Das Porträt

 

FMG-INFORMATION 114, August 2015

 

 

Am 18. März 2015 hat Papst Franziskus die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen autorisiert, das Dekret über den heroischen Tugendgrad unter anderem für zwei junge Christen zu veröffentlichen: für den knapp 23jährigen Jesuitennovizen Petar Barbarić und für die 15jährige Maria Orsola Bussone.

Den Kroaten Petar Barbarić aus Bosnien-Herzegowina haben wir bereits in der FMG-INFORMATION 46 (April 1992) porträtiert (aufgrund der Biographie von Anton Puntigam SJ, „Himmelwärts. Peter Barbarić – ein Studentenideal aus der Herzegowina“, Innsbruck 1910, und von Texten des Vizepostulators J. Antolović SJ, Zagreb); wir bieten dieses Lebensbild erneut an – ergänzt aus Internet-Quellen: www. santiebeati.it/ Detailed/95874.html; www. veritas.hr/arhiv/ver2004/ver11_04/str24.htm; www. jesuit.org.sg/html/companions/saints. martyrs/ April/peter.barbaric.html und hr.wikipedia.org/wiki/Petar_Barbarić.

Für die junge Italienerin Maria Ursula Bussone greifen wir zurück auf die Beschreibungen der verehrungswürdigen Dienerin GOTTES von Antonio Borrelli bei www. santiebeati.it/Detailed/92433.html, von Sereno Manoni in Bollettino Salesiano, Aprile 2006, von Karl-Heinz Fleckenstein auf www. vision2000.at/?nr=2004/ 5&id=2181 und auf das biographisch-spirituelle Profil bei www. focolare.org/press/files/2015 /03/201503_Profilo-Biografico-e-Spirituale-di-Maria-Orsola-Bussone_EN.pdf; u.a.

[Fotonachweis: Petar Barbaric: Sterbebild: Archiv Freundeskreis Maria Goretti e.V., 2. Foto: Biographie von A. Puntigam. -  M. Ursula Bussone: 1. Foto: Vision 2000, Nr.5/2004, 2. Foto www. santiebeati.it/Detailed/92433.html]

 

FRÜHVOLLENDET

Petar Barbarić

 

*19. Mai 1874 in Klobuk-Šiljevišta (Herzegowina)   + 15. April 1897 in Travnik (Bosnien)

 

Bosnien-Herzegowina

Um die Heimat von Petar Barbarić einordnen zu können, ist es gut, kurz auf Geschichte und Geographie zu schauen: Die Herzegowina – einst ein Teil der römischen Provinz Dalmatia – hat den Namen davon, dass ein Landesherr Stephan Vukčić 1448 den Herzogstitel annahm. Knapp zwanzig Jahre später eroberten die Osmanen das Gebiet, das nun vier Jahrhunderte unter türkischer Herrschaft lebte und manche christliche Märtyrer hervorbrachte. 1875 kam es zu Aufständen in der Herzegowina und in Bosnien gegen die osmanische Besatzung. Nach der Niederschlagung eines bulgarischen Aufstands trat Russland unter dem Vorzeichen des Panslawismus in den Krieg gegen das Osmanische Reich ein. 1878 endete der Krieg auf dem Balkan nach blutigem, wechselvollem Ringen mit der völligen Auflösung der türkischen Armee. Durch den Friedensschluss beim Berliner Kongress kamen Bosnien und die Herzegowina – vier Jahre nach der Geburt Petars – unter österreichische Verwaltung, so dass die Katholiken aufatmeten. 1908 wurde das Land von Österreich an­nektiert. 1918 wurde es dann nach dem 1. Weltkrieg dem serbisch majorisierten Jugoslawien einverleibt, nach dem 2. Weltkrieg unter kommunistischem Vorzeichen. Nach dem Ende der Herrschaft Titos waren die Herzegowina und Bosnien im Balkankonflikt 1991 bis 1995 einer der Hauptkriegsschauplätze. Das heutige zerbrechliche Staatsgebilde Bosnien-Herzegowina ist aufgeteilt in die Föderation Bosnien und Herzegowina, die Republika Srpska (die den Norden und Osten Bosniens und den Osten der Herzegowina umfasst und die Folgen von Gewalt und Vertreibung zementiert) sowie einen kleinen Distrikt Brčko. Der Geburtsort Petars, Klobuk, gehört heute zum Kanton West-Herzegowina und liegt zwischen der Adria und der Stadt Mostar; das heute bekannte Medjugorje ist nicht weit entfernt. – Travnik ist eine Stadt im Kanton Zentralbosnien mit 2013 circa 57.000 Einwohnern.

