheitsgeschichte auf die Bestimmung zur Selbstverwirklichung reduziert. All dies unter Außerachtlassung GOTTES, der im eigentlichen Sinne spirituellen Dimension und des jenseitigen Horizontes. Aus der Perspektive eines seiner Seele und folglich auch seiner persönlichen Beziehung zum Schöpfer beraubten Menschen wird das, was technisch möglich ist, moralisch legitim, jede Art von Experiment gilt als akzeptabel, jede Form einer demographischen Politik als erlaubt, jede Manipulation als gerechtfertigt. Die heimtückischste Gefahr, die dieser Denkströmung innewohnt, besteht in der Verabsolutierung des Menschen: der Mensch will ab solutus sein, frei von jeder Bindung und von jeder natürlichen Vorgabe. Er gibt vor, unabhängig zu sein und denkt, dass sein Glück nur in der Selbstbehauptung bestehe. ‚Der Mensch bestreitet seine Natur (…) Es gibt nur noch den abstrakten Menschen, der sich dann so etwas  wie seine Natur selber wählt‘ (Ansprache an die Römische Kurie, 21.12.2012). Es handelt sich um eine radikale Leugnung des Geschöpf-Seins und der Kindschaft des Menschen, die in dramatischer Einsamkeit endet.

Der Glaube und ein gesundes christliches Unterscheidungsvermögen veranlassen uns, dieser ethischen Problematik und der Mentalität, die dieser zugrunde liegt, eine prophetische Aufmerksamkeit zu widmen. Die berechtigte Zusammenarbeit mit internationalen Instanzen auf dem Gebiet der Entwicklung und des menschlichen Fortschritts darf uns nicht dazu verführen, die Augen angesichts dieser irreleitenden Ideologien zu verschließen, und die Hirten der Kirche – die ‚die Säule und das Fundament der Wahrheit ist‚ (1 Tom 3,15) – haben die Pflicht, sowohl die katholischen Gläubigen als auch jeden anderen Menschen guten Willens und rechter Vernunft vor diesen Irrwegen zu warnen. Tatsächlich handelt es sich dabei um Abwege, die für den Menschen schädlich sind, auch wenn sie sich unter dem Vorzeichen eines vermeintlichen Fortschritts, vermeintlicher Rechte oder eines vorgeblichen Humanismus als gute Gesinnungen ausgeben… Wir müssen mit Sicherheit eine kritische Wachsamkeit üben und bisweilen Finanzierungen und Kollaborationen ablehnen, die direkt oder indirekt Aktionen oder Projekte begünstigen, die in Widerspruch zur christlichen Anthropologie stehen. Die Kirche aber engagiert sich zweifellos immer, um den Menschen nach dem GÖTTlichen Plan in seiner ganzheitlichen Würde und unter Achtung seiner zweifachen, sowohl vertikalen als auch horizontalen Dimension zu fördern…

In der Tat ist die christliche Sicht des Menschen ein großartiges ‚Ja‘ zur  Würde des Menschen, der zu inniger Gemeinschaft mit GOTT berufen ist, zu einer kindlichen Gemeinschaft, demütig und vertrauensvoll. Der Mensch ist kein unabhängiges Individuum noch anonymes Element einer Kollektivität, sondern ein einzigartiger, unwiederholbarer Mensch, der seinem Wesen nach zur Beziehung mit anderen Menschen und zum Gemeinschaftsleben veranlagt ist.

Daher bekräftigt die Kirche ihr großes ‚Ja‘ zur Würde und Schönheit der Ehe als dem Ausdruck der treuen und fruchtbaren Verbindung zwischen Mann und Frau. Und ihr ‚Nein‘ zu Philosophien wie etwa der ‚Gender‘-Philosophie gründet auf der Tatsache, dass die Wechselseitigkeit von männlich und weiblich Ausdruck der Schönheit der Natur ist, die der Schöpfer gewollt hat…“

Audienz für die Vollversammlung des Päpstlichen Rats
„Cor Unum“, 19.1.2013

 

 

3. Ehe, Familie und Erziehung

 

