FMG-INFORMATION 100, Juli 2010

 

 

1. Glaube und Kirche

 

 

Priestertum nach dem Hebräerbrief

„…Dies scheint mir für uns ein erster Punkt der Betrachtung zu sein: die Bedeutung des Sakraments. Keiner wird zum Priester aus sich selbst heraus; allein GOTT kann mich an sich ziehen, kann mich bevollmächtigen, kann mich in die Teilhabe am Geheimnis CHRISTI hineinnehmen; allein GOTT kann in mein Leben eintreten und mich bei der Hand nehmen… Wir müssen immer zum Sakrament zurückkehren, zu diesem Geschenk, in dem GOTT mir das gibt, was ich nie geben könnte: die Teilhabe, die Gemeinschaft mit dem GÖTTlichen Sein, mit dem Priestertum CHRISTI… Wenn dem so ist, dann muss ein Priester wirklich ein Mann GOTTES sein, er muss GOTT aus der Nähe kennen, und Er kennt Ihn in Gemeinschaft mit CHRISTUS. So müssen wir diese Gemeinschaft leben, und die Feier der hl. Messe, das Gebet des Breviers, das gesamte persönliche Beten sind Elemente des Mit-GOTT-Seins, der Tatsache, Männer GOTTES zu sein. Unser Sein, unser Leben, unser Herz müssen in GOTT festgemacht werden, in diesem Punkt, aus dem wir nicht herausgehen dürfen; und das verwirklicht und stärkt sich Tag um Tag auch durch kleine Gebete, mit denen wir uns an GOTT rückbinden und immer mehr zu Männern GOTTES werden, die in Seiner Gemeinschaft leben und so von GOTT sprechen und zu GOTT führen können.

Das zweite Element besteht darin, dass der Priester Mensch sein muss. Mensch in jeder Hinsicht, das heißt er muss eine wahre Menschlichkeit leben, einen wahren Humanismus; er muss eine Erziehung besitzen, eine menschliche Bildung, menschliche Tugenden; er muss seine Intelligenz entfalten, seinen Willen, seine Gefühle, seine Affekte; er muss wirklich Mensch sein, ein Mensch nach dem Willen des Schöpfers, des Erlösers, denn wir wissen, dass das Sein des Menschen verwundet und die Frage ‚Was ist der Mensch?’ von der Tatsache der Sünde verdunkelt ist, die die menschliche Natur bis hinein in ihre Tiefen verletzt hat. So sagt man: ‚Er hat gelogen’, ‚das ist menschlich’; ‚er hat gestohlen’, ‚das ist menschlich’; das ist aber nicht das wahre Menschsein. Menschlich sein heißt großherzig sein, gut sein, ein Mensch der Gerechtigkeit, der wahren Umsicht, der Weisheit. Mit der Hilfe CHRISTI aus dieser Verfinsterung unserer Natur herauszutreten, um zum wahren Sein des Menschen nach dem Bild GOTTES zu gelan­gen, ist ein lebenslanger Prozess… Mensch sein: der Brief an die Hebräer stellt unsere Menschlichkeit auf eine Art und Weise heraus, die uns überrascht, denn er sagt: Der Priester muss jemand sein, der fähig ist, ‚für die Unwissenden und Irrenden Verständnis aufzubringen, da auch er der Schwachheit unterworfen ist’ (5,2)… Für den Hebräerbrief ist das Mitleid, das Leiden mit den anderen, wesentliches Element unseres Menschseins: das ist die wahre Menschlichkeit. Nicht die Sünde ist dies, da die Sünde nie Solidarität, son­dern immer Entsolidarisierung, eine Vereinnahmung des Lebens für sich selbst ist, statt es zu schenken

…Und so sehen wir, dass Er [CHRISTUS] gerade auf diese Weise das Priestertum verwirklicht, die Aufgabe des Mittlers, indem Er das Leid und die Passion der Welt in sich trägt, sie in sich aufnimmt und sie in einen an GOTT gerichteten Schrei verwandelt, sie vor die Augen und in die Hände GOTTES bringt und sie so wirklich zum Augenblick der Erlösung führt…

Der Hebräerbrief fasst schließlich dieses ganze Mitleid mit dem Wort hypakoe, ‚Gehorsam’, zusammen; all dies ist Gehorsam. Das ist ein Wort, das uns in unserer Zeit nicht gefällt. Gehor­sam erscheint wie eine Entfremdung, eine unterwürfige Haltung. Man nutzt seine Freiheit nicht, man unterstellt seine Freiheit einem anderen Willen, also ist man nicht mehr frei, sondern von einem anderen bestimmt, wohingegen die Selbst­bestimmung, die Emanzipation doch das wahre Menschsein ausmachen würden. Statt des Wortes ‚Gehorsam’ wollen wir als anthropologisches Schüsselwort die ‚Freiheit’. Doch be­trachten wir, dass die beiden Dinge zutiefst miteinander ver­bunden sind: der Gehorsam CHRISTI ist die Übereinstim­mung Seines Willens mit dem Willen des VATERS; durch Seinen Gehorsam bringt Er den menschlichen Willen zum GÖTTlichen Willen, die Angleichung unseres Willens an den Willen GOTTES… In diesem Tun – ‚nicht mein Wille geschehe, sondern dein Wille geschehe’ – fasst JESUS den gesamten Prozess Seines Lebens zusammen, das heißt: den Prozess, das natürliche, menschliche Leben zum GÖTTlichen Leben zu führen und auf diese Weise den Menschen zu verwandeln: Vergöttlichung des Menschen und auf diese Weise Erlösung des Menschen, denn der Wille GOTTES ist kein tyrannischer Wille, er ist gerade der Ort, an dem wir unsere wahre Iden­tität finden. GOTT hat uns geschaffen, und wir sind wir selbst, wenn wir Seinem Willen entsprechen; nur so treten wir in die Wahrheit unseres Seins ein und sind nicht entfremdet. Im Ge­genteil, die Entfremdung erfolgt gerade dadurch, dass wir aus dem Willen GOTTES heraustreten, denn auf diese Weise treten wir aus dem Plan unseres Seins heraus, wir sind nicht mehr wir selbst, sondern stürzen ins Leere. In Wahrheit ist der Gehorsam gegenüber GOTT – also die Übereinstim­mung, die Wahrheit unseres Seins - die wahre Freiheit, da er Vergöttlichung bedeutet. Indem JESUS den Menschen, das Menschsein in sich und mit sich trägt, in der Übereinstimmung mit GOTT, im vollkommenen Gehorsam, also in der vollkom­menen Übereinstimmung der beiden Willen, hat Er uns erlöst, und die Erlösung ist immer dieser Prozess, den mensch­lichen Willen in die Gemeinschaft mit dem GÖTTlichen Willen zu führen…“

„Lectio Divina“ vor dem römischen Klerus, 18.2.2010  (über Hebr 5,1-10; 7,26-28; 8,1-2)

Zurückkehren zum Beichtstuhl

„…Wir leben in einem kulturellen Umfeld, das von der hedo­nistischen und relativistischen Mentalität geprägt ist, die dazu neigt, GOTT aus dem Horizont des Lebens zu entfernen, den Erwerb eines klaren Rahmens von Bezugswerten nicht fördert und die nicht dabei hilft, Gutes von Bösem zu unter­scheiden und ein rechtes Sündenbewusstsein heranreifen zu lassen. Diese Situation macht den Dienst der Spender der GÖTTlichen Barmherzigkeit noch dringender. Wir dürfen näm­lich nicht vergessen, dass zwischen der Verdunkelung der GOTTESerfahrung und dem Verlust des Sündenbewusstseins eine Art Teufelskreis besteht. Wenn wir jedoch auf das kulturelle Umfeld blicken, in dem der hl. Johannes Maria Vianney lebte, dann sehen wir, dass es sich unter mancherlei Aspekten nicht so sehr von dem unseren unterschied. Auch zu seiner Zeit gab es nämlich eine Mentalität, die dem Glauben feindlich gegenüberstand. Sie kam durch Kräfte zum Ausdruck, die sogar versuchten, die Ausübung des priesterlichen Dienstes zu verhindern. In dieser Situation machte der hl. Pfarrer von Ars ‚die Kirche zu seinem Haus’, um die Menschen zu GOTT zu führen. Er lebte radikal den Geist des Gebets, die persönli­che und enge Beziehung zu CHRISTUS, die Feier der hl. Messe, die eucharistische Anbetung und die evangeliums­gemäße Armut und erschien seinen Zeitgenossen als ein so deutliches Zeichen der Gegenwart GOTTES, dass er vie­le Bußwillige dazu brachte, bei ihm die Beichte abzulegen. In der Situation der Freiheit, in der der priesterliche Dienst heu­te ausgeübt werden kann, müssen die Priester ihre Antwort auf die Berufung in ‚anspruchsvoller Weise’ leben, denn nur wer tagtäglich zur lebendigen und deutlichen Gegenwart des HERRN wird, kann in den Gläubigen das Sündenbewusstsein wecken, Mut machen und das Verlan­gen nach GOTTES Vergebung aufkommen lassen…

Die ‚Krise’ des Bußsakraments, von der oft die Rede ist, ist eine Herausforderung vor allem für die Priester und ihre große Verantwortung, das GOTTESvolk zu den radikalen Erfordernis­sen des Evangeliums zu erziehen. Insbesondere verlangt sie von ihnen, sich großherzig dem Hören der sakramentalen Beichte zu widmen und die Herde mutig zu führen, damit sie sich nicht der Mentalität dieser Welt angleicht (vgl. Röm 12,2), sondern auch Entscheidungen fällt, die gegen den Strom gehen, und dabei Zugeständnisse oder Kompromisse vermei­det…“

Audienz für Teilnehmer eines Kurses der Apostolischen Pönitentiarie, 11.3.2010

Schande und Reue

„Ich kann die Bestürzung und das Gefühl des Vertrauensbruchs nur teilen, das so viele von euch durchlebten, als sie von diesen sündhaften und kriminellen Taten und der Art und Weise der kirchlichen Autoritäten, damit umzugehen, erfah­ren haben… Die Schwere der Vergehen und die oftmals unan­gemessenen Reaktionen der kirchlichen Autoritäten in eurem Land erwägend habe ich entschieden, diesen Hirtenbrief zu schreiben, um meine Nähe zu euch zum Ausdruck zu brin­gen und einen Weg der Heilung, der Erneuerung und der Wiedergutmachung vorzuschlagen… Gleichzeitig muss ich aber auch meine Überzeugung mitteilen, dass die Kirche in Irland, um von dieser tiefen Wunde zu genesen, die schwere Sünde gegen schutzlose Kinder vor GOTT und vor anderen offen zugeben muss…

Bedenkt den großherzigen und oft heroischen Beitrag, den vergangene Generationen irischer Männer und Frauen für die Kirche und die ganze Menschheit geleistet haben. Lasst euch das Ansporn sein für eine ehrliche Gewissenserforschung… Viel zu oft wurden das sakramentale Leben und die Frömmig­keitsübungen vernachlässigt, die den Glauben erhalten und ihm ermöglichen, zu wachsen, wie etwa die regelmäßige Beichte, das tägliche Gebet und jährliche Einkehrtage. Bedeut­sam war während dieser Zeit ebenfalls die Tendenz vieler Priester und Ordensleute, Denk- und Urteilsweisen säkularer Realitäten ohne ausreichenden Bezug zum Evangelium zu übernehmen… Es gab insbesondere die wohlmeinende aber fehlgeleitete Tendenz, Strafen für kanonisch irreguläre Um­stände zu vermeiden…

An die Opfer des Missbrauchs und ihre Familien: Ihr habt schrecklich gelitten, und ich bedauere das aufrichtig. Ich weiß, dass nichts das Erlittene ungeschehen machen kann. Euer Vertrauen und eure Würde wurden verletzt. Viele von euch mussten erfahren, dass, als ihr den Mut gefunden habt, über das zu sprechen, was euch zugestoßen ist, euch niemand zugehört hat. Diejenigen von euch, denen das in Heimen und Internaten geschehen ist, müssen gefühlt haben, dass es kein Entkommen gibt aus eurem Leib. Es ist verständlich, dass es schwer für euch ist, der Kirche zu vergeben oder sich mit ihr zu versöhnen. Im Namen der Kirche drücke ich offen die Schande und Reue aus, die wir alle fühlen. Gleichzeitig bitte ich euch, die Hoffnung nicht aufzugeben. In der Gemeinschaft der Kirche begegnen wir CHRISTUS, der selbst ein Opfer von Ungerech­tigkeit und Sünde war…

An die Priester und Ordensleute, die Kinder missbraucht haben: Ihr habt das Vertrauen, das von unschuldigen jungen Menschen und ihren Familien in euch gesetzt wurde, verraten und ihr müsst euch vor dem allmächtigen GOTT und vor den zuständigen Gerichten dafür verantworten… Ich er­mahne euch, euer Gewissen zu erforschen, Verantwortung für die begangenen Sünden zu übernehmen und demütig euer Bedauern auszudrücken. Ehrliche Reue öffnet die Tür zu GOTTES Vergebung und die Gnade ehrlicher Besserung. Durch Gebet und Buße für die, denen ihr Unrecht getan habt, sollt ihr persönlich für euer Handeln Sühne leisten. CHRISTI erlösendes Opfer hat die Kraft, sogar die größte Sünde zu vergeben und Gutes sogar aus dem schlimmsten Übel erwach­sen zu lassen…

Ich möchte euch nun auch einige konkrete Initiativen zum Umgang mit der Situation vorschlagen… (Ich) habe darum gebeten, dass diese Fastenzeit genutzt wird für das Gebet um das Ausgießen der Barmherzigkeit GOTTES und der Geistes­gaben der Heiligkeit und Stärke über der Kirche in eurem Land. Ich lade euch alle ein, die Freitagsopfer für die Dauer eines Jahres bis Ostern 2011 dieser Intention zu widmen. Ich bitte euch, euer Fasten, euer Gebet, eure Schriftlesung und eure Werke der Nächstenliebe dem zu widmen, damit ihr so die Gnade der Heilung und Erneuerung für die Kirche in Irland erlangt. Ich ermutige euch, aufs Neue das Sakrament der Versöhnung für euch zu entdecken und häufiger die verwan­delnde Kraft seiner Gnade zu nutzen. Besondere Aufmerksam­keit sollte ebenfalls der eucharistischen Anbetung zuteil wer­den…“