 

Die Kindheit

1874 wurde Petar (Peter) im Weiler Šiljevišta geboren, der zum christlichen Dorf Klobuk gehörte; er war Kroate. Er hatte acht Brüder. Seine Vorfahren kamen eigentlich aus Blatnica bei Mostar. Der Vater Anton Barbarić war Gutsverwalter eines vornehmen Türken, zeitweise auch Gemeindevorsteher von Klobuk. Mit seiner Frau Katharina Toljeva führte er ein christliches Haus. So beschrieb ein früherer Pfarrer von Klobuk, ein Franziskaner – diese hatten die Christen auch in der schweren türkischen Zeit nicht verlassen –, wie die Familie erst gemeinschaftlich das Abendgebet verrichtete, ehe sie das Nachtmahl einnahm. Danach hielt Vater Barbarić seinen Kindern nach einem Buch Christenlehre, wobei aber auch Scherz und Erzählen nicht zu kurz kamen. Die Eltern gaben ihren Kindern auch den notdürftigen Unterricht im Lesen und Schreiben. Mit sechs Jahren empfing Petar die hl. Firmung; aus seiner Kindheit werden die Freude am Gebet und ein gewisser apostolischer Geist berichtet; er selber gestand ein, dass es auch manchmal Anlass zum Strafen gab. Da vor der Osterbeichte die Gläubigen ein jährliches Examen ihres religiösen Wissens abzulegen hatten, half Petar im Bu­benalter oft sogar Erwachsenen, die des Lesens unkundig waren, sich die Katechismuswahrheiten einzuprägen, ja der Pfarrer beauftragte den Buben sogar, ihn bei den Prüfungen zu vertreten.

Als er alt genug war, musste Petar mit den Ziegen seines Vaters den Tag über hinausziehen, und er verbrachte die Zeit mit dem mehr oder weniger aufmerksamen Hüten seiner Herde, mit Spiel und Rosenkranzgebet und auch mit religiösen Büchern. Erst als Petar zwölf Jahre alt war, wurde eine Volks­schule eröffnet (aus den vorliegenden Beschreibungen ist nicht eindeutig, ob in Klobuk oder in Veljaci, wohin er anderthalb Stunden Fußweg zurücklegen musste). Er ging mit Freude und großer Begabung in die Schule und schaffte den Stoff von vier Klassen in zwei Jahren. Gern wollte er danach weiter lernen, doch hatten die Eltern kein Geld und er spürte auch keinen Ruf zum Eintritt in den Franziskanerorden (so verstand man das Studium dort zu jener Zeit vielfach; sein älterer Bruder ging diesen Weg). So kam Petar als Lehrling in ein Kaufmannsgeschäft in den Nachbarort Vitina, aus dem seine Mutter stammte. Er tat seine Arbeit gewissenhaft, doch die Sehnsucht nach dem Weiterlernen blieb. Er richtete sogar einmal, ohne Wissen des Vaters, ein Bittgesuch an den Bezirksvorsteher, ihn als Schreiber anzustellen, allerdings vergeblich.

 

Gymnasium und Seminar

Der Rektor des erzbischöflichen Knabenseminars in Travnik wandte sich damals an die Volksschullehrer mit der Bitte, begabte und für den Priesterberuf interessierte Schüler ins Seminar zu schicken. Der frühere Lehrer Petars, Tomislav Vuksan, erinnerte sich an ihn, besuchte ihn und fragte ihn, ob er nicht Weltpriester werden wolle. Die Frage überraschte den Fünfzehnjährigen: Er wusste gar nicht, dass es Priester gab, die nicht Franziskaner waren. Nach der Erklärung wirkte in ihm der Gedanke weiter. Doch waren Hindernisse zu überwinden: Die Einwilligung des Vaters, die Enttäuschung sei­nes Dienstherrn, der ihn schätzte und – weil kinderlos – an Kindes statt annehmen und zum Erben einsetzen wollte, und schließlich ein zunächst ungünstiges ärztliches Zeugnis. So machte sich Petar im August 1889 in Begleitung seines Vaters auf die dreitägige Reise nach Travnik, um in das Knabenseminar einzutreten. In Travnik, damals ein Städtchen mit etwa 6500 Einwohnern, wobei knapp die Hälfte Muslime, etwas weniger Katholiken und die übrigen meist orthodoxe Christen waren, war das „kleine Seminar“ mit Gymnasium und der Aloisius-Kirche vom Erzbischof von Sarajewo neu eröffnet und unter die Leitung von Jesuiten-Patres gestellt worden.

Petar gab ein Beispiel an Treue zur damaligen recht strengen Disziplin im Tageslauf des Seminarlebens. Er war begabt, lernte eifrig, wurde aber in seinem Können von keinem Mitschüler beneidet. Eine 1910 erschienene Lebensbeschreibung aus der Feder seines Jesuiten-Präfekten schildert seine Bescheidenheit, obgleich er in seiner Abteilung einer der ältesten war. Er wirkte auch bei den Mitschülern hin auf Versöhnung im Streit, auf Besserung von Fehlern und Beachtung der Ordnung.

 

Seine Frömmigkeit

Hier wendete er sich besonders der Herz-JESU-Verehrung zu. Auf seinem Schreibtisch lag immer ein Herz-JESU-Bild und die Darstellung der Immakulata. Er spornte auch die Mitschüler zu einer apostolisch-fruchtbaren Herz-JESU-Verehrung an. Auf seine Initiative ging die Sühnekommunion an den Herz-JESU-Freitagen im Seminar zurück, angeregt von den Verheißungen an die hl. Margarete Maria Alacoque.