Erziehungsverantwortung der Eltern verteidigen

„Groß ist heute eure Sorge um die Weitergabe des Glaubens an die jungen Generationen. Zahlreiche Familien in euren Ländern sichern dies weiterhin. Ich segne und ermutige von Herzen die von euch unternommenen Initiativen, um diese Familien zu unterstützen, sie mit eurer Fürsorge zu umgeben, um die Übernahme ihrer Verantwortung auf erzieherischem Gebiet zu fördern. Die Verantwortlichkeit der Eltern in diesem Bereich ist ein wertvolles Gut, das die Kirche verteidigt und fördert sowohl als unveräußerlichen und wesentlichen Aspekt des Gemeinwohls der ganzen Gesellschaft als auch als Erfordernis der Würde des Menschen und der Familie. Ihr wisst auch, dass die Herausforderungen auf diesem Gebiet nicht fehlen…

Weiter gibt es die enorme Herausforderung, in einer Gesellschaft zu leben, die nicht immer die Lehre CHRISTI teilt und die zuweilen versucht, die Kirche lächerlich zu machen oder an den Rand zu drängen… Um auf diese Herausforderungen zu antworten, braucht die Kirche glaubwürdige Zeugen…

Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Frankreich, 17.11.2012

Die Eltern als erste Glaubensboten

„Auch in unserer Zeit ist der vorrangige Ort, um von GOTT zu sprechen, die Familie, die erste Schule der Weitergabe des Glaubens an die jungen Generationen. Das 2. Vatikanische Konzil spricht von den Eltern als ersten Glaubensboten (vgl. Lumen gentium, 11; Apostolicam actuositatem, 11), die berufen sind, diese ihre Sendung wiederzuentdecken und die Erziehungsverantwortung wahrzunehmen, das Gewissen der Kinder für die Liebe GOTTES zu öffnen, als grundlegender Dienst für ihr Leben, die ersten Katecheten und Glaubenslehrer für ihre Kinder zu sein. Und bei dieser Aufgabe ist vor allem die Wachsamkeit wichtig. Das bedeutet, günstige Gelegenheiten zu ergreifen, um in der Familie das Glaubensgespräch einzuführen und eine kritische Reflexion über die zahlreichen Einflüsse, denen die Kinder ausgesetzt sind, heranreifen zu lassen…“

Generalaudienz-Ansprache, 28.11.2012

Sogenannte „reproduktive Rechte“ bedrohen
das Grundrecht auf Leben

„4. Ein Weg zur Verwirklichung des Gemeinwohls und des Friedens ist vor allem die Achtung vor dem menschlichen Leben, unter seinen vielfältigen Aspekten gesehen, von seiner Empfängnis an, in seiner Entwicklung und bis zu seinem natürlichen Ende. Wahre Friedensstifter sind also diejenigen, die das menschliche Leben in all seinen Dimensionen – der persönlichen, gemeinschaftlichen und der transzendenten – lieben, verteidigen und fördern. Das Leben in Fülle ist der Gipfel des Friedens. Wer den Frieden will, kann keine Angriffe und Verbrechen gegen das Leben dulden.

Wer den Wert des menschlichen Lebens nicht ausreichend würdigt und folglich zum Beispiel die Liberalisierung der Abtreibung unterstützt, macht sich vielleicht nicht klar, dass auf diese Weise die Verfolgung eines illusorischen Friedens vorgeschlagen wird. Die Flucht vor der Verantwortung, die den Menschen entwürdigt, und noch mehr die Tötung  eines wehrlosen, unschuldigen Wesens können niemals Glück oder Frieden schaffen. Wie kann man denn meinen, den Frieden, die ganzheitliche Entwicklung der Völker oder selbst den Umweltschutz zu verwirklichen, ohne dass das Recht der Schwächsten auf Leben – angefangen bei den Ungeborenen – geschützt wird? Jede dem Leben zugefügte Verletzung, besonders an dessen Beginn, verursacht unweigerlich irreparable Schäden für die Entwicklung, den Frieden und die Umwelt. Es ist auch nicht recht, auf raffinierte Weise Scheinrechte oder willkürliche Freiheiten zu kodifizieren, die auf einer beschränkten und relativistischen Sicht des Menschen sowie auf dem geschickten Gebrauch von doppeldeutigen, auf die Begünstigung eines angeblichen Rechts auf Abtreibung und Euthanasie abzielenden Begriffen beruhen, letztlich aber das Grundrecht auf Leben bedrohen.

