Das Porträt

 

FMG-INFORMATION 117, Dezember 2016

 

 

Am 16. Oktober 2016 wurde in Rom – zusammen mit sechs anderen Seligen, darunter dem Märtyrer der französischen Revolution Frère Salomon Leclercq (1745-1792), dem italienischen Priester P. Alfonso Maria Fusco (1839-1910) und der französischen jungen Karmelitin Elisabeth Catez (Sr. Elisabeth von der hlst. DREIFALTIGKEIT, 1880-1906) – der vierzehnjährige Märtyrerjunge José Sánchez del Rio heiliggesprochen, der in der Verfolgung der Kirche in Mexiko 1928 hingerichtet wurde.

 

1988 war aus dieser Zeit schon P. Michael Pro SJ (1891-1927) seliggesprochen worden [vgl. unser Buch von Lothar Groppe SJ, „P. Michael Pro SJ – Ein mexikanischer Schlingel wird Priester und Märtyrer“].

1997 fand die Seligsprechung des Priesters Elio del Soccorso (Mattheo Nieves, 1882-1928) statt.

2000 war die Heiligsprechung von fünfundzwanzig Priestern und Laien (1992 seliggesprochen): Priester: Cristóbal Magallanes Jana, 1860-1927; Agustin Caloca Cortes, 1889-1927, Román Adame Rosales 1859-1927; Rodrigo Aguilar Alemán, 1875-1927; Julio Alvarez Mendoza, 1866-1927; Luis Batis Sainz, 1870-1926; Mateo Correa Magallanes, 1866-1927; Justino Orona Madrigal, 1877-1928; Atilano Cruz Alvarado, 1901-1928; Miguel de la Mora, 1874-1927; Pedro Esqueda Ramírez, 1887-1927; Margarito Flores Garcia, 1899-1927; José Isabel Flores Varela, 1866-1927; David Galván Bermúdez, 1881-1915; Pedro de Jesús Maldonado Lucero, 1892-1927, Jesús Méndez Montoya, 1880-1928; Sabas Reyes Salazar, 1883-1927; José Maria Robles Hurtado, 1888-1927; Toribio Romo González, 1900-1928, David Uribe Velasco, 1888-1927; Tranquilino Ubiarco Robles, 1899-1928; Jenaro Sanchez Delgadillo, 1876-1927); Laien: Salvador Lara Puente, 1905-1926; Manuel Morales, 1898-1926; David Roldán Lara, 1907-1926.

2005 war die Seligsprechung der Priester Andrés Sola Molist (1887-1927), Dario Acosta Zurita (1908-1931) und José Trinitad Rangel Montano (1887-1927) sowie der Laien Anacleto Gonzalez Flores (1888-1927), José Dionisio Luis Padilla Gómez (1899-1927), Jorge Ramon Vargas González (1899-1927), José Luciano Ezequiel Herta Gutiérrez (1876-1927), Miguel Gómez Loza (1888-1928), Luis Magana Servin (1902-1928), José Sánchez Del Rio, und Leonardo Pérez Larios (1889-1927).

2006 die Heiligsprechung des Priesters Margorito Flores Garcia, 1899-1927 (1992 seliggesprochen).

Der jüngste aus der Schar dieser heiligen und seligen Märtyrer Mexikos wurde nun 2016 heiliggesprochen.

 

Quellen: www. santiebeati.it/Detailed/92608.html (davon das Foto); ältere Texte jetzt unbekannter Quelle; ferner DT/KAP 15.10.2016, kath.net/ news/57052 vom 12.10.2016, RV 16.10.2016, www. maintenantunehistoire.fr/jose-sanchez-del-rio-le-petit-cristero/, www. tempi.it/ storia-della-piccola-ximena-salvata-dal-miracolo-del-cristero-14enne-jose-sanchez-del-rio#.WAZfirODplQ; www. kath-info.de/ rudigier.html; Stefan Wirth, Die neuen Heiligen der katholischen Kirche, Band 7, Kisslegg 2011, S. 171; Georg Schwaiger, Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert, München 1999, S. 257f, u. a.

