FMG-INFORMATION 94, Juli 2008

 

1. Glaube und Kirche

 

 

Der Glaube in Amerika

„Amerika ist auch ein Land von großem Glauben. Eure Men­schen sind für ihren Glaubenseifer bekannt und stolz darauf, einer Gemeinschaft anzugehören, die betet. Sie haben Ver­trauen in GOTT und zögern nicht, in ihr Gespräch in der Öffentlichkeit moralische Argumente einzubringen, die im biblischen Glauben verwurzelt sind...

Auch wenn es zutrifft, dass dieses Land von einem echten religiösen Geist geprägt ist, kann dennoch der schleichende Einfluss des Säkularismus die Art und Weise beeinträchti­gen, inwieweit die Menschen zulassen, dass der Glaube ihr Verhalten beeinflusst. Ist es konsequent, sonntags in der Kirche unseren Glauben zu bekennen und dann im Lauf der Woche Geschäftspraktiken oder medizinische Verfah­ren zu fördern, die im Widerspruch zu diesen Glaubens­überzeugungen stehen? Ist es für praktizierende Katholi­ken konsequent, die Armen und die Randgruppen zu igno­rieren oder auszubeuten, ein Sexualverhalten zu fördern, das im Gegensatz zur katholischen Morallehre steht, oder Positionen einzunehmen, die dem Recht jedes Menschen auf Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod widersprechen? Jedem Bestreben, Religion als Privat­sache zu behandeln, muss Widerstand entgegengesetzt werden. Nur wenn ihr Glaube jeden Aspekt ihres Lebens durchdringt, öffnen sich Christen wirklich der verwandelnden Kraft des Evangeliums.

Ein weiteres Hindernis für eine Begegnung mit dem lebendigen GOTT liegt in dem unterschwelligen Einfluss des Materia­lismus, der allzu leicht die Aufmerksamkeit auf das Hundert­fache konzentriert, das GOTT jetzt in dieser Zeit verheißt, auf Kosten des ewigen Lebens, das Er für die kommende Zeit verheißt (vgl. Mk 10,30). Die Menschen müssen heute an das letzte Ziel ihres Lebens erinnert werden. Sie müssen erkennen, dass in ihnen ein tiefes Verlangen nach GOTT vor­handen ist. Es müssen ihnen Gelegenheiten gegeben werden, aus dem Brunnen Seiner grenzenlosen Liebe zu schöpfen. Leicht kann man sich von den fast unbegrenzten Möglichkeiten berauschen lassen, die uns Wissenschaft und Technologie vorsetzen; leicht kann man den Denkfehler begehen, wir könnten durch unsere eigenen Anstrengungen die Erfüllung unserer tiefsten Bedürfnisse erreichen. Das ist eine Illusion. Ohne GOTT, der allein uns schenkt, was wir aus eigener Kraft nicht erreichen können (vgl. Spe salvi, 31), ist unser Leben letztlich leer. Die Menschen müssen ständig daran erinnert werden, eine Beziehung zu pflegen zu Ihm, der gekommen ist, damit wir das Leben in Fülle haben...

Als Verkünder des Evangeliums und Leiter der katholischen Gemeinschaft seid ihr auch dazu aufgerufen, euch am Ideen­austausch im öffentlichen Raum zu beteiligen, um dazu beizu­tragen, die kulturellen Haltungen zu formen... Der Einfluss der Kirche auf die öffentliche Diskussion erfolgt verständlicher­weise auf vielen verschiedenen Ebenen. In den Vereinigten Staaten wie anderswo gibt es viele bereits erlassene oder beantragte Gesetze, die unter moralischem Gesichtspunkt Anlass zur Sorge geben; die katholische Gemeinschaft unter eurer Führung muss ein klares, gemeinsames Zeugnis zu diesen Fragen abgeben. Noch wichtiger ist jedoch, dass sich Verstand und Herzen der größeren Gemeinschaft schritt­weise der moralischen Wahrheit öffnen. Hier gibt es noch viel zu tun. Entscheidend ist in dieser Hinsicht die Rolle der Gläubigen, als ‚Sauerteig’ in der Gesellschaft zu wirken. Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass alle katholischen Bürger in ihrem Denken mit der Lehre der Kirche über die heutigen ethischen Grundfragen übereinstimmen. Es ist daher erneut eure Pflicht, dafür zu sorgen, dass die auf jeder Ebene des kirchlichen Lebens vorgesehene moralische Erziehung die authentische Lehre vom Evangelium des Lebens widerspiegelt...“

Ansprache an die US-Bischöfe in Washington, 16.4.2008

Die objektive apostolische Lehre als Fundament der Einheit

„Angesichts dieser Schwierigkeiten müssen wir uns zunächst einmal in Erinnerung rufen, dass die Einheit der Kirche der vollkommenen Einheit der GÖTTlichen DREIFALTIGKEIT entspringt. Das Johannesevangelium sagt uns, dass JESUS zu Seinem VATER betete, dass Seine Jünger eins sein sollen ‚wie Du, VATER, in mir bist und ich in Dir bin’ (Joh 17,21). Hier kommt die unerschütterliche Überzeugung der Urgemeinde zum Ausdruck, dass ihre Einheit der Einheit von VATER, SOHN und HEILIGEM GEIST entspringt und diese gleichzeitig widerspiegelt. Das wiederum zeigt, dass der innere Zusam­menhalt der Gläubigen auf der gesunden Unversehrtheit ihres Glaubensbekenntnisses gründete (vgl. 1 Tim 1,3-11). Im Neuen Testament sehen wir, dass die Apostel immer wieder zu ihrem Glauben Rede und Antwort stehen mussten – sowohl gegenüber den Heiden (vgl. Apg 17,16-34) als auch gegenüber den Juden (vgl. Apg 4,5-22; 5,27-42). Der Kern ihrer Argu­mentation war immer die historische Tatsache der leiblichen Auferstehung JESU aus dem Grab (vgl. Apg 2,24,32; 3,15; 4,10; 5,30; 10,40; 13,30). Der Erfolg ihrer Verkündigung hing letztendlich nicht ab von ‚Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt’ (1 Kor 2,13), sondern vielmehr vom Wirken des HL. GEISTES (Eph 3,5), der das verlässliche Zeugnis der Apostel bestätigte (vgl. 1 Kor 15,1-11). Paulus und die Urkirche ver­kündigten nichts anderes als JESUS CHRISTUS, ‚und zwar als den Gekreuzigten’ (1 Kor 2,2). Das war das Kernstück ihrer Verkündigung, die jedoch durch die Reinheit der normativen Lehre gewährleistet sein musste. Diese fand ihren Ausdruck in Glaubensformeln – ‚symbola’ -, die das Wesen des christlichen Glaubens in Worte fassten und die Grundlagen für die Einheit der Getauften darstellten (vgl. 1 Kor 15,3-5; Gal 1,6-9; Unitatis redintegratio, 2).

Meine lieben Freunde, die Kraft des ‚kerygma’ hat nichts von ihrer inneren Dynamik verloren. Dennoch müssen wir uns fra­gen, ob sie nicht vielleicht durch einen relativistischen Zugang zur christlichen Lehre abgeschwächt wurde – ähnlich dem, den man in säkularen Ideologien findet, die nur die Wissenschaft allein für ‚objektiv’ halten und die Religion vollkommen in die subjektive Sphäre individueller Gefühle verbannen. Wis­senschaftliche Entdeckungen und ihre Anwendung durch den menschlichen Geist bieten zweifellos neue Möglichkeiten, die der Menschheit zugute kommen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das, was man ‚wissen’ kann, auf das empirisch Verifizier­bare beschränkt ist, noch dass die Religion sich nur im wan­delbaren Bereich der ‚persönlichen Erfahrung’ bewegt.

Wenn Christen dieses falsche Denkschema übernehmen, dann kommen sie zu dem Schluss, dass es wohl kaum notwendig sei, bei der Darlegung des christlichen Glau­bens die objektive Wahrheit hervorzuheben: man brauche nur seinem Gewissen folgen und eine Gemeinschaft zu wäh­len, die dem eigenen Geschmack am besten entspricht. Das Resultat ist die immer weitere Verbreitung von Gemeinschaf­ten, die oft institutionelle Strukturen vermeiden und Lehrinhal­ten für das christliche Leben geringe Bedeutung zumessen.