Auch die natürliche Struktur der Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau muss anerkannt und gefördert werden gegenüber den Versuchen, sie rechtlich gleichzustellen mit radikal anderen Formen der Verbindung, die in Wirklichkeit die Ehe beschädigen und zu ihrer Destabilisierung beitragen, indem sie ihren besonderen Charakter und ihre unersetzliche Rolle verdunkeln.

Diese Grundsätze sind keine Glaubenswahrheiten, noch sind sie nur eine Ableitung aus dem Recht auf Religionsfreiheit. Sie sind in die menschliche Natur selbst eingeschrieben, mit der Vernunft erkennbar und so der gesamten Menschheit gemeinsam. Der Einsatz der Kirche zu ihrer Förderung hat also keinen konfessionellen Charakter, sondern ist an alle Menschen gerichtet, unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit. Solch ein Einsatz ist um so nötiger, je mehr diese Grundsätze geleugnet oder falsch verstanden werden, denn das stellt eine Beleidigung der Wahrheit des Menschen dar, eine schwere Verletzung der Gerechtigkeit und des Friedens.

Darum ist es auch ein wichtiger Beitrag zum Frieden, wenn die Rechtsordnungen und die Rechtsprechung die Möglichkeit anerkennen, vom Recht auf Einwand aus Gewissensgründen gegenüber Gesetzen und Regierungsmaßnahmen Gebrauch zu machen, die – wie Abtreibung und Euthanasie – die Menschenwürde gefährden

(6.) … Niemand darf die entscheidende Rolle der Familie, die unter demographischem, ethischem, pädagogischem, wirtschaftlichem und politischem Gesichtspunkt die Grundzelle der Gesellschaft ist, übersehen oder unterbewerten. Sie hat eine natürliche Berufung, das Leben zu fördern… Die Familie ist einer der unverzichtbaren Gesellschaftsträger in der Verwirklichung einer Kultur des Friedens. Das Recht der Eltern und ihre vorrangige Rolle in der Erziehung der Kinder – an erster Stelle im moralischen und religiösen Bereich – müssen geschützt werden…“

Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages, 1. Januar 2013,
 vom 8.12.2012

Gender: Im Kampf um die Familie geht es
um den Menschen selbst

„Die große Freude, mit der in Mailand Familien aus aller Welt einander begegnet sind, zeigt, dass die Familie trotz aller gegenteiligen Eindrücke auch heute stark und lebendig ist. Aber unbestreitbar ist doch auch die Krise, die sie – besonders in der westlichen Welt – bis auf den Grund bedroht… Die Herausforderungen, um die es dabei geht, sind vielschichtig. Da ist zunächst die Frage nach der Bindungsfähigkeit oder nach der Bindungslosigkeit des Menschen. Kann er lebenslang sich binden? Ist das seinem Wesen gemäß? Widerspricht es nicht seiner Freiheit und der Weite seiner Selbstverwirklichung? Wird der Mensch er selber, indem er für sich bleibt und zum anderen nur Beziehungen eingeht, die er jederzeit wieder abbrechen kann? Ist Bindung für ein Leben lang Gegensatz zur Freiheit? Ist die Bindung auch des Leidens wert? Die Absage an die menschliche Bindung, die sich von einem falschen Verständnis der Freiheit und der Selbstverwirklichung her wie in der Flucht vor der Geduld des Leidens immer mehr ausbreitet, bedeutet, dass der Mensch in sich bleibt und sein Ich letztlich für sich selbst behält, es nicht wirklich überschreitet. Aber nur im Geben seiner Selbst kommt der Mensch zu sich selbst, und nur indem er sich dem anderen, den anderen, den Kindern, der Familie öffnet, nur indem er im Leiden sich selbst verändern lässt, entdeckt er die Weite des Menschseins. Mit der Absage an diese Bindung verschwinden auch die Grundfiguren menschlicher Existenz: Vater, Mutter, Kind; es fallen wesentliche Weisen der Erfahrung des Menschseins weg.