 

 

FRÜHVOLLENDETER BLUTZEUGE

José Luis Sánchez del Rio

 

*28. März 1913 Sahuayo del Diaz, Michoacán, Mexiko    + 10. Februar 1928 Sahuayo, Mexiko

 

Mexiko, das fünftgrößte Land auf dem amerikanischen Doppelkontinent, bestehend aus 31 Bundesstaaten, hat heute etwa 120 Millionen Einwohner, die über 80 % katholisch sind (1930 waren es etwa 16 Millionen Einwohner).

 

Die Kindheit

In Zentralmexiko liegt der Staat Michoacán. Dort in Sahuayo del Diaz (etwa 500 km westlich der Hauptstadt Mexiko-City) wurde José 1913 geboren. Die Eltern Macario Sánchez und Maria del Río erzogen ihre vier Söhne – José war der dritte – (nach einer Quelle auch drei Töchter) ganz im Sinn ihres katholischen Glaubens. Die große Armut veranlasste sie, in das nördlich gelegene Guadalajara (benachbarter Bundesstaat Jalisco) abzuwandern, wo Joselito – so sein Kosename – die hl. Erst­kommunion empfing und weiter die Schule besuchte. José wurde Mitglied des „Katholischen Bundes der me­xikanischen Jugend“, die sich der wachsenden antireligi­ösen Propaganda widersetzte. Schon früh zeigte sich, dass Begeisterung für den Glauben, Beständigkeit in der Erfüllung der religiösen Pflichten, Entschlossenheit und Tapferkeit zu seinen Charaktereigenschaften gehörten. José hielt bereits als Zehnjähriger andere Kinder seines Dorfes zum Gebet an und zog sie mit in die Kirche zur Anbetung des Allerheiligsten.

 

Verfolgung der Katholiken Mexikos

Hier ist ein kurzer Blick auf die Geschichte Mexikos notwendig. Die meisten Präsidenten seit Anfang des 19. Jahrhunderts waren Freimaurer, auch Präsident Obregón und sein Nachfolger Carranza. Dieser hatte 1917 eine neue Verfassung durchgesetzt, die die Menschenrechte stark einschränkte (sodass die Versailler Friedenskonferenz 1919 Mexiko die Aufnahme in den Völkerbund verweigerte). Immerhin äußerte sich die deutliche Intoleranz gegen die katholische Kirche zunächst nur in vereinzelten Akten; Carranza ließ nach einiger Zeit die schlimmsten Bestimmungen der Verfassung nicht anwenden. 1924 übernahm Plutarco Elias Calles die Regierung; er übertraf seine beiden Vorgänger an Brutalität und Verschlagenheit. Sein großes Vorbild war die Sowjetunion. Wie dort sollte auch in Mexiko Religion und Kirche ausgerottet werden. Er ließ die noch bestehenden katholischen Schulen schließen, schaffte jeden Religionsunterricht ab, löste die Orden auf – Zölibat und Ordensgelübde wurden verboten. Alle religiösen Veranstaltungen außerhalb der Kirche wurden untersagt, die Kirchen der staatlichen Aufsicht unterstellt und aller kirchliche Besitz verstaatlicht, katholische Zeitungen verboten. Den Priestern wurden die staatsbürgerlichen und politischen Rechte aberkannt; sie mussten von der Polizei die Genehmigung zur Feier der hl. Messe einholen. Der Kirche wurde jegliche Möglichkeit zu caritativer Tätigkeit genommen; Waisenhäuser, Altersheime, Behindertenheime wurden geschlossen oder verstaatlicht. Zahlreiche Priester und Bischöfe waren vertrieben und lebten im Untergrund oder im Ausland.

Die Bischöfe verhängten über alle, die bei der Durchführung des neuen Gesetzes 1926 mitwirken würden, die Exkommunikation. Weil unter der staatlichen Restriktion die Fortführung der Seelsorge unmöglich war – die Priester sollten alle staatlich registriert werden und nur wenige dann zugelassen werden –, wurde im Einvernehmen mit Papst Pius XI., daher auch die (öffentliche) Feier von GOTTESdiensten, die die Mitwirkung eines Priesters erforderten, eingestellt, wobei die Kirchen zum Gebet geöffnet blieben.

