FMG-INFORMATION 96, April 2009

 

1. Glaube und Kirche

 

Die Wichtigkeit der Überlieferung

„Es ist wichtig, den Zusammenhang zwischen der Verkündi­gung der Auferstehung, wie sie Paulus formuliert, und jener, die in den ersten vorpaulinischen christlichen Gemeinden ge­bräuchlich war, zu erfassen. Hier kann man wirklich die Wichtigkeit der Überlieferung erkennen, die dem Apostel vorausgeht und die er mit großer Ehrfurcht und Achtsam­keit weitergeben will. Der in Kapitel 15,1-11 des Ersten Brie­fes an die Korinther enthaltene Text über die Auferstehung hebt treffend den Zusammenhang zwischen ‚empfangen’ und ‚überliefern’ hervor. Der hl. Paulus misst der wörtlichen Wiedergabe der Überlieferung große Bedeutung bei; am Ende des hier angeführten Abschnitts unterstreicht er: ‚Ob nun ich verkündige oder die anderen: das ist unsere Botschaft’ (1 Kor 15,11), und rückt damit die Einheit des ‚kerygmas’, der Botschaft für alle Gläubigen und für alle jene, die die Auferstehung CHRISTI verkünden werden, ins Licht. Die Überlieferung, an die er anknüpft, ist die Quelle, aus der er schöpft. Die Originalität seiner Christologie geht niemals auf Kosten der Treue zur Tra­dition. Das ‚kerygma’ der Apostel geht immer der persönlichen Bearbeitung durch Paulus voraus. Jedes seiner Argumente geht von der gemeinsamen Tradition aus, in der sich der Glaube ausdrückt, den alle Kirchen teilen, die eine einzige Kirche bilden. Und so bietet der hl. Paulus für alle Zeiten ein Modell dafür, wie man Theologie betreiben und wie man predigen soll. Der Theologe, der Prediger schafft keine neuen Welt- und Lebensanschauungen, sondern steht im Dienst der überlieferten Wahrheit, im Dienst der realen Tatsache CHRISTI, des Kreuzes, der Auferstehung…

…Im Glauben an JESUS CHRISTUS zu leben, die Wahrheit und die Liebe zu leben, schließt täglich Verzicht und Leid ein. Das Christentum ist kein bequemer Weg, es ist vielmehr ein anstrengender, ein zu erklimmender steiler Weg, freilich er­leuchtet vom Licht CHRISTI und von der großen Hoffnung, die von Ihm ausgeht. Der hl. Augustinus sagt: Den Christen wird das Leiden nicht erspart, ja es trifft sie noch etwas mehr, denn den Glauben zu leben, ist Ausdruck des Mutes, sich dem Leben und der Geschichte mit größerer Tiefe zu stellen… Es genügt nicht, den Glauben im Herzen zu tragen, wir müssen ihn auch mit dem Mund bekennen und mit unserem Leben bezeugen und so die Wahrheit vom Kreuz und von der Auferstehung in unserer Geschichte gegenwärtig machen…“

Generalaudienz, 5.11.2009

Den katholischen Glauben deutlich und unverkürzt vermitteln

„Auch fehlt es nicht an weiteren Herausforderungen bei eurer pastoralen Aufgabe, denn der … Glaube muss stets genährt und gestärkt werden, besonders dann, wenn Anzeichen für eine gewisse Schwächung des christlichen Lebens vorhanden sind…

Der Glaube muss durch die Sakramente und die Treue gegenüber den sittlichen Werten gefestigt sein. In der Tat ist es notwendig, einen reifen Glauben zu haben… Um das zu erreichen, bedarf es einer systematischen, verbreiteten und eindringlichen Katechese, die den katholischen Glauben deutlich und unverkürzt vermittelt… Eine partielle oder un­vollständige Unterweisung in der Botschaft des Evangeliums entspricht… nicht der Sendung der Kirche und kann nicht fruchtbar sein… Auch eine gute allgemeine Erziehung und Bildung, die die geistliche und religiöse Dimension der Person mit einbezieht, trägt sehr stark dazu bei, dem Wachstum des Glaubens feste Grundlagen zu geben… ‚Alle Christen, die, durch die Wiedergeburt aus dem Wasser und dem HL. GEIST zu einer neuen Schöpfung geworden, Söhne GOTTES heißen und es auch sind, haben das Recht auf eine christliche Erziehung’ (Gravissimum educationis, 2) – das darf man auf keinen Fall vergessen… Ich fordere euch also nachdrücklich auf, in den Predigten, Katechesen und Eucharistiefeiern in den Pfarreien ebenso wie in vielen kleinen Gemeinden… die treue Verkündigung, das Hören und die Betrachtung der Schrift stets in den Vordergrund zu stellen, denn darin findet das Volk GOTTES seinen Seinsgrund, seine Berufung und seine Identi­tät. Aus dem fügsamen Hören auf GOTTES Wort entsteht die Nächstenliebe und mir ihr der uneigennützige Dienst an den Brüdern…“

Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Bolivien, 10.11.2008

„Humanae vitae“ neu lesen

„…Weil der Glaube an den Schöpfer ein wesentlicher Teil des christlichen Credo ist, kann und darf sich die Kirche nicht damit begnügen, ihren Gläubigen die Botschaft des Heils auszurich­ten. Sie trägt Verantwortung für die Schöpfung und muss diese Verantwortung auch öffentlich zur Geltung bringen. Und sie muss dabei nicht nur die Erde, das Wasser und die Luft als Schöpfungsgaben verteidigen, die allen gehören. Sie muss auch den Menschen gegen die Zerstörung seiner selbst schützen. Es muss so etwas wie eine Ökologie des Men­schen im recht verstandenen Sinn geben. Es ist nicht über­holte Metaphysik, wenn die Kirche von der Natur des Men­schen als Mann und Frau redet und das Achten dieser Schöpfungsordnung einfordert. Da geht es in der Tat um den Glauben an den Schöpfer und das Hören auf die Sprache der Schöpfung, die zu missachten Selbstzerstörung des Men­schen und so Zerstörung von GOTTES eigenem Werk sein würde. Was in dem Begriff ‚Gender’ vielfach gesagt und ge­meint wird, läuft letztlich auf die Selbstemanzipation des Menschen von der Schöpfung und vom Schöpfer hinaus. Der Mensch will sich nur selber machen und sein Eigenes im­mer nur selbst bestimmen. Aber so lebt er gegen die Wahr­heit, lebt gegen den Schöpfergeist. Die Regenwälder verdie­nen unseren Schutz, ja, aber nicht weniger der Mensch als Geschöpf, dem eine Botschaft eingeschrieben ist, die nicht Gegensatz zu unserer Freiheit, sondern ihre Bedingung bedeutet. Große Theologen der Scholastik haben die Ehe, die lebenslange Verbindung von Mann und Frau als Schöpfungs­sakrament bezeichnet, das der Schöpfer selbst eingesetzt und das CHRISTUS dann – ohne die Schöpfungsbotschaft zu ver­ändern – in die Heilsgeschichte als Sakrament des Neuen Bundes aufgenommen hat. Zur Verkündigungsaufgabe der Kirche gehört das Zeugnis für den Schöpfergeist in der Natur als Ganzer und gerade auch in der Natur des GOTT­ebenbildlichen Menschen. Von da aus sollte man die Enzyk­lika Humanae vitae neu lesen: Papst Paul VI. ging es darin darum, die Liebe gegen Sexualität als Konsum, die Zukunft gegen den Alleinanspruch der Gegenwart und die Natur des Menschen gegen ihre Manipulation zu verteidigen

…Zum Fest gehört die Freude… Der HL. GEIST schenkt uns die Freude. Und Er ist die Freude. Die Freude ist die Gabe, in der alle anderen Gaben zusammengefasst sind. Sie ist Aus­druck für das Glück, für das Einssein mit sich selbst, das nur aus dem Einssein mit GOTT und mit Seiner Schöpfung kom­men kann. Zum Wesen der Freude gehört es, dass sie aus­strahlt, dass sie sich mitteilen muss. Der missionarische Geist der Kirche ist nichts anderes als der Drang, die Freude mitzu­teilen, die uns geschenkt wurde…“

Weihnachtsempfang für Kardinalskollegium u. Kurie, 22.12.08

Über jedem Kind liegt der Abglanz des Kindes von Bethlehem

„… Der mittelalterliche Theologe Wilhelm von St. Thierry hat einmal gesagt: GOTT hat gesehen – von Adam an –, dass Seine Größe den Menschen zum Widerstand reizte; dass er sich in seinem Selbstsein beengt und in seiner Freiheit bedroht fühlt. So wählte GOTT einen neuen Weg. Er wurde ein Kind. Er wurde abhängig und schwach, unserer Liebe bedürftig. Nun könnt ihr nicht mehr Angst haben vor mir, nun könnt ihr mich nur noch lieben – so sagt uns der GOTT, der ein Kind wurde.

Mit diesen Gedanken treten wir in dieser Nacht vor das Kind von Bethlehem hin – vor den GOTT, der unseretwegen ein Kind werden wollte. Über jedem Kind liegt der Abglanz des Kin­des von Bethlehem. Jedes Kind bittet um unsere Liebe. In dieser Nacht denken wir daher besonders auch an die Kin­der, denen die Liebe der Eltern versagt ist. An die Straßen­kinder, denen kein Zuhause geschenkt ist. An die Kinder, die als Soldaten missbraucht und zu Werkzeugen der Gewalt ge­macht werden, anstatt Träger der Versöhnung und des Frie­dens sein zu dürfen. An die Kinder, die durch die Porno-Industrie und durch all die schändlichen Formen des Missbrauchs bis in die Tiefe ihrer Seele hinein verwundet werden. Das Kind von Bethlehem ist ein neuer Anruf an uns, alles zu tun, damit die Not dieser Kinder ende; alles zu tun, damit das Licht von Bethlehem die Herzen der Menschen an­rührt. Denn nur durch die Bekehrung der Herzen, nur durch eine Änderung im Innersten des Menschen kann die Ursache all dieses Bösen überwunden, kann die Macht des Bösen be­siegt werden…“    Predigt in der Mitternachtsmette, 25.12.2008

Mensch geworden für alle

„Erschienen ist die Gnade GOTTES allen Menschen. Ja, JESUS, das Antlitz des GOTT-der-rettet, ist nicht nur für we­nige sichtbar geworden, nicht nur für ein paar, sondern für alle. Es stimmt, in der bescheidenen, schmucklosen Bleibe in Bethlehem haben Ihn nur wenige Menschen gefunden, aber Er ist für alle gekommen: für Juden und Heiden, Reiche und Arme, Nahe und Ferne, Gläubige und Ungläubige… für alle. Die übernatürliche Gnade ist nach dem Willen GOTTES für alle Geschöpfe bestimmt. Der Mensch muss sie jedoch annehmen, sein ‚Ja’ dazu sagen, wie Maria, damit das Herz von einem Strahl dieses GÖTTlichen Lichtes erleuchtet wird. In jener Nacht haben Maria und Josef, die es schon mit Liebe erwartet hatten, das fleischgewordene WORT aufgenommen ebenso wie die Hirten… Eine kleine Gemeinschaft also, die herbeieilte, um das JESUSKIND anzubeten; eine kleine Ge­meinschaft, die die Kirche und alle Menschen guten Willens verkörpert. Den GOTT, der aus Liebe unser Bruder geworden ist, finden auch heute jene, die Ihn in ihrem Leben erwarten und Ihn suchen; jene, die Ihm ihr Herz zuwenden, verlangen danach, Sein Antlitz zu schauen und zum Kommen Seines Reiches beizutragen…“

Aus der Botschaft zum Segen Urbi et Orbi, 25.12.2008

Der unabdingbare Wert des Naturgesetzes

„Wie bereits bei früheren Gelegenheiten möchte ich auch jetzt noch einmal betonen, wie notwendig und dringlich es im heuti­gen Kontext ist, in der Kultur und in der zivilen und politischen Gesellschaft die unverzichtbaren Voraussetzungen für ein volles Bewusstsein über den unabdingbaren Wert des natürlichen Sittengesetzes zu schaffen. Auch dank eurer Untersuchungen zu diesem grundlegenden Thema wird deut­lich werden, dass das Naturgesetz die wahre Garantie für jeden Menschen ist, frei und in seiner Würde als Person geachtet zu leben und sich geschützt zu fühlen vor jeder ideologischen Manipulierung und vor jedem Übergriff, der auf der Grundlage des Rechts des Stärkeren verübt wird. Wir wissen alle sehr gut, dass in einer von den Naturwissenschaf­ten bestimmten Welt die metaphysische Auffassung vom na­türlichen Sittengesetz nahezu fehlt und nicht verstanden wird. Angesichts ihrer grundlegenden Bedeutung für unsere Gesell­schaften und für das menschliche Leben ist es umso notwendiger, dass dieser Begriff erneut seinen Platz erhält und im Kon­text unseres Denkens verständlich gemacht wird: die Tatsache nämlich, dass das Sein an sich eine moralische Botschaft enthält und eine Richtschnur für die Wege des Rechts ist…“