Auch innerhalb der ökumenischen Bewegung können die Christen der Betonung der Rolle der Lehre ablehnend ge­genüberstehen – aus Angst, dass sie die Wunden der Spal­tung eher vertiefen als heilen würde. Dennoch muss ein klares, überzeugendes Zeugnis von der Erlösung, die in CHRISTUS JESUS für uns gewirkt wurde, auf einer normativen apostoli­schen Lehre gründen: einer Lehre, die dem inspirierten Wort GOTTES als Grundlage dient und die das sakramentale Leben der Christen in der heutigen Zeit stützt. Nur wenn wir ‚festhal­ten’ an der gesunden Lehre (2 Thess 2,15; vgl. Off 2,12-29), werden wir in der Lage sein, den Herausforderungen zu be­gegnen, denen wir in einer Welt gegenüberstehen, die sich ständig weiterentwickelt. Nur so werden wir unmissverständlich von der Wahrheit des Evangeliums und seiner Morallehre Zeugnis geben. Das ist die Botschaft, die die Welt von uns erwartet...“

Ansprache bei der Ökumenischen Begegnung in New York, 18.4.2008

Die Schönheit der Kirche

„Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf einige Aspekte dieses wunderschönen Baus [der St.-Patrick-Kathedrale in New York] lenken, die, wie ich meine, als Ausgangspunkt für eine Refle­xion über unsere besonderen Berufungen innerhalb der Einheit des mystischen Leibes dienen können. Der erste Aspekt hat mit den farbigen Glasfenstern zu tun, durch die ein geheim­nisvolles Licht in den Innenraum hineinströmt. Von außen her betrachtet sind diese Fenster dunkel, streng, ja sogar trostlos. Aber sobald man in die Kirche eintritt, erwachen sie plötzlich zum Leben; indem sie das durch sie einströ­mende Licht reflektieren, offenbaren sie all ihren Glanz. Viele Schriftsteller... haben das Bild der farbigen Glasfenster gebraucht, um das Geheimnis der Kirche selbst zu veran­schaulichen. Nur von innen her, aus der Erfahrung des Glau­bens und des kirchlichen Lebens heraus, sehen wir die Kirche so, wie sie wirklich ist: von Gnade durchflutet, von glanzvoller Schönheit, geschmückt mit den mannigfaltigen Gaben des HL. GEISTES. Daher sind wir, die wir ein Leben der Gnade in der Gemeinschaft der Kirche führen, dazu berufen, alle Menschen in dieses Geheimnis des Lichts hineinzuziehen. Das ist keine einfache Aufgabe in einer Welt, die dazu neigen kann, ‚von außen her’ auf die Kirche wie auf diese farbigen Glasfenster zu schauen: Diese Welt verspürt ein tiefes Bedürfnis nach Spiritu­alität, findet es aber dennoch schwierig, in das Geheimnis der Kirche einzutreten. Auch für uns, die wir uns im Innern befin­den, kann das Licht des Glaubens durch die Routine gedämpft und der Glanz der Kirche durch die Sünden und die Schwach­heit der Glieder verdunkelt werden...“

Predigt in der St.-Patrick-Kathedrale in New York, 19.4.2008

Niederknien zu Anbetung

„Was ist die eigentliche Bedeutung des heutigen Festes des Leibes und Blutes CHRISTI? Das sagt uns die Feier selbst... im Vollzug ihrer grundlegenden Gesten: Zuerst haben wir uns um den Altar des HERRN versammelt, um gemeinsam in Seiner Gegenwart zu verweilen; als zweites wird die Prozession statt­finden, also das Gehen mit dem HERRN; und schließlich das Niederknien vor dem HERRN, die Anbetung, die schon in der Messe beginnt und die ganze Prozession begleitet, ihren Höhepunkt aber im abschließenden eucharistischen Segen findet, wenn wir alle niederknien werden vor Ihm, der sich zu uns herabgebeugt und Sein Leben für uns hingegeben hat...

...An dieser Stelle muss man an den Beginn des ‚Dekalogs’, der Zehn Gebote, denken, wo geschrieben steht: ‚Ich bin JAHWE, dein GOTT, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben’ (Ex 20,2-3). Hier finden wir den Sinn des dritten Grund­elements von Fronleichnam: sich in Anbetung vor dem HERRN niederknien. Den GOTT JESU CHRISTI anzubeten, der sich aus Liebe zum gebrochenen Brot gemacht hat, ist das wirk­samste und radikalste Heilmittel gegen die Götzendienste von gestern und heute. Das Niederknien vor der Eucharistie ist Bekenntnis der Freiheit: Wer sich vor JESUS niederkniet, kann und darf sich vor keiner noch so starken irdischen Macht niederwerfen. Wir Christen knien nur vor dem Allerheiligsten Sakrament, weil wir wissen und glauben, dass in ihm der ein­zige wahre GOTT gegenwärtig ist, der die Welt geschaffen und so sehr geliebt hat, dass Er Seinen einzigen SOHN hingab (vgl. Joh 3,16)...“

Predigt an Fronleichnam am Vorplatz der Lateranbasilika, 22.5.2008

Den Schatz der hl. Eucharistie mit reinem Herzen empfangen

„‚Die Eucharistie – Gabe GOTTES für das Leben der Welt’, das ist das Thema dieses neuen Internationalen Eucharistischen Kongresses. Die Eucharistie ist unser schönster Schatz. Sie ist das Sakrament schlechthin; sie führt uns im Voraus in das ewige Leben ein; sie enthält das ganze Geheimnis unseres Heils; sie ist Quelle und Höhepunkt des Handelns und des Lebens der Kirche, wie uns das II. Vatikanische Konzil in Erin­nerung ruft (Sacrosanctum Concilium, 8). Es ist daher beson­ders wichtig, dass sich die Hirten und die Gläubigen un­ablässig darum bemühen, dieses große Sakrament zu vertiefen. Auf diese Weise wird jeder seinen Glauben stärken und immer besser seine Sendung in der Kirche und der Welt erfüllen können, indem er sich daran erinnert, dass es in sei­nem persönlichen Leben ebenso wie im Leben der Kirche und der Welt eine Fruchtbarkeit der Eucharistie gibt. Der Geist der Wahrheit gibt sich in euren Herzen zu erkennen; bezeugt auch ihr vor den Menschen CHRISTUS... Die Teilnahme an der Eucharistie entfernt uns also nicht von unseren Zeitgenos­sen, im Gegenteil, weil sie der Ausdruck der Liebe GOTTES schlechthin ist, erinnert sie uns daran, uns mit allen unseren Brüdern dafür zu engagieren, uns den gegenwärtigen Heraus­forderungen zu stellen und aus unserem Planeten einen Ort zu machen, wo es sich gut leben lässt. Daher müssen wir unauf­hörlich dafür kämpfen, dass jeder Mensch von seiner Emp­fängnis bis zu seinem natürlichen Tod respektiert wird...

Ich möchte die Hirten und alle Gläubigen auch zu einer erneuerten Aufmerksamkeit auf die Vorbereitung zum Empfang der Eucharistie einladen. Trotz unserer Schwachheit und unserer Sünden möchte CHRISTUS in uns Wohnstatt nehmen, Er wünscht unsere Heilung. Daher müssen wir alles in unse­rer Macht Stehende tun, um Ihn in einem reinen Herzen aufzunehmen, indem wir ständig durch das Sakrament der Vergebung die Reinheit wiedergewinnen, die die Sünde verletzt hat, und so entsprechend der Aufforderung des Konzils ‚unser Herz und unsere Stimme zusammenklingt’ (vgl. Sacrosanctum Concilium, 11). In der Tat, die Sünde, vor allem die schwere Sünde, widersetzt sich dem Wirken der eucha­ristischen Gnade in uns...“

Predigt via Satellit beim Internationalen Eucharistischen Kongress in Québec, 22.6.2008

 

 

 

 

 

2. Soziale Themen

 

Geißel des Frauen- und Kinderhandels

„Zum Schluss möchte ich euch meine Anerkennung für die Anstrengungen der ganzen katholischen Gemeinschaft in Thailand aussprechen, die Würde jedes Menschenlebens, besonders des verletzlichsten, zu verteidigen. Besondere Sorge bereitet euch die Geißel des Frauen- und Kinderhan­dels und die Prostitution. Zweifellos ist die Armut ein Faktor, der diesem Phänomen zugrunde liegt, und ich weiß, dass dies­bezüglich durch die Entwicklungsprogramme der Kirche viel erreicht wird. Aber da gibt es noch einen weiteren Aspekt, der anerkannt und kollektiv in Angriff genommen werden muss, wenn gegen diese abscheuliche Ausbeutung wirksam vorge­gangen werden soll. Ich spreche von der Trivialisierung der Sexualität in den Medien und in der Unterhaltungsindus­trie, die einen Verfall der moralischen Werte anheizt und zur Erniedrigung der Frauen, zu nachlassender Treue in der Ehe und sogar zum Missbrauch von Kindern führt...“

Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Thailand, 16.5.2008

„Die Kirche ist zuversichtlich, dass die Dienste, die sie im Be­reich der Erziehung, der sozialen Programme und des Ge­sundheitswesens leistet, weiterhin eine positive Auswirkung auf den Kampf gegen Armut und Krankheit haben werden. Sie ist ein ständiger Verteidiger des Lebens, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Wie Sie wissen, nimmt die Kirche ihre Rolle in der Kampagne gegen die Ausbreitung von HIV/Aids ernst, indem sie Programme unterstützt, welche die Treue in der Ehe und die Enthaltsamkeit außerhalb der Ehe her­vorheben. Katholisches Personal, Ärzte, Krankenschwestern, Assistenten und Erzieher werden weiterhin alle Männer und Frauen und vor allem die jungen Menschen daran erinnern, sich zu den Werten der Familie zu bekennen und sich mit auf dem Glauben gründender Zivilcourage im Kampf gegen diese Krankheit und die damit verbundenen Umstände einzuset­zen...“

Audienz für den neuen Botschafter der Republik Nigeria beim Hl. Stuhl, 29.5.2008

 

 

 

 

3. Ehe, Familie und Erziehung

 

Die Großeltern: ihr Zeugnis und ihre Gegenwart in der Familie

„Ich freue mich über das Zusammentreffen mit euch zum Ab­schluss der XVIII. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie, deren Thema lautet: ‚Die Großeltern: Ihr Zeugnis und ihre Gegenwart in der Familie’. Ich danke euch, dass ihr meinen Vorschlag von Valencia aufgenommen habt, wo ich sagte: ‚Unter keinen Umständen dürfen sie [die Großeltern] aus dem Kreis der Familie ausgeschlossen werden. Sie sind ein Schatz, den wir den heranwachsenden Generationen nicht vorenthalten dürfen, vor allem wenn sie ihren Glauben bezeugen.’...

In der Vergangenheit hatten die Großeltern eine wichtige Rolle im Leben und Wachsen der Familie. Auch in vorgerücktem Alter waren sie weiterhin mit ihren Kindern, ihren Enkeln und sogar Urenkeln zusammen und gaben ein lebendiges Zeugnis liebevoller Sorge, Aufopferung und tagtäglicher vorbehaltloser Hingabe. Sie waren Zeugen einer persönlichen und gemein­samen Geschichte, die in ihren Erinnerungen und in ihrer Weisheit weiterlebte. Heute hat die wirtschaftliche und soziale Entwicklung tiefgreifende Veränderungen im Familienleben mit sich gebracht. Die Alten, darunter viele Großeltern, kommen sich oft wie auf einer Art ‚Parkplatz’ vor: Manche merken, dass sie der Familie zur Last fallen, und ziehen es vor, allein oder in Altenheimen zu leben – mit allen Konsequenzen, die diese Entscheidungen mit sich bringen.

Die ‚Kultur des Todes’, die auch das Lebensalter der Senioren bedroht, scheint leider immer weiter voranzuschreiten. Mit wachsender Hartnäckigkeit gelangt man sogar dazu, die Eu­thanasie als Lösung für die Bewältigung gewisser schwieriger Situationen vorzuschlagen. Es ist daher notwendig, das Alter mit seinen Problemen, die auch mit den neuen familiären und sozialen Rahmenbedingungen aufgrund der modernen Ent­wicklungen zusammenhängen, immer aufmerksam und im Licht der Wahrheit über den Menschen, die Familie und die Gemeinschaft zu bewerten. Es gilt, immer energisch auf alles zu reagieren, was die Gesellschaft entmenschlicht... Es ist erforderlich, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam jede Form der Ausgrenzung zu überwinden, denn von der indi­vidualistischen Gesinnung werden nicht nur sie – die Großväter, Großmütter, die alten Menschen, überrollt, son­dern alle... Die Großeltern sollen wieder in der Familie, in der Kirche und in der Gesellschaft lebendig gegenwärtig sein. Was die Familie betrifft, so sollen die Großeltern weiterhin Zeugen der Einheit und der Werte sein, die auf der Treue zu einer einzigen Liebe gründen, die den Glauben und die Lebens­freude hervorbringt. Die sogenannten neuen Familienmodelle und der sich verbreitende Relativismus haben diese Grund­werte der Kernzelle der Familie geschwächt. Die Übel unserer Gesellschaft... bedürfen dringend der Heilmittel. Könnte man angesichts der Krise der Familie nicht vielleicht einen Neuan­fang setzen mit der Gegenwart und dem Zeugnis derjenigen – nämlich der Großeltern -, die über eine größere Überzeu­gungskraft für Werte und Vorhaben verfügen? Man kann näm­lich die Zukunft nicht planen, ohne auf eine Vergangenheit zurückzugreifen, die voller bedeutsamer Erfahrungen und geistlicher und moralischer Bezugspunkte ist. Wenn ich an die Großeltern, an ihr Zeugnis der Liebe und Treue zum Leben denke, fallen mir die biblischen Gestalten von Abraham und Sara, Elisabeth und Zacharias, Joachim und Anna sowie auch die hochbetagten Simeon und Hanna oder auch Nikodemus ein: sie alle erinnern uns daran, dass der HERR von einem jeden in jedem Lebensalter das Einbringen seiner Talente fordert...“

Audienz für den Päpstl. Rat für die Familie, 5.4.2008

Die Verletzungen durch Abtreibung und Scheidung

„...In einem kulturellen Umfeld, das von wachsendem Individu­alismus, von Hedonismus und allzu oft auch von Mangel an Solidarität und angemessener sozialer Unterstützung geprägt ist, neigt die menschliche Freiheit in ihrer Schwäche ange­sichts der Schwierigkeiten des Lebens zu Entscheidungen, die im Gegensatz stehen zur Unauflöslichkeit des Ehebun­des oder zur gebotenen Achtung vor dem gerade erst empfangenen und noch im mütterlichen Schoß geborge­nen menschlichen Leben. Scheidung und Abtreibung sind natürlich Entscheidungen unterschiedlicher Natur. Sie sind manchmal unter schwierigen und dramatischen Umständen herangereift, bringen oft Traumata mit sich und sind eine Quelle tiefen Leids für diejenigen, die sie treffen. Sie betreffen auch unschuldige Opfer: das gerade erst empfangene und noch ungeborene Kind und die in den Bruch der familiären Bindungen verwickelten Kinder. Bei allen lassen sie Wunden zurück, die das Leben für immer prägen. Das ethische Urteil der Kirche über die Scheidung und die vorsätzlich herbeige­führte Abtreibung ist klar und allgemein bekannt: Es handelt sich bei beiden um schwere Schuld, die in unterschiedli­chem Maße und unter Vorbehalt der Abwägung subjektiver Verantwortlichkeiten die Würde der menschlichen Person verletzt, tiefes Unrecht in die menschlichen Beziehungen hineinbringt und GOTT, den Garanten des Ehebundes und Urheber des Lebens, beleidigt. Dennoch hat die Kirche nach dem Vorbild ihres GÖTTlichen Meisters stets die konkreten Personen vor Augen – vor allem die schwächsten und un­schuldigsten, die Opfer der Ungerechtigkeiten und der Sünden, und auch jene Männer und Frauen, die derartige Handlungen vorgenommen und sich dadurch mit Schuld befleckt und innere Wunden davongetragen haben und nach Frieden und der Möglichkeit eines Neubeginns suchen.

Die Kirche hat die vorrangige Pflicht, sich diesen Personen mit Liebe und Einfühlungsvermögen, mit mütterlicher Fürsorge und Aufmerksamkeit zu nähern, um die barmherzige Nähe GOTTES in JESUS CHRISTUS zu verkünden. Er ist, wie die Kirchenväter lehren, der wahre barmherzige Samariter, der sich zu unserem Nächsten gemacht hat, der Öl und Wein auf un­sere Wunden gießt und uns in die Herberge, die Kirche, führt, in der Er uns zur Heilung Seinen Dienern anvertraut und selbst im Voraus für unsere Gesundung bezahlt...

Von dieser Barmherzigkeit ausgehend setzt die Kirche ein unerschütterliches Vertrauen in den Menschen und seine Fä­higkeiten, wieder gesund zu werden. Sie weiß, das die menschliche Freiheit mit Hilfe der Gnade zur endgültigen und treuen Selbsthingabe fähig ist, die die Ehe eines Man­nes und einer Frau als unauflöslichen Bund möglich macht, dass die menschliche Freiheit auch unter schwierigsten Umständen zu außerordentlichen Taten des Opfers und der Solidarität fähig ist, um das Leben eines neuen Men­schen anzunehmen. So sieht man, dass das ‚Nein’ der Kirche in ihren moralischen Weisungen, auf das die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung manchmal einseitig fixiert ist, in Wirklichkeit ein großes ‚Ja’ ist zur Würde der menschlichen Person, zu ihrem Leben und zu ihrer Fähigkeit zu lieben...

