Das Porträt

 

FMG-INFORMATION 111, April 2014

 

 

Im Wallfahrtsbericht der FMG-Frankreichwallfahrt 2013 (FMG-INFORMATION 109, S.30f) war als eventuell vorgesehenes Ziel der Friedhof in Châlo-Saint-Mars erwähnt, wo der französische Pädiater (Kinderarzt) und Genetiker Prof. Jérôme Lejeune 1994 beigesetzt wurde. „Lay Witness“, die Zeitschrift der amerikanischen Vereinigung „Catholics United for the Faith“, veröffentlichte nun in der Ausgabe January/February 2014 einen Artikel von Michael J. Miller über diesen Mediziner, Familienvater und Laienapostel, für den der Seligsprechungsprozess eingeleitet ist: „Whatever YOU Do for the Least of My Bretheren, YOU Do For Me (Was immer DU für den Geringsten meiner Brüder tust, tust DU für mich) – Das Erbe von Dr. Jérôme Lejeune“. Dieser Artikel bildet mit ergänzenden Informationen (www. vatican.va/holy_father/john_paul_ii/letters/1994/ documents/hf_jp-ii_let_19940404_card-lustiger _ge.html; www.  kath.net/detail.php?id=37798; wikipedia; www. fondationlejeune.org/la-fondation/le-professeur-jerome -lejeune/qui-etait-le-professeur-jerome-lejeune; www. santiebeati.it/Detailed/95633.html; http:// amislejeune.org/index.php/fr/) die Grundlage für dieses „Porträt“.

 

FAMILIENVATER UND ARZT

Jérôme Lejeune

 

*13. Juni 1926 Montrouge bei Paris    + 3. April 1994 Paris

 

Getauft wurde Jérôme (Hieronymus) Lejeune am 19. Juni 1926, sechs Tage nach seiner Geburt, in der Kirche Saint Jacques le Majeur in Montrouge, im Süden der französischen Hauptstadt. Schon früh wollte er Arzt werden, und ungeachtet seiner vielfältigen Interessen für Theater, Astronomie, Mathematik und Musik begann er nach dem Ende des 2. Weltkriegs das Medizinstudium, das er 1951 mit der Promotion beendete. Im Studium hatte er die aus Dänemark stammende Birthe Bringsted kennengelernt, die er 1952 heiratete; der Ehe entsprangen fünf Kinder.

Im selben Jahr wurde der junge Doktor Mitarbeiter am CNRS („Centre national de la recherche scientifique“, deutsch: Nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung; der größten Forschungsorganisation in Europa mit Grundlagenforschung auf vielfältigen wissenschaftlichen Gebieten). 1957 wurde er zum französischen wissenschaftlichen Experten für die biologische Wirkung der radioaktiven Strahlung bei der UNO ernannt. Der brillante junge Pariser Forscher entdeckte 1958, dass der Zustand, der damals als „Mongolismus“ (Trisomie 21, Down-Syndrom) bezeichnet wurde, durch ein zusätzliches Chromosom verursacht wird (47 statt 46; wie man später erkannte, hat das Erbgut eines Down-Syndrom-Patienten statt des üblichen 21. Chromosomenpaars drei). Am 26. Januar 1959 veröffentlichte die französische Akademie der Wissenschaften diese Entdeckung Lejeunes, die damit erstmals einen Zusammenhang zwischen einer Chromosomenabweichung und einer Erkrankung nachwies.

Dr. Lejeune fuhr fort, andere chromosonale Pathologien zu entdecken und erhielt mehrere Auszeichnungen für seine Arbeit. Im Jahr 1964 wurde für ihn der erste Lehrstuhl für fundamentale Genetik an der medizinischen Fakultät in Paris geschaffen. So wurde er mit 38 Jahren der jüngste Medizinprofessor im französischen Universitätssystem.

Dr. Lejeune verbrachte viel Zeit damit, zu wissenschaftlichen Konferenzen zu reisen. Als Experte für die Folgen von atomarer Strahlung auch für die menschliche Nachkommenschaft war er auf den Korridoren der Vereinten Nationen eine bekannte Person. Auf einer internationalen, von der UNO gesponserten Konferenz in den frühen 1970er Jahren gab es eine öffentliche politische Debatte über die Abtreibung. Lejeune meldete sich zu Wort, sprach die Wahrheit vom vorgeburtlichen menschlichen Leben aus und warnte zu Zuhörer: „Wir sehen hier eine der Gesundheit verpflichtete Einrichtung, die sich in eine Einrichtung des Todes verwandelt.“

Am gleichen Abend vermerkte er in einem Brief an seine Frau: „Heute Nachmittag habe ich meinen Nobelpreis verloren.“

 

Anspruchslos und väterlich

In der Biografie „Leben ist ein Segen“ beschreibt Clara Lejeune Gaymard ihren Vater als „ganz ohne Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt“. Er hatte seine bahnbrechende Entde­ckung der Trisomie 21 mit einem 1921 hergestellten, mit Aluminiumfolie reparierten Mikroskop gemacht.