Hirtenbrief des Hl. Vaters an die Kirche in Irland, 19.3.2010

Priester ist „Eigentum“ GOTTES

„Liebe Brüder im Priesteramt, in der Zeit, in der wir leben, ist es besonders wichtig, dass der Ruf, im geweihten Dienst an dem einen Priestertum CHRISTI teilzuhaben, im ‚Charisma der Prophezeiung’ erblühe: Es besteht großer Bedarf an Pries­tern, die zur Welt von GOTT sprechen und GOTT die Welt vorstellen; Männer, die nicht kurzlebigen kulturellen Moden unterworfen, sondern fähig sind, jene Freiheit glaubwürdig zu leben, die allein die Gewissheit der Zugehörigkeit zu GOTT zu schenken vermag. Wie euer Kongress treffend hervorgehoben hat, ist heute die notwendigste Prophezeiung jene der Treue, die ausgehend von der Treue CHRISTI zur Menschheit, durch die Kirche und das Amtspriestertum dazu anleiten soll, das eigene Priestertum in völliger Anhänglichkeit an CHRISTUS und die Kirche zu leben. Denn der Priester gehört nicht mehr sich selbst, sondern ist durch das emp­fangene sakramentale Siegel ‚Eigentum’ GOTTES. Dieses sein ‚einem Anderen zu gehören’ muss durch ein klares Zeugnis für alle erkennbar sein. In seiner Art zu denken, zu sprechen, die Gegebenheiten der Welt zu beurteilen, zu dienen und zu lieben, mit den Menschen auch im Priestergewand in Beziehung zu treten, soll der Priester aus seiner sakramentalen Zugehörigkeit, aus seinem tiefsten Wesen prophetische Kraft beziehen. Er muss also alle Sorge darauf verwenden, sich der vorherrschenden Mentalität zu entziehen, die dahin ten­diert, den Wert des Priesters nicht mit seinem Sein, son­dern mit seiner Funktion zu verbinden, wobei das Werk GOTTES verkannt wird, das in die tiefste Identität der Person des Priesters einschneidet und ihn sich auf endgültige Weise gleichgestaltet. Der Horizont der Seinszugehörigkeit zu GOTT bildet zudem den richtigen Rahmen, um auch in unseren Ta­gen den Wert des Zölibats zu verstehen und zu bekräftigen, der in der lateinischen Kirche ein für die heilige Weihe gefor­dertes Charisma ist und in den katholischen Ostkirchen sehr hoch gehalten wird…

Die gläubigen Laien werden bei vielen anderen Menschen das finden, was sie menschlich nötig haben, aber nur im Priester werden sie jenes Wort GOTTES finden, das immer auf ihren Lippen sein soll; die Barmherzigkeit des VATERS, die im Sak­rament der Versöhnung reichlich und unverdient ausgegossen wird; das Brot des neuen Lebens, ‚den Menschen geschenkt als wahre Speise’…“

Audienz für den Theolog. Kongress der Kleruskongregation, 12.3.2010

Sakrament und Schöpfungselemente

„Das Zentrum des GOTTESdienstes der Kirche ist das Sakra­ment. Sakrament bedeutet, dass zuallererst nicht wir Menschen etwas tun, sondern dass GOTT uns im Voraus mit Seinem Handeln entgegengeht, uns ansieht und zu sich hinführt. Und da ist noch einmal etwas Besonderes: GOTT führt uns an durch materielle Wirklichkeiten, durch Gaben der Schöp­fung hindurch, die Er in Seinen Dienst nimmt, zu Instru­menten der Begegnung zwischen uns und sich selber macht. Es sind vier Elemente der Schöpfung, aus denen der Kosmos der Sakramente gebaut ist: das Wasser, das Weizen­brot, der Wein und das Olivenöl.

Das Wasser als das Grundelement und die Grundbedingung allen Lebens ist das wesentliche Zeichen der Christwerdung in der Taufe, der Geburt ins neue Leben hinein. Während das Wasser das Lebenselement überhaupt ist…, gehören die drei anderen Elemente der Kultur des Mittelmeerraums an. Sie verweisen so auf den konkreten geschichtlichen Raum, in dem das Christentum geworden ist. GOTT hat an einer ganz bestimmten Stelle der Erde gehandelt, wirklich Geschichte mit den Menschen gemacht. Diese drei Elemente sind einerseits Gaben der Schöpfung und andererseits doch auch Ortsbe­zeichnungen der Geschichte GOTTES mit uns. Sie sind eine Synthese von Schöpfung und Geschichte: Gaben GOTTES, die uns immer an jene Orte der Welt knüpfen, in denen GOTT mit uns in der Zeit der Geschichte handeln, einer von uns werden wollte.

In diesen drei Elementen gibt es wieder eine Stufung. Das Brot verweist auf den Alltag. Es ist die grundlegende Gabe des Lebens Tag um Tag. Der Wein verweist auf das Fest, auf die Köstlichkeit der Schöpfung, in der sich zugleich auf besondere Weise die Freude der Erlösten ausdrücken kann. Das Öl des Olivenbaums hat umfassende Bedeutung. Es ist Nahrung, es ist Medizin, es gibt Schönheit, es rüstet zum Kampf und gibt Stärke. Die Könige und die Priester werden mit dem Öl gesalbt, das so Zeichen von Würde und Verantwortung wie auch der Kraft von GOTT her ist. In unserem Namen ‚Christen’ ist das Geheimnis des Öls anwesend… Das Öl der Olive ist so in ganz besonderer Weise Symbol für das Durchdrungensein des Men­schen JESUS mit dem HL. GEIST…

In der Chrisam-Messe des Gründonnerstags stehen die hl. Öle im Mittelpunkt der liturgischen Handlung. Sie werden in der Kathedrale vom Bischof geweiht für das ganze Jahr. So drü­cken sie auch die Einheit der Kirche aus, die durch das Bi­schofsamt gewährleistet wird und verweisen auf CHRISTUS, den wahren ‚Hirten und Bischof unserer Seelen’, wie der hl. Petrus Ihn nennt (1 Petr 2,25). Und sie halten zugleich das ganze liturgische Jahr zusammen, verankert im Geheimnis des Gründonnerstags. Endlich verweisen sie auf den Ölgarten, in dem JESUS Sein Leiden von innen her angenommen hat. Der Ölgarten ist aber auch der Ort, von wo aus Er zum VATER aufgestiegen ist und so der Ort der Erlösung: GOTT hat JESUS nicht im Tod gelassen. JESUS lebt für immer beim VATER und ist eben deshalb allgegenwärtig, immer bei uns. Dieses dop­pelte Geheimnis des Ölbergs ist immer mit anwesend im sak­ramentalen Öl der Kirche. In vier Sakramenten ist das Öl Zei­chen der Güte GOTTES, die uns anrührt: in der Taufe, in der Firmung als Sakrament des HL. GEISTES, in den verschiede­nen Stufen des Weihesakraments und schließlich in der Kran­kensalbung, in der das Öl uns gleichsam als Medizin GOTTES angeboten wird – als die Medizin, die uns jetzt Seiner Güte versichert, uns stärken und trösten soll, die aber zugleich über den Augenblick der Krankheit hinaus auf die endgültige Heilung verweist, auf die Auferstehung…

Durch die Geschichte von der Taube mit dem Ölzweig… ist… auch das Öl selber zum Symbol des Friedens geworden… Er [Der auferstandene CHRISTUS] selbst bringt gleichsam den Ölzweig, … ist unser Friede… CHRISTUS siegt nicht durch das Schwert, sondern durch das Kreuz. Er siegt, indem Er den Hass überwindet. Er siegt durch die Kraft Seiner größeren Liebe. Das Kreuz CHRISTI drückt das Nein zur Gewalt aus. Und gerade so ist es das Siegeszeichen GOTTES, das den neuen Weg JESU verkündigt. Der Leidende war stärker als die Inhaber der Gewalt. In der Hingabe am Kreuz hat CHRISTUS die Gewalt besiegt. Als Priester sind wir berufen, in der Ge­meinschaft mit JESUS CHRISTUS Menschen des Friedens zu sein, der Gewalt entgegenzustehen und der größeren Macht der Liebe zu vertrauen.

Zur Symbolik des Öls gehört es auch, dass es stark macht zum Kampf. Das steht nicht gegen das Thema Frieden, son­dern ist ein Teil davon. Der Kampf der Christen bestand und besteht nicht im Gebrauch der Gewalt, sondern darin, dass sie für das Gute, für GOTT zu leiden bereit waren und sind. Er besteht darin, dass die Christen sich als gute Staatsbürger an das Recht halten, das Rechte und das Gute tun. Er besteht darin, dass sie nicht tun, was in den geltenden Rechtsordnun­gen nicht Recht, sondern Unrecht ist. Der Kampf der Märtyrer bestand in ihrem konkreten Nein zum Unrecht: Indem sie sich dem Götzenkult, der Anbetung des Kaisers versagten, haben sie sich geweigert, sich vor der Unwahrheit zu beugen, vor der Anbetung von Menschen und ihrer Macht. Sie haben mit dem Nein zur Unwahrheit und zu allen ihren Folgen die Macht des Rechts und der Wahrheit aufgerichtet. So haben sie wirklich dem Frieden gedient. Auch heute ist es für Christen wichtig, dem Recht zu folgen, das die Grundlage des Friedens ist. Auch heute ist es für Christen wichtig, Unrecht, das zu Recht erhoben wird, nicht anzunehmen – etwa wenn es um die Tötung unschuldiger ungeborener Kinder geht…“

Predigt bei der „Missa chrismatis“ im Petersdom, 1.4.2010

Der Priester als Lehrer in der Stellvertretung CHRISTI

„Ich möchte bei der fruchtbaren Wirklichkeit der Gleichgestal­tung des Priesters mit CHRISTUS, dem Haupt, verweilen, in der Ausübung der ‚tria munera’, die er empfängt, also der drei Ämter des Lehrens, des Heiligens und des Leitens… Der Priester, der ‚in persona CHRISTI’ und stellvertretend für den HERRN handelt, handelt niemals im Namen eines Abwesen­den, sondern in der Person des auferstandenen CHRISTUS, dessen Gegenwart sich in Seinem real wirkenden Handeln zeigt. Er handelt wirklich und wirkt das, was der Priester nicht tun könnte: die Wandlung von Brot und Wein in der Realprä­senz des HERRN, die Lossprechung von den Sünden. Der HERR macht Sein eigenes Wirken in der Person gegenwärtig, die diese Handlungen durchführt. Die drei Aufgaben des Priesters – die die Überlieferung in den verschiedenen Sen­dungsworten des HERRN erkannt hat: lehren, heiligen und leiten – sind in ihrer Verschiedenheit und in ihrer tiefen Einheit besondere Ausprägungen dieser wirksamen Stellvertretung…

Die erste Aufgabe, über die ich heute sprechen möchte, ist das ‚munus docendi’, also das Lehren. In unserem heutigen Erzie­hungs- und Bildungsnotstand erweist sich das durch den Dienst eines jeden Priesters konkret ausgeübte ‚munus docendi’ der Kirche als besonders wichtig. Wir leben in einer gro­ßen Verwirrung über die grundlegenden Entscheidungen unseres Lebens und über die Fragen, was die Welt ist, wo­her sie kommt, wohin wir gehen, wie wir Gutes tun könne, wie wir leben sollen, welches die wirklich  entscheidenden Werte sind. Es gibt in diesem Zusammenhang viele einander wider­sprechende Philosophien, die entstehen und wieder vergehen und die Verwirrung stiften in Bezug auf die grundlegen­den Entscheidungen, wie wir leben sollen, weil wir im Allgemei­nen nicht mehr wissen, woraus und wofür wir geschaffen sind und wohin wir gehen. In dieser Situation wird das Wort des HERRN Wirklichkeit, der Mitleid hatte mit den vielen Men­schen, weil sie wie Schafe waren, die keinen Hirten haben (vgl. Mk 6,34)… Das ist die Funktion des Priesters ‚in persona CHRISTI’: in der Verwirrung und Orientierungslosigkeit unserer Zeit das Licht des Wortes GOTTES gegenwärtig zu machen, das Licht, das CHRISTUS selbst in dieser unserer Welt ist. Der Priester lehrt also keine eigenen Ideen, keine Philosophie, die er selbst erfunden hat, gefunden hat oder die ihm gefällt; der Priester spricht nicht aus sich heraus, er spricht nicht für sich, um sich vielleicht Bewunderer oder eine eigene Partei zu verschaffen; er sagt keine eigenen Dinge, keine eigenen Erfindungen, sondern inmitten der Verwirrung der ganzen Philosophien lehrt der Priester im Namen des ge­genwärtigen CHRISTUS. Er bietet die Wahrheit an, die CHRISTUS selbst ist, Sein Wort, Seine Art, zu leben und vor­anzugehen. Für den Priester gilt das, was CHRISTUS über sich selbst gesagt hat: ‚Meine Lehre stammt nicht von mir’ (Joh 7,16). CHRISTUS bietet also nicht sich selbst an, sondern als SOHN ist Er die Stimme, das Wort des VATERS. Auch der Priester muss immer so sprechen und handeln: ‚Meine Lehre stammt nicht von mir, ich verbreite nicht meine Ideen oder das, was mir gefällt, sondern ich bin Mund und Herz CHRISTI und vergegenwärtige die einzige und allgemeine Lehre, die die universale Kirche geschaffen hat und die ewiges Leben her­vorbringt.’…

Das Leben des Priesters muss sich mit CHRISTUS identifi­zieren; auf diese Weise wird das nicht eigene Wort dennoch zu einem zutiefst persönlichen Wort. Zu diesem Thema sagte der hl. Augustinus, als er über die Priester sprach: ‚Was sind wir? Diener (CHRISTI), Seine Knechte; denn das, was wir an euch verteilen, ist nicht unser, sondern wir nehmen es aus Seinem Vorrat. Und auch wir leben davon, weil wir Diener sind, ebenso wie ihr es seid’ (Predigt 229/E,4).