                                           Audienz für die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission, 5.12.2008

Menschenrechte gründen in GOTT

Die Würde jedes Menschen ist nur dann wirklich garan­tiert, wenn alle seine fundamentalen Rechte anerkannt, geschützt und gefördert werden. Seit jeher verkündet die Kirche, dass die Grundrechte jenseits der unterschiedlichen Formulierungen und des unterschiedlichen Stellenwertes, den sie im Bereich der verschiedenen Kulturen einnehmen, ein universales Faktum sind, da sie der Natur des Menschen selbst innewohnen. Das Naturgesetz, das GOTT in das Gewissen des Menschen eingeschrieben hat, ist ein gemeinsames Merkmal aller Menschen und aller Völker; es ist eine ge­meinsame Richtschnur, die alle anerkennen können und die die Grundlage für das gegenseitige Verständnis dafür bildet. Die Menschenrechte gründen daher letztlich in GOTT, dem Schöpfer, der einen jeden mit Intelligenz und Freiheit ausge­stattet hat…“

Begrüßung bei einem Konzert in der vatikanischen Audienzhalle aus Anlass des 60. Jahrestages der Verkündigung der Menschenrechte, 10.12.2008

Wie groß ist doch das Geschenk der Taufe

„Die Eltern, die Paten und Patinnen fragt der Zelebrant übli­cherweise: ‚Was erbitten Sie von der Kirche GOTTES für ihr Kind?’; auf ihre Antwort: ‚Die Taufe’ erwidert er: ‚Und was schenkt uns die Taufe?’ Sie antworten: ‚Das ewige Leben’. Das ist die wunderbare Wirklichkeit: Die menschliche Person wird durch die Taufe in die einmalige und einzigartige Be­ziehung JESU mit dem VATER hineingenommen, so dass sich die Worte, die vom Himmel über den eingeborenen SOHN erklingen, für jeden Mann und jede Frau bewahrheiten, die aus dem Wasser und dem HL. GEIST neu geboren werden: Du bist mein geliebter Sohn.

Wie groß ist doch dieses Geschenk der Taufe! Wenn wir uns dessen ganz bewusst wären, würde unser Leben zu einem unaufhörlichen ‚Danke’ werden. Welch große Freude ist es für die christlichen Eltern, die aus ihrer Liebe ein neues Ge­schöpf hervorgehen sahen, es zum Taufstein zu bringen und zu sehen, wie es im Schoß der Kirche zu einem Leben in Ewig­keit neu geboren wird! Geschenk, Freude, aber auch Verant­wortung! Die Eltern müssen nämlich die Kinder zusammen mit den Paten gemäß dem Evangelium erziehen…“

Angelus-Ansprache am Fest der Taufe des HERRN, 11.1.2009

 „Wir geben GOTT zurück, was von Ihm gekommen ist“

„Ich freue mich sehr, dass mir auch in diesem Jahr an diesem Festtag die Gelegenheit gegeben wird, einige Kinder zu taufen. Ihnen wird heute das ‚Wohlgefallen’ GOTTES zuteil. Seitdem der eingeborene SOHN des VATERS sich hat taufen lassen, ist der Himmel wirklich offen und öffnet sich weiter. Und wir kön­nen jedes neu erblühende Leben den Händen dessen anver­trauen, der stärker ist als die dunklen Mächte des Bösen. Denn dies ist mit der Taufe verbunden: Wir geben GOTT das zu­rück, was von Ihm gekommen ist. Das Kind ist nicht Eigen­tum der Eltern, sondern vom Schöpfer in Freiheit und auf immer neue Art und Weise ihrer Verantwortung übergeben, damit sie ihm helfen, ein freies Kind GOTTES zu werden. Nur wenn in den Eltern dieses Bewusstsein reift, gelingt es ihnen, das richtige Gleichgewicht zu finden zwischen dem An­spruch, über die eigenen Kinder bestimmen zu können, als wären sie persönlicher Besitz, und sie gemäß den eigenen Vorstellungen und Wünschen zu formen, und auf der anderen Seite einer freiheitlichen Haltung, die sich darin ausdrückt, dass sie die Kinder in voller Autonomie aufwachsen lassen und ihnen jeden Wunsch erfüllen, was sie als die richtige Art und Weise ansehen, deren Persönlichkeit zu fördern. Wenn mit diesem Sakrament die Neugetauften zu Kindern GOTTES werden, der sie mit unendlicher Liebe liebt, sie gegen die dunklen Mächte des Bösen schützt und verteidigt, muss man sie lehren, GOTT als ihren Vater zu erkennen und sich mit der Haltung eines Kindes auf Ihn zu beziehen. Wenn man deshalb nach christlicher Tradition, wie wir es heute tun, Kinder tauft und sie in das Licht GOTTES und Seiner Lehre einführt, tut man ihnen keine Gewalt an, sondern schenkt ihnen den Reichtum des GÖTTlichen Lebens, in dem die wahre Freiheit ihre Wurzeln hat, die den Kindern GOTTES zu eigen ist; eine Freiheit, die mit den Jahren erzogen und geformt werden muss, damit sie fähig ist, verantwortliche persönliche Entscheidungen zu treffen.

Liebe Eltern, liebe Taufpaten und –patinnen… Seid euch der empfangenen Gabe bewusst und hört nicht auf, dem HERRN Dank zu sagen, der durch das heutige Sakrament eure Kin­der in eine neue Familie aufnimmt, eine größere und bestän­digere, offenere und zahlreichere Familie als die eure. Ich be­ziehe mich dabei auf die Familie der Gläubigen, auf die Kirche, eine Familie, die GOTT zum Vater hat und in der sich alle in JESUS CHRISTUS als Brüder und Schwestern erkennen. Ihr vertraut eure Kinder heute also der Güte GOTTES an, der die Fülle des Lichts und der Liebe ist. Und sie werden sich auch in den Schwierigkeiten des Lebens nie im Stich gelassen fühlen, wenn sie mit Ihm vereint bleiben. Widmet euch deshalb mit Sorgfalt der Glaubenserziehung, lehrt sie, zu beten und zu wachsen wie JESUS und mit Seiner Hilfe, denn ‚Er wuchs her­an, und Seine Weisheit nahm zu, und Er fand Gefallen bei GOTT und den Menschen’ (vgl. Lk 2,52).“

Predigt bei der Eucharistiefeier mit Taufe in der Sixtinischen Kapelle, 11.1.2009

Hoffnung auch angesichts düsterer Schatten

„Im irdischen JESUS findet sich der Höhepunkt der Schöpfung und der Geschichte, im auferstandenen CHRISTUS jedoch geht man darüber hinaus: der Übergang zum ewigen Leben durch den Tod nimmt den Punkt der ‚Zusammenfassung’ von allem in CHRISTUS vorweg (vgl. Eph 1,10)… JESUS selbst ist es, der dies sagt, als Er den Jüngern nach der Auferstehung erscheint: ‚Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde’ (Mt 28,18). Dieses Bewusstsein stützt den Weg der Kirche, des Leibes CHRISTI, entlang den Pfaden der Ge­schichte. Da ist kein Schatten, und sei er noch so düster, der das Licht CHRISTI verfinstern könnte. Deshalb verlieren jene, die an CHRISTUS glauben, nie die Hoffnung, auch heute nicht angesichts der großen sozialen und wirtschaftlichen Krise, die der Menschheit zusetzt, angesichts des Hasses und der zerstörerischen Gewalt, die nicht aufhören, viele Gegenden der Erde mit Blut zu tränken, angesichts des Egoismus und der Anmaßung des Menschen, sich zum GOTT seiner selbst zu erheben, was so manches Mal zu gefährlichen Verkehrungen des GÖTTlichen Planes hinsichtlich des Lebens und der Würde des Menschen, der Familie und der Harmonie der Schöpfung führt. Unsere Anstrengung, das menschliche Leben und die Welt von den Vergiftungen und Verschmutzungen zu befreien, die Gegenwart und Zukunft zer­stören könnten, behält ihren Wert und Sinn – so habe ich es in der Enzyklika Spe salvi angemerkt –, auch wenn wir äußer­lich erfolglos bleiben oder ohnmächtig zu sein scheinen gegenüber der Übermacht der widrigen Kräfte, da ‚es die große Hoffnung auf die Verheißungen GOTTES [ist], die uns Mut und Richtung des Handelns gibt in guten wie in bösen Stun­den’ (Nr. 35).“

Predigt am Hochfest der Erscheinung des HERRN, 6.1.2009

Sich GOTT verschließend

„Warum… erschrak Jerusalem? [vgl. Mt 2,3] Es scheint, als wolle der Evangelist gleichsam die Haltung der Hohen­priester und des Hohen Rates, aber auch eines Teiles des Volkes gegenüber JESUS während Seines öffentlichen Lebens vorwegnehmen. Gewiss tritt die Tatsache in den Vor­dergrund, dass die Kenntnis der Schrift und der messianischen Verheißungen nicht alle dazu bewegt, sich Ihm und Seinem Wort zu öffnen. Dabei kommt uns in den Sinn, dass JESUS kurz vor Seinem Leiden um Jerusalem weinte, da es nicht die Zeit der Gnade erkannt hatte (vgl. Lk 19,44). Hier rühren wir an einen der Kernpunkte der Theologie der Geschichte: das Drama der treuen Liebe GOTTES in der Person JESU, der ‚in Sein Eigentum [kam], aber die Seinen nahmen Ihn nicht auf’ (Joh 1,11). Im Lichte der ganzen Bibel symbolisiert diese Haltung der Feindseligkeit oder Zweideutigkeit oder Ober­flächlichkeit jene eines jeden Menschen und der ‚Welt’ – im geistlichen Sinne –, wenn er sich dem Geheimnis des wah­ren GOTTES verschließt, der uns in der entwaffnenden Milde der Liebe entgegen kommt…“

      Angelus-Ansprache, 6.1.2009

Schlimmste Krankheit des Menschen

„Obwohl die Krankheit Teil der menschlichen Erfahrung ist, gelingt es uns nicht, uns an sie zu gewöhnen: dies nicht allein deshalb, weil sie manchmal wirklich hart und schwer wird, son­dern vor allem, weil wir für das Leben geschaffen sind, für das vollendete Leben. Zu Recht lässt uns unser ‚inneres Gespür’ an GOTT als die Fülle des Lebens denken, mehr noch: als ewiges und vollkommenes Leben. Wenn wir vom Übel ge­prüft sind und unsere Gebete nutzlos zu sein scheinen, steigen in uns Zweifel auf und verängstigt fragen wir uns: Was ist der Wille GOTTES? Gerade auf diese Frage finden wir die Antwort im Evangelium. So lesen wir zum Beispiel im heutigen Abschnitt: ‚[JESUS] heilte viele, die an allen mög­lichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus’ (Mk 1,34); an einer anderen Stelle im Matthäusevangelium heißt es: ‚Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, ver­kündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden’ (Mt 4,23). JESUS lässt keine Zweifel: GOTT – dessen Antlitz Er selbst uns offenbart hat – ist der GOTT des Lebens, der uns von allem Bösen befreit. Die Zei­chen dieser Seiner Macht der Liebe sind die Heilungen, die Er vollbringt: Er zeigt so, dass das Reich GOTTES nahe ist, indem Er Männer und Frauen ihre volle Unversehrtheit im Geist und im Leib zurückerstattet. Ich sage, dass diese Heilungen Zeichen sind: sie führen hin zur Botschaft CHRISTI, sie führen uns hin zu GOTT und lassen uns verstehen, dass die wahre und schlimmste Krankheit des Menschen die Abwesenheit GOTTES ist, des Quells der Wahrheit und der Liebe. Und allein die Versöhnung mit GOTT kann uns die wahre Heilung, das wahre Leben schenken, denn ein Leben ohne Liebe und ohne Wahrheit wäre kein Leben. Das Reich GOTTES ist näm­lich die Gegenwart von Wahrheit und Liebe, und so ist es Hei­lung in der Tiefe unseres Seins. Auf diese Weise verstehen wir, dass Seine Verkündigung und die von Ihm vollbrachten Heilun­gen stets eng miteinander verbunden sind: sie bilden eine ein­zige Botschaft der Hoffnung und des Heils…“

