Das Porträt

 

FMG-INFORMATION 120, Dezember 2017

 

 

Das zweite Porträt haben wir bereits in der FMG-INFORMATION 43 im März 1991 veröffentlicht, nachdem der hl. Papst Johannes Paul II. 1990 in Mexiko die drei indianischen Buben Cristóbal, Antonio und Juán von Tlaxcala, Mexiko, seliggesprochen hatte. Grund des Neuabdrucks ist die Heiligsprechung dieser jungen Märtyrer am 15. Oktober 2017 in Rom.

Quellen waren das Dekret der Heiligsprechungskongregation über das Martyrium vom 3.3.1990, die Übersetzungen ihrer Lebensbeschreibungen aus „Historia dela Iglesia en Mexico por el P. Mariano Cuevas SJ, Tomo Primero 1511-1548, Edition Patria Mexico“ sowie ein Artikel der Zeitschrift „Virgen de Guadalupe“ (Sondernummer zum Papstbesuch 1990), davon auch das Foto.

 

 

FRÜHVOLLENDET

Hll. Cristóbal, Antonio und Juan

 

3 Märtyrerknaben von Tlaxcala/Mexiko

1514/15-1527, 1516/17-1529

 


 

1519 waren mit den Scharen der Konquistadoren zwei Ordensmänner nach Mexiko gekommen, Bruder Bartolomé de Olmeda aus der Gemeinschaft der Mercedarier, und Pater Juan Díaz Ilegaron. Einige Jahre später, 1523, betraten drei Franziskaner neuspanischen Boden: Juan de Tecto, Theologieprofessor an der Universität Paris, Juan de Aora sowie Pedro de Gante. Sie schufen die Voraussetzung für die Christianisierung des Landes. 1524 kamen weitere zwölf Franziskanermissionare unter Leitung von Bruder Martín de Valencia. Die Menschen in Mexiko waren im Grund sehr religiös. Überall waren gewaltige Monumente für die Gottheiten errichtet. Die Missionare sahen es als ihre Aufgabe, alles, was sie heidnisch anmutete, zu zerstören – eine heikle Aufgabe, da das naturgemäß auf den Widerstand der Bevölkerung stieß. So suchten sie etwa auf dem Weg über die Jugend den christlichen Glauben in das Volk hineinzutragen. Die dazu eingerichteten Schulen dienten der Unterweisung im katholischen Glauben ebenso wie in handwerklichen Fähigkeiten. Zugleich konnten sich die Missionare hier die Kenntnis der einheimischen Sprachen aneignen.

Die drei Heiligen, im Heidentum geboren und erzogen, lernten in der Schule der Franziskanermissionare das Evangelium kennen. Sie nahmen es an und machten in kurzer Zeit so große Fortschritte in der Liebe zu GOTT, das sie in ihrem jugendlichen Eifer die vielleicht nötige Klugheit vermissen ließen. Sie sehnten sich danach, zur Bekehrung des Volkes beizutragen, das zum großen Teil noch Götzen verehrte und eine Lebensweise pflegte, die der christlichen Sitte widersprach. Dieser Eifer stieß natürlich nicht auf Gegenliebe der Betroffenen, sondern rief unversöhnlichen Hass und grausame Verfolgung hervor, die bald zum Martyrium führte.

 

Cristóbal (Christoph) war der erste Märtyrer der Kirche in Mexiko. Er wurde wahrscheinlich im Jahr 1514 oder 1515 im Dorf Atlihuetzia, nicht weit von Tlaxcala, geboren. Sein Vater Acxotecatl, ein führender Häuptling, galt als kriegerisch. Er hatte zunächst nur zwei andere Söhne in die Schule gehen lassen. Erst als die Franziskaner ihn besuchten und ihm zurede­ten, erlaubte er auch seinem Ältesten die Unterrichtsteilnahme. Cristóbal kam als etwa Zehnjähriger in die Schule der Missio­nare und empfing nach einiger Zeit religiöser Unterweisung die Taufe. Was er gehört und gelernt hatte, gab er auch in seinem Dorf weiter und wagte es sogar, seinem Vater mahnend ins Gewissen zu reden, er solle den Götzendienst und seine Laster, besonders die Trunksucht, ablegen. Acxotecatl trank nämlich nahezu täglich soviel Agavenschnaps, bis er völlig betrunken war. Cristóbal meinte, nicht bei der offenbar wirkungslosen Mahnung bleiben zu dürfen. Die Götzenbilder im Haus sah er als ständigen Anreiz zum Bösen an. So zerstörte er nach einiger Zeit sie und auch die Krüge, in denen der Vater den Agavenschnaps, die Ursache seiner Trunksucht, aufbewahrte.