Die Lehre, die der Priester anzubieten berufen ist, die Wahr­heiten des Glaubens, müssen verinnerlicht und auf einem tiefgehenden persönlichen geistlichen Weg gelebt werden, damit der Priester wirklich in eine tiefe innere Gemeinschaft mit CHRISTUS eintritt. Der Priester glaubt und empfängt das, was der HERR gelehrt und was die Kirche weitergegeben hat, und er strebt danach, es in erster Linie selbst zu leben, auf jenem Weg der Identifizierung mit der eigenen Aufgabe, dessen vor­bildlicher Zeuge der hl. Johannes Maria Vianney ist… Die Stimme des Priesters könnte folglich nicht selten wie eine Stimme erscheinen, die in der Wüste ruft (vgl. Mk 1,3), aber gerade darin liegt ihre prophetische Kraft. Sie ist niemals an irgendeine Kultur oder herrschende Mentalität angepasst, noch kann sie daran angepasst werden, sondern sie zeigt die ein­zige Neuheit auf, die eine echte und tiefe Erneuerung des Menschen bewirken kann: dass CHRISTUS der Lebendige ist, der nahe GOTT, der GOTT, der im Leben und für das Leben der Welt wirkt und uns die Wahrheit, die Lebensweise schenkt.

In der sorgfältigen Vorbereitung der Predigten für die Sonn- und Feiertage, ohne die Wochentagspredigten auszuschließen, beim Bemühen um die katechetische Unterweisung, in den Schulen, in den akademischen Einrichtungen und insbeson­dere durch jenes ungeschriebene Buch, das sein eigenes Leben ist, ist der Priester stets ‚Lehrer’, lehrt er. Er tut dies jedoch nicht mit der Anmaßung dessen, der eigene Wahrheiten aufzwingt, sondern in der demütigen und frohen Gewissheit dessen, der der Wahrheit begegnet ist, von ihr ergriffen und umgeformt wurde und daher nicht anders kann als sie zu ver­künden. Das Priestertum kann nämlich niemand selbst wählen, es ist kein Weg, um eine Sicherheit im Leben zu er­langen oder eine soziale Stellung zu erobern: Niemand kann es sich selbst geben oder suchen. Das Priestertum ist eine Ant­wort auf den Ruf des HERRN, auf Seinen Willen, um Verkündi­ger nicht einer persönlichen Wahrheit, sondern Seiner Wahr­heit zu werden. Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, das christliche Volk verlangt, in unserer Lehre die wahre kirchliche Lehre zu hören, durch die es die Begegnung mit CHRISTUS erneuern kann, der Freude, Friede und Heil schenkt…“

Generalaudienz, 14.4.2010

Die priesterliche Aufgabe des Heiligens

„Heute möchte ich mit euch kurz bei der zweiten Aufgabe ver­weilen, die der Priester hat: die Aufgabe, die Menschen zu heiligen, vor allem durch die Sakramente und den GOT­TESdienst der Kirche. Hier müssen wir uns zunächst fragen: Was bedeutet das Wort ‚heilig’? Die Antwort lautet: ’Heilig’ ist die besondere Eigenschaft des Seins GOTTES, also absolute Wahrheit, Güte, Liebe, Schönheit – reines Licht. Eine Person zu heiligen bedeutet also, sie in Berührung zu bringen mit GOTT, mit Seinem Sein, das Licht, Wahrheit, reine Liebe ist. Natürlich verwandelt diese Berührung die Person… Die Frage ist: Wie kann der Mensch jene grundlegende Berührung mit GOTT finden, ohne zu sterben, überwältigt von der Größe des GÖTTlichen Seins? Der Glaube der Kirche sagt uns, dass GOTT selbst diese Berührung herstellt, die uns nach und nach in wahre Abbilder GOTTES verwandelt. So sind wir wieder angekommen bei der Aufgabe des Priesters zu ‚heiligen’. Kein Mensch kann von sich aus, aus eigener Kraft heraus den ande­ren mit GOTT in Berührung bringen. Ein wesentlicher Teil der Gnade des Priestertums ist die Gabe, die Aufgabe, diese Berührung herzustellen. Dies geschieht in der Verkündigung des Wortes GOTTES, in dem uns das Licht entgegenkommt. Auf besonders verdichtete Weise geschieht es in den Sak­ramenten

In den letzten Jahrzehnten gab es Tendenzen, die darauf ausgerichtet waren, in Bezug auf die Identität und die Sendung des Priesters der Dimension der Verkündigung den Vorrang zu geben und sie von der Dimension der Heiligung loszu­lösen; oft hieß es, dass es notwendig sei, eine rein sakramen­tale Pastoral zu überwinden. Kann man jedoch den priesterli­chen Dienst authentisch ausüben, wenn man die Sakramenten­pastoral ‚überwindet’?…

Der Priester vertritt CHRISTUS, den Gesandten des VATERS, Er setzt Seine Sendung fort, durch das ‚Wort’ und das ‚Sakra­ment’, in der Ganzheit von Seele und Leib, Zeichen und Wort… Wo wird das heilbringende Geheimnis des Todes und der Auf­erstehung CHRISTI verwirklicht? Im Wirken CHRISTI durch die Kirche, insbesondere im Sak­rament der Eucharistie, das die erlösende Opfergabe des SOHNES GOTTES gegenwärtig macht, im Sakrament der Versöhnung, in dem man aus dem durch die Sünde verur­sachten Tod zu neuem Leben zurückkehrt, und in jedem ande­ren sakramentalen Akt der Heiligung. Es ist daher wichtig, eine angemessene Katechese zu fördern, um den Gläubigen zu helfen, den Wert der Sakramente zu verstehen. Ebenso notwendig ist es jedoch, nach dem Vorbild des hl. Pfarrers von Ars den Brüdern bereitwillig, großherzig und aufmerksam die Gnadenschätze zu geben, die GOTT in unsere Hände gelegt hat: Wir sind nicht ihre ‚Herren’, sondern ihre Hüter und Ver­walter. Besonders in unserer Zeit, in der einerseits der Glaube schwächer zu werden scheint und andererseits ein tiefes Be­dürfnis und eine diffuse Suche nach Spiritualität zutage treten, muss jeder Priester sich daran erinnern, dass in seiner Sen­dung die missionarische Verkündigung und der GOTTES­dienst und die Sakramente niemals voneinander getrennt sind. Auch muss er eine gesunde Sakramentenpastoral för­dern, um das Volk GOTTES zu unterweisen und ihm zu helfen, die Liturgie, den GOTTESdienst der Kirche, die Sakramente in Fülle zu leben, als unentgeltliche Gaben GOTTES, als freie und wirkkräftige Akte Seines Heilswirkens… Jeder Priester weiß, dass er ein für das Heilswirken GOTTES notwendiges Werk­zeug, aber dennoch stets ein Werkzeug ist. Dieses Bewusst­sein muss ihn in der Spendung der Sakramente demütig und großherzig machen, unter Wahrung der kanonischen Normen, aber auch in der tiefen Überzeugung, dass die eigene Sendung darin besteht, dafür zu sorgen, dass alle Menschen, mit CHRISTUS vereint, sich GOTT als lebendiges und heiliges Opfer darbringen können, als Opfer, das GOTT gefällt (vgl. Röm 12,1)…

Ich möchte noch einmal die kürzlich ausgesprochene Einla­dung erneuern, ‚in den Beichtstuhl zurückzukehren als den Ort, an dem man das Sakrament der Versöhnung feiert, aber auch als den Ort, an dem man öfter ‚wohnt’, damit der Gläu­bige Barmherzigkeit, Rat und Trost finden, sich von GOTT geliebt und verstanden fühlen und die Gegenwart der GÖTT­lichen Barmherzigkeit erfahren kann, neben der Realpräsenz in der Eucharistie… Und ich möchte auch jeden Priester einladen, die Eucharistie intensiv zu feiern und zu leben. Sie steht im Mittelpunkt der Aufgabe des Heiligens

Liebe Freunde, seid euch bewusst, welch großes Geschenk die Priester für die Kirche und für die Welt sind; durch ihren Dienst rettet der HERR auch weiterhin die Menschen, wird Er gegen­wärtig, heiligt Er. Dankt GOTT und seid vor allem euren Pries­tern nahe durch das Gebet und durch die Unterstützung, be­sonders in Schwierigkeiten, damit sie immer mehr Hirten nach dem Herzen GOTTES seien.“

Generalaudienz, 5.5.2010

Die priesterliche Aufgabe des Leitens

„Das Priesterjahr neigt sich dem Ende zu; daher habe ich in den letzten Katechesen begonnen, über die wesentlichen Auf­gaben des Priesters zu sprechen… Somit bleibt für heute, über die Sendung des Priesters zu sprechen, mit der Vollmacht CHRISTI – nicht mit der eigenen – den Teil des Volkes, den GOTT ihm anvertraut hat, zu führen und zu leiten. Wie ist in der gegenwärtigen Kultur diese Dimension zu verstehen, die den Begriff der Vollmacht einschließt und ihren Ursprung im Auftrag des HERRN hat, seine Herde zu weiden? Was ist eigentlich für uns Christen die Autorität? Die kulturellen, politi­schen und geschichtlichen Erfahrungen der jüngeren Vergan­genheit, vor allem die Diktaturen des 20. Jahrhunderts in Ost- und Westeuropa, haben den Menschen von heute gegenüber diesem Begriff argwöhnisch gemacht. Dieser Argwohn führt nicht selten zu der Behauptung, dass jede Autorität, die nicht ausschließlich von den Menschen kommt und ihnen unterge­ordnet ist, von ihnen kontrolliert wird, abgeschafft werden muss. Aber gerade mit Blick auf die Regime, die im vergange­nen Jahrhundert Schrecken und Tod gesät haben, wird man mit Nachdruck daran erinnert, dass sich die Autorität, wenn sie ohne Bezug zur Transzendenz ausgeübt wird, wenn sie die höchste Autorität – GOTT – außer Acht lässt, am Ende in jedem Bereich unweigerlich gegen den Menschen rich­tet. Es ist daher wichtig zu erkennen, dass die menschliche Autorität niemals ein Ziel, sondern immer nur ein Mittel ist, und dass das Ziel notwendig und in allen Zeiten immer die Person ist, die von GOTT mit der ihr eigenen unantastba­ren Würde geschaffen wurde und berufen ist, zu ihrem Schöpfer in Beziehung zu treten, auf dem Weg des Lebens hier auf Erden und im ewigen Leben – eine Vollmacht, die in der Verantwortung vor GOTT, vor dem Schöpfer, ausgeübt wird. Eine so verstandene Vollmacht, deren einziger Zweck es ist, dem wahren Wohl der Menschen zu dienen und ein Durch­scheinen des einen höchsten Gutes zu sein, das GOTT ist, ist dem Menschen nicht nur nicht fremd, sondern bildet im Ge­genteil eine wertvolle Hilfe auf dem Weg zur vollen Verwirk­lichung in CHRISTUS, zum Heil.

Die Kirche ist berufen und bemüht sich, diese Art von Autorität auszuüben, die Dienst ist, und sie übt sie nicht aus eigener Vollmacht aus, sondern im Namen JESU CHRISTI, der vom VATER alle Macht im Himmel und auf der Erde empfangen hat (vgl. Mt 28,18). Durch die Hirten der Kirche nämlich weidet CHRISTUS Seine Herde: Er ist es, der sie leitet, schützt und zurechtweist, da Er sie zutiefst liebt. Doch JESUS, der HERR, der oberste Hirt unserer Seelen, hat gewollt, dass das Apostel­kollegium, heute die Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Nach­folger Petri, und die Priester als deren wertvollste Mitarbeiter an dieser Seiner Sendung teilhaben sollten, für das GOTTESvolk zu sogen, Erzieher im Glauben zu sein und der christlichen Gemeinschaft Orientierung zu geben, sie zu beseelen und zu stützen…

Wenngleich diese seelsorgliche Aufgabe im Sakrament grün­det, so ist dennoch ihre Wirkkraft nicht vom persönlichen Leben des Priesters unabhängig. Um ein Hirt nach dem Herzen GOTTES zu sein (vgl. Jer 3,15), bedarf es einer tiefen Verwurzelung in der wahren Freundschaft mit CHRISTUS, nicht allein der Intelligenz, sondern auch der Freiheit und des Wil­lens, eines klaren Bewusstseins der in der Priesterweihe emp­fangenen Identität, einer bedingungslosen Bereitschaft, die anvertraute Herde dorthin zu führen, wohin der HERR will, und nicht in die Richtung, die günstiger oder einfacher zu sein scheint. Das erfordert vor allem die ständige und konti­nuierliche Bereitschaft, das priesterliche Leben der Priester von CHRISTUS selbst leiten zu lassen. Niemand ist wirklich in der Lage, die Herde CHRISTI zu weiden, wenn er nicht im tiefen und wahren Gehorsam gegenüber CHRISTUS und Seiner Kirche lebt, und auch die Fügsamkeit des Volkes ge­genüber seinen Priestern hängt von der Fügsamkeit der Pries­ter gegenüber CHRISTUS ab…

In den letzten Jahrzehnten wurde das Adjektiv ‚pastoral’ oft gleichsam als Gegensatz zum Begriff ‚hierarchisch’ ge­braucht… [Hierarchie] bezeichnet traditionell die Struktur der sakramentalen Autorität in der Kirche, die gemäß den drei Stufen des Weihesakraments geordnet ist: Bischofsamt, Priesteramt, Diakonat… Nach allgemeiner Auffassung ist ‚Hier­archie’ immer mit Herrschaft verbunden und entspricht daher nicht dem wahren Sinn der Kirche, der Einheit in der Liebe CHRISTI. Wie ich gesagt habe, ist dies eine falsche Interpre­tation, deren Ursprung in Missbrauch zu suchen ist, zu dem es in der Geschichte gekommen ist…

Im Allgemeinen sagt man, das Wort Hierarchie bedeute ‚heilige Herrschaft’, aber dies ist nicht seine wahre Bedeutung; sie lautet: ‚heiliger Ursprung’, das heißt: diese Vollmacht stammt nicht vom Menschen, sondern hat ihren Ursprung im Heiligen, im Sakrament; sie unterwirft also die Person der Berufung, dem Geheimnis CHRISTI… Wer in die hl. Ordnung des Sakraments, in die ‚Hierarchie’ eintritt, ist also kein Selbstherrscher, sondern tritt in ein neues Band des Ge­horsams gegenüber CHRISTUS ein: Er ist an Ihn in Gemein­schaft mit allen anderen Gliedern der hl. Ordnung, des Pries­tertums, gebunden. Und auch der Papst – Bezugspunkt für alle anderen Hirten und für die Gemeinschaft der Kirche – kann nicht tun, was er will; im Gegenteil, der Papst ist der Wahrer des Gehorsams gegenüber CHRISTUS, gegenüber Seinem Wort, das in der ‚regula fidei’, im Glaubensbekenntnis der Kir­che zusammengefasst ist, und muss im Gehorsam gegenüber CHRISTUS und Seiner Kirche vorangehen. Hierarchie bringt daher ein dreifaches Band mit sich: zunächst das Band mit CHRISTUS und der Ordnung, die der HERR Seiner Kirche gegeben hat; dann das Band mit den anderen Hirten in der einen Gemeinschaft der Kirche; und schließlich das Band mit den Gläubigen, die dem Einzelnen in der Ordnung der Kirche anvertraut sind. So wird deutlich, dass Gemeinschaft und Hier­archie nicht zueinander im Gegensatz stehen, sondern einan­der bedingen…

[Es] erweist sich das Leitungsamt als ein Dienst, der in völliger Hingabe an die Erbauung der Herde in der Wahrheit und in der Heiligkeit gelebt wird. Oft muss man dafür gegen den Strom schwimmen… Die Heiligen, darunter der hl. Johannes Maria Vianney, sind mit Liebe und Hingabe der Aufgabe nachgegan­gen, für den ihnen anvertrauten Teil des GOTTESvolkes Sorge zu tragen. So haben sie sich auch als starke und entschlos­sene Männer erwiesen, mit dem einzigen Ziel, das wahre Wohl der Seelen zu fördern, und mit der Fähigkeit, für die Treue zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit des Evangeliums persönlich zu bezahlen, bis hin zum Martyrium.