Angelus-Ansprache am 8.2.2009

Zur Freiheit berufen

„Wir fragen uns…: Was ist Freiheit? Wie können wir frei sein? Der hl. Paulus hilft uns, die komplizierte Wirklichkeit der Frei­heit zu verstehen, indem er dieses Konzept in einen Kontext grundlegender anthropologischer und theologischer Einsichten stellt. Er sagt: ‚Nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe.’ Der Rektor hat be­reits gesagt, dass ‚Fleisch’ nicht der Leib ist. Vielmehr ist ‚Fleisch’ – im Sprachgebrauch des hl. Paulus – Ausdruck der Absolutsetzung des Ichs, des Ichs, das alles sein will und alles für sich nehmen will. Das absolute Ich, das von nichts und niemandem abhängig ist, scheint letztendlich wirk­lich die Freiheit zu besitzen. Ich bin frei, wenn ich von nieman­dem abhängig bin, wenn ich alles tun kann, was ich will. Aber gerade diese Absolutsetzung des Ichs ist ‚Fleisch’. Sie ist also nicht die Eroberung der Freiheit. Der Libertinismus ist nicht Freiheit; er ist vielmehr das Scheitern der Freiheit. Und Paulus wagt es, ein starkes Paradox vorzulegen: ‚Dient… einander in Liebe.’ Das heißt, dass die Freiheit paradoxerweise im Die­nen verwirklicht wird; wir werden frei, wenn einer der Die­ner des anderen wird. Und so stellt Paulus das ganze Prob­lem der Freiheit in das Licht der Wahrheit vom Menschen. Wenn man sich auf das Fleisch reduziert und sich so scheinbar zur Gottheit erhebt – ‚nur ich bin der Mensch’ –, dann führt das zur Lüge. Denn in Wirklichkeit ist es nicht so: Der Mensch ist kein Absolutum, gleichsam als könne das Ich sich abkapseln und nur dem eigenen Willen gemäß handeln. Das ist gegen die Wahrheit unseres Seins. Unsere Wahrheit ist, dass wir in erster Linie Geschöpfe GOTTES sind und in der Beziehung zum Schöpfer leben. Wir sind beziehungs­orientierte Wesen. Und nur wenn wir unsere Beziehungs­orientiertheit annehmen, treten wir in die Wahrheit ein – wenn nicht, fallen wir der Lüge anheim und zerstören uns am Ende in ihr. Wir sind Geschöpfe, hängen also vom Schöpfer ab. Zur Zeit der Aufklärung erschien das besonders dem Atheismus als eine Abhängigkeit, von der man sich be­freien müsse. Eine fatale Abhängigkeit wäre es jedoch nur dann, wenn dieser Schöpfergott ein Tyrann und kein gutes Wesen wäre, wenn er so wäre wie die menschlichen Tyrannen. Wenn dieser Schöpfer uns jedoch liebt und unsere Abhän­gigkeit darin besteht, im Raum Seiner Liebe zu stehen, dann ist gerade die Abhängigkeit Freiheit. Auf diese Weise stehen wir nämlich in der Liebe des Schöpfers, sind wir mit Ihm, mit Seiner ganzen Wirklichkeit, mit Seiner ganzen Macht vereint. Das ist also der erste Punkt: Geschöpf zu sein bedeu­tet, vom Schöpfer geliebt zu sein, in der Liebesbeziehung zu stehen, die Er uns schenkt, mit der Er uns zuvorkommt. Vor allem darauf beruht unsere Wahrheit, die gleichzeitig Berufung zur Liebe ist…

…Die kreatürliche Beziehungsorientiertheit bringt auch eine zweite Art der Beziehung mit sich… Die menschliche Freiheit bedeutet einerseits, in der Freude und im weiten Raum der Liebe GOTTES zu stehen, aber sie setzt auch voraus, dass wir eins sind mit dem anderen und für den anderen. Wenn ich mich verabsolutiere, werde ich zum Feind des anderen…

Ihr kennt wahrscheinlich alle die schönen Worte des hl. Au­gustinus: ‚Dillige et fac quod vis – Liebe und tue, was du willst.’ Was Augustinus sagt, ist die Wahrheit, wenn wir das Wort ‚Liebe’ richtig verstanden haben. ‚Liebe und tue, was du willst’, aber wir müssen wirklich in die Gemeinschaft mit CHRISTUS eingedrungen sein, uns mit Seinem Tod und mit Seiner Auferstehung identifiziert haben, mit Ihm in der Gemein­schaft Seines Leibes vereint sein. In der Teilnahme an den Sakramenten, im Hören des Wortes GOTTES tritt der GÖTT­liche Wille, das GÖTTliche Gesetz wirklich in unseren Willen ein, stimmt unser Wille mit Seinem Willen überein, werden sie zu einem einzigen Willen. Und so sind wir wirklich frei, können wir wirklich das tun, was wir wollen, weil wir mit CHRISTUS wollen, in der Wahrheit und mit der Wahrheit wollen…“

                  Besuch im Römischen Priesterseminar, 20.2.2009

Die Auswirkungen der Erbsünde

Bei der Begegnung des Papstes mit den Pfarrern und dem Klerus der Diözese Rom am 26.2.2009 antwortete der Hl. Vater in freier Rede auf Fragen von Priestern. Auf eine Frage im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise und der Not vieler Armen verwies Benedikt XVI. auf die vorbereitete Enzyklika und nannte die Habgier mit Paulus „Götzendienst“, der dem wahren GOTT entgegenstehe und fuhr fort:

„Hier sind wir an einem schwerwiegenden Punkt: Gibt es die Erbsünde wirklich? Gäbe es sie nicht, könnten wir ja mit Ar­gumenten, die für jeden verständlich und unanfechtbar sind, an die klare Vernunft und an den bei allen vorhandenen guten Willen appellieren. So könnten wir gut vorankommen und die Menschheit reformieren. Aber dem ist nicht so: Der Verstand – auch unser Verstand – ist verdunkelt, das sehen wir jeden Tag. Denn der Egoismus, die Wurzel der Habgier, besteht darin, dass ich vor allem mich selbst und die Welt für mich haben will. Er ist in uns allen vorhanden. Das ist die Verdunkelung des Verstandes: Er kann hochgelehrt, mit den schönsten wis­senschaftlichen Argumenten ausgestattet sein und ist dennoch durch falsche Vorgaben verdunkelt. So geht er mit hoher Intelligenz und großen Schritten auf dem falschen Weg weiter. Auch der Wille ist, wie die Kirchenväter sagen, ge­beugt: Er ist nicht einfach befreit, das Gute zu tun, sondern sucht vor allem sich selbst oder das Wohl der eigenen Gruppe. Also tatsächlich den Weg der Vernunft, der wahren Vernunft zu finden, ist schon keine leichte Sache und entwickelt sich schwerlich in einem Dialog. Ohne das Licht des Glaubens, das in die Finsternis der Erbsünde eindringt, kann die Ver­nunft nicht vorankommen. Aber ausgerechnet der Glaube stößt dann auf den Widerstand unseres Willens. Dieser will den Weg nicht sehen, der auch ein Weg des Selbstverzichts und einer Korrektur des eigenen Willens zugunsten des ande­ren und nicht für sich selbst wäre.

Daher ist die vernünftige und angemessene Anklage der Irrtümer notwendig, nicht mit großen Moralpredigten, sondern mit konkreten Gründen, die in der heutigen Wirtschaftswelt verstehbar werden. Diese Anklage ist wichtig, sie ist seit jeher ein Auftrag der Kirche. Wir wissen, dass in der neuen Situation, die durch die industrialisierte Welt entstanden ist, die Sozial­lehre der Kirche seit Leo XIII. versucht, diese Anklagen – und nicht nur Anklagen, die nicht ausreichend sind – zu erheben, aber zugleich auch die schwierigen Wege aufzuzeigen, auf denen man Schritt für Schritt die Zustimmung der Vernunft und die Zustimmung des Willens zur Berichtigung meines Gewissens und zugleich zu der Bereitschaft fordert, dass ich in gewissem Sinn auf mich selber verzichte, um an dem mitwir­ken zu können, was das wahre Ziel des menschlichen Lebens, des Menschseins ist… Vielleicht ist es pessimistisch, aber mir erscheint es realistisch: Solange es die Erbsünde gibt, werden wir niemals zu einer radikalen und vollkommenen Korrektur gelangen. Wir müssen jedoch zumindest das in unserer Macht Stehende tun im Hinblick auf vorläufige Verbesserungen…

Die Gerechtigkeit der Welt kann man nicht allein mit guten Wirtschaftsmodellen schaffen, die sicherlich notwendig sind. Die Gerechtigkeit erfüllt sich nur, wenn es die Gerechten gibt. Die Gerechten gibt es aber nur, wenn die tägliche demütige Arbeit der Bekehrung der Herzen stattfindet…“

(26.2.2009)

Ablass und Andachtsformen

Auf die Anfrage eines Salesianers, der beklagte, dass viele Priester den Ablass, das Gebet für die Armen Seelen, den Herz-JESU-Freitag oder die verschiedenen Segnungen nicht mehr verkündeten bzw. praktizierten und manche sie Gläubi­gen als „vorkonziliar“ verweigerten, antwortete der Papst:

„Es gibt Frömmigkeitsübungen, von denen das Konzil nicht gesprochen hat, die es aber als solche in der Kirche an­nimmt. Sie sind in der Kirche lebendig und entwickeln sich. Jetzt ist nicht der geeignete Augenblick, auf das große Thema Ablass einzugehen. Paul VI. hat das Ablasswesen neu geord­net und gibt uns Richtlinien zum Verständnis dieses Themas vor. Ich würde sagen, es handelt sich schlicht und einfach um einen Austausch von Gaben, das heißt, alles, was es in der Kirche an Gutem gibt, ist für alle da. Mit diesem Schlüssel, dem Ablass, können wir in diese Gemeinschaft der Güter der Kirche eintreten. Die Protestanten sind dagegen der Auf­fassung, dass CHRISTUS der einzige Schatz ist. Aber für mich ist das Wunderbare, dass CHRISTUS – der ja in Sei­ner unendlichen Liebe, in Seiner GOTTHEIT und Mensch­heit wirklich mehr als ausreichend ist – zu allem, was Er getan hat, auch unsere Armseligkeit hinzufügen wollte. Er sieht uns nicht nur als Objekte Seines Erbarmens an, son­dern macht uns zusammen mit Ihm zu Subjekten der Barmherzigkeit und der Liebe, so als wollte Er uns – zwar nicht quantitativ, aber wenigstens im Sinn des Mysteriums – dem großen Schatz des Leibes CHRISTI hinzufügen. Er wollte zusammen mit dem Leib das Haupt sein. Er wollte, dass mit dem Leib das Geheimnis Seiner Erlösung vervollständigt werde. JESUS wollte die Kirche als Seinen Leib haben, in dem sich die ganze Fülle dessen, was Er getan hat, verwirklicht. Aus diesem Geheimnis folgt, dass es einen ‚thesaurus ecclesiae‘, einen Schatz der Kirche gibt, dass uns der Leib ebenso wie das Haupt viel schenkt und dass wir sowohl das eine wie das andere empfangen und beides schenken können. Und das­selbe gilt auch für die anderen Dinge, zum Beispiel die Herz-JESU-Verehrung, die etwas sehr Schönes in der Kirche ist. Es sind nicht unbedingt notwendige Dinge, die aber in dem Reichtum der Betrachtung des Geheimnisses gewachsen sind. Daher bietet uns der HERR in der Kirche diese Möglichkeiten an... Niemand sollte diesen Reichtum geringschätzen, der im Laufe der Jahrhunderte als Angebot und als Vermehrung des Lichts in der Kirche gewachsen ist...“

                       (26.2.2009)

Persönliches klärendes Wort

„Die Aufhebung der Exkommunikation für die vier von Erz­bischof Lefebvre im Jahr 1988 ohne Mandat des Hl. Stuhles geweihten Bischöfe hat innerhalb und außerhalb der katholi­schen Kirche aus vielfältigen Gründen zu einer Auseinandersetzung von einer Heftigkeit geführt, wie wir sie seit Lan­gem nicht mehr erlebt haben... Verschiedene Gruppierun­gen... beschuldigten den Papst ganz offen, hinter das Konzil zurückgehen zu wollen: eine Lawine von Protesten setzte sich in Bewegung...

Eine für mich nicht vorhersehbare Panne bestand darin, dass die Aufhebung der Exkommunikation überlagert wurde von dem Fall Williamson. Der leise Gestus der Barmherzigkeit gegenüber vier gültig, aber nicht rechtmäßig geweihten Bi­schöfen erschien plötzlich als etwas ganz anderes: als Absage an die christlich-jüdische Versöhnung... Aus einer Einladung zur Versöhnung mit einer sich abspaltenden kirchlichen Gruppe war auf diese Weise das Umgekehrte geworden...

Betrübt hat mich, dass auch Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten...

Eine weitere Panne, die ich ehrlich bedauere, besteht darin, dass Grenze und Reichweite der Maßnahme vom 21.1.2009 bei der Veröffentlichung des Vorgangs nicht klar genug dar­gestellt worden sind. Die Exkommunikation trifft Personen, nicht Institutionen. Bischofsweihe ohne päpstlichen Auftrag bedeutet die Gefahr eines Schismas, weil sie die Einheit des Bischofskollegiums mit dem Papst in Frage stellt. Die Kirche muss deshalb mit der härtesten Strafe, der Exkommunikation, reagieren, und zwar, um die so Bestraften zur Reue und in die Einheit zurückzurufen... Die Rücknahme der Exkommunika­tion dient dem gleichen Ziel wie die Strafe selbst: noch einmal die vier Bischöfe zur Rückkehr einzuladen. Diese Geste war möglich, nachdem die Betroffenen ihre grundsätz­liche Anerkennung des Papstes und seiner Hirtengewalt aus­gesprochen hatten, wenn auch mit Vorbehalten, was den Ge­horsam gegen seine Lehrautorität und gegen die des Konzils betrifft...