Da er der Chef seiner Abteilung war, hätte er nebenher eine Privatpraxis haben können wie viele Kollegen. Doch er hatte das immer abgelehnt. Er war der Überzeugung, dass er im Dienst der Patienten stand, und dass der staatliche Lohn es ihm ermöglichte, anständig zu leben, ohne nach weiteren Wegen des Gelderwerbs zu streben.

Ein anderer Spezialist am Pariser Necker-Kinder-Hospital berichtete Clara: „Ich habe großen Respekt vor Deinem Vater. Aber der Unterschied zwischen ihm und mir war, dass ich mit dem Ferrari zum Krankenhaus kam und er mit dem Fahrrad.“ Professor Lejeune pflegte seine Anzüge so lange zu tragen, bis sie abgenutzt waren. Wenn eine seiner Töchter ihn als altmodisch neckte, pflegte er zu erwidern: „O nein, meine Liebe, ich bin ein Wegbereiter: dies wird die Mode in zehn Jahren sein!“

Obwohl ungewöhnlich abgelöst von Reichtum und Prestige, war Lejeune keineswegs so ein sprichwörtlich zerstreuter Professor, der sich nur um seine Wissenschaft kümmerte. Seine starke und beständige Verankerung in seinem Glauben und in seiner Familie prägte seine Karriere als Forscher und praktizie­render Arzt.

Das jahrhundertealte Haus, das die Familie Lejeune im Pariser Quartier Latin bewohnte und besonders der Tisch im Esszimmer waren der Lebensmittelpunkt der Familie. Clara erinnerte sich: „Mein Vater kam jeden Tag nach Hause, um mit seinen Kindern zu Mittag zu essen. Um unseretwillen gab er die „Geschäftsessen“ auf, die es ermöglichen, nützliche Kontakte zu pflegen… Abends kam er zum Abendessen um halb acht nach Hause.“

An den Wochenenden hielt er sich immer Zeit für seine Kinder frei, auch wenn er in seinem Arbeitszimmer schrieb oder las.

„Wenn er sah, dass uns etwas sehr wichtig war, sagte er nicht: ‚Später; ihr seht doch, dass ihr mich stört!‘ Er legte sein Vorlesungsmanuskript oder seine wissenschaftlichen Berechnungen weg, um einen Fahrradreifen zu reparieren, die Bogenschnur zu befestigen, eine zerbrochene Puppe zu kleben oder die unpassendsten Fragen zu beantworten: ‚Papa, hast Du im Hundertjährigen Krieg mitgekämpft? … Warum werden Menschen geboren? … Warum regnet es? … Wozu sind die Sterne da?‘ Wir haben immer eine Antwort bekommen, und genauso war es bei unseren Kindern, wenn sie dasselbe Spiel mit ihrem Großvater trieben.“

 

Freund und Fürsprecher

Auch als Arzt pflegte Dr. Lejeune einen herzlichen und fürsorglichen Umgang mit seinen Patienten und deren Familien. Fand zum Beispiel die Untersuchung eines Säuglings oder Kleinkindes mit Down-Syndrom statt, so bat er die Mutter, Klinikwäsche über ihre Straßenkleidung zu ziehen und das Kind auf dem Schoß zu halten. Geschwister wurden zu den nachfolgenden Terminen mit eingeladen und lernten auf diese Weise leichter verstehen, warum ihr Bruder oder ihre Schwester ein wenig „anders“ war. Auch am Abend und an Feiertagen war der Arzt für die Eltern seiner Patienten telefonisch erreichbar.

Der unerschöpfliche Respekt Dr. Lejeunes vor der Würde seiner Patienten half viel, um verstörte Eltern zu beruhigen, die – wegen der Schande, die in Frankreich gewöhnlich mit geistiger Behinderung assoziiert wurde – manchmal nicht mehr ihre Kinder, sondern nur die Erkrankung sahen. Er zeigte denselben Respekt den Eltern der Patienten und vermied jene herablassende Bevormundung, die vor nicht langer Zeit oft bei Ärzten anzutreffen war. „Er traf keine Entscheidungen für sie; er wies sie auf ihre Verantwortung als Eltern hin und gab ihnen alles, was sie für eine freie Entscheidung brauchten.“

Dr. Lejeune nannte seine Patienten „Enterbte“, weil ihr genetisches Erbgut nicht perfekt war und sie (in Claras Worten) „die ungeliebten Glieder unserer ehrgeizigen und auf äußeren Schein bedachten Gesellschaft“ sind. Seine Erfahrungen als Arzt im Umgang mit seinen besonderen Patienten halfen, den Brennpunkt seiner Forschungsarbeit und seinen Berufsweg zu bestimmen.