Liebe Priester…, fürchtet euch also nicht, einen jeden der Brüder und Schwestern, die CHRISTUS euch anvertraut hat, zu Ihm zu führen, in der Gewissheit, das jedes Wort und jede Haltung, wenn sie dem Gehorsam gegenüber dem Willen GOTTES entspringen, Frucht tragen werden… In diesem Leben auf Erden nämlich gibt es kein größeres Gut als das, die Menschen zu GOTT zu führen, den Glauben zu we­cken, den Menschen aus Trägheit und Verzweiflung aufzurich­ten und die Hoffnung zu schenken, dass GOTT nahe ist und die persönliche Geschichte und die der Welt lenkt…

Liebe Brüder und Schwestern, ich möchte euch einladen, für mich, den Nachfolger Petri zu beten, der ich eine besondere Aufgabe in der Leitung der Kirche CHRISTI habe, wie auch für alle eure Bischöfe und Priester…“

Generalaudienz, 16.5.2010

Mysterium der hl. Eucharistie und Anbetung

„Die manchmal festzustellende Abnahme der Verehrung des Altarsakraments ist Zeichen und Ursache einer Verdunkelung des christlichen Sinns für das Geheimnis. Und dazu kommt es immer dann, wenn bei der hl. Messe nicht das Wirken CHRISTI im Vordergrund steht, sondern sich die Gemeinde mit tausend anderen Dingen beschäftigt, anstatt andächtig zu sein und sich von dem Einzigen anziehen zu lassen, der notwendig ist: ihrem HERRN. Dabei soll sich der Christgläubige bei der liturgischen Feier nicht auf sein eigenes Tun konzen­trieren, sondern auf das Zuhören, die innere Öffnung, das Em­pfangen… Dieses Empfangen bedeutet aber natürlich nicht, dem Geschehen gegenüber passiv oder gleichgültig zu bleiben, sondern – dank der Gnade GOTTES erneut dazu befähigt – aktiv mitzuwirken gemäß ‚dem eigentlichen Wesen der wahren Kirche, der es eigen ist, zugleich GÖTTlich und menschlich zu sein, sichtbar und mit unsichtbaren Gütern ausgestattet, voll Eifer der Tätigkeit hingegeben und doch frei für die Be­schauung, in der Welt zugegen und doch unterwegs; und zwar so, dass dabei das Menschliche auf das GÖTTliche hinge­ordnet und ihm untergeordnet ist, das Sichtbare auf das Un­sichtbare, die Tätigkeit auf die Beschauung, das Gegenwärtige auf die künftige Stadt, die wir suchen’ (Sacrosanctum Consi­lium, 2). Wenn in der Liturgie nicht die Gestalt CHRISTI hervor­treten würde, der nicht nur ihre Ursache, sondern wirklich gegenwärtig ist, und ihr so Gültigkeit verleiht, hätten wir keine christliche Liturgie mehr. Diese hängt nämlich vollkommen vom HERRN ab und wird von Seiner schöpferischen Gegenwart getragen.

Wie weit davon entfernt sind doch all jene, die im Namen der Inkulturation dem Synkretismus verfallen und in die Feier der hl. Messe Elemente einfügen, die entgegen den Vorschrif­ten der liturgischen Bücher Riten anderer Religionen entnom­men sind. ‚Die Eucharistie ist ein zu großes Gut, um Zweideu­tigkeiten und Verkürzungen zu dulden’, schrieb mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II.: ‚Bisweilen wird ein stark verkürzendes Verständnis des eucharistischen Mysteriums sichtbar. Es wird seines Opfercharakters beraubt und in einer Weise vollzogen, als ob es den Sinn und den Wert einer brüderlichen Mahlgemeinschaft nicht übersteigen würde’ (Ecclesia de eucharistia, 10)…“

Ad-limina-Besuch der Bischöfe Nord-Brasiliens, 15.4.2010

 „Man muss GOTT mehr gehorchen als den Menschen“

„Der Satz, den ich zur gemeinsamen Betrachtung vorschlagen möchte, ist folgende wichtige Aussage des hl. Petrus: ‚Man muss GOTT mehr gehorchen als den Menschen’ (Apg 5,29). Der hl. Petrus steht vor der höchsten religiösen Institution, der er eigentlich gehorchen müsste, doch GOTT steht über dieser Institution, und GOTT hat ihm eine andere ‚Anordnung’ gege­ben: er muss GOTT gehorchen. Der Gehorsam gegenüber GOTT ist Freiheit, der Gehorsam gegenüber GOTT verleiht ihm die Freiheit, sich der Institution zu widersetzen

Die moderne Zeit hat von der Befreiung des Menschen gespro­chen, von seiner vollen Autonomie, dann auch von der Be­freiung vom Gehorsam gegenüber GOTT. Es dürfte keinen Gehorsam mehr geben, der Mensch ist frei, er ist autonom: nichts anderes. Doch diese Autonomie ist eine Lüge: sie ist eine ontologische Lüge, da der Mensch nicht aus sich selbst heraus und für sich selbst existiert, sie ist auch eine politische und praktische Lüge, da die Zusammenarbeit, das gemein­same Teilen der Freiheit notwendig ist. Und wenn es GOTT nicht gibt, wenn GOTT keine dem Menschen zugängliche In­stanz ist, so bleibt als oberste Instanz allein der Konsens der Mehrheit. Folglich wird der Konsens der Mehrheit zum letz­ten Wort, dem wir gehorchen müssen. Und dieser Konsens – das wissen wir aus der Geschichte des vergangenen Jahr­hunderts – kann auch ein ‚Konsens im Bösen’ sein. So se­hen wir, dass die sogenannte Autonomie den Menschen nicht wirklich befreit. Der Gehorsam gegenüber GOTT ist die Frei­heit, da er die Wahrheit ist, Er ist die Instanz, die vor allen an­deren menschlichen Instanzen steht. In der Geschichte der Menschheit sind die Worte des Petrus und des Sokrates das wahre Leuchtfeuer der Befreiung des Menschen, der es ver­steht, GOTT zu sehen, und der im Namen GOTTES nicht so sehr den Menschen, sondern Ihm gehorchen und sich so vom Positivismus des menschlichen Gehorsams befreien kann und muss. Die Diktaturen sind immer gegen diesen Gehorsam gegenüber GOTT gewesen. Die nationalsozialistische Diktatur kann wie die marxistische keinen GOTT akzeptieren, der über der ideologischen Macht steht… Heute leben wir GOTT sei Dank nicht unter Diktaturen, es gibt jedoch subtile Formen der Diktatur: einen Konformismus, der verpflichtend wird, zu denken, wie alle denken, zu handeln, wie alle handeln; und die subtilen oder auch weniger subtilen Aggressionen gegen die Kirche zeigen, dass dieser Konformismus wirklich eine wahre Diktatur sein kann. Für uns gilt dies: man muss GOTT mehr gehorchen als den Menschen. Dies aber setzt voraus, dass wir GOTT wirklich kennen und Ihm wirklich gehor­chen wollen. GOTT ist kein Vorwand für den eigenen Willen, sondern es ist wirklich Er, der uns ruft und, sollte es notwendig sein, auch zum Martyrium einlädt. Daher bitten wir angesichts dieses Wortes, mit dem eine neue Geschichte der Freiheit in der Welt beginnt, vor allem darum, GOTT zu erkennen und durch die Erkenntnis GOTTES den wahren Gehorsam zu ler­nen, der die Grundlage der menschlichen Freiheit ist…“

Predigt  in der Hl. Messe mit der Päpstl. Bibelkommission, 15.4.2010

Furcht, vom ewigen Leben zu sprechen?

…Die Nachfolge CHRISTI besteht nicht allein in der Nach­ahmung Seiner Tugenden, sie besteht nicht darin, nur in dieser Welt, so weit es uns möglich ist, ähnlich wie CHRISTUS zu leben, sondern sie ist ein Weg, der ein Ziel hat… In die­sem Sinn ist das Ziel dieses Wegs das ewige Leben zur Rechten des VATERS in der Gemeinschaft mit CHRISTUS. Wir fürchten uns heute oft ein wenig davor, vom ewigen Leben zu sprechen. Wir sprechen von den Dingen, die für die Welt nützlich sind, wir zeigen, dass das Christentum auch dabei hilft, die Welt zu verbessern, aber wir wagen es nicht, zu sagen, dass dessen Ziel das ewige Leben ist und dass von diesem Ziel dann alle Kriterien für das Leben herrühren. Wir müssen von Neuem begreifen, dass das Christentum ein ‚Fragment’ bleibt, wenn wir nicht an dieses Ziel denken, dass wir dem ‚archegós’ [Herrscher] bis zur Höhe GOTTES folgen wollen, bis zur Herrlichkeit des SOHNES, der uns zu Kindern im SOHN macht, und dass wir von Neuem anerkennen müs­sen, dass das Christentum nur in der großen Perspektive des ewigen Lebens seinen ganzen Sinn offenbart. Wir müssen den Mut, die Freude, die große Hoffnung haben, dass es das ewige Leben gibt, dass es das wahre Leben ist und dass aus diesem wahren Leben das Licht hervorgeht, das auch diese Welt erleuchtet…“

Predigt  in der Hl. Messe mit der Päpstl. Bibelkommission, 15.4.2010

Buße ist Gnade

„Halten wir noch bei einem weiteren Vers inne. CHRISTUS, der HEILAND, hat Israel die Umkehr und Vergebung der Sünden geschenkt (Apg 5,31) – der Begriff im griechischen Text lautet ‚metánoia’ -, Er hat Buße und Vergebung der Sünden gegeben. Das ist für mich eine sehr wichtige Feststellung: die Buße ist eine Gnade. Es gibt eine Tendenz in der Exegese, die sagt: JESUS hätte in Galiläa eine Gnade ohne Bedingungen, eine absolut bedingungslose Gnade verkündigt, somit auch ohne Buße, eine Gnade an sich, ohne menschliche Vorbedingungen. Doch dies ist eine falsche Interpretation der Gnade. Die Buße ist Gnade; es ist eine Gnade, dass wir unsere Sünde anerkennen, es ist eine Gnade, dass wir anerkennen, der Er­neuerung, der Änderung, einer Umformung unseres Seins zu bedürfen. Buße, die Möglichkeit, Buße zu tun, ist ein Geschenk der Gnade. Und ich muss sagen, dass wir Christen auch in der letzten Zeit oft das Wort Buße gemieden haben, es schien uns zu hart zu sein. Jetzt, unter den Angriffen der Welt, die von unseren Sünden sprechen, sehen wir, dass die Möglichkeit, Buße zu tun, Gnade ist. Und wir sehen, dass es notwendig ist, Buße zu tun, das heißt anzuerkennen, was in unserem Leben falsch ist, sich für die Vergebung zu öffnen, sich auf die Vergebung vorzubereiten, sich verwandeln zu lassen. Der Schmerz der Buße, das heißt der Reinigung, der Umformung, dieser Schmerz ist Gnade, da er Erneuerung, Werk der GÖTT­lichen Barmherzigkeit ist…“

Predigt  in der Hl. Messe mit der Päpstl. Bibelkommission, 15.4.2010

Botschaft von Fatima

„Unter dem Neuen, das wir heute in dieser Botschaft entdecken können, ist auch die Tatsache, dass die Angriffe gegen den Papst und die Kirche nicht nur von außen kommen, son­dern die Leiden der Kirche kommen gerade aus dem Inne­ren der Kirche, von der Sünde, die in der Kirche existiert. Auch das war immer bekannt, aber heute sehen wir es auf wahrhaft erschreckende Weise: Die größte Verfolgung der Kirche kommt nicht von äußeren Feinden, sondern er­wächst aus der Sünde in der Kirche. Und darum ist es für die Kirche zutiefst notwendig, dass sie neu lernt, Buße zu tun, die Reinigung anzunehmen; dass sie einerseits zu vergeben lernt, aber auch die Notwendigkeit der Gerechtigkeit sieht; denn Vergebung ersetzt die Gerechtigkeit nicht. Mit einem Wort, wir müssen gerade das Wesentliche neu lernen: die Umkehr, das Gebet, die Buße und die GÖTTlichen Tugenden. So ant­worten wir. Seien wir realistisch darauf gefasst, dass das Böse immer angreift, von innen und von außen, aber dass auch die Kräfte des Guten immer gegenwärtig sind und dass letztendlich der HERR stärker ist als das Böse. Und die MutterGOTTES ist für uns eine sichtbare, mütterliche Garantie der Güte GOTTES, die immer das letzte Wort in der Geschichte ist.“