Von dieser disziplinären Ebene ist die doktrinelle Bereich zu unterscheiden. Dass die Bruderschaft Pius‘ X. keine kanoni­sche Stellung in der Kirche hat, beruht nicht eigentlich auf dis­ziplinären, sondern auf doktrinellen Gründen... Solange die doktrinellen Fragen nicht geklärt sind, hat die Bruderschaft keinen kanonischen Status in der Kirche und solange üben ihre Amtsträger, auch wenn sie von der Kirchenstrafe frei sind, keine Ämter rechtmäßig in der Kirche aus. Angesichts der Situation beabsichtige ich, die Päpstliche Kommission ‚Ecclesia DEI‘... in Zukunft mit der Glaubenskongregation zu verbinden. Damit soll deutlich werden, dass die jetzt zu behan­delnden Probleme wesentlich doktrineller Natur sind, vor allem die Annahme des II. Vatikanischen Konzils und des nachkonzi­liaren Lehramts der Päpste betreffend...

Man kann die Lehrautorität der Kirche nicht im Jahr 1962 ein­frieren – das muss der Bruderschaft ganz klar sein. Aber man­chen von denen, die sich als große Verteidiger des Konzils hervortun, muss auch in Erinnerung gerufen werden, dass das II. Vaticanum die ganze Lehrgeschichte der Kirche in sich trägt. Wer ihm gehorsam sein will, muss den Glauben der Jahrhunderte annehmen und darf nicht die Wurzeln abschneiden von denen der Baum lebt....

... War das notwendig?... Gibt es nicht sehr viel Wichtigeres? Natürlich gibt es Wichtigeres und Vordringlicheres. Ich denke, dass ich die Prioritäten des Pontifikats in meinen Reden zu dessen Anfang deutlich gemacht habe. Das damals Gesagte bleibt unverändert meine Leitlinie. Die erste Priorität für den Petrusnachfolger hat der HERR... unmissverständlich fixiert: ‚Du aber stärke deine Brüder‘ (Lk 22,32)... In unserer Zeit, in der der Glaube in weiten Teilen der Welt zu verlöschen droht wie eine Flamme, die keine Nahrung mehr findet, ist die allererste Priorität, GOTT gegenwärtig zu machen in dieser Welt und den Menschen den Zugang zu GOTT zu öffnen. Nicht zu irgendeinem Gott, sondern zu dem GOTT, dessen Gesicht wir in der Liebe bis zum Ende (Joh 13,1) – im gekreuzigten und auferstandenen JESUS CHRISTUS erken­nen. Das eigentliche Problem unserer Geschichtsstunde ist es, dass GOTT aus dem Horizont der Menschen ver­schwindet und dass mit dem Erlöschen des von GOTT kom­menden Lichts Orientierungslosigkeit in die Menschheit herein­bricht, deren zerstörerische Wirkungen wir immer mehr zu sehen bekommen...

Wenn... das Ringen um den Glauben, um die Hoffnung und um die Liebe in der Welt die wahre Priorität für die Kirche in dieser Stunde... darstellt, so gehören doch auch die kleinen und mittleren Versöhnungen mit dazu. Dass die leise Gebärde einer hingehaltenen Hand zu einem großen Lärm und gerade so zum Gegenteil von Versöhnung geworden ist, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Aber nun frage ich doch: War und ist es wirklich verkehrt, auch hier dem Bruder entgegenzugehen, ‚der etwas gegen dich hat‘ und Versöhnung zu versuchen (vgl. Mt 5,23f)?... Kann uns eine Gemeinschaft ganz gleichgültig sein, in der es 491 Priester, 215 Seminaristen, 6 Seminare, 88 Schulen, 2 Universitäts-Institute, 117 Brüder und 164 Schwes­tern gibt? Sollen wir sie wirklich beruhigt von der Kirche wegtreiben lassen? Ich denke zum Beispiel an die 491 Priester. Das Geflecht ihrer Motivationen können wir nicht ken­nen. Aber ich denke, dass sie sich nicht für das Priestertum entschieden hätten, wenn nicht neben manchem Schiefen oder Kranken die Liebe zu CHRISTUS da gewesen wäre und der Wille, Ihn und mit Ihm den lebendigen GOTT zu verkünden. Sollen wir sie einfach als Vertreter einer radikalen Randgruppe aus der Suche nach Versöhnung und Einheit ausschalten? Was wird dann werden?

Gewiss, wir haben seit Langem und wieder beim gegebenen Anlass viele Misstöne von Vertretern dieser Gemeinschaft gehört – Hochmut und Besserwisserei, Fixierung in Einseitig­keiten hinein usw. Dabei muss ich der Wahrheit wegen anfü­gen, das ich  auch eine Reihe bewegender Zeugnisse der Dankbarkeit empfangen habe, in denen eine Öffnung der Her­zen spürbar wurde. Aber sollte die Großkirche nicht auch großmütig sein können im Wissen um den langen Atem, den sie hat; im Wissen um die Verheißung, die ihr gegeben ist? Sollten wir nicht wie recht Erzieher manches Ungute auch überhören können und ruhig aus der Enge herauszuführen uns mühen? Und müssen wir nicht zugeben, dass auch aus kirchlichen Kreisen Misstönendes gekommen ist? Manch­mal hat man den Eindruck, dass unsere Gesellschaft we­nigstens eine Gruppe benötigt, der gegenüber es keine Toleranz zu geben braucht, auf die man ruhig mit Hass losgehen darf. Und wer sie anzurühren wagte – in diesem Fall der Papst –, ging auch selber des Rechts auf Toleranz verlustig und durfte ohne Scheu und Zurückhaltung eben­falls mit Hass bedacht werden...

Leider gibt es das ‚Beißen und Zerreißen‘ [Gal 5,13ff] auch heute in der Kirche als Ausdruck einer schlecht verstandenen Freiheit. Ist es verwunderlich, dass wir auch nicht besser sind als die Galater? Dass uns mindestens die gleichen Versuchun­gen bedrohen?....

(Der) Dank gilt auch allen Gläubigen, die mir in dieser Zeit ihre unveränderte Treue zum Nachfolger des hl. Petrus bezeugt haben...“ 

   Brief des Hl. Vaters an die Bischöfe vom 10.3.200

 

 

 

 

2. Soziale Themen, Lebensrecht

 

Die wahre Freiheit hat ihren Grund in GOTT

„Wie Sie, Frau Botschafterin, hervorgehoben haben, bildete der Katholizismus dank der von ihm geschaffenen Einrichtungen und geförderten Kultur einen wesentlichen Schlussstein beim Aufbau der kanadischen Gesellschaft. In unseren Tagen sind jedoch tiefgreifende Veränderungen eingetreten und es entste­hen noch immer weitere. Die Zeichen dieser Entwicklungen sind in mehreren Bereichen sichtbar und mitunter besorgnis­erregend, so dass man sich fragen muss, ob sie nicht auch einen Rückschritt in der Auffassung vom Menschen bedeu­ten. Sie betreffen vor allem die Bereiche der Verteidigung und Förderung des Lebens und der auf die natürliche Ehe gegründeten Familie… Als Hilfe scheint mir dazu notwendig, neu zu definieren, was die Ausübung der Freiheit bedeutet: Allzu oft beruft man sich auf diesen Ausdruck, um gewisse Entgleisungen zu rechtfertigen. Ihre Ausübung wird nämlich zunehmend lediglich als ein absoluter Wert – als ein unantast­bares Recht des Individuums – wahrgenommen, während die Bedeutung des GÖTTlichen Ursprungs der Freiheit und der für ihre Gestaltung notwendigen gemeinschaftlichen Di­mension ignoriert wird. Nach dieser Interpretation könnte der einzelne Mensch allein die Physiognomie, die Wesensmerk­male und die Zweckbestimmtheiten des Lebens, des Todes und der Ehe beschließen und wählen. Die wahre Freiheit aber und ihre Entfaltung hat ihren Grund letztlich in GOTT. Sie ist ein Geschenk, das man gleichsam als Keim annehmen und in verantwortungsvoller Weise reifen lassen kann, um die menschliche Person und die Gesellschaft wirklich zu berei­chern. Die Ausübung der Freiheit setzt die Bezugnahme auf ein allumfassendes natürliches Sittengesetz voraus, das allen Rechten und Pflichten vorausgeht und sie verbindet…“  

 Audienz für die neue Botschafterin Kanadas, 30.10.08

Ein Europa aufbauen, das wirklich die Würde der Person achtet

„Wie Sie angemerkt haben, ist jetzt eine neue Generation in den ehemaligen Ostblockländern herangewachsen – eine Generation, die jene Erfahrung der totalitären Herrschaft nicht geteilt hat und daher dazu neigt, ihre politische Freiheit als selbstverständlich hinzunehmen. Infolgedessen besteht die Gefahr, dass einige der Früchte, die in Zeiten der Prüfung her­angereift sind, beginnen könnten, verloren zu gehen. Sie, Ex­zellenz, wissen sehr gut, welchen Gefahren die heutige Gesell­schaft gegenübersteht, die zwar frei ist, aber immer mehr unter Zersplitterung und sittlicher Verwirrung leidet. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Litauen und mit ihm ganz Europa die Erinnerung an die Geschichte aufrechterhält, die es geprägt hat, um seine wahre Identität zu wahren… Der Hl. Stuhl misst den diplomatischen Beziehungen zu Ihrem Land, das durch ein jahrhundertealtes christliches Zeugnis geprägt ist, großen Wert bei. Durch unsere Zusammenarbeit können wir dazu beitragen, ein Europa aufzubauen, in dem die Verteidigung der Ehe und des Familienlebens, der Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natür­lichen Tode und die Förderung gesunden ethischen Han­delns in der medizinischen und wissenschaftlichen For­schung an erster Stelle stehen: eines Handelns, das wirk­lich die Würde der menschlichen Person achtet…“

Audienz für den neuen Botschafter Litauens, 7.11.2008

Aus der Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2009

„1. Auch zu Beginn dieses neuen Jahres möchte ich allen mei­nen Friedenswunsch zukommen lassen und sie mit dieser meiner Botschaft einladen, über das Thema ‚Die Armut be­kämpfen, den Frieden schaffen’ nachzudenken…

3. Häufig wird die Armut mit der demographischen Ent­wicklung gleichsam als deren Ursache in Verbindung ge­bracht. Infolgedessen laufen Kampagnen zur Geburtenredu­zierung, die auf internationaler Ebene auch mit Methoden durchgeführt werden, die weder die Würde der Frau respek­tieren noch das Recht der Eheleute, verantwortlich die Zahl ihrer Kinder zu bestimmen, und – was noch schwerwiegender ist – oft nicht einmal das Recht auf Leben achten. Die Ver­nichtung von Millionen ungeborener Kinder im Namen der Ar­mutsbekämpfung ist in Wirklichkeit eine Eliminierung der Ärm­sten unter den Menschen. In Anbetracht dessen bleibt das Faktum bestehen, dass 1981 etwa 40% der Weltbevölkerung unterhalb der absoluten Armutsgrenze lebten, während sich dieser Prozentsatz heute praktisch halbiert hat und Völker­schaften, die übrigens ein beachtliches demographisches Wachstum aufweisen, die Armut überwunden haben. Diese Tatsache macht deutlich, dass die Ressourcen zur Lösung des Problems der Armut selbst bei einem Anwachsen der Bevölkerung vorhanden wären. Man darf auch nicht verges­sen, dass seit dem Ende des 2. Weltkriegs bis heute die Erd­bevölkerung um vier Milliarden zugenommen hat und dass dieses Phänomen weitgehend Länder betrifft, die jüngst auf der internationalen Bühne als neue Wirtschaftsmächte erschie­nen sind und die gerade dank ihrer hohen Einwohnerzahl eine schnelle Entwicklung erlebt haben. Überdies erfreuen sich unter den am meisten entwickelten Nationen jene mit den höchsten Geburtenraten eines besseren Entwicklungspoten­tials. Mit anderen Worten, es bestätigt sich, dass die Be­völkerung ein Reichtum und nicht ein Armutsfaktor ist.