(Die Abtreibung) hat verheerende Folgen für die Familie und für die Gesellschaft, auch aufgrund der materialistischen Mentalität der Verachtung des Lebens, die sie fördert. Wie viel egoisti­sche Mittäterschaft liegt oft an der Wurzel einer leidvollen Entscheidung, der viele Frauen allein gegenüberstanden und durch die sie im Herzen eine Wunde tragen, die noch nicht vernarbt ist! Wenn auch das Getane ein schweres Unrecht bleibt und in sich selbst nicht wiedergutzumachen ist, so mache ich mir doch die Worte zu eigen, die in der Enzyklika Evange­lium vitae an die Frauen gerichtet sind, die eine Abtreibung vorgenommen haben: ‚Lasst euch nicht von Mutlosigkeit er­greifen und gebt die Hoffnung nicht auf. Sucht vielmehr das Geschehene zu verstehen und interpretiert es in seiner Wahr­heit. Falls ihr es noch nicht getan habt, öffnet euch voll Demut und Vertrauen der Reue: Der Vater allen Erbarmens wartet auf euch, um euch im Sakrament der Versöhnung seine Ver­gebung und seinen Frieden anzubieten’...

Audienz für den Internat. Kongress „‚Balsam für die Wunden’. Eine Antwort auf die Verletzungen durch Abtreibung und Scheidung“ – ausgerichtet vom Pp. Institut „Joh. Paul II. f. Studien über Ehe u. Familie“, 5.4.2008

Sünde des Missbrauchs in den Kontext der Sexualmoral stellen

... Wie könnten wir nicht bestürzt sein, wenn wir den deutlichen Niedergang der Familie als eines Grundelements von Kirche und Gesellschaft beobachten? Ehescheidung und Untreue haben zugenommen, und viele junge Männer und Frauen zie­hen es vor, die Eheschließung hinauszuzögern oder gänzlich auf sie zu verzichten. Für manche junge Katholiken scheint sich der sakramentale Ehebund kaum von einem zivilen Bünd­nis oder gar von einer rein informellen und zeitlich unbestimm­ten Übereinkunft zum Zusammenleben mit einer anderen Per­son zu unterscheiden. Infolgedessen gibt es in den USA eine alarmierende Verminderung der katholischen Ehen, ver­bunden mit einer Zunahme von Lebensgemeinschaften, in denen das Sich-einander-Hingeben der Brautleute nach dem Vorbild CHRISTI, besiegelt durch ein öffentliches Versprechen, die Forderungen einer unauflöslichen lebenslangen Verpflich­tung zu leben, einfach fehlt. Unter diesen Umständen wird den Kindern das sichere Umfeld verweigert, das sie für ein richtiges Heranwachsen als Menschen brauchen, und der Gesellschaft werden die stabilen Säulen verweigert, die sie nötig hat, wenn der Zusammenhalt und das moralische Zentrum der Gemein­schaft aufrechterhalten werden sollen...

Unter den zum Evangelium des Lebens im Widerspruch ste­henden Zeichen, die in Amerika und anderswo zu finden sind, verursacht eines tiefe Scham: der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen... Während daran erinnert werden muss, dass die überwiegende Mehrheit der Priester und Ordensleute in Amerika hervorragende Arbeit leistet, wenn sie den ihrer Sorge anvertrauten Menschen die befreiende Botschaft des Evangeli­ums bringen, ist es unbedingt notwendig, dass die Verwundba­ren immer vor jenen geschützt werden, die ihnen Schaden zufügen würden... Wenn jedoch die von euch angewandten Maßnahmen und Programme ihren vollen Zweck erfüllen sol­len, müssen sie in einen breiteren Kontext gestellt werden. Die Kinder haben ein Recht darauf, mit einem gesunden Verständnis von Sexualität und der ihr eigenen Rolle in den menschlichen Beziehungen aufzuwachsen. Sie sollten von den degradierenden Manifestationen und der heute so weit verbreiteten rohen Manipulation der Sexualität verschont werden. Sie haben ein Recht darauf, in den echten morali­schen Werten, die in der Würde des Menschen verwurzelt sind, erzogen zu werden. Das führt uns wieder zurück zu unseren Überlegungen zur zentralen Stellung der Familie und der Not­wendigkeit, das Evangelium des Lebens zu fördern. Was heißt es, vom Schutz des Kindes zu reden, wenn in so vielen Häu­sern über die heute weithin zugänglichen Medien Pornogra­phie und Gewalt angeschaut werden können? Wir müssen dringend die Werte wieder stärken, die die Gesellschaft tragen, damit den jungen Menschen wie auch den Erwachsenen eine gesunde moralische Bildung angeboten werden kann...

Eure Aufgabe als Bischöfe nach dem Vorbild CHRISTI, des Guten Hirten, ist es, diese Botschaft laut und klar zu ver­künden und daher die Sünde des Missbrauchs in den brei­teren Kontext der Sexualmoral zu stellen...

Ansprache an die US-Bischöfe in Washington, 16.4.2008

Ist der Glaube an unseren Schulen und Universitäten spürbar?

„Die katholische Identität einer Universität oder Schule ist nicht bloß eine Frage der Anzahl der katholischen Schüler und Studenten. Es ist eine Frage der Überzeugung – glauben wir wirklich, dass sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen WORTES das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt (vgl. Gaudium et spes, 22)? Sind wir bereit, unser ganzes Selbst – Verstand und Willen, Geist und Herz – GOTT anzuvertrauen? Nehmen wir die Wahrheit an, die CHRISTUS offenbart? Ist der Glaube in unseren Universitäten und Schulen spürbar? Wird er in der Liturgie, in den Sakramenten, durch das Gebet, durch Werke der Nächstenliebe, durch die Sorge um Gerech­tigkeit und die Achtung für GOTTES Schöpfung sinnfällig zum Ausdruck gebracht? Nur auf diese Weise geben wir wirklich Zeugnis vom Sinn dessen, wer wir sind und was uns wichtig ist. Aus dieser Perspektive kann man erkennen, dass die gegen­wärtige ‚Krise der Wahrheit’ in einer ‚Krise des Glaubens’ wur­zelt. Nur durch den Glauben können wir dem Zeugnis GOTTES frei zustimmen und Ihn als den transzendenten Garanten der Wahrheit erkennen, die Er offenbart. Erneut sehen wir, warum die Förderung der persönlichen Vertrautheit mit JESUS CHRISTUS und das gemeinschaftliche Zeugnis für Seine lie­bevolle Wahrheit für katholische Bildungseinrichtungen unver­zichtbar ist. Wir alle kennen jedoch und beobachten mit Sorge die bei vielen Menschen von heute vorhandene Schwierigkeit oder Abneigung, sich GOTT anzuvertrauen...

Nur im Glauben kann die Wahrheit Mensch werden und die Vernunft wahrhaft menschlich und fähig, den Willen auf dem Weg der Freiheit zu leiten (vgl. Spe salvi, 23)...

Wir beobachten heute eine Scheu gegenüber der Kategorie des Guten und ein zielloses Streben nach Neuem, das als Erfüllung der Freiheit gilt. Wir sind damit Zeugen der Annahme, dass jede Erfahrung von gleicher Bedeutung ist, und des Wi­derstrebens, Unvollkommenheit und Fehler zuzulassen. Und besonders beunruhigend ist die Reduzierung des kostba­ren und delikaten Bereichs der Sexualerziehung auf ein ‚Risikomanagement’, das jeglichen Bezug zur Schönheit der ehelichen Liebe entbehrt.

Wie können christliche Erzieher darauf antworten? Diese schädlichen Entwicklungen zeigen die besondere Dringlichkeit dessen, was wir ‚intellektuelle Nächstenliebe’ nennen könn­ten. Dieser Aspekt der Nächstenliebe fordert den Erzieher dazu auf, zu erkennen, dass die große Verantwortung, die jungen Menschen zur Wahrheit zu führen, nichts weniger ist als ein Akt der Liebe. In der Tat liegt die Würde der Erziehung darin, die wahre Vollkommenheit und das Glück derer zu fördern, die erzogen werden sollen. In der Praxis bewahrt die ‚intellektuelle Nächstenliebe’ die unerlässliche Einheit des Wissens vor der Fragmentierung, die entsteht, wenn die Vernunft von der Suche nach Wahrheit losgelöst wird...“

Ansprache beim Besuch der Katholischen Universität in Washington D. C., 16.4.2008

Erziehung zur Heiligkeit

„Ihr seid nach Rom in der geistlichen Begleitung eurer zahl­reichen Heiligen, Seligen und Diener GOTTES gekommen: Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder, Erzieher und Geistliche Assistenten, die reich an christlichen Tugenden waren und in den Reihen der Katholischen Aktion aufgewach­sen sind, die in diesen Tagen ihr 140jähriges Bestehen begeht. Die wunderbare Schar der Gesichter, die symbolisch den Petersplatz umfassen, ist ein greifbares Zeugnis einer Heiligkeit, die reich an Licht und Liebe ist. Diese Zeugen, die JESUS mit all ihren Kräften nachgefolgt sind und sich für die Kirche und das Reich GOTTES aufgeopfert haben, stellen euren authentischsten Personalausweis dar. Ist es etwa nicht auch heute für euch Kinder, Jugendliche und Erwachsene möglich, aus eurem Leben ein Zeugnis der Gemeinschaft mit dem HERRN zu machen, damit es sich in ein wahres Meisterwerk an Heiligkeit verwandelt? Ist nicht gerade dies das Ziel eurer Vereinigung? Das wird gewiss möglich sein, wenn die Katholische Aktion weiterhin ihren tiefen Wurzeln des Glaubens treu bleibt, die von einer vollen Zustimmung zum Wort GOTTES, einer unbedingten Liebe zur Kirche, einer wachsamen Teilnahme am zivilen Leben und einem beständi­gen Einsatz für die Bildung genährt sind. Liebe Freunde, ant­wortet in einer Weise, die eurem Stand als Laien am meisten angemessen ist, großherzig auf diesen Ruf zur Heiligkeit!...