Die Mahnung des Sohnes und diese Tat hatten den Vater heftig erzürnt. Zusätzlich aufgehetzt von seinen Dienern und einer seiner zahlreichen Frauen, die wollte, dass ihr Sohn dem älte­ren Cristóbal vorgezogen würde, beschloss Acxotecatl, seinen Ältesten zu töten. Deshalb nahm er als Vorwand eine festliche Familienversammlung, zu der er auch die Söhne aus der Schule der Franziskaner in Tlaxcala rufen ließ. Cristóbal nahm er beiseite in einen Raum seines Hauses, packte ihn an den Haare, schleuderte ihn zu Boden und versetzte ihm grausame Schläge, die schon hätten tödlich sein können. Er nahm dann noch einen dicken Eichenknüppel und schlug auf den ganzen Körper des Jungen ein, der keinen Laut von sich gab, besonders auf die Arme und Hände, mit denen der Junge seinen Kopf zu schüt­zen suchte. Fast am ganzen Leib blutete er, und Arme und Beine waren gebrochen.

Als der Vater ermüdete, wollte sich der Verwundete aus dem Raum schleppen, doch die grausame Frau, die den Vater aufgehetzt hatte, verhinderte es. In diesem Augenblick kam die Mutter Cristóbals hinzu und versuchte entsetzt, ihren Sohn in Sicherheit zu bringen. Daraufhin schlug der Häuptling auf diese seine Frau ein und ließ sie wegbringen; er hielt sie noch mehrere Tage gefangen, danach brachte er sie an einen anderen Ort und tötete sie dort.

Unterdessen litt Cristóbal an den Schmerzen der ihm zugefügten Verletzungen und betete: „HERR, mein GOTT, hab Erbarmen mit mir. Und wenn Du willst, dass ich sterbe, so werde ich sterben. Wenn Du willst, dass ich am Leben bleibe, so befreie mich aus der Hand meines grausamen Vaters.“

Als Acxotecatl sah, dass der Junge noch lebte, beschloss er, ihn auf einen Scheiterhaufen zu werfen, wo der Schwerverwundete immer wieder die Hilfe GOTTES und der allerseligsten Jungfrau anrief. Er konnte sich aus dem Bereich des Feuers wälzen. Jemand wickelte ihn in Decken. Eine ganze Nacht noch litt er an den Schmerzen der Verletzungen und Brandwunden. Am Morgen bat er, den Vater zu rufen. Als jener näherkam, flüsterte er ihm zu: „Vater, denke nicht, dass ich dir zürne; ich bin vielmehr voll Freude. Denn so hast du mir mehr Ehre angetan als durch deine Vaterschaft.“ Auf seine Bitte um etwas zu trinken reichte man ihm eine Schale Kakao, den er zu sich nahm. Kurz darauf starb er. Sein Vater begrub ihn heimlich innerhalb des Hauses, damit die Kunde von dem unsäglichen Verbrechen sich nicht verbreitete; aber das Gerücht von dem Martyrium drang durch. Einer der Brüder Cristóbals hatte schon die ersten Schläge durch ein Fenster beobachtet und dann den Missionaren davon berichtet.

Das Martyrium ereignete sich im Jahr 1527; Cristóbal war etwa 13 oder 14 Jahre alt. Einer der zwölf Franziskanermissionare grub über ein Jahr später mit Indios an der Beerdigungs­stelle und fand den unverwesten Leib des Kindes. In Begleitung zahlreicher Eingeborener überführte er ihn nach Tlaxcala. An der Stelle des ersten Grabes ist heute eine kleine Kapelle. (Das alte Kirchengeschichtswerk Mexikos urteilt, ohne der Kirche vorgreifen zu wollen, der Junge sei „in odium fidei“ gemartert worden, infolge des Hasses seines Vaters gegen den christlichen Glauben, nicht um ihn wegen der Zerstörung der Götzenbilder und Schnapskrüge zu züchtigen, weil die Strafe dafür viel leichter hätte ausfallen müssen.)

 