4. Ein anderer besorgniserregender Bereich sind die pandemischen Krankheiten wie zum Beispiel Malaria, Tuberkulose und AIDS, welche in dem Maß, wie sie die produktiven Teile der Bevölkerung befallen, einen starken Einfluss auf die Ver­schlechterung der allgemeinen Bedingungen eines Landes ausüben… (Es) kommt vor, dass die von einigen dieser Pan­demien betroffenen Länder, um Gegenmaßnahmen zu ergrei­fen, Erpressungen von Seiten derer erleiden müssen, die wirtschaftliche Hilfen von der Umsetzung einer lebens­feindlichen Politik abhängig machen. Vor allem ist es schwierig, AIDS, eine dramatische Ursache der Armut, zu bekämpfen, wenn man sich nicht der moralischen Proble­matik stellt, mit der die Verbreitung des Virus verbunden ist. Zunächst müssen Kampagnen unternommen werden, die be­sonders die Jugendlichen zu einer Sexualität erziehen, die völlig der Würde der Person entspricht; in diesem Sinn reali­sierte Initiativen haben bereits bedeutende Ergebnisse erzielt, indem sie die Verbreitung von AIDS vermindert haben…

5. …Fast die Hälfte derer, die in absoluter Armut leben, sind heute Kinder. Wenn man sich bei der Betrachtung der Armut auf die Seite der Kinder stellt, sieht man sich veranlasst, jene Ziele als vorrangig anzusehen, die diese am unmittelbarsten angehen, wie zum Beispiel die Fürsorge für die Mütter, das Engagement in der Erziehung, den Zugang zu Impfungen, zu medizinischer Versorgung und zum Trinkwasser, den Umwelt­schutz und vor allem den Einsatz zum Schutz der Familie und der Beständigkeit der innerfamiliären Bindungen. Wenn die Familie schwächer wird, tragen unvermeidlich die Kinder den Schaden davon. Wo die Würde der Frau und der Mutter nicht geschützt wird, bekommen das wiederum in erster Linie die Kinder zu spüren.“         

 (Botschaft vom 8.12.2008)

Sorge über Euthanasie-Gesetz in Luxemburg

„Ich möchte auch die Gelegenheit unserer Begegnung nutzen, Herr Botschafter, um meiner lebhaften Sorge in Bezug auf den Gesetzestext über Euthanasie und Beihilfe zum Selbstmord Ausdruck zu verleihen, der gegenwärtig im Par­lament debattiert wird. Dieser Text legitimiert konkret die Möglichkeit, dem Leben ein Ende zu setzen. Im Übrigen wird er in widersprüchlicher Weise begleitet von einem anderen Projekt, das gute Gesetzesbestimmungen zur Entwicklung der Palliativpflege enthält, um die Schmerzen in der Endphase der Krankheit erträglicher zu machen und eine angemessene menschliche Begleitung des Patienten zu fördern. Die politisch Verantwortlichen, deren ernste Pflicht es ist, dem Wohl des Menschen zu dienen, wie auch die Ärzte und Familien müssen alle daran denken, dass ‚die willentliche Entscheidung, einen unschuldigen Menschen seines Lebens zu berauben, vom moralischen Standpunkt her immer schädlich ist und niemals… gestattet werden kann’ (Enzyklika Evangelium vitae, 57). In Wahrheit gehen Liebe und echtes Mitleid einen anderen Weg. Die Bitte, die in der äußersten Konfrontation mit dem Leiden und dem Tod im Herzen des Menschen aufsteigt – besonders dann, wenn er versucht ist, der Verzweiflung nach­zugeben, und er so verwirrt ist, dass er nicht mehr leben möchte –, ist vor allem eine Bitte um Begleitung und ein Aufruf zu mehr Solidarität und Unterstützung in der Prü­fung. Diese Bitte mag anspruchsvoll erscheinen, aber sie allein ist des Menschen würdig und führt zu neuerer und tieferer Soli­darität, die letztlich die familiären und sozialen Bande berei­chert und stärkt. Auf diesem Weg einer größeren Menschlich­keit sind alle Menschen guten Willens zur Zusammenarbeit aufgerufen, und die Kirche will ihrerseits entschieden all ihre Ressourcen der Aufmerksamkeit und des Dienstes einsetzen. In der Treue zu den christlichen und humanistischen Wurzeln seiner Nation und in der beständigen Sorge, das Gemeinwohl zu fördern, möge es dem luxemburgischen Volk in allen seinen Teilen immer ein Anliegen sein, die Größe und Unantastbar­keit des menschlichen Lebens zu bekräftigen!“

Audienz für den neuen Botschafter von Luxemburg, 18.12.08

Christenfeindlichkeit in der westlichen Welt

„…Ich wünsche auch, dass man in der westlichen Welt keine Vorurteile und keine Feindseligkeit gegen Christen schürt, nur weil ihre Stimme zu manchen Fragen als störend emp­funden wird. Und ich wünsche, das die Jünger CHRISTI, die mit solchen Prüfungen konfrontiert werden, nicht den Mut ver­lieren: Das Zeugnis des Evangeliums ist gegenüber dem ‚Geist der Welt’ immer ein ‚Zeichen des Widerspruchs’! Auch in den schmerzlichen Leiden ist die ständige Gegenwart CHRISTI ein starker Trost. Sein Evangelium ist eine Heilsbotschaft für alle und kann deshalb nicht in die Privatsphäre verbannt wer­den, sondern muss klar und deutlich verkündet werden bis an die äußersten Enden der Erde…“

Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps, 8.1.2009

Biomedizin als Willkür des Stärkeren?

„…Sicherlich treten nicht die eugenischen und rassistischen Ideologien auf, die den Menschen in der Vergangenheit gede­mütigt und furchtbare Leiden verursacht haben, aber es schleicht sich eine neue Mentalität ein, die dazu neigt, eine andere Auffassung des Lebens und der Menschenwürde zu rechtfertigen, die auf den eigenen Wunsch und das individuelle Recht gegründet ist. Man tendiert also dazu, die Handlungsfä­higkeit, Effizienz, Vollkommenheit und physische Schönheit auf Kosten von anderen, als unwürdig betrachteten Dimensionen des Lebens zu bevorzugen. Auf diese Weise wird der Respekt geschwächt, der jedem Menschen gebührt, auch bei Vor­handensein eines Fehlers in seiner Entwicklung oder einer genetischen Krankheit, die im Lauf seines Lebens ausbre­chen könnte, und jene Kinder, deren Leben als nicht le­benswert betrachtet wird, werden vom Augenblick ihrer Empfängnis an benachteiligt… Man muss mit Nachdruck die gleiche Würde jedes Menschen betonen, die sich aus der Tat­sache ergibt, dass er ins Dasein getreten ist. Die biologische, psychische, kulturelle Entwicklung oder der Gesundheitszu­stand dürfen nie zu einem diskriminierenden Element werden. Es ist im Gegenteil notwendig, die Kultur der Annahme und der Liebe zu festigen, die konkretes Zeugnis geben von der Solida­rität mit denen, die leiden, und die die Barrieren beseitigen, welche die Gesellschaft oft durch die Diskriminierung derjeni­gen errichtet, die behindert oder krank sind, oder schlimmer noch, indem sie im Namen eines abstrakten Ideals der Ge­sundheit und physischer Vollkommenheit bis zur Selektion oder zur Zurückweisung des Lebens geht. Wenn der Mensch von seinen frühesten Entwicklungsphasen an auf ein Objekt experimenteller Manipulation reduziert wird, bedeu­tet das, dass sich die biomedizinischen Technologien der Will­kür des Stärkeren ergeben haben. Das Vertrauen in die Wis­senschaft darf nicht den Primat der Ethik vergessen lassen, wenn das menschliche Leben auf dem Spiel steht.“

Ansprache an die Pp. Akademie für das Leben, 21.2.2009

 

 

 

 

3. Ehe, Familie und Erziehung

 

Hilfe in schweren Ehekrisen

„Mit Freude empfange ich euch heute anlässlich des Welttref­fens der Bewegung ‚Retrouvaille’. Ich begrüße die Eheleute und Priester sowie die internationalen Leiter dieser Vereini­gung, die seit über dreißig Jahren mit großer Hingabe im Dienst der Ehepaare tätig ist, die sich in Schwierigkeiten befin­den… Von der Vorsehung getragen war… im Jahr 1977 die Initiative der kanadischen Eheleute Guy und Jeannine Be­land, den Eheleuten in schweren Ehekrisen zu helfen… Wie eure Erfahrung lehrt, ist die Ehekrise… eine Wirklichkeit mit zwei Seiten. Auf der einen Seite zeigt sie sich, besonders in ihrer akuten und schmerzlichen Phase, als ein Scheitern, als der Beweis, dass der  Traum zu Ende ist oder sich in einen Albtraum verwandelt hat und dass leider ‚nichts mehr zu ma­chen ist’. Das ist die negative Seite. Aber da ist noch die an­dere Seite, die wir oft nicht erkennen, die aber GOTT sieht. Denn jede Krise, das lehrt uns die Natur, ist ein Übergang zu einer neuen Lebensphase. Während das in den niederen Geschöpfen automatisch geschieht, sind beim Menschen die Freiheit, der freie Wille und damit eine Hoffnung einbe­zogen, die größer als die Verzweiflung ist. In den dunkelsten Augenblicken haben die Eheleute die Hoffnung verloren. Also werden andere Personen gebraucht, die die Hoffnung be­wahren; es wird ein ‚Wir’ gebraucht, eine Gruppe wahrer Freunde, die unter höchster Achtung, aber auch mit echtem Willen bereit sind, ein wenig von der eigenen Hoffnung mit denen zu teilen, die sie verloren haben. Nicht auf sentimentale oder zaghafte, sondern auf gut organisierte und realistische Weise. So werdet ihr für die Ehepaare im Augenblick des Bru­ches zur konkreten Möglichkeit, einen positiven Bezugspunkt zu haben, dem man sich in der Verzweiflung anvertrauen kann. Denn wenn sich die Beziehung verschlechtert, stürzen die Eheleute in die Einsamkeit, sowohl als einzelne als auch als Ehepaar. Sie verlieren den Horizont der Gemeinschaft mit GOTT, mit den anderen und mit der Kirche. Da bieten eure Begegnungen den ‚Anhaltspunkt’, damit sie sich nicht ganz verirren und allmählich wieder den rechten Weg einschlagen. Die Krise ist also gleichsam eine Wachstumsphase. Diesbe­züglich kann man die Erzählung von der Hochzeit in Kana auslegen (Joh 2,1-11)…

Euer Dienst ist ‚gegen den Strom’ gerichtet. Denn heute findet ein Ehepaar in Schwierigkeiten sogleich viele Personen, die ihm zur Trennung raten. Auch den im Namen des HERRN verheirateten Eheleuten wird sehr leicht die Scheidung vorge­schlagen und dabei vergessen, dass der Mensch nicht trennen darf, was GOTT verbunden hat…“

Audienz für die internationale Tagung der Bewegung „Retrouvaille“, 26.9.2008

Ehrfurcht vor dem Kind

„‚Maxima debetur puero reverentia’ (Juvenal, Satire XIV, V. 479) [=größte Ehrfurcht wird dem Kind geschuldet]: Schon die Menschen der Antike erkannten, wie wichtig es ist, das Kind zu achten, ein Geschenk und kostbares Gut für die Gesell­schaft, dem jene menschliche Würde zuerkannt werden muss, die es bereits dann in vollem Ausmaß besitzt, wenn es noch nicht geboren, sondern noch im Mutterleib ist. Jeder Mensch hat in sich selbst einen Wert, weil er als GOTTES Ebenbild geschaffen ist, in dessen Augen er desto kostbarer ist, je schwächer er dem menschlichen Blick er­scheint. Mit wie viel Liebe muss daher auch ein Kind ange­nommen werden, das noch nicht geboren und bereits von Er­krankungen betroffen ist! ‚Sinite parvulos venire ad me’ [=lasset die Kinder zu mir kommen], sagt JESUS im Evangelium (vgl. Mk 10,14). So zeigt Er uns, mit welcher Achtung und An­nahme wir für jedes Kind Sorge tragen müssen, besonders dann, wenn es schwach und in Not ist, wenn es leidet und wehrlos ist… Die Kirche vergisst diese Kinder, ihre kleinsten Söhne und Töchter, nicht…“

Audienz für den 23. Internat. Kongress des Pp. Rates für die Pastoral im Krankendienst, 15.11.2008

Verteidigt das Ehesakrament

„Die Familie ist… die ‚Grund- und Lebenszelle der Gesell­schaft’: die Grundform jeder Ebene der Gesellschaft (vgl. Apostolicam actuositatem, 11). Euer kürzlich erschienener Hirtenbrief Soziale Frage und Evangelisierung hebt hervor, dass die Kirche sich aktiv für die Förderung des Familienlebens einsetzen muss. Die Familie gründet auf einem unwiderruf­lichen Bund und führt die Menschen zur Entdeckung des Guten, Schönen und Wahren, damit sie ihre einzigartige Bestimmung erkennen und lernen, wie sie zum Aufbau einer Zivilisation der Liebe beitragen können. Eure tiefe Sorge um das Wohl der Familien und um die Gesellschaft als Ganze, meine Brüder, spornt euch an, den Eheleuten zu hel­fen, die Unauflöslichkeit ihres Eheversprechens zu wah­ren. Werdet niemals müde, eine gerechte Zivilgesetzgebung und Politik zu fördern, die die Heiligkeit der Ehe schützen. Ver­teidigt dieses Sakrament gegen alles, was ihm Schaden zufügen kann, besonders gegen die Auslöschung des Lebens in seinen wehrlosesten Phasen…“

Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Taiwan, 12.12.2008

Der unersetzliche Wert der Familie

„Die Familie ist ein unverzichtbares Fundament für die Gesell­schaft und die Nationen. Ebenso ist sie ein unersetzbares Gut für die Kinder, deren Würde es entspricht, als Frucht der Liebe auf die Welt zu kommen, als Frucht der großherzigen Ganzhingabe der Eltern. So wie es JESUS gezeigt hat, der die Jungfrau Maria und den hl. Josef ehrte, nimmt die Familie einen herausragenden Platz in der Erziehung des Menschen ein. Sie ist eine wirkliche Schule des Menschseins und der unvergänglichen Werte. Niemand hat sich seine Existenz selbst gegeben. Wir haben das Leben von anderen empfan­gen, und es entfaltet sich und reift mit den Wahrheiten und Werten, die wir in Beziehung und in Gemeinschaft mit den anderen gelernt haben. In diesem Sinn bringt die Familie, die auf der unauflöslichen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gründet, diese Dimension der Beziehung, des Kindseins und der Gemeinschaft zum Ausdruck und wird zum Ort, an dem der Mensch in Würde zur Welt kommen, wachsen und sich umfassend entfalten kann

Diese Erziehungstätigkeit wird jedoch durch eine irreführende Vorstellung von Freiheit erschwert, in der die Launen und subjektiven Neigungen des Einzelnen derartig überbetont wer­den, dass am Ende jeder in seinem eigenen Ich gefangen ist. Die wahre Freiheit des Menschen kommt daher, dass er nach dem Bild GOTTES und Ihm ähnlich geschaffen wurde. Deshalb muss die Freiheit verantwortungsvoll gelebt werden, indem der Mensch sich stets für das wahre Gut entscheidet. So wird die Freiheit zur Liebe, zur Selbsthingabe. Um dies zu erreichen, bedarf es nicht so sehr der Theorien, sondern der Nähe und Liebe, die die Familiengemeinschaft auszeichnen. Im eigenen Zuhause lernt man, wie man wirklich lebt, man lernt, das Leben und die Gesundheit zu schätzen, die Freiheit und den Frieden, die Gerechtigkeit und die Wahrheit, die Arbeit, die Eintracht und den Respekt.