Der Großrabbiner von Frankreich, Gilles Bernheim, hat in seinem sorgfältig dokumentierten und tief bewegenden Traktat gezeigt, dass der Angriff auf die wahre Gestalt der Familia aus Vater, Mutter, Kind, dem wir uns heute ausgesetzt sehen, noch eine Dimension tiefer reicht. Hatten wir bisher ein Missverständnis des Wesens menschlicher Freiheit als einen Grund für die Krise der Familie gesehen, so zeigt sich nun, dass dabei die Vision des Seins selbst, dessen, was Menschsein in Wirklichkeit bedeutet, im Spiele ist. Er zitiert das berühmt gewordene Wort von Simone de Beauvoir: ‚Man wird nicht als Frau geboren, sondern man wird dazu‘…. In diesen Worten ist die Grundlegung dessen gegeben, was man heute unter dem Stichwort ‚gender‘ als neue Philosophie der Geschlechtlichkeit darstellt. Das Geschlecht ist nach dieser Philosophie nicht mehr eine Vorgabe der Natur, die der Mensch annehmen und persönlich mit Sinn erfüllen muss, sondern es ist eine soziale Rolle, über die man selbst entscheidet, während bisher die Gesellschaft darüber entschieden hat.

Die tiefe Unwahrheit dieser Theorie und der in ihr liegenden anthropologischen Revolution ist offenkundig. Der Mensch bestreitet, dass er eine von seiner Leibhaftigkeit vorgegebene Natur hat, die für das Wesen Mensch kennzeichnend ist. Er leugnet seine Natur und entscheidet, dass sie ihm nicht vorgegeben ist, sondern dass er selber sie macht. Nach dem biblischen Schöpfungsbericht gehört es zum Wesen des Geschöpfes Mensch, dass er von GOTT als Mann und Frau geschaffen ist. Diese Dualität ist wesentlich für das Menschsein, wie GOTT es ihm gegeben hat. Gerade diese Dualität als Vorgegebenheit wird bestritten…

Die Manipulation der Natur, die wir heute für unsere Umwelt beklagen, wird hier zum Grundentscheid des Menschen im Umgang mit sich selber… Wenn es aber die von der Schöpfung kommende Dualität von Mann und Frau nicht gibt, dann gibt es auch Familie als von der Schöpfung vorgegebene Wirklichkeit nicht mehr. Dann hat aber auch das Kind seinen bisherigen Ort und seine ihm eigene Würde verloren. Bernheim zeigt, dass es nun notwendig aus einem eigenen Rechtssubjekt zu einem Objekt wird, auf das man ein Recht hat und das man sich als sein Recht beschaffen kann. Wo die Freiheit des Machens zur Freiheit des Sich-selbst-Machens wird, wird notwendigerweise der Schöpfer selbst geleugnet und damit am Ende auch der Mensch als GÖTTliche Schöpfung, als Ebenbild GOTTES im Eigentlichen Seines Seins entwürdigt. Im Kampf um die Familie geht es um den Menschen selbst. Und es wird sichtbar, dass dort, wo GOTT geleugnet wird, auch die Würde des Menschen sich auflöst. Wer GOTT verteidigt, verteidigt den Menschen…“

Weihnachtsempfang für Kardinalskollegium und Kurie, 21.12.2012

 

 

4. Heilige

 

Hl. Hildegard von Bingen

„‚Licht ihres Volkes und ihrer Zeit‘: Mit diesen Worten bezeichnete… der sel. Johannes Paul II. die hl. Hildegard von Bingen im Jahr 1979 anlässlich des 800. Todestages der deutschen Mystikerin… Hildegards Anthropologie geht vom biblischen Be­richt über die Erschaffung des Menschen nach dem Abbild und Gleichnis GOTTES aus… Der Mensch wird als Einheit von Leib und Seele gesehen. Bei der deutschen Mystikerin stellt man eine positive Wertschätzung der Leiblichkeit fest, und auch in den Zeichen der Gebrechlichkeit, die der Leib aufweist, vermag sie einen von der Vorsehung bestimmten Wert zu erfassen: Der Leib ist nicht eine Last, von der man sich befreien muss, und selbst wenn er schwach und gebrechlich ist, ‚erzieht‘ er den Menschen zum Sinn für die Kreatürlichkeit und Demut, indem er ihn vor dem Hochmut und der Arroganz schützt. In einer Vision erschaut Hildegard die Seelen der Seligen des Paradieses, die darauf warten, sich wieder mit ihren Leibern zu vereinigen. Denn wie beim Leib CHRISTI werden auch unsere Körper durch eine tiefgreifende Umgestaltung für das ewige Leben auf die glorreiche Auferstehung ausgerichtet. Die GOTTESschau, in der das ewige Leben besteht, kann ohne den Leib nicht endgültig erreicht werden…“