Aus dem Interview mit Journalisten auf dem Flug
nach Portugal, 11.5.2010

Seelen für GOTT gewinnen

„…Liebe GOTTgeweihte Männer und Frauen, mit eurem Ein­satz im Gebet, in der Askese, im Wachstum des geistlichen Lebens, im Apostolat und in der Mission strebt ihr also dem himmlischen Jerusalem entgegen, nehmt ihr die Kirche der Endzeit vorweg, die GOTT, der die Liebe ist, fest ergriffen hat und Ihn voll Liebe betrachtet. Wie sehr brauchen wir heute dieses Zeugnis! Viele unserer Brüder und Schwestern leben, als ob es kein Jenseits gäbe, ohne sich um ihr ewiges Heil zu kümmern. Die Menschen sind dazu berufen, GOTT zu suchen, Ihn zu kennen und zu lieben; und die Kirche hat die Aufgabe, ihnen in dieser Berufung zu helfen. Wir wissen wohl, dass GOTT über Seine Gaben frei verfügt; die Bekehrung der Menschen ist eine Gnade. Aber wir sind für die Verkündi­gung des Glaubens verantwortlich, des ganzen Glaubens und der Anforderungen, die er mit sich bringt. Liebe Freunde, ahmen wir den Pfarrer von Ars nach, der so zu GOTT gebetet hat: ‚Gewähre mir die Bekehrung meiner Pfarrge­meinde, und ich bin bereit, für den Rest meines Lebens all das zu erleiden, was Du willst.’ Unter allen Gliedern des Leibes CHRISTI herrscht eine tiefe Solidarität: Es ist nicht möglich, CHRISTUS zu lieben, ohne Seine Brüder und Schwestern zu lieben. Für ihr Heil wollte der hl. Johannes Maria Vianney Priester sein: ‚Die Seelen für den guten GOTT gewinnen’, das war seine Erklärung, als er mit 18 Jahren von seiner Be­rufung sprach. So wie Paulus schrieb: ‚Möglichst viele gewin­nen’ (1 Kor 9,19). Der Generalvikar hatte zu Johannes Maria Vianney gesagt: ‚In dieser Pfarrgemeinde gibt es nicht viel Liebe zu GOTT; Sie werden die Liebe hineinbringen.’ In seiner priesterlichen Leidenschaft war der hl. Pfarrer wie JESUS in der Begegnung mit jedem Sünder barmherzig. Er betonte lieber das Anziehende der Tugend und das Erbarmen GOTTES, vor dessen Angesicht unsere Sünden ‚Sandkörner’ sind. Er hatte Angst, dass die Priester ‚unsensibel’ werden und sich mit der Gleichgültigkeit der Gläubigen abfinden könnten: ‚Wehe euch, Hirten’, ermahnte er, ‚wenn ihr stumm bleibt, wäh­rend ihr seht, wie GOTT beleidigt wird und die Seelen ins Ver­derben gehen.’ Liebe Mitbrüder im Priesteramt, bedenkt es an diesem Ort, dem Maria eine so besondere Bedeutung verliehen hat, und schaut auf ihre Berufung als treue Jüngerin ihres Soh­nes JESUS…“

Ansprache bei der Vesper mit Priestern, Ordensleuten usw., Fatima, 12.5.2010

„In unserer Zeit, in der der Glaube an vielen Orten der Erde wie eine Flamme zu verlöschen droht, die nicht genährt wird, ist es wichtiger als alles andere, dass GOTT in dieser Welt gegenwärtig wird und dass den Menschen der Zugang zu GOTT eröffnet wird; nicht zu irgendeinem Gott, sondern zum GOTT, der am Sinai gesprochen hat, zu dem GOTT, dessen Angesicht wir in der Liebe erkennen, die im gekreuzigten und auferstandenen CHRISTUS bis zum Äußersten gegangen ist (vgl. Joh 13,1). Liebe Brüder und Schwestern, betet JESUS CHRISTUS in euren Herzen an (vgl. 1 Petr 3,15)! Habt keine Angst, von GOTT zu sprechen und ohne Scheu die Zeichen des Glaubens zu zeigen, so dass vor den Augen eurer Zeitgenossen das Licht CHRISTI erstrahlt…“

Ansprache bei der Lichterprozession, 12.6.2010

Das Zeugnis gläubiger Menschen

„Tatsächlich erfordert die Zeit, in der wir leben, eine neue mis­sionarische Stärke der Christen, die dazu berufen sind, einen reifen Laienstand zu bilden, der sich mit der Kirche identifiziert und solidarisch mit der Welt ist, die einen komplexen Umge­staltungsprozess durchläuft. Es bedarf authentischer Zeugen JESU CHRISTI, vor allem in jenen menschlichen Bereichen, in denen das Verschweigen des Glaubens am meisten verbreitet und am größten ist: unter den Politikern, den In­tellektuellen und den Medienschaffenden, die eine monokultu­relle Sichtweise vertreten und fördern, die die religiöse und kontemplative Dimension des Lebens missachtet. In diesen Bereichen gibt es Gläubige, die sich nicht trauen, ihren Glau­ben zu bekennen, und so mit dem Säkularismus Hand in Hand gehen, der Barrieren gegen die christliche Inspiration aufrichtet. All jene, die in diesen Bereichen mutig ein kraftvolles katholisches Gedankengut verteidigen, das treu zum Lehramt steht, mögen hingegen, liebe Brüder, auch weiterhin euren Ansporn und euer erhellendes Wort empfangen, damit sie als gläubige Laien die christliche Freiheit leben. Bewahrt in der gegenwärtigen Lage der Welt ohne Maulkorb die prophetische Dimension, denn ‚das Wort GOTTES ist nicht gefesselt’ (2 Tim 2,9)…

Entscheidend ist aber, dass ihr es schafft, allen, die in der Verkündigung des Evangeliums tätig sind, ein echtes, eifriges Streben nach Heiligkeit einzuflößen und ihnen bewusst zu machen, dass das Ergebnis vor allem auf der Einheit mit CHRISTUS und dem Handeln des HL. GEISTES beruht. Denn wenn der katholische Glaube im Empfinden vieler kein gemein­sames Erbe der Gesellschaft mehr darstellt und oft eine Saat zu sein scheint, die von den ‚Göttern’ und Herren dieser Welt bedrängt und verdunkelt wird, dann werden die Herzen nur schwer von bloßen Worten oder moralischen Vorhaltungen berührt werden und noch weniger von allgemein gehaltenen Verweisen auf die christlichen Werte. Der mutige und umfas­sende Verweis auf die Prinzipien ist grundlegend und unerläss­lich; dennoch kommt die bloße Darlegung der Botschaft nicht in der Tiefe des menschlichen Herzens an, berührt seine Freiheit nicht, ändert nicht sein Leben. Das, was fasziniert, ist vor allem die Begegnung mit gläubigen Menschen, die durch ihren Glauben Zeugnis von CHRISTUS ablegen und die ande­ren zu Seiner Gnade hinführen…“

Begegnung mit den Bischöfen Portugals, Fatima, 13.5.2010

Das Kreuz spricht von Hoffnung

„Das Kreuz ist dann etwas viel Größeres und Geheimnisvolle­res, als es zunächst erscheint. Es ist in der Tat ein Werkzeug der Folter, des Leidens und der Niederlage, aber gleichzeitig bringt es die völlige Umwandlung, die endgültige Umkeh­rung dieser Übel zum Ausdruck: Das macht es dann zum ausdrucksstärksten Symbol der Hoffnung, das die Welt je ge­sehen hatte. Es spricht zu allen, die leiden – zu den Unter­drückten, den Kranken, den Armen, den Ausgestoßenen, den Opfern von Gewalt -, und gibt ihnen Hoffnung, dass GOTT ihr Leiden in Freude verwandeln kann, ihre Einsamkeit in Gemein­schaft, ihren Tod in Leben. Es bringt unbegrenzte Hoffnung in unsere gefallene Welt. Das ist der Grund, warum die Welt das Kreuz braucht. Das Kreuz ist nicht bloß ein persönliches Frömmigkeitssymbol, es ist nicht bloß ein Mitgliedsabzeichen einer bestimmten Gesellschaftsgruppe, noch hat es im weites­ten Sinne zu tun mit dem gewaltsamen Aufzwingen einer  Weltanschauung oder einer Philosophie. Das Kreuz spricht von Hoffnung, es spricht von Liebe, vom Sieg der Gewaltlosigkeit über die Unterdrückung, es spricht von GOTT, der die Niedri­gen erhöht, die Schwachen stärkt, Spaltungen beseitigt und den Hass durch Liebe überwindet. Eine Welt ohne das Kreuz wäre eine Welt ohne Hoffnung, eine Welt, in der Folter und Brutalität ungehindert weitergehen würden, in der die Schwachen ausgenutzt und die Gier das letzte Wort haben würden. Die Unmenschlichkeit unter den Menschen würde sich auf immer schrecklichere Weise zeigen… Mit Recht beschreibt der hl. Andreas von Kreta das Kreuz als ‚das von allem Schö­nen dem Namen und der Wirklichkeit nach Schönste’, ‚es ist ein Schatz: in dem, durch den und auf den hin uns die ganze Summe des Heils wiederhergestellt und hinterlegt ist’ (Oratio X; PG 97, 1018-1019)…“

Predigt bei der hl. Messe in der Hl.-Kreuz-Kirche in Nikosia, Cypern, 5.6.2010

„…dass dem bösen Feind dieses neue Leuchten
des Priestertums nicht gefallen würde“

„…Der Priester ist nicht einfach ein Amtsträger wie ihn jede Gesellschaft braucht, damit gewisse Funktionen in ihr erfüllt werden können. Er tut vielmehr etwas, das kein Mensch aus sich heraus kann: Er spricht in CHRISTI Namen das Wort der Vergebung für unsere Sünden und ändert so von GOTT her den Zustand unseres Lebens. Er spricht über die Gaben von Brot und Wein die Dankesworte CHRISTI, die Wandlungsworte sind – Ihn selbst, den Auferstandenen, Sein Fleisch und Sein Blut gegenwärtig werden lassen und so die Elemente der Welt verändern: die Welt auf GOTT hin aufreißen und mit Ihm zu­sammenfügen. So ist Priestertum nicht einfach ‚Amt’, son­dern Sakrament: GOTT bedient sich eines armseligen Men­schen, um durch ihn für die Menschen da zu sein und zu han­deln. Diese Kühnheit GOTTES, der sich Menschen anvertraut, Menschen zutraut, für Ihn zu handeln und da zu sein, obwohl Er unsere Schwächen kennt – die ist das wirklich Große, das sich im Wort Priestertum verbirgt. Dass GOTT uns dies zu­traut, dass Er Menschen so in Seinen Dienst ruft und so sich ihnen von innen her verbindet, das wollten wir in die­sem Jahr neu bedenken und verstehen. Wir wollten die Freude neu aufleben lassen, dass GOTT uns so nahe ist und die Dankbarkeit dafür, dass Er sich unserer Schwachheit an­vertraut. Dass Er uns führt und hält, Tag um Tag. So wollten wir auch jungen Menschen wieder zeigen, dass es diese Berufung, diese Dienstgemeinschaft für GOTT und mit GOTT gibt – ja, dass GOTT auf unser JA wartet. Mit der Kirche wollten wir wieder darauf hinweisen, dass wir GOTT um diese Berufung bitten müssen…

Es war zu erwarten, dass dem bösen Feind dieses neue Leuchten des Priestertums nicht gefallen würde, das er lieber aussterben sehen möchte, damit letztlich GOTT aus der Welt hinausgedrängt wird. So ist es geschehen, dass gerade in diesem Jahr der Freude über das Sakrament des Priestertums die Sünden von Priestern bekannt wurden – vor allem der Missbrauch der Kleinen, in dem das Priestertum als Auftrag der Sorge GOTTES um den Menschen in sein Ge­genteil verkehrt. Auch wir bitten GOTT und die betroffenen Menschen inständig um Vergebung und versprechen zugleich, dass wir alles tun wollen, um solchen Missbrauch nicht wieder vorkommen zu lassen… Wenn das Priesterjahr eine Rüh­mung unserer eigenen menschlichen Leistung hätte sein sollen, dann wäre es durch diese Vorgänge zerstört wor­den. Aber es ging uns gerade um das Gegenteil: Das Dank­bar-Werden für die Gabe GOTTES, die sich ‚in irdischen Gefä­ßen’ birgt und die immer wieder durch alle menschliche Schwachheit hindurch Seine Liebe in dieser Welt praktisch werden lässt. So sehen wir das Geschehene als Auftrag zur Reinigung an…

„Dein Stab und dein Stock geben mir Zuversicht’ [Ps 23 (22)]: Der Hirte braucht den Stock gegen die wilden Tiere, die in die Herde einbrechen möchten; gegen die Räuber, die sich ihre Beute suchen. Neben dem Stock steht der Stab, der Halt schenkt und schwierige Passagen zu durchschreiten hilft. Bei­des gehört auch zum Dienst der Kirche, zum Dienst des Pries­ters. Auch die Kirche muss den Stock des Hirten gebrau­chen, mit dem sie den Glauben schützt gegen die Verfäl­scher, gegen die Führungen, die Verführungen sind. Gerade der Gebrauch des Stockes kann ein Dienst der Liebe sein. Heute sehen wir es, dass es keine Liebe ist, wenn ein für das priesterliche Leben unwürdiges Verhalten geduldet wird. So ist es auch nicht Liebe, wenn man die Irrlehre, die Entstellung und Auflösung des Glaubens wuchern lässt, als ob wir den Glauben selbst erfänden. Als ob er nicht mehr GOTTES Geschenk, die kostbare Perle wäre, die wir uns nicht nehmen lassen. Zugleich freilich muss der Stock immer wieder Stab des Hirten werden, der den Menschen hilft, auf schwie­rigen Wegen gehen zu können und dem HERRN nachzu­folgen…“

Predigt in der hl. Messe zum Abschluss des Priesterjahres
am Herz-JESU-Fest, 11.6.2010

Der Scheinwissenschaftlichkeit Widerstand leisten

„Sie sprechen ein sehr schwieriges und schmerzhaftes Prob­lem an. Es gibt wirklich eine Theologie, die vor allem akade­misch sein, wissenschaftlich erscheinen will und dabei die lebensnotwendige Wirklichkeit vergisst, die Gegenwart GOTTES, Seine Gegenwart unter uns, Sein Sprechen heute, nicht nur in der Vergangenheit. Schon Bonaventura hat zu seiner Zeit zwei Formen von Theologie unterschieden. Er hat gesagt: ‚Es gibt eine Theologie, die aus der Arroganz der Ver­nunft stammt, die alles beherrschen will, die GOTT vom Sub­jekt zum Objekt macht, das wir studieren, während Er das Subjekt sein müsste, das zu uns spricht und uns führt.’ Es gibt wirklich diesen Missbrauch der Theologie, der Arroganz der Vernunft ist und den Glauben nicht nährt, sondern die Gegenwart GOTTES in der Welt verdunkelt. Dann gibt es eine Theologie, die eine größere Kenntnis anstrebt aus Liebe zum Geliebten, … sie will den Geliebten besser ken­nenlernen. Und das ist die wahre Theologie…