Heute ist mehr denn je das Zeugnis und der öffentliche Einsatz aller Getauften erforderlich, um die Würde und den einzig­artigen und unersetzlichen Wert der auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten und für das Le­ben offenen Familie zu bekräftigen, sowie auch den Wert des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen. Es müs­sen auch gesetzliche und administrative Maßnahmen gefördert werden, die die Familien in ihren unveräußerlichen Rechten unterstützen, die notwendig sind, damit sie ihre außerordent­lich wichtige Aufgabe erfüllen können. Die Zeugnisse, die in der gestrigen Feier vorgestellt wurden, zeigen, dass die Familie auch heute in der Liebe GOTTES standhalten und die Mensch­heit im neuen Jahrtausend erneuern kann.

All jene Familien, die in besonders schwierigen Umständen für die Treue Zeugnis ablegen, versichere ich meiner Nähe und meines Gebetes. Ich ermutige die kinderreichen Familien, die – manchmal trotz Hindernissen und Unverständnis – ein Beispiel der Großzügigkeit und des GOTTvertrauens ge­ben. Zugleich hoffe ich, dass es ihnen nicht an der nötigen Unterstützung fehlt…“

Videobotschaft zum VI. Welttag der Familien in Mexiko-Stadt, 18.1.2009

Die Familie hat ihren Platz im Herzen GOTTES

„Die christliche Familie, die ‚die lebendige Gegenwart des Erlö­sers in der Welt und die wahre Natur der Kirche allen kund­machen soll’ (Gaudium et spes, 48), muss von der Gegen­wart GOTTES durchdrungen sein, während sie die Angele­genheiten des Alltags in seine Hände legt und für die ange­messene Erfüllung ihrer unverzichtbaren Sendung Seine Hilfe erbittet. Dazu ist das Gebet in der Familie in den passend­sten und wichtigsten Augenblicken von größter Bedeu­tung, ‚denn – wie der HERR selbst versichert hat – ‚wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen’ (Mt 18,20). Und der Meister ist gewiss in der Fami­lie gegenwärtig, die das Wort GOTTES hört und darüber nach­denkt, die von Ihm lernt, was das Wichtigste im Leben ist (vgl. Lk 10,41-42), und Seine Lehren in die Praxis umsetzt (vgl. Lk 11,18). Auf diese Weise wandelt und verbessert sich schritt­weise das persönliche und familiäre Leben, wird der Dialog bereichert, der Glaube an die Kinder weitergegeben, wächst die Freude am Zusammensein, und das Zuhause hält zusam­men und festigt sich immer mehr wie ein auf Fels gebautes Haus (vgl. Mt 7,24-25). Mögen die Hirten nicht ablassen, den Familien zu helfen, damit sie auf fruchtbare Weise in den Ge­nuss des Wortes GOTTES in der Hl. Schrift kommen…

Wenn die christliche Familie das Vertrauen und den kind­lichen Glauben gegenüber GOTT, die Treue und die hoch­herzige Annahme der Kinder, die Sorge für die Schwäch­sten und die Bereitschaft zum Vergeben lebt, wird sie zu einem lebendigen Evangelium, das alle lesen können (vgl. 2 Kor 3,2)…

Wegen ihrer grundlegenden sozialen Funktion hat die Familie ein Recht darauf, in ihrer Freiheit anerkannt und nicht mit anderen Formen des Zusammenlebens verwechselt zu wer­den; und sie hat auch ein Recht darauf, auf den notwendi­gen kulturellen, rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und ge­sundheitlichen Schutz zählen zu können und ganz besonders auf eine ausreichende Unterstützung, die der Anzahl der Kin­der und der verfügbaren wirtschaftlichen Möglichkeiten Rech­nung trägt, um die Freiheit der Erziehung und die Wahl der Schule zu ermöglichen. Es ist daher notwendig, eine Familien­kultur und Familienpolitik zu entwickeln, die in organisierter Form auch von den Familien selbst gefördert werden soll. Ich ermutige euch daher, euch den Verbänden anzuschließen, die die Identität und die Rechte der Familie gemäß einem Men­schenbild fördern, das im Einklang mit dem Evangelium steht…. Abschließend fordere ich euch auf, großes Vertrauen zu haben, denn die Familie hat ihren Platz im Herzen GOTTES, des Schöpfers und HEILANDS. Für die Familie zu arbeiten bedeutet, für eine würdige und lichtvolle Zukunft der Menschheit und für den Aufbau des Reiches GOTTES zu ar­beiten…“  Botschaft an die Teilnehmer der Rosenkranzandacht

beim VI. Welttreffen der Familien in Mexiko, 17.1.2009

Den neuen Generationen helfen

„Wie sollte man nicht besonders an die Kinder und Jugend­lichen denken, die unsere Zukunft sind? Jedesmal, wenn in den Nachrichten über Jugendgewalt berichtet wird, jedesmal, wenn die Zeitungen Verkehrsunfälle melden, in denen viele junge Menschen sterben, dann kommt mir wieder das Thema des Erziehungsnotstandes in den Sinn, der heute die größtmögliche Zusammenarbeit verlangt. Besonders unter den jungen Ge­nerationen gehen die natürlichen und christlichen Werte zurück, die dem täglichen Leben Sinn geben und zu einer Lebensauffassung erziehen, die offen ist für die Hoffnung; es werden dagegen kurzlebige Wünsche und nicht dauer­hafte Erwartungen wach, die am Ende Überdruss und Misserfolge erzeugen. All das führt unglücklicherweise dazu, dass sich Tendenzen durchsetzen, den Wert des Lebens zu banalisieren, um sich in Exzess, Drogen und Alkohol zu flüchten, die für einige zum gewohnten Wochenendritual geworden sind. Selbst die Liebe läuft Gefahr, ‚zur bloßen Sa­che’ zu werden, die man ‚kaufen und verkaufen’ kann, ‚ja, der Mensch selbst wird dabei zur Ware’ (Deus caritas est, 5). Angesichts des Nihilismus, der die Welt der Jugendlichen immer stärker durchdringt, fordert die Kirche alle auf, sich ernsthaft den Jugendlichen zu widmen, sie nicht sich selbst zu überlassen und sie nicht ‚schlechten Lehrmeistern’ auszu­setzen, sondern sie in ernsthafte Initiativen einzubinden, die ihnen helfen, den Wert des Lebens in einer soliden Familie, die auf der Ehe gründet, zu verstehen. Nur so gibt man ihnen die Möglichkeit, vertrauensvoll ihre Zukunft zu planen. Was die kirchliche Gemeinschaft betrifft, so muss diese noch größere Bereitschaft zeigen, den neuen Generationen in Rom und Latium zu helfen, ihre Zukunft verantwortlich zu planen. Sie bietet ihnen vor allem die Liebe CHRISTI an, der allein er­schöp­fende Antworten auf die tiefsten Fragen unseres Herzens geben kann…“

Audienz für die politischen Vertreter und Mitarbeiter der Verwaltungseinrichtungen der Region Latium und der Stadt und Provinz Rom, 12.1.2009

Gegen eine zu pessimistische Sicht der psychischen Eheunfähigkeit

„Zwanzig Jahre nach den Ansprachen von Papst Johannes Paul II. über die psychische Unfähigkeit in den Ehenichtigkeitsprozessen… scheint es angebracht sich zu fragen, in welchem Maße diese Ansprachen bei den kirchlichen Gerichts­höfen eine angemessene Rezeption gefunden haben… In manchen Fällen kann man leider spüren, dass die Forderung, von der mein verehrter Vorgänger sprach, nach wie vor be­steht: nämlich dass die kirchliche Gemeinschaft ‚vor dem Är­gernis bewahrt wird, durch die übermäßige und fast automa­tische Zunahme der Nichtigkeitserklärungen – dann näm­lich, wenn die Ehe misslingt und man irgendeine Unreife oder psychische Schwäche der Partner zum Vorwand nimmt –, den Wert der christlichen Ehe praktisch vernichtet zu sehen’ (An­sprache 5.2.1987, Nr. 9)… Bei unserer heutigen Begegnung ist mir daran gelegen, die Aufmerksamkeit der gerichtlichen Mit­arbeiter auf das Erfordernis zu lenken, die Fälle mit der gebüh­renden Tiefe und Gründlichkeit zu behandeln, wie sie vom Dienst der Wahrheit und der Liebe, der gerade der Römischen Rota eigen ist, gefordert wird… Ist es angebracht, noch an einige Unterscheidungen zu erinnern, die die unterscheidende Trennlinie vor allem zwischen ‚einer psychischen Reife, die das Ziel der menschlichen Entwicklung wäre’, und ‚der kanonischen Reife…, die hingegen der minimale Ausgangspunkt für die Gültigkeit der Ehe ist’ (ebd., Nr. 6), festlegen; zweitens die Unterscheidung zwischen Unfähigkeit und Schwierigkeit, da ‚nur die Unfähigkeit, und nicht schon die Schwierigkeit, das Jawort zu geben und eine echte Lebens- und Liebesgemein­schaft zu verwirklichen, die Ehe nichtig macht’ (ebd., Nr. 7); drittens die Unterscheidung zwischen der kirchenrechtlichen Dimension der Normalität, die sich an der vollen Sicht der Person orientiert und deshalb ‚auch mäßige Formen psychologi­scher Schwierigkeiten einschließt’, und der klinischen Dimen­sion, die dem Begriff der Normalität jede Ein­schränkung von Reife und ‚jede Form der Psychopathologie’ ausschließt (An­sprache 25.1.1988, Nr. 5); schließlich die Trennlinie zwischen der ‚minimal ausreichenden Fähigkeit, einen gültigen Ehekon­sens abzugeben’ und der idealisierten Fähigkeit ‚der vollen Reife hinsichtlich eines glücklichen Ehelebens’ (ebd., Nr. 9).

In Anbetracht der Einbeziehung der Verstandes- und Willens­fähigkeiten bei der Entstehung des Ehekonsenses bestätigte Papst Johannes Paul II. … noch einmal den Grundsatz, wo­nach eine wirkliche Unfähigkeit ‚nur anzunehmen ist, wenn eine schwere Form von Anomalie vorliegt, die, wie auch immer man sie definieren will, die Fähigkeit des Partners, zu verstehen und/oder zu wollen, wesentlich beeinträchti­gen muss’ (a.a.O., Nr. 7). Diesbezüglich scheint es mir ange­bracht, daran zu erinnern, dass die Norm des Codex über die psychische Unfähigkeit hinsichtlich ihrer Anwendung durch die jüngste Instruktion Dignitas conubii vom 25. Januar 2005 berei­chert und ergänzt worden ist. Sie verlangt nämlich für die Er­füllung des Bestehens dieser Unfähigkeit, dass bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung eine besondere psychische Anomalie vorhanden ist (Art. 209, § 1), die den Vernunftge­brauch (Art. 209, § 2, Nr. 1; can. 1095, Nr. 1) oder die Kritik- und Wahlfähigkeit zum Fällen gewichtiger Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf die freie Wahl des Lebensstan­des, schwerwiegend beeinträchtigt (Art. 209, § 2, Nr. 2; can. 1095, Nr. 2) oder die im Betroffenen nicht nur eine ernste Schwierig­keit, sondern auch die Unmöglichkeit hervorruft, die Aufgaben zu erfüllen, die den ehelichen Pflichten wesenhaft innewohnen (Art. 209, § 2, Nr. 3; can. 1095, Nr. 3).