In einer missionarischen Kirche, die vor einem Erziehungs­notstand steht, wie er heute in Italien festzustellen ist, sollt ihr, die ihr ihre Diener seid und sie liebt, unermüdliche Verkünder und gut vorbereitete sowie großherzige Erzieher sein; in einer Kirche, die auch zu sehr anspruchsvollen Beweisen der Treue gerufen und der Versuchung ausgesetzt ist, sich anzupassen, sollt ihr mutige Zeugen und Propheten evangeliumsgemäßer Radikalität sein; in einer Kirche, die tagtäglich mit einer relati­vistischen, hedonistischen und konsumorientierten Mentalität konfrontiert ist, sollt ihr den Raum der Vernünftigkeit im Zei­chen des Glaubens ausweiten, der mit der Vernunft einhergeht, sowohl im Bereich einer breiten Volkskultur als auch in jenem der immer besser ausgearbeiteten und überdachten For­schung; in einer Kirche, die zum Heroismus der Heiligkeit ruft, sollt ihr furchtlos Antwort geben, immer im Vertrauen auf die Barmherzigkeit GOTTES. Liebe Freunde der Kath. Aktion Ita­liens, ihr seid nicht allein auf dem Weg, den ihr vor euch habt: eure Heiligen begleiten euch...“

Ansprache an die Katholische Aktion Italiens, 4.5.2008

40. Jahre „Humanae vitae“

„Bereits das 2. Vatikanische Konzil wandte sich in der Konstitu­tion Gaudium et spes an die Wissenschaftler und forderte sie auf, ihre Kräfte zu vereinen, um eine Einheit des Wissens und eine fundierte Gewissheit über die Bedingungen, die ‚eine sittlich einwandfreie Geburtenregelung’ (GS 52) fördern kön­nen, zu erlangen. Mein Vorgänger seligen Angedenkens, der Diener GOTTES Paul VI., veröffentlichte am 25. Juli 1968 die Enzyklika Humanae vitae. Dieses Dokument wurde schnell zu einem Zeichen des Widerspruchs. Ausgearbeitet im Licht einer schwierigen Entscheidung, ist es ein bedeutsamer und muti­ger Schritt, um die Kontinuität der Lehre und der Überliefe­rung der Kirche zu bekräftigen. Über diesen oft missverstan­denen Text wurde viel diskutiert, auch weil er in die Anfangszeit tiefgreifender Proteste fiel, die das Leben ganzer Generationen geprägt haben. Vierzig Jahre nach ihrer Veröffentlichung zeigt diese Lehre nicht nur ihre unveränderte Wahrheit auf, sondern sie offenbart auch die Weitsicht, mit der man dem Problem begegnete. Die eheliche Liebe wird nämlich inner­halb eines ganzheitlichen Prozesses beschrieben, der nicht bei der Trennung von Seele und Leib haltmacht und auch nicht dem bloßen oft flüchtigen und vergänglichen Gefühl unterwor­fen ist, sondern Sorge trägt um die Einheit der Person und die vollkommene Gemeinschaft der Eheleute, die sich in der ge­genseitigen Annahme einander hingeben im Versprechen treuer und ausschließlicher Liebe, das einer wirklich freien Entscheidung entspringt.. Wie könnte eine solche Liebe sich dem Geschenk des Lebens verschließen? Das Leben ist immer ein unschätzbares Geschenk; bei seinem Entstehen nehmen wir jedes Mal die Macht des schöpferischen Wir­kens GOTTES wahr, der dem Menschen vertraut und ihn so beruft, durch die Kraft der Hoffnung die Zukunft aufzu­bauen.

Das Lehramt der Kirche kann sich nicht seiner Pflicht entzie­hen, auf immer neue und tiefere Weise über die Grundprinzi­pien nachzudenken, die Ehe und Fortpflanzung betreffen. Was gestern wahr gewesen ist, bleibt auch heute wahr. Die Wahrheit, die in der Enzyklika Humanae vitae zum Aus­druck gebracht wird, ändert sich nicht. Im Gegenteil, ge­rade im Licht der neuen wissenschaftlichen Errungen­schaften wird ihre Lehre immer aktueller und fordert dazu heraus, über den ihr innewohnenden Wert nachzudenken. Der Schlüssel, der einen konsequenten Zugang zu ihren Inhalten verschafft, ist und bleibt die Liebe. In meiner ersten Enzyklika DEUS caritas est habe ich geschrieben: ‚Der Mensch wird dann ganz er selbst, wenn Leib und Seele zu innerer Einheit finden... Aber es lieben nicht Geist oder Leib – der Mensch, die Person, liebt als ein einziges und einiges Geschöpf, zu dem beides gehört’ (Nr. 5). Ohne diese Einheit geht der Wert der Person verloren und man gerät in die große Gefahr, den Leib als bloße ‚Sache’ zu betrachten, die man kaufen oder verkau­fen kann (vgl. ebd.). In einer Kultur, die dem Haben größeren Wert beimisst als dem Sein, läuft das menschliche Leben Ge­fahr, seinen Wert zu verlieren. Wenn die Ausübung der Se­xualität zur Droge wird, die dem Partner eigene Wünsche und Interessen auferlegen will, ohne die Zeiten der gelieb­ten Person zu respektieren, dann gilt es nicht mehr nur die wahre Auffassung von der Liebe zu verteidigen, sondern in erster Linie die Würde der Person selbst. Als Gläubige dür­fen wir niemals zulassen, dass die Herrschaft der Technik die Qualität der Liebe und die Heiligkeit des Lebens entwertet.

Nicht zufällig beruft sich JESUS, wenn Er über die menschliche Liebe spricht, auf das, was GOTT am Anfang der Schöpfung gewirkt hat (vgl. Mt 19,4-6). Seine Lehre verweist auf einen ungeschuldeten Akt GOTTES. Durch ihn wollte der Schöpfer nicht nur den Reichtum Seiner Liebe, die sich öffnet und allen hinschenkt, zum Ausdruck bringen, sondern auch ein Urbild formen, auf das das Handeln der Menschheit ausgerichtet sein soll.

In der Fruchtbarkeit der ehelichen Liebe nehmen Mann und Frau am Schöpfungsakt des VATERS teil und machen sichtbar, dass am Ursprung ihres Ehelebens ein echtes ‚Ja’ steht, das in Gegenseitigkeit ausgesprochen und wirk­lich gelebt wird und das stets offen bleibt gegenüber dem Leben. Dieses Wort des HERRN dauert in seiner tiefen Wahr­heit unverändert fort und kann durch die verschiedenen und manchmal sogar widersprüchlichen Theorien nicht ausgelöscht werden, die im Laufe der Jahre aufeinander gefolgt sind. Das natürliche Sittengesetz, das der Anerkennung der wahren Gleichheit zwischen Personen und Völkern zugrunde liegt, sollte als die Quelle erkannt werden, an der sich auch die Be­ziehung der Eheleute untereinander und ihre Verantwortung, Kinder zu zeugen, ausrichten muss. Die Weitergabe des Le­bens ist in die Natur eingeschrieben, und ihre Gesetze sind eine ungeschriebene Norm, auf die alle Bezug nehmen müssen. Jeder Versuch, den Blick von diesem Grundsatz abzuwenden, bleibt unfruchtbar und schafft keine Zukunft.