„Als er eines Tages aus seiner Sprechstunde zurückkam, sagte er zu Mama: ‚Ich könnte Jahre damit zubringen, die genetischen Ursachen vieler Krankheiten zu entdecken, und ich könnte weiterhin noch seltenere Leiden erforschen. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass alles zusammenhängt. Wenn ich herausfinde, wie man Trisomie 21 heilen könnte, würde dies den Weg freimachen, um auch alle anderen Krankheiten mit genetischem Ursprung zu heilen. Meine Patienten warten auf mich; ich muss es herausfinden.“

 

1972 löste ein französischer Gesetzesentwurf eine nationale Kontroverse über die Abtreibung aus. In einer bekannten Talkshow im Fernsehen sprach ein Diskussionsteilnehmer von der Möglichkeit, behinderte ungeborene Kinder abzutreiben. Beim damaligen Stand der medizinischen Technik waren Kinder mit Trisomie 21 die einzigen, die entdeckt werden konnten.

Am nächsten Morgen hatte ein zehnjähriger Junge mit Down-Syndrom einen Termin in Dr. Lejeunes Praxis.

Er weinte und war nicht zu beruhigen. Seine Mutter erklärte warum: „Gestern Abend schaute er mit uns die Fernsehdebatte an.“ Das Kind schlang seine Arme um den Hals des Arztes und sagte: „Die wollen uns umbringen! Sie müssen uns verteidigen! Wir sind dafür zu schwach, und wir wissen auch nicht wie.“

Von jenem Tag an wurde Dr. Lejeune auch zu einem glühenden und unüberhörbaren Verteidiger der Ungeborenen.

 

Ein harter Kampf

Clara Lejeune Gaymard erzählt so manche erheiternde Begebenheit, wo es ihrem Vater auf die ihm eigene geistreiche und charmante Art gelang, während der Proteste und politischen Umwälzungen in den europäischen Universitäten im Jahr 1968 Konflikte mit Studenten zu vermeiden. Einen ungleich längeren und heftigeren Kampf hatte Jérôme Lejeune jedoch für den Lebensschutz auszufechten.

Weil er als weltberühmter Intellektueller sich gegen die legalisierte Abtreibung aussprach, bewarfen ihn Demonstranten während einer seiner Vorlesungen mit Tomaten und roher Kalbsleber. Der für den Lebensschutz engagierte Arzt und Verteidiger der geistig Behinderten wurde zur „Zielscheibe der unverhohlenen Wut von selbsternannten Toleranzaposteln“. Er wurde in Presseartikeln fertiggemacht, man schlitzte die Reifen seines Privatautos auf, und ein Jahr lang mussten seine Kinder auf dem Schulweg an Mauern entlanggehen, die mit Graffitis beschmiert waren, auf denen zu lesen war: „Tod Professor Lejeune und seinen kleinen Ungeheuern!“

Trotz dieser Feindseligkeiten fühlte sich Jérôme Lejeune nie in der Märtyrerrolle. Mit Feingefühl pflegte er zu sagen: „Ich bekämpfe nicht Menschen, sondern falsche Vorstellungen.“ Peinlich genau vermied er es, seinen Auffassungen zum Lebensschutz eine politische Färbung zu geben.

Trotzdem arbeiteten öffentliche Institutionen gegen ihn. Wiederholt musste sich Professor Lejeune Finanzprüfungen unterziehen, wenngleich nie irgendwelche Unregelmäßigkeiten entdeckt wurden. Als seine Tochter Clara sich um eine Stelle in einem Ministerium bewarb, wurde ihre Bewerbung ganz plötz­lich abgelehnt, und zwar auf Grund ihres Familiennamens (eine irrationale Entscheidung, für sie mit Rassendiskriminierung vergleichbar.)

Dr. Lejeune wurde jahrelang weder befördert noch bekam er eine Gehaltserhöhung. 1982 stellte die Universitätsbehörde unter Berufung auf eine selten angewendete Vorschrift die Bezuschussung seiner Forschungsvorhaben ein und beraubte Dr. Lejeune seines Laboratoriums. Während der letzten 15 Jahre seiner Berufstätigkeit konnte er dank verschiedener Spenden aus Nordamerika, England und Neuseeland sowie Gelder des Instituts Claude-Bernard eine Reihe von Forschungsprojekten durchführen.