Bei dieser Gelegenheit möchte ich jedoch das Thema der Un­fähigkeit, eine Ehe zu schließen, von der Canon 1095 handelt, noch einmal im Licht der Beziehung zwischen der mensch­lichen Person und der Ehe betrachten und an einige Grund­prinzipien erinnern, die die gerichtlichen Mitarbeiter beachten müssen. Es ist vor allem nötig, die Fähigkeit positiv wieder neu zu entdecken, die im Prinzip jeder Mensch besitzt, nämlich aufgrund seiner Natur als Mann oder Frau zu hei­raten. Wir laufen nämlich Gefahr, in einen anthropologi­schen Pessimismus zu verfallen, der es im Licht der heuti­gen kulturellen Situation für nahezu unmöglich hält, sich zu verheiraten. Abgesehen davon, dass die Situation in den verschiedenen Regionen der Welt nicht gleich ist, darf die wahre Ehekonsensunfähigkeit nicht mit den realen Schwierig­keiten verwechselt werden, in denen sich viele, besonders die jungen Menschen, befinden, die deshalb zur Ansicht gelangen, die Ehe sei normalerweise undenkbar und unpraktizierbar. Ja, die Bekräftigung der angeborenen Fähigkeit des Menschen zur Ehe ist gerade der Ausgangspunkt, um den Eheleuten zu helfen, die natürliche Wirklichkeit der Ehe und die Bedeu­tung zu entdecken, die sie auf der Ebene des Heils hat. Was schließlich auf dem Spiel steht, ist die Wahrheit über die Ehe und über die ihr innewohnende rechtliche Natur (vgl. Be­nedikt XVI., Ansprache an die Römische Rota, 27.1.2007), was die unabdingbare Voraussetzung ist, um die geforderte Fähig­keit zur Eheschließung erfassen und beurteilen zu können.

In diesem Sinn muss die Fähigkeit mit dem in Zusammenhang gebracht werden, was die Ehe ihrem Wesen nach ist, nämlich ‚die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt’ (II. Vat. Konzil, Gaudium et spes, 48), und in besonderer Weise mit den ihr innewohnenden wesentlichen Verpflichtungen, die von den Eheleuten übernommen werden müssen (Can. 1095, Nr. 3). Diese Fähigkeit wird nicht in Bezug auf einen be­stimmten Grad der existentiellen oder wirksamen Verwirk­lichung des Ehebundes durch die Erfüllung der wesent­lichen Pflichten bemessen, sondern in Bezug auf den wirk­samen Willen jedes der Eheleute, der diese Verwirklichung schon im Augenblick der Eheschließung möglich und wirk­sam macht. Das Reden über die Fähigkeit oder Unfähigkeit zur Ehe hat also in dem Maße Sinn, in dem es den Akt der Ehe­schließung selbst betrifft, denn das vom Willen der Partner hervorgerufene Eheband stellt die juristische Wirklichkeit der biblischen Aussage, ‚die beiden werden ein Fleisch sein’ (Gen 2,24; Mk 10,8; Eph 5,31; vgl. Can. 1061, § 1), dar, deren Gül­tigkeit nicht vom späteren Verhalten der Eheleute während ihres Ehelebens abhängt. Andernfalls wird in der reduktio­nistischen Optik, die die Wahrheit über die Ehe nicht aner­kennt, die tatsächliche – auf einer Ebene rein menschlichen Wohlergehens idealisierte – Verwirklichung einer wahren Lebens- und Liebesgemeinschaft im Wesentlichen nur von nebensächlichen Faktoren abhängig gemacht, nicht jedoch von der Ausübung der mensch­lichen Freiheit, die von der Gnade unterstützt wird. Es stimmt, dass diese Freiheit der menschlichen Natur, die ‚in ihren natürlichen Kräften verletzt ist’ und ‚zur Sünde neigt’ (KKK, 405), begrenzt und unvollkommen ist, aber sie ist deshalb nicht unecht und unzureichend, um jenen Akt der Selbstbestimmung der Ehepartner zu verwirklichen, den Eheschließungsakt, der die Ehe und die auf ihr gegründete Familie ins Leben ruft.

Offensichtlich idealisieren einige anthropologische ‚humanisti­sche’ Strömungen, die auf die Selbstverwirklichung und ego­zentrische Selbsttranszendenz ausgerichtet sind, den Men­schen und die Ehe so sehr, dass sie schließlich die psychische Fähigkeit vieler Menschen leugnen und sie auf Elemente grün­den, die den wesentlichen Erfordernissen des Ehebandes nicht entsprechen. Diesen Auffassungen gegenüber müssen die Vertreter des Kirchenrechts dem gesunden Realismus Rechnung tragen, auf den mein verehrter Vorgänger hinge­wiesen hat (vgl. Ansprache 27.1.1997, 4), weil sich die Ehe­fähigkeit auf die notwendige Mindestanforderung bezieht, damit die Brautleute ihr Sein als Mann und Frau hingeben kön­nen, um jenes Band zu begründen, zu dem die große Mehrheit der Menschen berufen ist…“

Ansprache an die Mitglieder der Römischen Rota, 29.1.2009

 

 

 

 

4. Jugend

 

Habt keine Angst vor dem Apostolat

„In der Weihnachtsnacht habe ich besonders die Kinder in Erinnerung gerufen, heute Abend dagegen möchte ich vor allem den Jugendlichen meine Aufmerksamkeit widmen. Liebe Jugendliche, ihr seid verantwortlich für die Zukunft unse­rer Stadt. Habt keine Angst vor der Aufgabe des Apostolats, die der HERR euch anvertraut. Zögert nicht, einen Lebens­stil zu wählen, der nicht der gegenwärtigen hedonistischen Mentalität folgt. Der HL. GEIST sichert euch die Kraft zu, die notwendig ist, um die Freude des Glaubens und die Schön­heit des Christseins zu bezeugen. Das wachsende Bedürfnis nach Evangelisierung erfordert zahlreiche Arbeiter im Wein­berg des HERRN: Zögert nicht, Ihm bereitwillig zu antwor­ten, wenn Er euch ruft. Die Gesellschaft braucht Bürger, die nicht nur für ihre eigenen Interessen Sorge tragen, denn… wenn jeder nur an seine eigenen Interessen denkt, kann die Welt nur zugrunde gehen…

Unsere große Hoffnung als Gläubige ist das ewige Leben in der Gemeinschaft mit CHRISTUS und mit der ganzen Familie GOTTES. Diese große Hoffnung gibt uns die Kraft, den Schwierigkeiten des Lebens in dieser Welt zu begegnen und sie zu überwinden. Die mütterliche Gegenwart Mariens versichert uns an diesem Abend, dass GOTT uns niemals ver­lässt, wenn wir uns Ihm anvertrauen und Seiner Lehre folgen…“   

  Jahresschlussandacht im Petersdom, 31.12.2008

Neue Technologien – neue Verbindungen…

„Liebe junge Menschen, fühlt euch verantwortlich, in die Kultur dieser neuen kommunikativen und informativen Umwelt die Werte einzubringen, auf denen euer Leben ruht!…Euch jun­gen Menschen, die ihr euch fast spontan im Einklang mit die­sen neuen Mitteln der Kommunikation befindet, kommt in be­sonderer Weise die Aufgabe der Evangelisierung dieses ‚digitalen Kontinents’ zu. Seid bereit, euch mit Begeisterung die Verkündigung des Evangeliums bei euren Altersgenos­sen zur Aufgabe zu machen! Ihr kennt deren Ängste und Hoffnungen, deren Begeisterung und Enttäuschungen: Das kostbarste Geschenk, das ihr ihnen machen könnt, besteht darin, ihnen die ‚Gute Nachricht’ eines GOTTES mitzuteilen, der Mensch geworden ist, gelitten hat, gestorben und aufer­standen ist, um die Menschheit zu retten. Das Herz des Men­schen sehnt sich nach einer Welt, in der Liebe herrscht, wo man die Gaben miteinander teilt, wo man Einheit herbeiführt, wo die Freiheit ihre eigentliche Bedeutung in der Wahrheit findet und wo jeder seine Identität in respektvoller Gemein­schaft verwirklicht. Auf diese Erwartungen kann der Glaube Antwort geben: Seid Boten dieses Glaubens! Der Papst steht euch mit seinem Gebet und seinem Segen zur Seite.“

Aus der Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 24.3.2009 (vom 24.1.09)

Die Hoffnung verkünden

„Die Jugendzeit ist in besonderer Weise eine Zeit der Hoff­nung, da man mit vielen Erwartungen in die Zukunft blickt...Woher soll man die Flamme der Hoffnung nehmen, und was kann man tun, damit sie nicht erlischt?... Diese Hoffnung ‚kann nur GOTT sein, der das Ganze umfasst und der uns geben und schenken kann, was wir allein nicht vermögen‘ (Spe salvi, 31). Das ist auch der Grund, warum eine der Hauptfolgen der GOTTESvergessenheit die Orientierungs­losigkeit ist, von der unsere Gesellschaft geprägt ist... Von der Hoffnungskrise sind vor allem die neuen Generationen betroffen... Ich denke... an eure vielen Altersgenossen, die vom Leben verletzt wurden und von einer persönlichen Unreife geprägt sind, die oft die Folge einer familiären Leere ist, einer allzu lockeren Erziehung ohne feste Regeln und negativer oder traumatischer Erfahrungen. Für einige, und das sind leider nicht wenige, führt das fast zwangsläufig zu einer der Realität entfremdenden Flucht in gefährliche und gewalttätige Verhaltensweisen, in die Abhängigkeit von Drogen und Alkohol und viele andere Formen dieser unter den Jugendlichen verbreiteten Unzufriedenheit. Und doch er­löscht auch in jenen, die dem ‚Rat schlechter Lehrer‘ gefolgt sind und sich deshalb in einer schwierigen Lage befinden, das Verlangen nach wahrer Liebe und wirklichem Glück nicht. Wie aber soll man diesen Jugendlichen die Hoffnung verkünden? Wir wissen, dass der Mensch nur in GOTT seine wahre Ver­wirklichung findet. Die Hauptaufgabe, die uns alle angeht, ist daher eine Neuevangelisierung, die der neuen Generation hilft, das wahre Antlitz GOTTES zu entdecken, das die Liebe ist...

...Das beständige Gebet öffnet das Herz..., wie Augustinus erklärt: ‚Der HERR unser GOTT will, dass unser Verlangen sich im Gebet bewähre. So bereitet Er uns darauf vor, das zu emp­fangen, was Er uns zu geben geneigt ist‘ (Briefe 130,8,17). Das Gebet ist ein Geschenk des HL. GEISTES, das uns zu Män­nern und Frauen der Hoffnung macht, und das Beten lässt uns die Welt für GOTT offenhalten (vgl. Spe salvi, 34). Schafft in eurem Leben Raum für das Gebet!...

Wenn ihr euch von CHRISTUS nährt, liebe Jugendliche, und in Ihm lebt wie Paulus, werdet ihr nicht umhinkommen, von Ihm zu sprechen und Ihn vielen eurer Freunde und Altersge­nossen nahezubringen, sie Ihn lieben zu lehren... Die Kirche zählt auf euch für diese anspruchsvolle Aufgabe. Seid geduldig und beharrlich und gebt nicht der für die Jugend typischen Neigung nach, alles jetzt und sofort zu wollen...

Trefft Entscheidungen, die euren Glauben zum Ausdruck brin­gen; zeigt, dass ihr erkannt habt, welche Gefahren in der Vergötzung des Geldes, der materiellen Güter, des Strebens nach Karriere und Erfolg liegt, und lasst euch von diesen Trugbildern nicht verführen... Der wahre Christ ist niemals traurig, auch wenn er mit Prüfungen verschiedener Art konfron­tiert wird. Die Gegenwart JESU ist nämlich das Geheimnis seiner Freude und seines Friedens.“

Botschaft zum XXIV. Weltjugendtag am Palmsonntag, 5.4.2009

 

 

 

5. Heilige

 

Johannes XXIII.