Es ist dringend notwendig, dass wir einen Bund wiederentde­cken, der stets fruchtbar war, als er geachtet wurde; Vernunft und Liebe stehen bei ihm an erster Stelle. Ein scharfsinniger Meister wie Wilhelm von Saint-Thierry konnte Worte schreiben, deren tiefe Gültigkeit wir auch in unserer Zeit verspüren: ‚Wenn sie einander aushelfen, dann belehrt die Vernunft die Liebe und erleuchtet die Liebe die Vernunft. Die Vernunft schmiegt sich der Regung der Liebe ein, und die Liebe lässt sich die Grenzen der Vernunft gefallen. Auf diese Weise vermögen sie Großes’ (Über die Natur und Würde der Liebe, 25). Was ist dieses ‚Große’, das wir erleben können? Es ist das Entstehen der Verantwortung für das Leben, die die Selbsthingabe eines Menschen an den anderen fruchtbar macht. Es ist die Frucht einer Liebe, die in voller Freiheit denken und ent­scheiden kann, ohne sich vom eventuell verlangten Opfer über die Maßen beeinflussen zu lassen. Hier entspringt das Wunder des Lebens, das die Eltern in sich selbst wahrnehmen, indem sie das, was in ihnen und durch sie geschieht, als etwas Außerordentliches erfahren. Keine mechanische Technik kann den gegenseitigen Liebesakt der beiden Eheleute ersetzen, der Zeichen eines größeren Geheimnisses ist, durch das sie als Protagonisten an der  Schöpfung beteiligt sind.

Leider wird man jedoch immer häufiger Zeuge trauriger Ereig­nisse, die die Jugendlichen betreffen, deren Reaktionen zeigen, dass sie die Geheimnisse des Lebens und die gefährli­chen Auswirkungen ihres Handelns nicht richtig kennen. Die dringend notwendige Notwendigkeit der Erziehung, auf die ich oft Bezug nehme, beinhaltet vorrangig das Thema des Lebens. Ich wünsche wirklich, dass vor allem den jungen Menschen ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, damit sie lernen können, was der wahre Sinn der Liebe ist, und durch eine geeignete Sexualerziehung darauf vorbereitet werden, ohne sich durch oberflächliche Botschaften ab­lenken zu lassen, die es verhindern, zum Wesentlichen der Wahrheit, die auf dem Spiel steht, zu gelangen.

Es macht einer Gesellschaft, die sich auf freiheitliche und de­mokratische Grundsätze beruft, keine Ehre, falsche Illusionen im Bereich der Liebe zu vermitteln oder über die wahre Ver­antwortung, die man durch die Ausübung der eigenen Sexuali­tät übernehmen muss, hinwegzutäuschen. Die Freiheit muss mit Wahrheit und Verantwortung verbunden sein, mit der Kraft der Hingabe an den anderen, die auch das Opfer ein­schließt; ohne diese Elemente wächst die menschliche Ge­meinschaft nicht, und es droht die Gefahr, sich in einem Kreis des alles erstickenden Egoismus zu verschließen.

Die in der Enzyklika Humanae vitae zum Ausdruck ge­brachte Lehre ist nicht einfach. Sie entspricht jedoch der grundlegenden Struktur, durch die das Leben seit der Schöpfung der Welt stets weitergegeben wird, unter Ach­tung der Natur und ihren Anforderungen entsprechend. Die Achtung gegenüber dem menschlichen Leben und die Wah­rung der Würde der Person machen es notwendig, dass wir nichts unversucht lassen, um alle an der echten Wahrheit der verantwortlichen ehelichen Liebe teilhaben zu lassen, in voll­kommener Treue gegenüber dem Gesetz, das in das Herz jedes Menschen eingeschrieben ist.“

Ansprache an den Internat. Kongress zum 40. Jahrestag der Enzyklika ‚Humanae vitae’ in der Lateranuniversität, 10.5.2008

 

 

 

 

4. Jugend

 

Von der wahren Freiheit

„Was können diese Dunkelheiten sein? [Osternacht: Vertreib das Dunkel aus unserem Herzen!] Was geschieht, wenn Men­schen, vor allem die Schutzlosesten, auf die geballte Faust der Unterdrückung und der Manipulation stoßen, statt auf die ausgestreckte Hand der Hoffnung?

Die ersten Beispiele gehören in den Bereich des Herzens. Die Träume und Sehnsüchte junger Menschen können hier so leicht zerschlagen und zerstört werden. Ich denke an diejeni­gen, die vom Drogenmissbrauch betroffen sind, von Obdachlo­sigkeit und Armut, von Rassismus, Gewalt und Erniedrigung – vor allem Mädchen und Frauen. Die Gründe für diese Probleme sind vielschichtig, doch ihnen allen ist eine vergiftete geis­tige Einstellung gemeinsam, die dazu führt, dass Men­schen als reine Objekte behandelt werden – es setzt sich eine Herzenskälte durch, welche die GOTTgegebene Würde jedes Menschen zunächst nicht beachtet und schließlich ver­höhnt...

Der zweite Bereich der Finsternis – jene, die den Verstand betrifft – wird häufig nicht bemerkt und ist aus diesem Grund besonders verhängnisvoll. Die Manipulation der Wahrheit verfälscht unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit und trübt unsere Vorstellungskraft und unsere Bestrebungen. Ich habe schon die zahlreichen Freiheiten erwähnt, derer ihr euch glücklicherweise erfreuen dürft. Die grundlegende Bedeutung der Freiheit muss mit Entschiedenheit bewahrt werden. Es ist daher nicht überraschend, dass viele Einzelpersonen und Gruppen in der Öffentlichkeit lautstark ihre Freiheit einfordern. Doch die Freiheit ist ein delikater Wert. Sie kann falsch verstanden oder schlecht gebraucht werden und auf diese Weise nicht zu dem Glück führen, das wir alle von ihr er­warten, sondern auf einen dunklen Schauplatz der Mani­pulation, auf dem das Verständnis, das wir von uns selbst und von der Welt haben, durch diejenigen, die einen verborgenen Plan verfolgen, verwirrt oder sogar entstellt wird. Habt ihr be­merkt, wie oft Freiheit eingefordert wird, ohne dass dabei je­mals auf die Wahrheit der menschlichen Person Bezug ge­nommen wird? ... An der Stelle der Wahrheit – oder besser gesagt an der Stelle ihres Fehlens – hat sich eine Vorstellung ausgebreitet, die unterschiedslos allem einen Wert beimisst und behauptet, auf diese Weise die Freiheit zu sichern und das Bewusstsein zu befreien. Das ist es, was wir als Relativismus bezeichnen. Doch welches Ziel hat eine ‚Freiheit’, die unter Missachtung der Wahrheit das verfolgt, was falsch und unrich­tig ist? Wie vielen jungen Menschen ist eine Hand gereicht worden, die sie im Namen der Freiheit oder der Erfahrung zu Drogenabhängigkeit, zu moralischer oder intellektueller Verwir­rung, zur Gewalt, zum Verlust der Selbstachtung, ja zur Ver­zweiflung und auf tragische Weise gar zum Selbstmord geführt hat? Liebe Freunde, die Wahrheit ist kein auferlegter Zwang. Noch  ist sie einfach eine Ansammlung von Regeln. Sie ist die Entdeckung des Einen, der uns niemals verrät; des Einen, dem wir immer vertrauen können. Wenn wir die Wahrheit suchen, gelangen wir zum Leben aus dem Glauben, denn die Wahrheit ist letztlich eine Person: JESUS CHRISTUS. Das ist der Grund, warum wahre Freiheit nicht in der Entscheidung besteht, sich ‚einer Sache zu entledigen’. Sie ist die Entscheidung, sich ‚für etwas einzusetzen’; das bedeutet nichts weniger, als aus sich selbst herauszugehen und es zuzulassen, in CHRISTI Dasein ‚für die anderen’ hineingenommen zu werden (vgl. Spe salvi, 28)...“

Begegnung mit Jugendlichen und Seminaristen im New Yorker Priesterseminar, 19.4.2008

 „Wie sollte man da nicht an die Vorliebe JESU für die Kinder denken? Er wollte sie um sich haben, Er hat sie den Aposteln als nachzuahmendes Vorbild gezeigt in ihrem spontanen und uneigennützigen Glauben, in ihrer Unschuld. Mit harten Worten hat Er sowohl davor gewarnt, auf sie herabzusehen als auch, sie zu verwirren...