Es gibt Missbräuche, das wissen wir, aber in allen Teilen der Welt gibt es viele Theologen, die wirklich vom Wort GOTTES leben… Und den Theologen im Allgemeinen möchte ich sagen: ‚Habt keine Angst vor diesem Phantom der Wissenschaft­lichkeit!’ Ich verfolge die Theologie seit 1946: Ich habe im Januar 1946 begonnen, Theologie zu studieren und habe da­her fast drei Generationen von Theologen erlebt, und ich kann sagen: Die Thesen, die zu jener Zeit und dann in den 60er und 80er Jahren ganz neu waren, absolut wissenschaft­lich, fast absolut dogmatisch, sie sind in der Zwischenzeit veraltet und gelten nicht mehr! Viele von ihnen erscheinen fast lächerlich. Das heißt, den Mut haben, der scheinbaren Wissenschaftlichkeit Widerstand zu leisten, sich nicht allen Thesen des Augenblicks unterwerfen, sondern wirklich aus­gehend vom großen Glauben der Kirche zu denken, der zu allen Zeiten gegenwärtig ist und uns den Zugang zur Wahrheit öffnet. Vor allem auch nicht zu denken, dass die positivistische Vernunft, die die Transzendenz ausschließt – die unzugänglich ist –, die wahre Vernunft ist! Diese schwache Vernunft, die nur das Erfahrbare zeigt, ist in Wirklichkeit eine unzureichende Vernunft. Wir Theologen müssen die umfassende Vernunft gebrauchen, die für die Größe GOTTES offen ist… Es gibt keine Mehrheit gegen die Mehrheit der Heili­gen: Die wahre Mehrheit sind die Heiligen in der Kirche, und an den Heiligen müssen wir uns orientieren!… Haben wir Vertrauen in dieses bleibende Lehramt der Gemeinschaft der Bischöfe mit dem Papst… Die Ausbildung ist sehr wichtig. Aber wir müssen auch kritisch sein: das Kriterium des Glaubens ist das Kriterium, nach dem auch die Theologen und die Theologien zu beurteilen sind. Papst Johannes Paul II. hat uns mit dem Katechismus der Katholischen Kirche ein absolut si­cheres Kriterium geschenkt: hier finden wir die Zusammenfas­sung unseres Glaubens…“

Antwort auf Priesterfrage bei der Gebetswache am Petersplatz zum Abschluss des Priesterjahres, 11.6.2010

Das Ärgernis des Zölibats: das endgültige „Ja“

„…Das Zentrum unseres Lebens muss wirklich die tägliche Eucharistiefeier sein… CHRISTUS zieht uns in sich hinein und erlaubt uns die Vereinigung mit Ihm… so… verwirklicht Er das Andauern, die Einzigartigkeit Seines Priestertums; so ist Er wahrhaft immer der einzige Priester, und dennoch sehr gegen­wärtig in der Welt… Es ist wichtig, dass wir uns immer von Neuem von dieser Identifikation des ‚Ichs’ CHRISTI mit uns durchdringen lassen, von diesem ‚Hinausgezogen werden’ in die Welt der Auferstehung. In dieser Hinsicht ist der Zölibat eine Vorwegnahme. Wir übersteigen diese Zeit und gehen weiter, und so ‚ziehen’ wir uns selbst und unsere Zeit auf die Welt der Auferstehung hin, auf die Neuheit CHRISTI, das neue und wahre Leben zu. Das heißt, der Zölibat ist eine Vorweg­nahme, die möglich wird durch die Gnade des HERRN, der uns zu sich ‚zieht’, zur Welt der Auferstehung hin; Er lädt uns immer von Neuem ein, uns selbst zu übersteigen, diese Ge­genwart, hin auf die wahre Gegenwart der Zukunft, die heute Gegenwart wird. Und hier sind wir bei einem sehr wichtigen Punkt angelangt. Ein großes Problem des Christentums der heutigen Welt ist, dass man nicht mehr an die Zukunft GOTTES denkt: die bloße Gegenwart dieser Welt scheint ausreichend zu sein. Wir wollen nur diese Welt haben, nur in dieser Welt leben. So schließen wir die Tür für die wahre Größe unseres Lebens. Der Sinn des Zölibats als Vorweg­nahme der Zukunft ist gerade das Öffnen dieser Türen, die Welt größer werden zu lassen, die Wirklichkeit der Zukunft zu zeigen, die von uns schon jetzt als Gegenwart gelebt werden muss. So leben wir im Zeugnis des Glaubens: Wir glauben wirklich, dass es GOTT gibt, dass GOTT in meinem Leben eine Rolle spielt, dass ich mein Leben auf CHRISTUS bauen kann, auf das zukünftige Leben.

Und jetzt erkennen wir die weltliche Kritik, von der Sie gespro­chen haben. Es ist wahr, dass für die agnostische Welt, die Welt, in der GOTT keine Rolle spielt, der Zölibat etwas ist, das großen Anstoß erregt, weil gerade er zeigt, dass GOTT als Wirklichkeit betrachtet und erlebt wird. Mit dem escha­tologischen Leben des Zölibats tritt die zukünftige Welt GOTTES in die Wirklichkeiten unserer Zeit. Und das soll besei­tigt werden! In gewisser Hinsicht mag diese beständige Kritik am Zölibat überraschen, in einer Zeit, in der es immer mehr Mode wird, nicht zu heiraten. Aber dieses Nicht-Heiraten ist etwas vollständig und grundlegend Anderes als der Zölibat, denn das Nicht-Heiraten ist auf den Willen gegründet, nur für sich selbst zu leben, keine endgültige Bindung zu akzeptieren, das Leben zu jedem Zeitpunkt in vollkommener Autonomie zu leben, jeden Augenblick zu entscheiden, was zu tun ist, was man vom Leben nimmt; es ist daher ein ‚Nein’ zur Bindung, ein ‚Nein’ zur Endgültigkeit, es bedeutet, das Leben nur für sich allein zu haben. Der Zölibat dagegen ist genau das Gegenteil: er ist ein endgültiges ‚Ja’, ein sich von den Hän­den GOTTES Ergreifen-lassen, ein sich in die Hände GOTTES, in sein ‚Ich’ Hineinlegen, das heißt es ist ein Akt der Treue und des Vertrauens, ein Akt, der auch Voraussetzung ist für die Treue in der Ehe. Es ist genau das Gegenteil dieses ‚Nein’, dieser Autonomie, die sich nicht verpflichten will, die keine Bindung eingehen will. Es ist das endgültige ‚Ja’, das das end­gültige ‚Ja’ der Ehe voraussetzt und bestätigt. Und diese Ehe ist die biblische Form, die natürliche Form des Mann- und Frau-Seins, die Grundlage der großen christlichen Kultur und großen Kulturen der Welt. Und wenn das verschwindet, wird die Wur­zel unserer Kultur zerstört. Deshalb bestätigt der Zölibat das ‚Ja’ der Ehe mit seinem ‚Ja’ zur zukünftigen Welt, und so wollen wir weitergehen und diesen Anstoß eines Glaubens gegenwärtig machen, der sein ganzes Leben auf GOTT setzt. Wir wissen, dass es neben diesem großen Ärgernis, das die Welt nicht sehen will, die zweitrangigen Skandale unserer Unzulänglichkeiten, unserer Sünden gibt, die das große Ärgernis verdunkeln und denken lassen: ‚Aber sie gründen ihr Leben nicht wirklich auf GOTT!’ Aber es gibt sehr viel Treue. Der Zölibat, das zeigt gerade die Kritik, ist ein großes Zeichen des Glaubens, der Gegenwart GOTTES in der Welt. Bitten wir den HERRN, dass Er uns hilft, uns von den zweitrangigen Skandalen zu befreien, dass Er das große ‚Ärgernis’ unseres Glaubens gegenwärtig macht: das Vertrauen, die Kraft unseres Lebens, das auf GOTT und JESUS CHRISTUS gegründet ist!“

Antwort auf Priesterfrage bei der Gebetswache am Petersplatz
zum Abschluss des Priesterjahres, 11.6.2010

Sprachrohr des Stellvertreters CHRISTI

„Ich möchte kurz bei dem Begriff der ‚Vertretung’ verweilen. Nicht selten wird er heutzutage nur partiell verstanden: man neigt dazu, ihn mit etwas rein Äußerlichem, Formellem und we­nig Persönlichem zu assoziieren. Der Repräsentationsdienst, auf den ihr euch vorbereitet, ist dagegen etwa viel Tieferes, weil er Teilnahme an der ‚sollicitudo omnium ecclesiarum’ ist, der den Dienst des römischen Papstes auszeichnet. Aus die­sem Grund ist es eine ausgesprochen persönliche Wirklich­keit… (und) impliziert… die Notwendigkeit, im persönlichen priesterlichen Leben einige Dimensionen anzunehmen und zu pflegen…

Vor allem geht es darum, eine volle innere Zustimmung und Treue zur Person des Papstes, zu seinem Lehramt und sei­nem universalen Dienst zu pflegen… Zweitens: als Lebensstil und tägliche Priorität eine aufmerksame Sorge – eine wahre ‚Leidenschaft’ – für die kirchliche Gemeinschaft zu pflegen. Den Papst zu vertreten bedeutet außerdem, die Fähigkeit zu haben, eine feste ‚Brücke’, ein zuverlässiger Kommunikations­kanal zwischen den Teilkirchen und dem Apostolischen Stuhl zu sein: einerseits dadurch, dass er dem Papst und seinen Mit­arbeitern eine objektive, korrekte und vertiefte Sichtweise auf die kirchliche und soziale Realität, in der er lebt, übermittelt; andererseits dadurch, dass er sich einsetzt für die Übermittlung der Normen, Weisungen, Orientierungen, die vom Hl. Stuhl ausgehen, und zwar nicht in bürokratischer Weise, sondern mit einer tiefen Liebe zur Kirche und mit Hilfe des persönlichen Vertrauens, das er geduldig aufgebaut hat…

(So)… wird der päpstliche Vertreter… wahrhaft ein Zeichen der Gegenwart und der Liebe des Papstes… Bei genauem Hinsehen handelt es sich um einen echten priesterlichen Dienst. Er ist gekennzeichnet von einer naheliegenden Ana­logie zur Stellvertretung CHRISTI, die für den Priester charak­teristisch ist und die als solche eine wesensmäßige Opfer­dimension besitzt. Genau hierin hat auch der besondere Stil des Dienstes der Vertretung seinen Ursprung, den ihr bei den staatlichen Obrigkeiten oder Internationalen Organisationen auszuüben berufen seid. Denn auch in diesen Bereichen wer­den Gestalt und Auftreten des Nuntius, des Apostolischen De­legaten, des Ständigen Beobachters nicht nur vom Umfeld be­stimmt, in dem er handelt, sondern zuerst und vor allem von dem, den sie zu vertreten berufen sind… Sprachrohr des Stellvertreters CHRISTI zu werden kann sehr anspruchsvoll, bisweilen äußerst fordernd sein, aber es wird nie demütigend oder entpersönlichend sein. Es wird dagegen eine echte Art und Weise, die eigene priesterliche Berufung zu verwirklichen…“

Ansprache an die Päpstliche Diplomatenakademie, 14.6.2010

Thomas von Aquin: Vernunft und Glaube, Natur und Gnade

„Heute möchte ich fortfahren, den hl. Thomas von Aquin vorzu­stellen, einen Theologen von derartigem Wert, dass das Studi­um seines Denkens ausdrücklich vom II. Vatikanischen Konzil in zwei Dokumenten empfohlen worden ist… Im Übrigen hat Papst Leo XIII., der ihn sehr schätzte und die thomistischen Studien förderte, den hl. Thomas bereits 1880 zum Schutzpa­tron der kath. Schulen und Universitäten erklärt…

Die Beziehung zwischen Philosophie und Theologie, zwischen Glauben und Vernunft musste neu bedacht wer­den… Die vordringliche Frage war folgende: Sind die Welt der Rationalität, die ohne CHRISTUS gedachte Philosophie und die Welt des Glaubens miteinander vereinbar?… Der hl. Thomas war fest davon überzeugt, dass sie miteinander vereinbar seien – ja, dass die ohne die Kenntnis CHRISTI erarbeitete Philo­sophie gleichsam das Licht CHRISTI erwartete, um vollständig zu sein… Der Beweis dieser Unabhängigkeit zwischen Phi­losophie und Theologie und gleichzeitig ihrer gegenseitigen Bezogenheit war die historische Sendung des großen Meis­ters. Und so versteht man, warum Leo XIII. im 19. Jahrhundert, als die Unvereinbarkeit von moderner Vernunft und Glauben nachdrücklich behauptet wurde, auf den hl. Thomas als eine Leitfigur im Dialog zwischen den beiden verwies… Der Glaube festigt, ergänzt und erleuchtet das Erbe der Wahrheit, das die menschliche Vernunft erwirbt. Das Vertrauen, das der hl. Thomas in diese beiden Werkzeuge der Erkenntnis – Glaube und Vernunft – legt, kann auf die Überzeugung zurückgeführt werden, dass beide der einen Quelle der Wahrheit entspringen, dem GÖTTlichen ‚Logos’, der sowohl im Bereich der Schöp­fung als auch in dem der Erlösung wirkt. Mit der Überein­stimmung von Glauben und Vernunft muss man andererseits zugleich erkennen, dass sie sich unterschiedlicher erkenntnismäßiger Vorgehensweisen bedienen. Die Vernunft nimmt eine Wahrheit kraft ihrer inneren, mittelbaren oder unmittelbaren Offensichtlichkeit an; der Glaube dagegen übernimmt eine Wahrheit aufgrund der Autorität des Wortes GOTTES, der sich offenbart… Diese Unterscheidung gewährleistet die Unabhängigkeit sowohl der Humanwissenschaften als auch der theologischen Wissenschaften. Sie kommt jedoch nicht einer Trennung gleich, sondern schließt vielmehr eine gegenseitige und vorteilhafte Zusammenarbeit ein. Der Glaube nämlich schützt die Vernunft vor jeglicher Versuchung des mangeln­den Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten; er spornt sie an, sich immer weiteren Horizonten zu öffnen; er hält in ihr die Suche nach den Grundlagen lebendig; und wenn die Vernunft selbst auf die übernatürliche Sphäre der Beziehung zwischen GOTT und dem Menschen angewandt wird, bereichert er ihre Tätigkeit. Dem hl. Thomas zufolge kann zum Beispiel die menschliche Vernunft ohne Weiteres zur Bejahung der Exis­tenz eines einzigen GOTTES gelangen, aber nur der Glaube, der die GÖTTliche Offenbarung annimmt, ist in der Lage, aus dem Geheimnis der Liebe des einen und dreifaltigen GOTTES zu schöpfen.