Seine Tochter erinnert sich:

„Er hatte nie Geldsorgen, aber es bekümmerte niemanden, dass der Mann, der in seiner Klinikabteilung weiterhin zukünftige Generationen französischer Genetiker ausbildete, gezwungen war, im Ausland betteln zu gehen, damit er seine Forschungen fortsetzen konnte.“

Mit einem Lächeln sagte Professor Lejeune in solchen Situationen: „Ich kämpfe ja nicht für mich, daher machen mir solche Angriffe nichts aus.“ Was ihn dagegen tief betrübte, war die Anwendung von Methoden wie Fruchtwasseruntersuchung und Chromosomenanalyse, um ungeborene Kinder mit Trisomie 21 ausfindig zu machen, was praktisch bedeutete, dass die große Mehrheit von ihnen abgetrieben wird. Im Vorwort zu einer veröffentlichten Sammlung von Auszügen aus den Schriften ihres verstorbenen Mannes schrieb Madame Lejeune dazu: „Ich glaube, das größte Unglück, das einem echten Fachmann passieren kann, besteht darin, mit anzusehen zu müssen, wie seine Entdeckungen vom Weg ihrer anfänglichen Bestimmung abgelenkt und dem Tod dienstbar gemacht werden.“

Während seiner ganzen Laufbahn bereiste Professor Lejeune zahlreiche Länder, um auf wissenschaftlichen Tagungen Forschungsergebnisse vorzustellen, um bei Gerichtsverhandlungen als Gutachter zu fungieren – und um das ungeborene menschliche Leben zu verteidigen. 1974 wurde er Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, eine Ehre, die ihn „mit tiefem Glück und Stolz“ erfüllte. (1981 wurde er von dieser Päpstlichen Akademie beauftragt, dem russischen Parteichef Breschnew eine Botschaft über die Gefahren eines Atomkriegs zu übergeben.)

1982 wurde er in die französische Akademie der moralischen und politischen Wissenschaften („Académie des sciences morales et politiques“) gewählt, 1983 in die Akademie der Medizin („Académie nationale de médecine“).

Wie schon sein Vater, erkrankte auch Jérôme Lejeune an Lungenkrebs. Während der Fastenzeit 1994 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum ersten Präsidenten der neugegründeten Päpstlichen Akademie für das Leben; schon im Vorjahr hatte Lejeune auf Wunsch von Papst Johannes Paul II. die Statuten dafür entworfen. Während seines Klinikaufenthalts in der Kar­woche machte der Professor die Bemerkung: „Ich sterbe bei einem Spezialeinsatz.“

Am 3. April*, dem Ostermorgen, gab Lejeune seine Seele dem Allmächtigen GOTT zurück. Sein Seligsprechungsprozess ist eingeleitet (2007 in der Diözese Paris, 2013 in Rom).

 

Papst Johannes Paul II.

Am 22. August 1997 besuchte Papst Johannes Paul II. während des Weltjugendtages in Paris das Grab von „Bruder Jérome“ in dem Dorf Chalo-Saint-Mars. Anlässlich des Todes von Professor Lejeune hatte der Papst (am 4.4.1994) folgende Botschaft an den Erzbischof von Paris, Kardinal Jean-Marie Lustiger, gerichtet:

»„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Joh 11,25). Diese Worte CHRISTI kommen uns jetzt in den Sinn, wo wir vom Tod von Prof. Jérôme Lejeune betroffen sind. Wenn der himmlische VATER ihn gerade am Tage der Auferstehung CHRISTI heimgerufen hat, dann ist es schwer, in diesem Zusammentreffen kein Zeichen zu erkennen. Die Auferstehung CHRISTI stellt ein großartiges Zeugnis für das Leben dar, das stärker ist als der Tod. Von diesen Worten des HERRN erleuchtet, sehen wir im Tod eines jeden Menschen sozusagen eine Teilhabe am Tod CHRISTI und an Seiner Auferstehung, besonders wenn jemand am Auferstehungstag stirbt. Ein solcher Tod legt für das Leben, zu dem der Mensch in JESUS CHRISTUS berufen ist, ein noch stärkeres Zeugnis ab. Dieser Aufruf war im Laufe des ganzen Lebens unseres Bruders Jérôme eine wichtige Richtschnur. Als Biologe und Wissenschaftler war er vom Leben begeistert. Auf seinem Gebiet war er eine der anerkanntesten Autoritäten auf der ganzen Welt. Zahlreiche Einrichtungen luden ihn ein, Vorträge zu halten, und baten ihn um seinen Rat. Er wurde sogar von denen geachtet, die seine tiefsten Überzeugungen nicht teilten.