Die mexikanischen Katholiken setzten sich zur Wehr. Über zwei Millionen Unterschriften bezeugten den Protest gegen die Maßnahmen der Regierung – doch erfolglos. Katholische Verbände wie der „Katholische Bund der mexikanischen Jugend“ und die „Liga zur Verteidigung der religiösen Freiheit“ riefen zum passiven Widerstand auf – die Teilnahme am öffentlichen Leben sollte auf das Lebensnotwendige beschränkt werden. So kamen Handel und Verkehr weitgehend zum Erliegen. Aber Präsident Calles blieb hart und wies die Gouverneure der Bundesstaaten an, vor allem gegen die Priester mit äußerster Härte vorzugehen; zahlreiche Priester, die aus dem Untergrund zu wirken versuchten, wurden erschossen oder zu Tode gefoltert (147 allein im Jahr 1926).

In der Enzyklika „Iniquis afflictisque“ vom 18. November 1926 schilderte der Papst die furchtbare Lage der Kirche in Mexiko, rühmte die Standhaftigkeit und Treue von Episkopat, Klerus und Volk und brandmarkte die Methoden der „diokletianischen“ Christenverfolgung. In mehreren Ansprachen wiederholte er die Klagen über die Verfolgungen und geißelte die ‚Verschwörung des Stillschweigens“ in der Weltpresse gegenüber den Gräueltaten.

 

Die „Cristeros“

Schließlich bildeten sich besonders in den Staaten Zentralmexikos die Gruppen der „Cristeros“ (ursprünglich abgeleitet vom Ruf: „Viva CRISTO Rey! Es lebe CHRISTUS, der König“ „Cristoreyeros“ genannt), die den Verfolgern auch bewaffneten Widerstand leisteten.

Der Einsatz von Gewalt ist von der christlichen Ethik her problematisch und immer wieder diskutiert worden. Wo die Staatsmacht eindeutig und lange andauernd durch Gewaltherrschaft grundlegende Menschenrechte unterdrückt und dem Gemeinwohl des Landes ernsten Schaden zufügt, sind jedenfalls Protest und passiver Widerstand – gewaltlose Nichtbefolgung von Gesetzen – erlaubt oder sogar geboten, Gewaltanwendung nur als letztes, äußerstes Mittel. Der Vorsitzende der mexikanischen Bischofskonferenz erklärte 1927: „Wir haben nie zu einer bewaffneten Bewegung Anlass gegeben. Jetzt aber, da sie ausgebrochen ist, nachdem alle friedlichen Mittel erschöpft waren, müssen wir unseren katholischen Söhnen, die zur Verteidigung ihrer sozialen und religiösen Rechte die Waffen ergriffen haben – nachdem wir lange vor GOTT darüber nachgedacht haben –, sagen, dass euer Gewissen beruhigt sein kann…“ (vgl. unser Taschenbuch P. Michael Pro SJ, S. 121).

 

Anfangs waren es nur wenige Beherzte, doch die Reihen füllten sich bald. Die älteren Brüder von José, Macario und Miguel, schlossen sich mit Zustimmung der Eltern den Cristeros an. José wurde dieser Wunsch mehrfach abgeschlagen, weil er zu jung war. Doch er drängte weiter darauf, auch das Nein seiner Mutter konnte ihn nicht davon abbringen. Er sagte zu einem der Anführer: „Wenn ich schon nicht imstande bin, ein Gewehr zu tragen, können Sie mich doch zu vielem anderem gebrauchen: die Pferde versorgen, in der Küche arbeiten, Wasser und Munition schleppen.“ Seiner Mutter sagte er: „Nie war es so leicht, sich den Himmel zu verdienen, wie jetzt. Diese Gelegenheit möchte ich nicht verpassen!“

 

Das Martyrium als hervorragendes Geschenk

Zwar steht der Christ in der Pflicht, seinen Glauben zu bezeugen und nicht zu verleugnen, aber er darf sich nicht nach dem Martyrium drängen. Würde menschliche Ruhmsucht dahinter stecken und nicht CHRISTUSliebe, wäre die Gefahr groß, im entscheidenden Moment schwach zu werden, weil die Gnade fehlte. Doch hebt die Kirche dieses „leuchtende Zeugnis des Glaubens“ (GS 21) heraus; das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: „Das Martyrium, das den Jünger dem Meister in der freien Annahme des Todes für das Heil der Welt ähnlich macht und im Vergießen des Blutes gleichgestaltet, wertet die Kirche als hervorragendes Geschenk und als höchsten Erweis der Liebe“ (LG 42).