„…Für den Gläubigen ‚ziemt es sich besonders, in die mensch­liche Gesellschaft Licht und Liebe zu tragen, wie Sauerteig in der Masse zu wirken. Dies wird umso mehr der Fall sein, je enger sich das Herz eines jeden an GOTT bindet’ (Pacem in terris, 164). Das war das Lebensprogramm des großen Paps­tes, und das kann das Ideal jedes Gläubigen und jeder christ­lichen Gemeinschaft werden, die in der Eucharistiefeier aus der Quelle der ungeschuldeten, treuen und barmherzigen Liebe des auferstandenen Gekreuzigten zu schöpfen weiß. Man ge­statte mir einen besonderen Hinweis auf die Familie, das zentrale Subjekt des kirchlichen Lebens, Schoß der Erzie­hung zum Glauben und unersetzliche Keimzelle des ge­sellschaftlichen Lebens. Der spätere Papst Johannes schrieb diesbezüglich in einem Brief an seine Familienangehörigen: ‚Die Erziehung, die die tiefsten Spuren hinterlässt, ist stets die häusliche. Ich habe viel von dem vergessen, was ich in Bü­chern gelesen habe, aber ich erinnere mich noch sehr gut an all das, was ich von den Eltern und von den alten Leuten ge­lernt habe.’ (20. Dezember 1932)…“

Anlässlich des 50. Jahrestages der Wahl des sel. Johannes XIII. zum Papst, 28.10.2009

Das Lehramt Papst Pius’ XII. auch heute von unschätzbarem Wert

„Was lässt sich über die Qualität des Lehramtes Pius’ XII. sa­gen? Er war gegen jede Art von Improvisation: Er schrieb jede Ansprache mit größter Sorgfalt, wobei er jeden Satz und je­des Wort abwog, bevor er es öffentlich aussprach. Er studierte aufmerksam die verschiedenen Sachverhalte und hatte die Gewohnheit, sich mit herausragenden Experten zu beraten, wenn es sich um Themen handelte, die eine spezielle Sach­kenntnis erforderten. Von seiner Natur und seinem Wesen her war Pius XII. ein maßvoller Mensch und ein Realist, dem ein leichtfertiger Optimismus fremd war, aber er war ebenso im­mun gegenüber der Gefahr jenes Pessimismus, der nicht zu einem Gläubigen passt… Alle anerkennen in Pius XII. einen Mann von außergewöhnlicher Intelligenz, mit einem ausge­zeichneten Gedächtnis, einer einzigartigen Vertrautheit mit den Fremdsprachen und einer bemerkenswerten Sensibili­tät. Man sagt von ihm, er sei ein höflicher Diplomat, ein hervor­ragender Jurist, ein ausgezeichneter Theologe gewesen. Das alles trifft zu, aber es erklärt nicht alles. Es gab darüber hinaus in ihm das ständige Bemühen und den festen Willen, sich selbst GOTT zu schenken, ohne sich etwas zu ersparen und ohne Rücksicht auf seine schwache Gesundheit. Die eigent­liche Triebfeder seines Verhaltens war folgende: Alles er­wuchs aus der Liebe zu seinem HERRN JESUS CHRISTUS und aus der Liebe zur Kirche und zur Mensch­heit. Er war nämlich vor allem der Priester in ständiger, inniger Verbindung mit GOTT, der Priester, der in langen Gebetszeiten vor dem Allerheiligsten, im stillen Gespräch mit seinem Schöpfer und Erlöser die Kraft für seine enorme Arbeit fand. Darin hatte sein Lehramt seinen Ursprung und erhielt von daher, wie übrigens jede andere seiner Tätigkeiten, seinen Antrieb.

Es braucht deshalb nicht zu verwundern, dass seine Lehre auch heute weiterhin Licht in der Kirche verbreitet… Fünfzig Jahre sind seit seinem Tod vergangen, aber sein vielseitiges und fruchtbares Lehramt bleibt auch für die heutigen Christen von unschätzbarem Wert… In den von den Konzilsvätern des 2. Vatikanums eingebrachten mündlichen und schriftlichen Beiträgen finden sich bekanntlich mehr als tausend Bezug­nahmen auf das Lehramt Pius’ XII. Nicht alle Konzilsdokumente haben einen Anmerkungsapparat, aber in den Dokumenten, die ihn haben, taucht über zweihundert Mal der Name Pius XII. auf. Das heißt: Mit Ausnahme der Hl. Schrift ist dieser Papst die am häufigsten zitierte maßgebliche Quelle. Man weiß außer­dem, dass die den Dokumenten angefügten Anmerkungen im allgemeinen nicht bloße erklärende Hinweise sind, sondern dass in ihnen oft wesentliche Bestandteile der Konzilstexte enthalten sind; sie sind nicht nur Anmerkungen zur Bekräfti­gung dessen, was im Text gesagt wurde, sondern sie bieten einen Interpretationsschlüssel dafür. Wir können sagen, dass der HERR in der Person Papst Pius’ XII. Seiner Kirche ein außerordentliches Geschenk gemacht hat…

Audienz für den Kongress „Das Erbe des Lehramtes Pius’ XII. und das II. Vatikanische Konzil, 8.11.2008

Das Böse mit der Kraft der Liebe vergelten

Saulus verfolgte die Kirche und hatte auch an der Steinigung des Stephanus seinen Anteil: er hatte ihn unter den Steinwür­fen sterben sehen, und vor allem hatte er die Art und Weise gesehen, in der Stephanus gestorben war: in allem wie CHRISTUS, das heißt betend und seinen Mördern verge­bend. Auf dem Weg nach Damaskus begriff Saulus, dass er durch die Verfolgung der Kirche den gestorbenen und wahrhaft auferstandenen CHRISTUS verfolgte: JESUS, der in Seiner Kirche lebt, der auch in Stephanus lebt, den er hatte sterben sehen, der jedoch nun gewiss zusammen mit seinem aufer­standenen HERRN lebte. Wir könnten fast sagen, dass er in der Stimme CHRISTI jene des Stephanus hörte und die GÖTTliche Gnade auch durch dessen Fürsprache sein Herz berührte… Im hl. Stephanus sehen wir, wie sich die ers­ten Früchte des Heiles verwirklichen, das der Menschheit mit dem Geburtsfest CHRISTI gebracht worden ist: der Sieg des Lebens über den Tod, der Liebe über den Hass, des Lichtes der Wahrheit über die Finsternis der Lüge. Preisen wir GOTT, denn dieser Sieg erlaubt auch heute vielen Christen, das Böse nicht mit Bösen zu vergelten, sondern mit der Kraft der Wahrheit und der Liebe. Die Jungfrau Maria, Königin der Märtyrer, möge für alle Gläubigen erlangen, dass sie mutig demselben Weg folgen…

…grüße ich von Herzen auch alle Pilger und Besucher deutscher Zunge. Angesichts des blutigen Todes des Diakons Stephanus mögen wir uns fragen, ob sich das Gute, das mit der Geburt des Erlösers in die Welt gekommen ist, gegen­über dem Bösen überhaupt behaupten kann. Der Märtyrer selbst gibt uns die Antwort: er bittet um Vergebung für die, die ihn töten. Im Tod bewährt er sich als Zeuge der Liebe GOTTES, die nicht untergeht. JESUS, dem er in Treue nach­gefolgt ist, nimmt ihn zu sich und lässt sein Blutzeugnis reiche Frucht bringen.“           

             Angelus-Ansprache am 26.12.2008

Vorbild der Heiligen

„Ihr wisst sehr gut, dass der heutige Mensch die dringende Notwendigkeit verspürt, konsequente Lebensbeispiele zu haben, die wirklich dem Evangelium entsprechen. Die Heilig­keit aller Glieder der Kirche und besonders ihrer Hirten ist da­her eines der kostbarsten Geschenke, das ihr euren Brüdern anbieten könnt. Im Gedenken an die zahlreichen Heiligen und Seligen eures Landes, die durch ihr wunderbares Zeugnis des Glaubens und der Hingabe im Dienst an den Brüdern … ein Erbe nicht nur der katholischen Kirche, sondern der ganzen chilenischen Gesellschaft sind, sollt ihr auch wei­terhin unermüdlich die allgemeine Berufung zur Heiligkeit ver­künden (vgl. Lumen gentium, 39-42)…“

Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Chile, 4.12.2008

Hl. Bonifatius: Hl. Schrift und Treue zu Rom

„Heute verweilen wir bei einem großen Missionar des 8. Jahr­hunderts, der das Christentum in Mitteleuropa, also auch in meiner Heimat, verbreitet hat: dem hl. Bonifatius, der als ‚Apostel der Deutschen‘ in die Geschichte eingegangen ist...

Getröstet und gestärkt durch die Unterstützung seitens des Papstes [Gregor II.], setzte sich Bonifatius in der Verkündigung des Evangeliums... ein... Mit großem Pflichtgefühl schrieb er in einem seiner Briefe: ‚Bleiben wir fest im Kampf am Tag des HERRN, da Tage voll Trübsal und Not gekommen sind... Seien wir weder stumme Hunde noch schweigende Beobachter noch Söldner, die vor den Wölfen fliehen! Seien wir hinge­gen eifrige Hirten, die über die Herde CHRISTI wachen, die den wichtigen Personen und den gewöhnlichen, den Reichen und den Armen den Willen GOTTES verkünden... zu gelegenen und ungelegenen Zeiten...‘ ...

Welche Botschaft können wir heute nach Jahrhunderten, aus der Lehre und dem wunderbaren Wirken dieses großen Mis­sionars und Märtyrers gewinnen? Für den, der sich Bonifatius nähert, zeichnet sich als ein erstes offenkundiges Merkmal ab: die zentrale Stellung des Wortes GOTTES, wie es im Glau­ben der Kirche gelebt und ausgelegt wird, des Wortes, das er gelebt, verkündet und bis zur letzten Selbsthingabe im Martyrium bezeugt hat. Er war vom Wort GOTTES derart begeistert, dass er die dringende Verpflichtung spürte, es den anderen zu bringen, auch wenn er selbst dabei in Gefahr ge­riet. Auf dieses Wort stützte sich jener Glaube, zu dessen Ver­breitung er sich bei seiner Bischofsweihe feierlich ver­pflichtet hatte: ‚Ich bekenne voll und ganz die Reinheit des heiligen katholischen Glaubens und will mit GOTTES Hilfe in der Einheit dieses Glaubens bleiben, auf dem ohne jeden Zweifel das ganze Heil der Christen beruht‘... Das zweite sehr wichtige Merkmal, das aus dem Leben des Bonifatius zutage tritt, ist seine treue Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl, die ein zentraler Fixpunkt seiner Arbeit als Missionar war; er bewahrte diese Gemeinschaft immer als Regel seiner Mission und hinterließ sie gleichsam als sein Testament. In einem Brief an Papst Zacharias versicherte er: ‚Ich höre niemals auf, dieje­nigen, die im katholischen Glauben und in der Einheit der römi­schen Kirche bleiben wollen, und alle, die mir GOTT in meiner Sendung als Zuhörer und Schüler gibt, zum Gehorsam gegen­über dem Apostolischen Stuhl aufzufordern‘...

Mich beeindruckt immer wieder sein glühender Eifer für das Evangelium: Mit vierzig Jahren verlässt er ein schönes und fruchtbares klösterliches Leben, ein Leben als Mönch und Professor, um den einfachen Leuten, den Barbaren das Evan­gelium zu verkünden; als Achtzigjähriger geht er noch einmal in eine Gegend, wo er sein Martyrium voraussieht. Wenn wir diesen seinen glühenden Glauben, diesen Eifer für das Evan­gelium mit unserem oft so lauen und bürokratischen Glauben vergleichen, sehen wir, was wir tun und wie wir unseren Glau­ben erneuern müssen, um unserer Zeit die kostbare Perle des Evangeliums zu schenken.“

Generalaudienz, 11.5.2009

 

 

 

6. Leiden und Sterben

 

 

Leiden

JESUS leidet und stirbt am Kreuz aus Liebe. Auf diese Weise hat er bei näherem Hinsehen unserem Leid Sinn ver­liehen, einen Sinn, den viele Männer und Frauen eines jeden Zeitalters verstanden und sich zu eigen gemacht haben und dabei innere Seelenruhe auch in der Bitternis harter körper­licher und moralischer Prüfungen erfahren haben. Und gerade ‚die Kraft des Lebens im Leid’ ist das Thema, das die italieni­schen Bischöfe für ihre Botschaft anlässlich des heutigen Ta­ges für das Leben gewählt haben. Ich schließe mich von Her­zen ihren Worten an, in denen die Liebe der Hirten zu den Menschen sowie der Mut zu verspüren sind, die Wahrheit zu verkünden, der Mut, beispielsweise klar zu sagen, dass die Euthanasie eine falsche Lösung für das Drama des Leidens darstellt, eine menschenunwürdige Lösung. Die wahre Antwort kann nämlich nicht darin bestehen, den Tod zu geben, sei er auch noch so ‚sanft’, sondern Zeugnis abzulegen für die Liebe, die hilft, dem Schmerz und dem Todeskampf auf menschliche Weise zu begegnen. Seien wir dessen ge­wiss: keine Träne – weder die des Leidenden noch dessen, der ihm nahesteht, ist vergebens vor GOTT. Die Jungfrau Maria hat das Geheimnis ihres Sohnes in ihrem Mutterherzen bewahrt, sie hat dessen qualvolle Stunde des Leidens und der Kreuzi­gung mit Ihm geteilt, getragen von der Hoffnung auf die Auf­erstehung. Ihr vertrauen wir die Menschen an, die im Leiden stehen, sowie all jene, die sich Tag für Tag um ihre Unterstüt­zung bemühen und dem Leben in all seinen Phasen dienen…“

Angelus-Ansprache am 1.2.2009

 

 

 

 

 

 

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