Andererseits hilft nicht nur der Glaube der Vernunft. Auch die Vernunft kann mit ihren Mitteln etwas Wichtiges für den Glauben tun und ihm einen dreifachen Dienst leisten, den der hl. Thomas im Vorwort seines Kommentars zu De Trinitate des Boethius zusammenfasst: ‚Die Grundlagen des Glaubens auf­zeigen; durch Vergleiche die Wahrheit des Glaubens erklären; die Einwände, die sich gegen den Glauben erheben, zurück­weisen’ (q.2, a.2)…

(Die) grundlegende Übereinstimmung zwischen der mensch­lichen Vernunft und dem christlichen Glauben wird in einem weiteren Grundprinzip des Denkens des Aquinaten ersichtlich: Die GÖTTliche Gnade hebt die menschliche Natur nicht auf, sondern setzt sie voraus und bringt sie zur Vollendung. Auch nach dem Sündenfall ist letztere nämlich nicht vollkom­men verdorben, sondern verwundet und geschwächt. Die von GOTT geschenkte und duch das Geheimnis des fleischgewor­denen WORTES mitgeteilte Gnade ist ein absolut unentgelt­liches Geschenk, das die Natur heilt und stärkt und ihr hilft, dem Verlangen nachzugehen, das im Herzen eines jeden Man­nes und einer jeden Frau vorhanden ist: der Glückseligkeit. Alle Fähigkeiten des menschlichen Seins werden durch die GÖTT­liche Gnade gereinigt, verwandelt und erhoben.

Eine wichtige Anwendung dieser Beziehung zwischen Natur und Gnade wird in der Moraltheologie des hl. Thomas von Aquin ersichtlich, die sich als sehr zeitgemäß erweist: In den Mittelpunkt seiner Lehre auf diesem Gebiet stellt er das neue Gesetz, das Gesetz des HL. GEISTES… So macht er deutlich, dass jeder Christ die hohen Ziele der ‚Bergpredigt’ erreichen kann, wenn er in einer wahren Beziehung des Glaubens an CHRISTUS lebt, wenn er sich dem Wirken des HL. GEISTES öffnet. Der Aquinate fügt jedoch hinzu: ‚Auch wenn die Gnade wirksamer ist als die Natur, so ist dennoch die Natur wesent­licher für den Menschen’ (Summa theologiae, I-II, q.94, a.6, ad 2). Es gibt daher in der christlichen Perspektive der Moral einen Platz für die Vernunft, die fähig ist, das natürliche Sittengesetz zu erkennen… Sowohl die theologalen als auch die sittlichen Tugenden des Menschen sind in der menschlichen Natur ver­wurzelt. Die GÖTTliche Gnade begleitet, stützt und drängt das ethische Bemühen, aber an sich sind dem hl. Thomas zufolge alle Menschen, Gläubige und Nichtgläubige, aufge­rufen, die Erfordernisse der menschlichen Natur, die im Naturrecht zum Ausdruck kommen, zu erkennen und sich an diesem bei der Formulierung der positiven Gesetze aus­zurichten, also der Gesetze, die von den zivilen und politi­schen Autoritäten erlassen werden, um das menschliche Zu­sammenleben zu regeln. Wenn das Naturrecht und die Ver­antwortung, die es mit sich bringt, geleugnet werden, öffnet sich dramatisch der Weg zum ethischen Relativismus auf individueller Ebene und zum Totalitarismus des Staates auf politischer Ebene. Die Verteidigung der universalen Rechte des Menschen und die Bejahung des absoluten Wertes der Würde der Person erfordern eine Grundlage…“

Generalaudienz, 16.6.2010


 

 

 

2. Soziale Themen


 

Recht der Kirche, sich öffentlich zu äußern

„…dass zu deren [der menschlichen Existenz] Schutz ein ech­ter sozialer Zusammenhalt notwendig ist, in dem die legitimen Meinungsunterschiede ihren Platz haben. Er basiert auf der Überzeugung, dass das menschliche Leben und die Men­schenwürde ein wertvolles Gut darstellen, das verteidigt und mit Entschiedenheit gefördert werden muss, indem man sich auf das Naturrecht stützt. Seit langer Zeit ist die Kirche ein Teil der Geschichte und des sozialen Gefüges Ihrer Nation… So stellt sich die Kirche gerne in den Dienst aller Glieder der belgischen Gesellschaft. Jedoch scheint es ange­bracht zu unterstreichen, dass die Kirche als Institution ein Recht besitzt, sich öffentlich zu äußern. Sie teilt dieses Recht mit allen Individuen und Institutionen, um ihre Meinung in Bezug auf Fragen von allgemeinem Interesse zum Ausdruck zu bringen. Die Kirche achtet die Freiheit aller, anders zu denken als sie selbst; sie möchte auch, dass ihre eigene Meinungs­freiheit geachtet wird. Die Kirche ist Hüterin einer Lehre, einer religiösen Botschaft, die sie von JESUS CHRISTUS empfan­gen hat. Man kann sie mit den folgenden Worten aus der Hl. Schrift zusammenfassen: ‚GOTT ist Liebe’ (1 Joh 4,16), und sie strahlt ihr Licht auf den Sinn des persönlichen, familiären und sozialen Lebens des Menschen aus. Die Kirche, die das Ge­meinwohl im Auge hat, fordert für sich nichts anderes, als die Freiheit, diese Botschaft unter Achtung der Gewissenfreiheit zu verkünden, ohne sich irgendjemandem aufzu­drängen.

Diese kirchliche Lehre war es, aus der Joseph de Veuster lebte und durch die er zu dem geworden ist, den man heute den ‚hl. Damian’ nennt. Die außergewöhnliche Bestimmung dieses Menschen zeigt, wie sehr das Evangelium Quelle einer Ethik ist, die freundschaftlich an der Seite des Menschen steht, vor allem wenn er in Not ist oder abgelehnt wird…“

Audienz für den neuen Botschafter Belgiens, 24.4.2010


 

 

 

3. Ehe, Familie und Erziehung, Lebensrecht und Bioethik

 

 

Anerkennung der menschlichen Würde
gründet im Gesetz des Schöpfers

„Die Fragen der Bioethik stellen häufig den Hinweis auf die Würde der menschlichen Person in den Vordergrund, ein grundlegendes Prinzip, das der Glaube an JESUS CHRISTUS, den Gekreuzigten und Auferstandenen, immer verteidigt hat, vor allem wenn es gegenüber den geringsten und schutzlo­sesten Personen missachtet wird: GOTT liebt jeden Menschen einzigartig und zutiefst… Die Anerkennung der mensch­lichen Würde als unveräußerliches Recht hat nämlich ihre erste Grundlage in jenem Gesetz, das nicht von Menschenhand niedergeschrieben, sondern vom Schöpfer­GOTT dem Menschen ins Herz eingeschrieben wurde, ein Gesetz, das von jeder Rechtsordnung als unverletzlich anzuerkennen ist und die jeder einzelne zu respektieren und zu fördern verpflichtet ist. Ohne das begründende Prin­zip der Menschenwürde wäre es schwierig, eine Quelle für die Rechte der menschlichen Person zu finden, und unmöglich, zu einem ethischen Urteil über die Errungenschaften der Wissen­schaft zu gelangen, die direkt in das menschliche Leben ein­greifen. Es ist daher notwendig, standhaft zu wiederholen, dass es kein Verständnis der Menschenwürde gibt, das nur an äu­ßere Elemente gebunden ist, wie den Fortschritt der Wissen­schaft, die stufenweise Entwicklung des menschlichen Lebens oder das oberflächliche Mitleid in Grenzsituationen. Wenn man Respekt für die Würde der menschlichen Person fordert, geht es grundlegend um den vollen, vollständigen und uneinge­schränkten Respekt, nämlich zu erkennen, dass man es immer mit einem Menschenleben zu tun hat…“

Audienz für die Pp. Akademie für das Leben zum Thema „Bioethik und Naturrecht“, 13.2.2010

Dem Erziehungsnotstand begegnen

„…(Ihr) habt entschieden, die ‚Erziehung’ als bestimmendes Thema für die kommenden zehn Jahre zu wählen… Und es scheint mir notwendig zu sein, bis an die tiefen Wurzeln die­ses Notstandes zu gehen, um angemessene Antworten auf diese Herausforderung zu finden. Ich sehe vor allem zwei Wurzeln. Ein wesentlicher Grund ist, so scheint mir, ein fal­scher Begriff von der Freiheit des Menschen: Der Mensch soll sich nur aus sich selbst entwickeln, ohne die Auferle­gung von Geboten durch andere, die zwar seine Selbstent­wicklung fördern, aber in diese Entwicklung nicht eingreifen können. In Wirklichkeit ist für die menschliche Person die Tatsache grundlegend, dass sie nur durch den anderen sie selbst wird, das ‚Ich’ findet sich selbst nur vom ‚Du’ und vom ‚Ihr’ her, es ist für den Dialog geschaffen… Daher ist die sog. antiautoritäre Erziehung keine Erziehung, sondern der Verzicht auf Erziehung: so wird das, was wir den anderen als Gabe schulden, nicht weitergegeben… Man muss die falsche Vorstellung von der Autonomie des Menschen über­winden, als die eines ‚Ich’, das in sich selbst vollständig da ist, während es dagegen auch in der gemeinsamen Begegnung mit dem ‚Du’ und dem ‚Wir’ ‚Ich selbst wird’. – Die zweite Wurzel des Erziehungsnotstandes sehe ich in Skeptizismus und Relativismus, oder einfacher und klarer ausgedrückt in den beiden Quellen, die dem Weg des Menschen Orientierung geben. Die erste Quelle sollte die Natur sein, die zweite Quelle die Offenbarung. Aber heute wird die Natur als ein rein mechanischer Sachverhalt betrachtet, der an sich über­haupt kein moralisches Gebot enthält, keine Werte, die Orien­tierung geben… Die Offenbarung wird entweder als ein Augen­blick der historischen Entwicklung betrachtet und daher als relativ wie die gesamte historische und kulturelle Entwicklung. Oder man sagt, dass es vielleicht eine Offenbarung gegeben haben mag, aber diese habe keine objektiven Inhalte, sondern enthalte nur subjektive Entscheidungsgründe. Und wenn diese beiden Quellen, die Natur und die Offenbarung, schweigen, dann bleibt auch die dritte Quelle, die Geschichte, stumm, weil auch die Geschichte nur noch eine Ansammlung von kulturel­len Entscheidungen wird, die zufällig, willkürlich getroffen wer­den und für Gegenwart und Zukunft keine Gültigkeit haben. Es ist also grundlegend, einen wahren Begriff von der Natur wiederzufinden als Schöpfung GOTTES, die zu uns spricht; der Schöpfer spricht durch das Buch der Schöpfung zu uns und zeigt uns die wahren Werte. Und so müssen wir auch einen wahren Begriff von der Offenbarung wiederfinden: Wir müssen erkennen, dass das Buch der Schöpfung, in dem uns GOTT die grundlegende Orientierung gibt, in der Offenbarung entschlüsselt sowie in der kulturellen und religiösen Geschichte umgesetzt und angeeignet wird, nicht ohne Irrtümer, aber im Kern in gültiger Weise, die immer neu zu entwickeln und zu läutern ist…

Erziehen war nie einfach, aber wir dürfen nicht aufgeben: wir würden den Auftrag sonst nicht erfüllen, den der HERR selbst uns anvertraut hat, als Er uns dazu berief, mit Liebe Seine Herde zu weiden. Wecken wir vielmehr in unseren Ge­meinschaften wieder jene erzieherische Leidenschaft, die eine Leidenschaft des ‚Ich’ für das ‚Du’, das ‚Wir’, für GOTT ist und die nicht auf eine Didaktik hinausläuft, auf eine Ge­samtheit von Techniken und nicht einmal auf die Weitergabe von trockenen Prinzipien. Erziehen bedeutet, die jungen Gene­rationen zu formen, damit sie in Beziehung zur Welt zu treten wissen, gestützt auf eine bedeutungsvolle Erinnerung, die nicht zufällig geschieht, sondern von der Sprache GOTTES berei­chert wird, die wir in der Natur und in der Offenbarung finden, sowie von einem inneren geteilten Erbe, von der wahren Weis­heit, die das transzendentale Ziel des Lebens erkennt und so den Gedanken, Gefühlen und dem Urteil Orientierung gibt… Die Weitergabe des Glaubens ist ein unaufgebbarer Teil der ganzheitlichen Bildung der Person, denn in JESUS CHRISTUS verwirklicht sich der Plan eines gelungenen Lebens…

Die Erziehung und Bildung der jungen Generationen muss in der Tat allen Menschen guten Willens am Herzen liegen und ist eine Anfrage an die Fähigkeit der gesamten Gesell­schaft, vertrauenswürdige Bezugspunkte für die harmonische Entwicklung der Personen zuzusichern…“

Ansprache an die Ital. Bischofskonferenz, 27.5.2010


 

 

 

4. Heilige

 

 