Ich wende mich schließlich an euch, liebe Kinder, um euch zu sagen, dass der Papst euch lieb hat... Seid alle gewiss: GOTT lässt uns nie allein. Bleibt mit Ihm verbunden und verliert nie­mals eure Ruhe, nicht einmal in den besonders ungewissen und schwierigen Augenblicken...“

Ansprache beim Besuch eines Kinderkrankenhauses in Genua, 18.5.2008

 

 

 

5. Maria und Heilige

 

Maria sieht das Wirken GOTTES in der Geschichte

„Das alles lädt uns ein, vertrauensvoll auf Maria zu schauen. Wir haben uns heute Abend mit dem alten und immer aktuellen Rosenkranzgebet an sie gewandt. Wenn er nicht eine bloße mechanische Widerholung der traditionellen Formeln ist, dann ist der Rosenkranz eine biblische Meditation, die uns in Be­gleitung der seligen Jungfrau die Geschehnisse des Lebens des HERRN vor Augen führt, wobei wir sie wie Maria in unse­rem Herzen bewahren. Im Monat Mai gibt es in vielen christ­lichen Gemeinschaften den schönen Brauch, den Rosenkranz im Familienkreis und in den Pfarreien in noch feierlicherer Weise zu beten. Jetzt, am Monatsende, soll aber diese gute Gewohnheit nicht nachlassen, sondern mit noch größerem Eifer fortgesetzt werden, damit das Licht des Glaubens in der Schule Mariens noch heller in den Herzen der Christen und in ihren Häusern erstrahle...

Am heutigen Fest der Heimsuchung hören wir in der Liturgie erneut den Abschnitt des Lukasevangeliums, der Mariens Weg von Nazareth zum Haus der älteren Kusine Elisabeth erzählt... Gedrängt vom Geheimnis der Liebe, das sie soeben in sich empfangen hat, macht sich Maria ‚eilends’ auf den Weg, um ihr beizustehen. Das ist die einfache und zugleich erhabene Größe Mariens! Als sie das Haus von Elisabeth betritt, ge­schieht etwas, dessen Schönheit und tiefe Wirklichkeit kein Maler je wiedergeben könnte. Das innere Licht des HL. GEISTES umstrahlt ihre Personen... Elisabeths Worte entfa­chen in ihrem [Mariens] Innern einen Lobpreis, der eine wahre und tiefe ‚theologische’ Sicht der Geschichte ist: eine Vi­sion, die wir ständig von ihr lernen sollen, denn ihr Glaube ist ohne Schatten und ohne Brüche... Indem sie die Oberfläche durchbricht, ‚sieht’ Maria mit den Augen des Glaubens das Wirken GOTTES in der Geschichte... Ihr Glaube hat sie sehen lassen, dass alle Throne der Mächtigen dieser Welt vorläufig sind, während GOTTES Thron der einzige Fels ist, der sich nicht verändert und nicht einstürzt. Ihr Magnificat bleibt auch nach Jahrhunderten und Jahrtausenden die wahrste und tiefste Auslegung der Geschichte...“

Ansprache beim Rosenkranzgebet am Petersplatz, 31.5.2008

„HERR, gib mir Seelen, alles andere nimm“

Don Bosco ist das leuchtende Vorbild eines von apostolischer Leidenschaft geprägten und im Dienst der Kirche in der Salesi­sanischen Kongregation und Familie gelebten Lebens. In der Schule des hl. Giuseppe Cafasso lernte eurer Gründer, das Motto ‚Da mihi animas, cetera tolle’ anzunehmen als Syn­these eines an der Gestalt und der Spiritualität des hl. Franz von Sales ausgerichteten Modells der Pastoralarbeit. Der Hori­zont, in dem dieses Modell seinen Platz hat, ist der des abso­luten Primats der Liebe GOTTES, einer Liebe, der es gelingt, leidenschaftliche Persönlichkeiten zu formen, die das Verlan­gen haben, zur Sendung CHRISTI beizutragen, um die ganze Welt mit dem Feuer seiner Liebe zu entflammen (vgl. Lk 12,49). Neben der leidenschaftlichen Liebe zu GOTT ist ein weiteres Merkmal des Salesianischen Modells das Wissen um den unschätzbaren Wert der ‚Seelen’. Diese Wahrnehmung erzeugt als Kontrast dazu ein tiefes Bewusstsein der Sünde und ihrer verheerenden Folgen in der Zeit und in der Ewigkeit. Der Apostel ist berufen, am Erlösungswerk des HEILANDS mitzuarbeiten, damit niemand verloren gehe. ‚Die Seelen retten’, gerade entsprechend dem Wort des hl. Petrus, war also der einzige Daseinsgrund für Don Bosco. Der sel. Michele Rua, sein erster Nachfolger, fasste das ganze Leben eures geliebten Vaters und Gründers so zusammen: ‚Er machte keinen Schritt, sagte kein Wort, legte keine Hand an eine Unternehmung, die nicht das Heil der Jugend zum Ziel hatte... Ihm lag wirklich nichts anderes am Herzen als die See­len.’...“

Audienz für das Generalkapitel der Salesianer Don Boscos, 31.3.2008

Heilige in New York

„Heute Abend möchte ich mit euch einige Gedanken über das teilen, was es bedeutet, Jünger CHRISTI zu sein – wenn wir den Spuren des HERRN folgen, wird unser Leben zu einer Reise der Hoffnung. Ihr habt vor euch die Bilder von sechs Männern und Frauen, die zu einem außergewöhnlichen Leben herangewachsen sind. Die Kirche betrachtet sie als Diener GOTTES, als Selige oder als Heilige: jeder von ihnen hat auf den Ruf des HERRN zu einem Leben der Liebe seine Antwort gegeben, und jeder von ihnen hat Ihm hier, in den Gassen, den Straßen und den Vororten von New York gedient. Mich beein­druckt, wie unterschiedlich die Mitglieder dieser Gruppe sind: Arme und Reiche, Männer und Frauen im Laienstand – eine von ihnen eine wohlhabende Ehefrau und Mutter – Priester und Ordensfrauen, Immigranten, die von weit her kamen, die Tochter eines Mohawk-Kriegers und eine Mutter aus dem Stamm der Algonkin, ein Sklave aus Haiti und ein kubanischer Intellektueller.

Die hl. Elizabeth Anna Seton, die hl. Franziska Xaveria Cabrini, der hl. Johannes Neumann, die sel. Kateri Tekak­witha, die Diener GOTTES Pierrre Toussaint und Felix Va­rela: jeder von uns könnte zu ihnen gehören, denn für diese Gruppe gibt es kein Stereotyp, kein uniformes Raster. Doch ein genauerer Blick offenbart, dass da Gemeinsamkeiten zwischen ihnen bestehen. Entflammt von der Liebe zu JESUS sind ihre Leben zu außerordentlichen Wegen der Hoffnung geworden... Diese sechs Menschen haben durch Waisenhäuser, Schulen und Krankenhäuser, durch ihre Freundschaft zu den Armen, den Kranken und Ausgegrenzten sowie durch das überwälti­gende Zeugnis, das durch die demütige Nachfolge JESU ab­gelegt wird, zahllosen Menschen, möglicherweise sogar euren eigenen Vorfahren, den Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aufgezeigt...“

Ansprache bei der Begegnung mit Jugendlichen und Seminaristen im New Yorker Priesterseminar, 19.4.2008

Die Lehre vom Leib CHRISTI

„Auf der Suche nach der inneren Physiognomie des hl. Paulus möchte ich an zweiter Stelle an das Wort erinnern, das der auferstandene CHRISTUS auf dem Weg nach Damaskus an ihn gerichtet hat. Der HERR ruft ihm zuerst zu: ‚Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?’ Auf die Frage hin: ‚Wer bist du, HERR?’ erfolgt die Antwort: ‚Ich bin JESUS, den du verfolgst’ (Apg 9,4f.). Indem Saulus die Kirche verfolgt, verfolgt er JESUS selbst. ‚Du verfolgst mich.’ JESUS identifiziert sich mit der Kirche in einem einzigen Subjekt. In diesem Ruf des Aufer­standenen, der das Leben des Saulus umwandelte, ist im Grund schon die ganze Lehre von der Kirche als Leib CHRISTI enthalten. CHRISTUS hat sich nicht in den Himmel zurückge­zogen und auf Erden eine Schar von Anhängern zurückgelas­sen, die ‚Seine Sache’ weiter betreiben. Die Kirche ist nicht ein Verein, der eine bestimmte Sache voranbringen will. In ihr geht es nicht um eine Sache. In ihr geht es um die Per­son JESU CHRISTI, der auch als Auferstandener Fleisch geblieben ist. Er hat ‚Fleisch und Knochen’ (Lk 24,39), so sagt es der Auferstandene bei Lukas zu den Jüngern, die Ihn für einen Geist gehalten hatten. Er hat Leib. Er ist selbst da in Seiner Kirche, ‚Haupt und Leib’, ein einziges Subjekt, wird Augustinus sagen. ‚Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder CHRISTI sind?’ schreibt Paulus an die Korinther (1 Kor 6,15). Er fügt hinzu: Wie Mann und Frau nach der Genesis miteinan­der ein Fleisch werden, so wird CHRISTUS mit den Seinen ein Geist, das heißt ein einziges Subjekt in der neuen Welt der Auferstehung (1 Kor 6,16ff). In alledem scheint das eucharisti­sche Geheimnis durch, in dem CHRISTUS immerfort Seinen Leib schenkt und uns zu Seinem Leib macht: ‚Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib CHRISTI? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot’ (1 Kor 10,16f). Mit diesem Wort redet uns in dieser Stunde nicht nur Paulus, sondern der HERR selber an: Wie konntet ihr meinen Leib zerreißen? Vor dem Angesicht CHRISTI wird dieses Wort zugleich zur dringlichen Bitte: Führe uns zusammen aus allen Trennungen. Lass es heute neu Wirklichkeit werden: Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib. Das Wort von der Kirche als Leib CHRISTI ist für Paulus nicht irgendein beliebiger Vergleich. Es geht weit über einen Vergleich hinaus: ‚Warum verfolgst du mich?’ Immerfort zieht uns CHRISTUS in Seinen Leib hinein, baut Seinen Leib von der eucharistischen Mitte her auf, die für Paulus Zentrum christlicher Existenz ist, von der aus alle und jeder Einzelne ganz persönlich erfahren darf: Er hat mich geliebt und sich für mich dahingegeben.