 

José bei den Cristeros

So setzte José bei General Prudencio Mandoza, dem An­führer der Cristeros in Josés Heimatregion, schließlich seinen Wunsch durch. Dieser vertraute ihn dem Oberkommando von General Rubén Guizar Morfin in Cotija an, wo er ihn sicher glaubte. Josés Aufgabe war zunächst, als Laufbursche für die Truppe Arbeiten auszuführen: Er war bald recht beliebt und wurde dann – dank seiner Disziplin, seiner Gläubigkeit und seines Eifers – Feldtrompeter und Fahnenträger. Sein Spitzname war Tarcisius, nach dem frühchristlichen jungen Eucharistie-Märtyrer. So half er etwa acht Monate lang den christlichen Kämpfern mit seinen Diensten.

 

 

Die Gefangennahme

Im Kampf von Cotija am 6. Februar 1928, als die Cristeros von den Regierungstruppen angegriffen wurden, wurde das Pferd des Generals Guizar tödlich verwundet. José stieg geistesgegenwärtig von seinem Pferd und bot es ihm mit den Worten: „Ihr Leben ist nützlicher als meines.“ Der General nahm das Reittier zögernd an. Der Junge erbat sich ein Gewehr und sicherte damit offenbar noch bis zur letzten Kugel den Rückzug des Generals, wurde aber dann schnell von den Soldaten des Regierungsheeres gefangengenommen, zusammen mit Lazaro, einem jungen Indio.

Die beiden Jungen wurden gefesselt unter Schmähworten abgeführt; José betete um die Kraft, durchzuhalten. Die Soldaten der Regierungstruppen versuchten, aus ihm Informationen über die Cristeros herauszupressen, doch er sagte kein Wort. Als er in der Kaserne von Cotija dem Befehlshaber, General Anacleto Guerrero, vorgeführt wurde, sagte José: „Sie haben mich zum Gefangenen gemacht, weil mir die Munition ausging; ich habe mich nicht ergeben.“

Als die Soldaten ihn vor die Alternative stellten, seinem Glauben abzuschwören oder hingerichtet zu werden, lehnte er standhaft ab: „Lieber sterben als CHRISTUS und meine Heimat verraten.“

Man brachte ihn ins Gefängnis von Cotija. In der dunklen, stinkenden Zelle dachte er an seine Mutter und bat um Papier und Tinte. „Meine liebe Mama“, so schrieb er, „ich wurde heute im Kampf gefangen genommen. Ich glaube, dass ich sterben werde, aber das macht nichts. Mama, ergib dich in den Willen GOTTES. Ich werde zufrieden sterben, weil ich an der Seite Unseres HERRN sterbe. Gräme dich nicht über meinen Tod, das würde mich quälen. Sag vielmehr meinen Brüdern, dass sie dem Beispiel des Kleinen folgen sollen. Erfülle so den Willen GOTTES. Habe Mut, und bitte schick mir deinen Segen und den Segen des Vaters. Grüße alle ein letztes Mal von mir und behalte deinen Sohn in deinem Herzen, der dich sehr liebt und gewünscht hätte, dich vor dem Sterben noch einmal zu sehen. José Sánchez del Rio.“

Schließlich wurde er in seinen Geburtsort Sahuayo gebracht. Dort hatte sein Taufpate Rafael Picazo Sánchez, der sich zu einem führenden Deputierten des Calles-Regimes aufgeschwungen hatte, den Oberbefehl. Er hoffte, den Jungen überreden zu können und damit einen pro­pagandistischen Erfolg bei der Bevölkerung zu erreichen. Trotz verlockender Angebote und Drohungen – Geld, um ins Ausland zu gehen, Beginn einer militärischen Ausbildung im Regierungsheer – blieb José seinem Glauben und der Kirche treu. Er wies auch die Möglichkeit, dass die Eltern Lösegeld aufbrachten für seine Freilassung, entschieden zurück: Er hatte sei Leben schon CHRISTUS angeboten.