Über den hl. Bonaventura

„…Auch der hl. Bonaventura anerkennt die Kirchenväter als immerwährende Meister, aber das Phänomen des hl. Franzis­kus gibt ihm die Gewissheit, dass der Reichtum des Wortes GOTTES unerschöpflich ist und dass auch in den neuen Generationen neue Geistesgrößen zutage treten können. Die Einzigartigkeit CHRISTI gewährleistet auch Neuheit und Erneuerung in allen Zeitaltern der Geschichte. Gewiss, der Franziskanerorden – so unterstreicht der hl. Bonaventura – gehört zur Kirche JESU CHRISTI, zur apostolischen Kirche und kann sich nicht in einem utopischen Spiritualismus aufbauen. Gleichzeitig aber gilt die Neuheit dieses Ordens gegenüber dem klassischen Mönchtum, und der hl. Bonaventura hat… diese Neuheit gegen die Angriffe des Weltklerus von Paris verteidigt: Die Franziskaner haben kein festes Kloster, sie kön­nen überall zugegen sein, um das Evangelium zu verkündigen. Gerade der Bruch mit der für das Mönchtum charakteristischen Stabilität zugunsten einer neuen Flexibilität gab der Kirche die missionarische Dynamik zurück. An diesem Punkt ist es viel­leicht nützlich zu sagen, dass es auch heute Anschauungen gibt, nach denen die ganze Geschichte der Kirche im 2. Jahrtausend ein ständiger Niedergang gewesen sei; einige sehen den Niedergang schon sofort nach dem Neuen Testa­ment. In Wirklichkeit… gehen die Werke CHRISTI nicht zurück, sondern schreiten voran. Was wäre die Kirche ohne die neue Spiritualität der Zisterzienser, der Franziskaner und Dominikaner, ohne die Spiritualität der hl. Teresa von Avila und des hl. Johannes vom Kreuz, und so weiter?… Der hl. Bona­ventura lehrt uns das Zusammengehen der notwendigen, auch strengen Unterscheidung des nüchternen Realismus und der Öffnung für neue Charismen, die von CHRISTUS Seiner Kirche im HL. GEIST geschenkt werden. Und während sich diese Vorstellung vom Niedergang wiederholt, gibt es auch die an­dere Vorstellung, nämlich diesen ‚spiritualistischen Utopismus’, der sich wiederholt. Wir wissen in der Tat, wie einige nach dem 2. Vatikanischen Konzil davon überzeugt waren, dass alles neu wäre, dass es da eine andere Kirche gäbe, dass die vorkonziliare Kirche zu Ende wäre und wir eine andere, eine völlig ‚andere’ Kirche haben würden. Ein anarchischer Utopismus! Und GOTT sei Dank haben die weisen Steuermän­ner des Schiffes Petri, Papst Paul VI. und Papst Johannes Paul II., einerseits die Neuheit des Konzils und andererseits gleich­zeitig die Einzigkeit und Kontinuität der Kirche verteidigt, die immer Kirche der Sünder und immer Ort der Gnade ist…“

Generalaudienz, 10.3.2010

Ermutigung durch das Vorbild der Märtyrer

„…Priester und Ordensleute bedürfen in ihrem Leben im Zöli­bat und in der geweihten Jungfräulichkeit ständiger Unterstüt­zung. Belehrt sie durch euer eigenes Beispiel über die Schön­heit dieser Lebensform, der geistlichen Vater- und Mutter­schaft, durch die sie die Liebe der Gläubigen zum Schöpfer und Spender aller guten Gaben bereichern und vertiefen kön­nen. Ebenso sind eure Katecheten ein großer Reichtum. Achtet weiterhin auf ihre Bedürfnisse und ihre Ausbildung und stellt ihnen zu ihrer Ermutigung das Beispiel von Märtyrern, wie des sel. Daudi Okello und des sel. Jildo Irwa, vor Augen… In den heiligen ugandischen Märtyrern habt ihr und euer Volk Vor­bilder großen Mutes und Ausdauer im Leiden. Zählt auf ihr Gebet und bemüht euch stets, ihres Vermächtnisses würdig zu sein…“

Ad-limina-Besuch der Bischöfe Ugandas, 5.3.2010

Den Willen GOTTES finden

„…Auf den ersten Blick erscheint die Antwort des HERRN sehr trocken. Im Großen und Ganzen sagt Er: Beachte die Gebote (vgl. Mk 10,17). Aber wenn wir tief darüber nachdenken, wenn wir dem HERRN gut zuhören, im ganzen Evangelium, entde­cken wir dahinter die große Weisheit JESU…

Und gerade indem ich nicht mich selbst suche, sondern mich den großen und wahren Dingen hingebe, finde ich das wahre Leben… Meine Berufung zu finden und sie an jedem Ort zu leben, ist wichtig und grundlegend, ob ich nun ein großer Wissenschaftler oder ein Bauer bin. Alles ist wichtig in den Augen GOTTES: Es ist schön, wenn es bis ins Letzte gelebt wird mit jener Liebe, die wirklich die Welt erlöst. Am Ende möchte ich eine kleine Geschichte erzählen von der hl. Giu­seppa Bakhita, dieser jungen afrikanischen Heiligen, die in Italien GOTT und CHRISTUS gefunden hat und die mich stets sehr beeindruckt. Sie war Ordensschwester in einem italieni­schen Konvent. Eines Tages besucht der Ortsbischof das Kloster, sieht diese kleine schwarze Schwester, von der er nichts gewusst zu haben scheint, und sagt: ‚Schwester, was tun Sie hier?’ Und Bakhita antwortet: ‚Dasselbe wie sie, Exzel­lenz’. Sichtlich irritiert sagt der Bischof: ‚Aber Schwester, in­wiefern tun Sie dasselbe wie ich?’. ‚Ja’, sagt die Schwester, ‚wir wollen beide den Willen GOTTES tun, nicht wahr?’ Letztendlich ist das der wesentliche Punkt: mit Hilfe der Kirche, des Wor­tes GOTTES und der Freunde den Willen GOTTES erken­nen, sowohl in seinen großen Grundzügen, die für alle Men­schen gelten, als auch in den konkreten Umständen meines persönlichen Lebens. So wird das Leben vielleicht nicht zu einfach, aber schön und glücklich. Bitten wir den HERRN, dass Er uns stets helfen möge, Seinen Willen zu finden und ihm mit Freude zu folgen.“

Antwort auf Fragen Jugendlicher aus Rom und Latium in Vor­bereitung des Weltjugendtages, 25.3.2010

Vertrauen auf GOTT setzen

„Unsere erste Lesung… ist eine Erzählung… vom Schiffbruch des hl. Paulus vor der Küste von Malta und von seiner herz­lichen Aufnahme durch die Menschen dieser Inseln. Beachtet dabei, wie die Schiffsbesatzung, um zu überleben, gezwungen war, die Ladung, die Schiffsausrüstung und sogar den Weizen über Bord zu werfen, der ihre einzige Nahrung war. Paulus hatte sie gedrängt, ihr Vertrauen allein auf GOTT zu setzen, während das Schiff von den Wellen hin und her geworfen wurde. Auch wir müssen unser Vertrauen allein auf Ihn setzen. Wir sind versucht zu denken, dass die heutige fortge­schrittene Technik all unseren Bedürfnissen entsprechen und uns aus allen Bedrohungen und Gefahren retten kann. Aber so ist es nicht. In jedem Moment unseres Lebens sind wir ganz und gar abhängig von GOTT, in dem wir leben, uns bewe­gen und sind. Nur Er kann uns vor Schaden bewahren, nur Er kann uns in einen sicheren Hafen bringen, wie Er es für Paulus und seine Begleiter getan hat, die an die Küste Maltas getrieben wurden. Sie taten das, wozu Paulus sie gedrängt hatte, und so kam es, ‚dass alle ans Land gerettet wurden’ (Apg 27,44). Mehr als alle Ladung, die wir bei uns tragen kön­nen – im Sinn unserer menschlichen Leistungen, unseres Besitzes, unserer Technik -, ist es unsere Beziehung zum HERRN, die den Schlüssel zu unserem Glück und zu unserer menschlichen Erfüllung liefert…“

Predigt bei der Hl. Messe in Floriana, Malta, 18.4.2010

Geistliche Berufungen

„Die wichtigste Form des Zeugnisses, um Berufungen zu we­cken, ist das Gebet, wie uns das Beispiel der hl. Monika zeigt, die demütig und eindringlich zu GOTT flehte und auf diese Weise die Gnade erlangte zu sehen, dass ihr Sohn Augusti­nus CHRIST wurde. Er selbst schreibt hierzu: ‚Ohne Zweifel glaube und behaupte ich, dass GOTT mir aufgrund ihrer Ge­bete den Geist gewährt hat, nichts anderes dem Erreichen der Wahrheit voranzustellen, nichts anderes zu wollen, nichts An­deres zu denken, nichts anderes zu lieben als nur dies’ (De ordine II, 20,52, CCL 29,136). Daher lade ich die Eltern ein, dafür zu beten, dass das Herz der Kinder für das Hören auf den Guten Hirten offen werde, und dass jeder noch so kleine Keim der Berufung… zu einem kräftigen Baum werde, reich an Früchten zum Wohl der Kirche und der gesamten Mensch­heit…“

Regina-Caeli-Ansprache am Gurthirtensonntag, 25.4.2010

Das Beispiel des sel. Piergiorgio Frassati

„Es ist mir heute Abend ein besonderes Anliegen, euch einen jungen Mann aus eurer Stadt als Vorbild aufzuzeigen: den sel. Piergiorgio Frassati, dessen Seligsprechung sich dieses Jahr zum 20. Mal jährt. Sein Leben war ganz von der Gnade und Liebe GOTTES erfüllt, und er gab es gelassen und freudig hin im leidenschaftlichen Dienst an CHRISTUS und den Nächsten. Er war ein Jugendlicher wie ihr, der mit großem Eifer aus seiner christlichen Formung heraus lebte und ein einfaches und überzeugendes Glaubenszeugnis gab. Ein junger Mann, der von der Schönheit des Evangeliums der Seligpreis­ungen fasziniert war und tiefe Freude daran hatte, CHRISTUS zum Freund zu haben, Ihm nachzufolgen und sich als lebendi­ges Glied der Kirche zu fühlen. Liebe Jugendliche, habt den Mut, euch für das Wesentliche im Leben zu entscheiden! ‚Wahrhaft leben und sich nicht nur recht und schlecht durch­schlagen’, pflegte der sel. Piergiorgio Frassati zu sagen. Entdeckt ebenso wie er, dass es sich lohnt, sich für GOTT und mit GOTT einzusetzen und in den wichtigen aber auch in den kleinen, alltäglichen Entscheidungen auf Seinen Ruf zu antworten, auch wenn dies seinen Preis hat! Der geistliche Weg des sel. Piergiorgio Frassati erinnert uns daran, dass der Weg der Jünger CHRISTI den Mut erfordert, aus sich selbst herauszuge­hen, um dem Weg des Evangeliums zu folgen…“

Begegnung mit den Jugendlichen, Turin, 2.5.2010


 

 

 

5. Leiden und Sterben

 

 

„Nimm durch dein Leiden teil am Heilswerk in der Welt“

„Lieber Bruder, liebe Schwester, in den Augen GOTTES bist du ‚so viel wert, dass er selbst Mensch wurde, um mit dem Menschen mitleiden zu können, ganz real in Fleisch und Blut, wie es uns in der Passionsgeschichte JESU gezeigt wird. Von da aus ist in alles menschliche Leiden ein Mitleidender, Mit­tragender hineingetreten; in jedem Leiden ist von da aus die consolatio, der Trost der mitleidenden Liebe GOTTES anwesend und damit der Stern der Hoffnung aufgegangen (Enzyklika Spe salvi, 39). Mit dieser Hoffnung im Herzen kannst du aus dem Treibsand der Krankheit und des Todes herausfinden und auf dem festen Felsen der GÖTTlichen Liebe stehen. Mit anderen Worten: Du kannst das Gefühl der Nutzlosigkeit des Leidens überwinden, das den Menschen in seinem Innersten verzehrt und aufgrund dessen er sich als Last für die anderen vorkommt. In Wirklichkeit dient das gemeinsam mit JESUS gelebte Leid jedoch dem Heil unserer Brüder und Schwestern.

Wie ist dies möglich? Die Quellen der GÖTTlichen Macht entspringen eben gerade mitten unter unseren menschlichen Schwächen. Darin besteht das Paradoxon des Evangeliums. Daher hat es auch der GÖTTliche Meister vorgezogen, anstatt die Gründe des Leidens eingehend zu erklären, einen jeden in Seine Nachfolge zu rufen, indem Er sagt: ‚Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach!’ (vgl. Mk 8,34). Komm mit mir! Nimm durch dein Leiden an diesem Heilswerk in der Welt teil, das sich durch mein Leiden und durch mein Kreuz vollzieht. Wenn du dein Kreuz annimmst und dich im Geist mit meinem Kreuz vereinst, wird sich vor deinen Augen nach und nach der heil­bringende Sinn des Leidens enthüllen. Du wirst im Leiden inneren Frieden und sogar geistliche Freude finden…“

Grußwort an die Kranken nach der hl. Messe in Fatima, 13.5.2010

Kostbare Bausteine eines wunderbaren Mosaiks

„Obwohl der hl. Cottolengo in seinem Leben dramatische Au­genblicke durchmachte, stand er den Ereignissen stets mit ruhigem Vertrauen gegenüber. Er achtete auf die väterlichen Zeichen GOTTES und erkannte so in allen Situationen Seine Gegenwart und Seine Barmherzigkeit und in den Armen das liebenswerteste Bild Seiner Größe. Aus tiefster Überzeugung heraus sagte er: ‚Die Armen sind JESUS; sie sind nicht Sein Abbild. Sie sind JESUS selbst, und so muss man ihnen dienen. Alle Armen sind unsere Herren, aber jene, die das leibliche Auge als abstoßend empfindet, sind unsere höchsten Herren, unsere wahren Edelsteine…’

Liebe Kranke, ihr vollbringt ein wichtiges Werk: Indem ihr euer Leiden in der Vereinigung mit dem gekreuzigten und auf­erstandenen CHRISTUS lebt, habt ihr teil am Geheimnis Seines Leidens für das Heil der Welt. Wenn wir GOTT durch CHRISTUS unseren Schmerz darbringen, können wir am Sieg des Guten über das Böse mitwirken, denn GOTT macht unser Angebot, unsere Geste der Liebe fruchtbar. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier anwesend seid, jeder an seinem Platz: Fühlt euch nicht von der Bestimmung der Welt ausgeschlossen, sondern fühlt euch als kostbare Bausteine eines wunderschönen Mosaiks, das GOTT als großer Künstler Tag für Tag herausbildet, auch durch euren Beitrag, CHRIS­TUS, der am Kreuz gestorben ist, um uns zu retten, hat sich ans Kreuz schlagen lassen, damit aus diesem Holz, aus die­sem Zeichen des Todes das Leben in all seiner Pracht wieder­erstehen kann. Diese ‚Casa’ [Piccola Casa della Divina Provvi­denza Cottolengo] ist eine der reifen Früchte, die aus dem Kreuz und aus der Auferstehung CHRISTI hervorgegangen sind, und sie zeigt, dass das Leiden, das Böse, der Tod nicht das letzte Wort haben, denn aus dem Tod und aus dem Leiden kann das Leben neu erstehen…“

Ansprache bei der Begegnung mit Kranken in Turin, 2.5.2010

 

 

 

zurück