Ans Ende möchte ich ein spätes Wort des hl. Paulus stellen, einen Zuruf an Timotheus vom Gefängnis her im Angesicht des Todes. ‚Leide mit mir für das Evangelium’, sagt der Apostel zu seinem Schüler (2 Tim 1,8). Dieses Wort, das wie ein Tes­tament am Ende der Wege des Apostels steht, weist zurück auf den Anfang seiner Sendung. Während Saulus nach der Begegnung mit dem Auferstandenen blind in seiner Wohnung in Damaskus weilte, erhielt Hananias den Auftrag, zu dem gefürchteten Verfolger zu gehen und ihm die Hände aufzule­gen, damit er wieder sehe. Auf den Einwand des Hananias hin, dass dieser Saulus ein gefährlicher Christenverfolger sei, er­geht die Antwort: ‚Dieser Mann... soll meinen Namen vor Völker und Könige... tragen. Ich werde ihm auch zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muss...’ (Apg 9,15f). Der Auftrag zur Verkündigung und die Berufung zum Leiden für CHRISTUS gehören untrennbar zusammen. Die Berufung zum Lehrer der Völker ist zugleich und in sich selbst eine Be­rufung zum Leiden in der Gemeinschaft mit CHRISTUS, der uns durch Sein Leiden erlöst hat. Die Wahrheit kostet Leiden in einer Welt, in der die Lüge Macht hat. Wer dem Leiden ausweichen, es von sich fernhalten will, der weicht dem Leben und seiner Größe selber aus; er kann nicht Diener der Wahr­heit und so des Glaubens sein. Liebe gibt es nicht ohne Leid – ohne das Leid des Verzichts auf sich selbst, der Umwandlung und Reinigung des Ich in die wahre Freiheit hinein. Wo nichts ist, das des Leidens wert wäre, da verliert auch das Leben selbst seinen Wert. Die Eucharistie – die Mitte unseres Christseins – beruht auf der Hingabe JESU CHRISTI für uns, sie ist aus der Passion der Liebe geboren, die im Kreuz ihren Höhepunkt fand. Von dieser sich schenkenden Liebe leben wir. Sie gibt uns den Mut und die Kraft, mit CHRISTUS und für Ihn in dieser Welt zu leiden, wissend, dass gerade so unser Leben groß und reif und wahr wird. Aus allen Briefen des hl. Paulus sehen wir, wie sich in seinem Weg als Lehrer der Völker die Vorhersage erfüllt hat, die in der Stunde seiner Berufung an Hananias ergangen war: ‚Ich werde ihm zeigen, wie viel er für meinen Namen leiden muss.’ Sein Leiden beglaubigt ihn als Lehrer der Wahrheit, der nicht seinen Gewinn, seinen Ruhm, seine eigene Erfüllung sucht, sondern für den einsteht, der uns alle geliebt und sich für uns hingegeben hat...“

Predigt bei der Vesper zur Eröffnung des Paulusjahres in St. Paul vor den Mauern, 28.6.2008

Kanadische Heilige

Die Eucharistie nimmt im Leben der Heiligen einen ganz besonderen Platz ein... Euer Land ehrt besonders seine kana­dischen Märtyrer, Jean de Brébeuf, Isaak Jogues und ihre Gefährten, die ihr Leben für CHRISTUS gaben und sich so seinem Opfer am Kreuz verbunden haben. Sie gehörten zur Generation der Männer und Frauen, die die Kirche Kanadas gegründet und entwickelt haben, zusammen mit Marguerite Bourgeoys, Marguerite d’Youville, Marie de l’Incarnation, Marie-Catherine de Saint Augustin, Bischof Francois de Laval, dem Gründer der ersten Diözese in Nordamerika, Dina Bélanger und Kateri Tekakwitha. Geht in ihre Schule, seid ohne Furcht wie sie; GOTT ist mit euch und beschützt euch; macht aus jedem Tag eine Gabe zur Ehre GOTTES, des VATERS, und übernehmt euren Teil beim Aufbau der Welt und erinnert euch voll Stolz eures religiösen Erbes und seiner sozi­alen und kulturellen Ausstrahlung und sorgt dafür, um euch herum die moralischen und geistlichen Werte auszustrahlen, die vom HERRN kommen...“

Predigt via Satellit beim Internationalen Eucharistischen Kongress in Québec, 22.6.2008

 

 

 

 

6. Leiden und Sterben

 

Hoffnung im Leiden

„... In dieser Hinsicht können wir leichter verstehen, dass die christliche Hoffnung auch im Leiden lebt, ja, dass gerade das Leiden unsere Hoffnung in besonderer Weise bildet und stärkt. ‚Natürlich muss man alles tun, um Leid zu mindern: das Leid der Unschuldigen zu verhindern, so gut es geht; Schmerzen zu lindern; in seelischem Leid zur Überwindung zu helfen’ (Spe salvi, 36). Und es wurden besonders im Kampf gegen den physischen Schmerz große Fortschritte erzielt. Aber wir können das Leiden nicht ganz aus der Welt schaffen, denn es steht nicht in unserer Macht, seine Ursachen zu beseitigen, die Endlichkeit unseres Lebens und die Macht des Bösen und der Schuld.

In der Tat scheint es, dass das Leiden der Unschuldigen und auch die psychischen Probleme in der Welt leider zunehmen. In Wirklichkeit bestätigt die menschliche Erfahrung von heute und insbesondere die Erfahrung der Heiligen und der Märtyrer die große christliche Wahrheit, dass nicht die Flucht vor dem Leiden den Menschen heilt, sondern die Fähigkeit, die Schwierigkeiten anzunehmen und an ihnen zu reifen, indem man in ihnen durch die Vereinigung mit CHRISTUS einen Sinn findet. Von unserer Beziehung zum Leiden und zu leidenden Personen wird deshalb das Maß unserer Mensch­lichkeit bestimmt, für jeden von uns wie für die Gesellschaft, in der wir leben. Dieses historische Verdienst kommt dem christlichen Glauben zu, weil er im Menschen in ganz neuer Weise und neuer Tiefe die Fähigkeit geweckt hat, auch inner­lich das Leiden des anderen zu teilen, der dann in seinem Leiden nicht mehr allein ist, und auch aus Liebe zum Guten, zur Wahrheit und Gerechtigkeit zu leiden: all dies übersteigt weit unsere Kräfte, aber es wird möglich – durch das Mit-Leiden GOTTES aus Liebe zum Menschen in der Passion CHRISTI...

Liebe Brüder und Schwestern, erziehen wir uns jeden Tag zur Hoffnung, die im Leiden reift. An erster Stelle sind wir berufen, es zu tun, wenn wir persönlich von einer schweren Krankheit oder einer anderen harten Prüfung betroffen sind. Aber wir werden auch in der Hoffnung wachsen durch die konkrete Hilfe und die tägliche Nähe zu den Leiden unserer Nachbarn und Angehörigen, ja jeder Person, die unser Nächster ist, weil wir uns ihr in liebevoller Haltung nähern. Und weiter: Lernen wir, dem barmherzigen GOTT die geringen Mühen des alltäg­lichen Lebens darzubringen, indem wir sie demütig in das große ‚Mit-Leiden’ JESU eingliedern, in jenen Schatz des Mitleids, dessen die Menschheit bedarf. Die Hoffnung der Christgläubigen darf sich jedenfalls nicht auf diese Welt be­schränken, sondern ist wesentlich auf die volle und ewige Ge­meinschaft mit dem HERRN ausgerichtet...“

Ansprache bei der Eröffnung des Pastoralkongresses der Diözese Rom („Erziehung zur Hoffnung im Gebet, im Handeln und im Leiden“), Lateranbasilika, 9.6.2008

 

 

 

 

 

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