Er wurde nun in die Kirche des hl. Apostels Jakobus eingesperrt, in die Seitenkapelle, wo er am 3. April 1913 getauft worden war. Er verbrachte die Nächte mit dem Beten des Rosenkranzes und dem Singen religiöser Lieder, im Bewusstsein, dass sein Tod bald bevorstand. Die Regierungssoldaten hatten die Kirche in einen Pferde- und Hühnerstall verwandelt. Picazo beherbergte dort seine Kampfhähne und hielt Gelage ab. José war betrübt und erzürnt über die Entweihung des GOTTEShauses. Noch in der gleichen Nacht suchte er sich, unter Aufbietung aller Kräfte, von seinen Fesseln zu befreien. Als er es geschafft hatte, machte er sich daran, die Kampfhähne des Deputierten zu töten. Danach lehnte er sich in einer Ecke an und schlief ruhig ein. Als die Soldaten das am Morgen entdeckten, brachten sie ihn vor Picazo, der ihn zornig zur Rede stellte. José antwortete entschlossen: „Das Haus GOTTES ist da, um darin zu beten, und nicht als Stall für Tiere.“ Diese Worte brachten ihm harte Schläge durch die Bewacher ein. Er antwortete auf die Misshandlung: „Lasst mich für die Hinrichtung am Leben, weil ich als Märtyrer für JESUS sterben will.“

Als ihm seine Angehörigen zu essen brachten, ermunterte er seinen Mitgefangenen Lázaro: „Essen wir ordentlich, sie werden uns genug Zeit geben und dann erschießen. Es gibt kein Zurück mehr.“

Am Nachmittag holten sie Lázaro, um ihn zu hängen; José wurde gezwungen, bei dem Baum zu stehen, der zur Exekution diente. Als man nach einigen Minuten glaubte, jener sei tot, nahmen man ihn herunter und schleifte ihn zum Friedhof, wo man ihn liegenließ. Lázaro kam aber wieder zu sich und konnte unter großen Anstrengungen entfliehen.

In der Zwischenzeit wollte der Vater Josés ihn mit Geld loskaufen. Picazo verlangte 5000 Goldpesos von ihm, doch der betrübte Vater konnte eine solche Summe nicht aufbringen und bot sein Haus, die Möbel und alles, was er hatte, an. Picazo schrie daraufhin, er werde den Jungen unter den Augen des Vaters töten lassen, mit oder ohne Geld. Als José davon erfuhr, bat er, dass man nicht einen einzigen Cent für ihn bezahlen solle.

 

Vor dem Tod

Am Freitag, 10. Februar, am Spätnachmittag wurde José aus der Kirche herausgeführt und zur Truppenunterkunft gebracht; das Todesurteil war ihm damit klar. Er bat nochmals um Papier und schrieb einer seiner Tanten, der Schwester seines Vaters:

„Sahuayo, 10. Februar 1928. Liebe Tante: Ich bin zum Tod verurteilt. Heute Abend kommt der Moment, den ich so sehr ersehnt habe. Viele Dank für alle Dienste, die du und Magdalena mir erwiesen haben. Ich bin nicht fähig, jetzt an Mama zu schreiben. Sag Magdalena, dass ich die Erlaubnis bekommen habe, sie noch einmal zu sehen; ich glaube, sie wird sich nicht weigern zu kommen“ (dieser Tante gelang es, ihm – unter Lebensmitteln versteckt – die hl. Kommunion hineinzuschmuggeln). „Grüße alle von mir und sei zum letzten Mal umarmt von deinem Nef­fen… CHRISTUS lebt, CHRISTUS regiert, CHRISTUS herrscht! Es lebe CHRISTUS der König! Es lebe die heilige Jungfrau von Guadalupe! – José Sánchez del Río, der bei der Verteidigung des Glaubens starb. Vergesst nicht, zu kommen. Adiós!“

 

Das heldenhafte Martyrium

Um 11 Uhr abends kamen die Soldaten, rissen ihm die Fußsohlen blutig und zwangen ihn unter Schlägen, den langen Weg zum Friedhof zu gehen, mit den blutigen Sohlen über ausgestreutes Salz. Man wollte ihn durch diese Torturen nochmals zum Abfall vom Glauben bringen. Doch er blieb fest. Weinend vor Schmerz, aber betend, das Lob CHRISTI des Königs und Unserer Lieben Frau von Guadalupe rufend und singend, ging er den letzten Weg. Seine lautes „CHRISTUS vincit, CHRISTUS regnat, CHRISTUS imperat“ brachte die Soldaten in Rage. Er rief: „Vorwärts, noch ein bisschen, und ich werde bei JESUS sein. Ich werde Ihn sehen! Wir werden zusammensein, Er und ich!“