Apostolisches Schreiben zur Erhebung der hl. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin, 7.10.2012

 

 

6. Leiden UND ALTER

 

Die Lebensphase des Alters: ein Geschenk

„An diesem Vormittag wende ich mich im Geiste an alle alten Menschen und möchte euch trotz des Bewusstseins um die Schwierigkeiten, die unser Alter mit sich bringt, aus tiefer Überzeugung sagen: Es ist schön, alt zu sein! In jedem Alter muss man die Gegenwart und den Segen des HERRN sowie den Reichtum, den er enthält, zu entdecken wissen. Nie darf man sich von der Traurigkeit gefangen nehmen lassen! Wir haben das Geschenk eines langen Lebens erhalten. Zu leben ist schön, auch in unserem Alter, trotz einiger Gebrechen und Einschränkungen. In unserem Gesicht möge stets die Freude sein, uns von GOTT geliebt zu fühlen, und nicht die Traurigkeit

Liebe ältere Brüder und Schwestern, manchmal scheinen die Tage lang und leer, mit Schwierigkeiten, wenigen Verpflichtungen und Begegnungen. Lasst euch nie entmutigen: Ihr seid ein Reichtum für die Gesellschaft, auch im Leiden und in der Krankheit. Und diese Lebensphase ist auch ein Geschenk, um die Beziehung zu GOTT zu vertiefen. Der selige Papst Johannes Paul II. war und ist immer noch ein leuchtendes Vorbild für alle. Vergesst nicht die wesentlichste unter den wertvollen Ressourcen, die ihr besitzt: das Gebet. Werdet zu Fürsprechern bei GOTT, indem ihr mit Glauben und Beharrlichkeit betet. Betet für die Kirche, auch für mich, für die Nöte der Welt, für die Armen, auf dass es in der Welt keine Gewalt mehr geben möge. Das Gebet der alten Menschen kann die Welt schützen und ihr vielleicht entscheidender helfen als die rastlosen Anstrengungen vieler Menschen. Ich möchte heute eurem Gebet das Wohl der Kirche und den Frieden in der Welt anvertrauen…“

Besuch in einem Seniorenheim, 12.11.2012

Mysterium des Leidens

„Die Kirche richtet sich stets im selben Geist brüderlichen Mitgefühls an diejenigen, die die Erfahrung des Schmerzes durchmachen, beseelt vom Geist dessen, der dem Mysterium des Leidens durch die Kraft der Liebe Sinn und Würde zurückgegeben hat…

… Es handelt sich um die ‚christliche Wissenschaft des Leidens‘, die das Konzil explizit als die ‚einzige Wahrheit‘ definiert hat, ‚die dazu imstande ist, auf das Mysterium des Leidens zu antworten‘ und die den Kranken ‚Linderung ohne Illusionen‘ zu verschaffen versteht: ‚Es steht nicht in unserer Macht, so das Konzil, ‚euch die Gesundung des Körpers zu verschaffen, noch eure physischen Schmerzen zu mindern… Aber wir haben etwas Kostbareres, etwas Tieferes, das wir euch schenken können… CHRISTUS hat das Leiden nicht aus der Welt geschafft; Er hat uns nicht einmal in vollem Umfang dessen Mysterium enthüllt: Er hat es auf sich genommen, und das ist ausreichend, um es in all seinem Wert zu verstehen‘ (Botschaft zum Abschluss des 2. Vat. Konzils an die Armen, Kranken und Leidenden, 8.12.1965). Ihr seid die qualifizierten Fachleute dieser ‚christlichen Wissenschaft des Leidens‘! Dass ihr furchtlose Katholiken seid, verleiht euch eine größere Verantwortlichkeit im Bereich der Gesellschaft und der Kirche; es handelt sich um eine echte Berufung, wie es vor nicht allzu langer Zeit von vorbildlichen Menschen wie dem hl. Giuseppe Moscati, dem hl. Richard Pampuri, der hl. Gianna Beretta Molla, der hl. Anna Schäffer und dem Diener GOTTES Jérôme Lejeune bezeugt worden ist.“

Audienz für die 27. Internationale Tagung des Pp. Rates
für die Pastoral im Krankendienst, 17.11.2012

 

 

 

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