Wir möchten heute dem Schöpfer, ‚nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird‘ (Eph 3,15), für das besondere Charisma des Verstorbenen danken. Man muss hier in der Tat von Charisma sprechen, denn Prof. Lejeune hat seine ausgedehnten Kenntnisse über das Leben und seine Geheimnisse immer für das wahre Wohl des Menschen und der Menschheit – und nur dafür – einzusetzen vermocht. Er ist ein unermüdlicher Verteidiger des Lebens geworden, vor allem des Lebens ungeborener Kinder, das in unserer zeitgenössischen Gesellschaft so großen Gefahren ausgesetzt ist, dass man an eine geplante Bedrohung denken könnte. Heutzutage sind davon auch die älteren und kranken Menschen gefährdet. Die vom Menschen eingesetzten Instanzen, die demokratisch gewählten Parlamente, maßen sich das Recht an, zu entscheiden, wer ein Recht auf Leben hat und wem wiede­rum dieses Recht auf Leben ohne jegliches Verschulden abgesprochen werden kann. Unser Jahrhundert hat schon verschiedene Erfahrungen mit einer solchen Geisteshaltung gemacht, vor allem während des Zweiten Weltkriegs und auch nach Kriegsende. Professor Jérôme Lejeune hat die besondere Verantwortung des Wissenschaftlers in vollem Umfang auf sich genommen: Er war bereit, zum ‚Zeichen des Widerspruchs‘ zu werden, ohne sich um den Druck seitens der freizügigen Ge­sellschaft zu kümmern oder um die Verfemung, der er ausgesetzt war.

Heute trifft uns der Tod eines großen Christen des 20. Jahrhunderts, eines Menschen, für den die Verteidigung des Lebens zum Apostolat wurde. Es ist offensichtlich, dass diese Form des Laienapostolats in der gegenwärtigen Lage der Welt besonders nötig ist. Wir möchten heute GOTT, dem Urheber des Lebens, für alles danken, was Prof. Lejeune für uns gewesen ist und was er für den Schutz und die Förderung der Würde des menschlichen Lebens getan hat. Ich möchte ihm insbesondere dafür danken, dass er damals die Initiative zur Einrichtung der Päpstlichen Akademie für das Leben ergriff. Prof. Lejeune war lange Jahre Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften; er bereitete alles Notwendige zu dieser Neugründung vor, deren erster Präsident er wurde. Wir sind sicher, dass er nunmehr bei der GÖTTlichen Weisheit für diese so wichtige Institution betet, die ihr Dasein größtenteils ihm verdankt.

CHRISTUS sagt: ‚Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.‘ Wir glauben, dass sich diese Worte im Leben und im Tod unseres Bruders Jérôme erfüllt haben. Möge die Wahrheit über das Leben auch eine Quelle geistiger Kraft für die Familie des Verstorbenen, für die Kirche von Paris, für die Kirche in Frankreich und für uns alle sein, denen Prof. Lejeune das wahrhaft leuchtende Zeugnis seines Lebens als Mensch und Christ hinterlassen hat…«

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Anmerkung: *Am 4. April 1994 erschien in der französischen Tageszeitung Le Monde in Form einer ganzseitigen Anzeige eine von 3000 Ärzten unterzeichnete Petition zur Anerkennung des menschlichen Embryos ‚als Teil unserer Spezies, der keinen wie auch immer gearteten Manipulationen unterworfen werden darf‘. – Im Artikel von M. J. Miller wird das Resümee gezogen: „In einer Zeit, in der zunehmend von Kostendämpfung im medizinischen Bereich die Rede ist, sind die Worte Professor Lejeunes eine ernüchternde Warnung vor dem, was im Gesundheitswesen auf dem Spiel steht: Es heißt: ‚Genetische Krankheiten verursachen hohe Kosten. Wenn man diese Individuen frühzeitig eliminieren könnte, wären die Ersparnisse enorm!‘ Natürlich ist der Preis dieser Krankheiten hoch – nämlich im Leiden der Betroffenen und der Bürde für die Gesellschaft, ganz zu schweigen vom Leid der Eltern! Dieser Preis besitzt jedoch einen Gegenwert, und zwar richtet er sich genau nach dem, was eine Gesellschaft zu bezahlen bereit ist, um voll menschlich zu bleiben.“

[Bildnachweis: Bild 1: PRNewsFoto/The Jerome Lejeune Foundation USA. Urheberrechte für Bild 2 unbekannt]

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