Antonio und Juán (Johannes) sind die beiden anderen Märtyrer. Sie wurden geboren im Dorf Tizatlán bei Tlaxcala, etwa 1516 oder 1517. Der erste entstammte einer führenden azteki­schen Familie – der Großvater war Xicohténcatl der Alte, der das Gebiet von Tizatlán regierte. Juán wurde etwa zur gleichen Zeit in einer ärmlichen Hütte geboren; er wurde später der Diener oder „Page“ des Antonio. In der Franziskanerschule wurden Kinder und Jugendliche ungeachtet ihrer sozialen Her­kunft betreut. So besuchten sowohl Antonio wie auch Juán die Schule. Zwei Jahre nach dem Märtyrertod des Cristóbal kamen 1529 zwei Dominikanerbrüder nach Tlaxcala. Sie besuchten den Franziskanermissionar Martín und baten ihn für ihr missi­onarisches Wirken in Oaxaquena um die Begleitung und Hilfe einiger Jungen, die sich freiwillig dazu bereitfinden sollten. Einer Gruppe Jugendlicher wurde das Anliegen vorgetragen; sie wurden auch aufmerksam gemacht, dass sie ihre Heimat verlassen und viele Strapazen, selbst Todesgefahren, auf sich nehmen müssten, wenn sie den Missionaren helfen wollten, den Glauben unter Menschen zu verkünden, die noch nichts davon wüssten. Antonio und Juán waren mit einem dritten Buben gleich dazu bereit. Einmütig erklärten sie: „Vater, dafür hast du uns im wahren Glauben unterwiesen… Wir sind bereit, mit den Brüdern zu gehen und mit gutem Willen jede Arbeit für GOTT auf uns zu nehmen, und sei es, unser Leben zu geben. Warum sollten wir es nicht für Ihn tun? Wenn der heilige Petrus getötet wurde und St. Paulus, und wenn St. Bartholomäus gemartert wurde für GOTT, warum sollten wir dann nicht für Ihn sterben, wenn wir Ihm so dienen können?“ Angesichts dieser Antwort hatte ihr Lehrer nichts mehr einzuwenden, und die Jungen zogen mit den Dominikanern. Nach langen Tagen kam die Gruppe in Segura de la Frontera (Tepeaca) an, einem Ort, wo wohl eine spanische Militärniederlassung war. Von hier aus suchten sie die Evangelisierung zu beginnen. Sie besuchten die benachbarte Gemeinde Tecali, wo sie einige Götzenbilder zerstörten, ohne Widerstand zu begegnen. Dann kamen sie nach Cuauhtinchán. Als sie zu einem Haus kamen, blieb Juán an der Tür stehen, während Antonio eintrat, um Götzenbildnisse zu sammeln, die es hier gab.

Unterdessen kam eine Gruppe Eingeborener, die Juan sogleich, ohne ein Wort zu sagen, mit Stockschlägen töteten. Antonio kam bei dem Lärm heraus, und als er seinen Diener und Freund ermordet daliegen sah, floh er nicht furchtsam, sondern sagte mutig: „Warum tötet ihr meinen Gefährten, der unschuldig ist, da   i c h   euch die Götzenbilder wegnehme, weil ich weiß, dass sie keine Götter, sondern Teufel sind?“ Voller Hass töteten sie darauf auch ihn auf der Stelle. Das geschah im Jahr 1529. Bei Nachteinbruch trugen sie die Leichen der beiden Jungen weg und warfen sie in eine Schlucht. Der dritte Knabe, Diego, hatte sich versteckt gehalten, eilte nun fort und traf auf Bruder Bernardino Minaya, der um die Unterstützung des Häuptlings (Algacil) bat. Als man nach Cuauhtinchán kam, konnte man keine Auskunft über den Verbleib der beiden Jungen erhalten. Schließlich fand man die Leichen, überführte sie nach Tepeaca und begrub sie dort in der Kapelle. Wegen der edlen Abstammung Antonios, der der Enkel des angesehenen Xicohténcatl des Alten war, wurde die Sache aktenkundig. Die Mörder wurden gefunden und bestraft.

Die Kunde vom Blutzeugnis dieser zwei Knaben verbreitete sich schon damals, ebenso wie die von Cristóbal. Auf Initiative des Bischofs von Tlaxcala wurde vor ca. 40 Jahren den Über­lieferungen nachgeforscht – dabei 25 Autoren vom 16. Jh. bis heute befragt – und 1982 in Rom der Seligsprechungsprozess eingeleitet, der mit der Feststellung endete, dass alle drei als wahre Märtyrer – weil aus Hass gegen den Glauben – getötet worden waren. Nach der Seligsprechung am 6. Mai 1990 sagte Johannes Paul II.: „Mit großer Freude habe ich die drei Mär­tyrerkinder… zu Seligen erklärt. In ihrem zarten Alter wurden sie durch das Wort und das Zeugnis der Missionare angezogen und wurden als Katechisten anderer Eingeborener zu ihren Mitarbeitern. Sie sind ein prachtvolles und lehrreiches Beispiel dafür, dass die Verkündigung des Evangeliums eine Aufgabe des ganzen Volkes GOTTES ist: Niemand ist davon ausge­schlossen, nicht einmal die Kinder… Möge das Beispiel dieser seliggesprochenen Kinder unter den Jungen und Mädchen Lateinamerikas und der ganzen Welt eine unermessliche Schar kleiner Apostel CHRISTI erwecken…“

Bei der Heiligsprechung am 15. Oktober 2017 auf dem Petersplatz nahm Papst Franziskus auf das Tagesevangelium vom königlichen Hochzeitsmahl (Mt 22,1-14) Bezug und sagte, „die heute Heiliggesprochenen, vor allem die vielen Märtyrer“ zeigten den Weg der Ganzhingabe auf. „Sie haben nicht nur mit Worten und für eine Weile ‚Ja‘ zur Liebe gesagt, sondern mit dem Leben und bis zum Ende.“                  

 

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