Auf dem Friedhof angekommen, fragte José, welches sein Grab sei, und stellte sich einer von Heldenmut zeugenden Eingebung folgend an dessen Rand. Die Soldaten forderten ihn ein letztes Mal auf, CHRISTUS abzuschwören. Auch angesichts des unmittelbar nahen Todes ließ sich der tapfere Vierzehnjährige nicht zur Untreue gegen seinen Glauben bewegen. Er rief wieder laut den CHRISTkönigsruf. - Weil man den Lärm in der Nacht vermeiden wollte, sollte die Tötung durch Stiche mit Bajonetten erfolgen, doch bei jedem Stich rief er wieder laut: „Es lebe CHRISTUS der König! Es lebe die Jungfrau von Guadalupe!“ So machte ein Offizier mit einem Pistolenschuss ein Ende. José war 14 Jahre alt.

Im Film „Cristiada“ („For Greater Glory: The True Story of Cristiada“; deutscher DVD-Titel: „GOTTES General - Schlacht um die Freiheit“), der auch die Geschichte von José beinhaltet, wird dargestellt, wie er noch, tödlich verwundet neben der Grube zusammengesunken, mit dem blutigen Finger ein Kreuz in die Erde ritzt. Er wurde dann ins Grab geworfen und ohne Sarg beerdigt.

 

Beim Leichnam fand man noch einen Zettel für seine Mutter: „Ich verspreche dir, im Paradies schon einen guten Platz für euch alle vorzubereiten.“ Seine Überreste wurden später exhumiert und in die Märtyrer-Krypta der Herz-JESU-Kirche in Sahuayo übertragen. Seit 1996 befinden sich die Reliquien in der Kirche des hl. Apostels Jakobus auf einem Seitenaltar, neben der Taufkapelle.

Seit der Seligsprechung mit anderen Märtyrern Mexikos am 20. November 2005 in Guadalajara ist sein Gedenktag der 10. Februar.

 

Das Wunder auf seine Fürbitte

Nach der Anerkennung des Martyriums von José im Seligsprechungsprozess war die Bestätigung eines ihm zugeschriebenen Wunders nicht notwendig. Für die Heiligsprechung wurde dann die unerklärliche Heilung des mexikanischen Mädchens Ximena Guadalupe Magallón Gálvez als Wunder anerkannt.

Ximena war einige Wochen alt, als sie im September 2008 von einem besorgniserregenden Fieber ergriffen wurde. Im kleinen Krankenhaus Santa Maria von Sahuayo, wohin der Kinderarzt das Baby zunächst bringen ließ, und in der Klinik in Aguascalientes konnte man ihm nicht helfen. Nach zwei Monaten füllte sich die rechte Lunge mit Flüssigkeit und die Ärzte entschlossen sich zu einer sehr heiklen Notoperation. Die Eltern entschieden sich zur sofortigen Taufe. Die Operation war erfolgreich; bei einer Gewebeuntersuchung stellte sich jedoch Tuberkulose heraus. Während der Behandlung bemerkten die Ärzte, dass das Kleinkind einen Schlaganfall erlitten hatte mit der verheerenden Folge, dass 90 % des kleinen Gehirns tot waren. Die Ärzte sprachen vom „vegetativen Zustand“ und prognostizierten noch 72 Stunden. In diesen drei Tagen intensivierten die Eltern ihr Gebet zum seligen Joselito um ein Wunder. Als die Mutter dann zum Abschied – die Ärzte wollten die medizinischen Geräte abschalten – das Kind in den Arm nahm, öffnete es die Augen und lächelte. Die Mediziner hatten keine Erklärung und sprachen von einem Wunder. Sie warnten zwar die Eltern, dass die Funktionen nicht wiederhergestellt sein würden und das Kind womöglich blind, taub, stumm bleiben könnte. Doch zum Erstaunen aller begann das kleine Mädchen in perfekter Gesundheit zu wachsen. - Papst Franziskus besuchte bei seiner Pastoralreise nach Mexiko im Februar 2016 das Grab von José und traf das nun siebenjährige Mädchen, dessen Heilung für die Heiligsprechung anerkannt wurde.

 

zurück