Als Papst Leo XIII. 1891 anlässlich des 300. Todestages des Jugendpatrons Aloisius von Gonzaga die jungen Christen aufrief, dieses Jubiläum zu begehen, geschah das unter anderem durch Unterschriftensammlungen in kunstvoll ausgeschmückten Alben, die am Grab des Heiligen in Rom niedergelegt wurden. Unter den Unterzeichnern waren auch 150.000 Kroaten, darunter der Name von Petar Barbarić. Er hielt im ganzen Jubiläumsjahr den 21. jeden Monats eine besondere Andacht zum hl. Aloisius – der 21. Juni ist sein Gedenktag! Auch die sechs sogenannten aloisianischen Sonntage hielt er, dabei besonders auch für seine Mitschüler um die Bewahrung der Reinheit und um die treue Befolgung der Hausordnung betend. Auf Anregung seines österreichischen Klassenlehrers prägte er sich einen Aloisius-Hymnus ein, den auch der GOTTselige Linzer Bischof Rudigier als Student täglich gebetet hatte:

Sancte Aloisi, flos virtutis,

Sancte princeps iuventutis,

Me clientem suscipe!

Rog, ut candor morum

Mores sequar angelorum,

Juvenis angelice!

Confer mihi vitae statum

Pro me aptum, coelo gratum,

In quo Deo serviam.

(Hl. Aloisius, Blume der Tugend, heiliger Führer der Jugend, nimm mich unter deine Hut. / Bitte, dass ich durch den Glanz der Sitten der Lebensweise der Engel folge, du engelgleicher Jüngling. / Lenk mich zu dem Lebensstand, der geeignet ist, den Himmel zu gewinnen, wo ich GOTT dann ewig diene.)

In der 3. Gymnasialklasse begann Petar für sich, Italienisch zu lernen, dann auch Französisch und Deutsch – er war für Sprachen sehr begabt und war der Auffassung, dass für das Beichthören einmal Sprachenkenntnis nützlich wäre. Als er auf ein italienisch geschriebenes Büchlein über einen jungen, heiligmäßigen Jesuiten stieß, der aus dem nahen Kroatien stammte – Paul Kolarić (1837-1862) –, übersetzte er es für seine Mitschüler. Dieses Vorbild stärkte auch Petar immer wieder auf seinem Weg.

Als Petar 19 Jahre alt war, starb seine Mutter. Einen Freund tröstete er später: „Du wirst dich noch an jenes kritische Jahr (1892/3) erinnern, in dem ich die Mutter und noch vier andere Familienmitglieder (Großmutter und drei Schwestern) verlor. Das war doch, meine ich, hart genug, zumal Schlag auf Schlag folgte und so viele Fluten der Trübsal auf einem das Herz bedrängten. Aber, glaube mir, solche Prüfungen sind nicht ohne Nutzen. Ich bin damals, GOTT sei Dank, gut durchgekommen. Den größten Trost fand ich im Gebet. Je mehr man in solchen Umständen betet, desto eher wird die Seele mit himmlischem Trost erfüllt, und dieser gewinnt dann bald die Oberhand über das Gefühl des Schmerzes und der Trauer. Doch ein ganz besonderer Vorteil, den man aus derartigen Heimsuchungen ziehen kann, besteht darin, dass man gestählt und gestärkt wird gegen die bevorstehenden Stürme, denen besonders der Priester in der Welt ausgesetzt ist...“

Petar pflegte auch eine besondere Liebe und Verehrung zur GOTTESmutter. Schon als Kind hatte er ja beim Ziegenhüten den Rosenkranz gebetet, und auch in seiner Studienzeit schätzte er dieses Gebet sehr. In seiner Heimatgemeinde gründete er eine Rosenkranzbruderschaft. Am Aloisiustag 1890 legte er das Sodalenversprechen der Marianischen Kongregation ab, und bald schon wurde er in das MC-Leitungsgremium berufen. Von 1893 bis zu seiner Erkrankung war er ein vorbildlicher und apostolisch-eifriger MC-Präfekt.

Im Zentrum seiner Frömmigkeit stand die heiligste Eucharistie; mindestens wöchentlich kommunizierte er, und oft unter Tags oder abends besuchte er kurz den HERRN im Tabernakel. Neben der GOTTESmutter verehrte Petar den hl. Josef, seinen Namenspatron Petrus und alle Heiligen dieses Namens, den hl. Franziskus von Assisi, die jugendlichen Jesuitenheiligen Aloisius, Stanislaus Kostka und besonders Johannes Berchmans u. a.

Seine Reinheit hütete er mit Sorgfalt, obgleich er wegen seines Temperaments manche Versuchungen auszustehen hatte. So spürte er, dass er - ohne alle Unlauterkeit – zu einem Kameraden in mehr sinnlicher Weise hingezogen wurde, und kämpfte und betete erfolgreich dagegen an.

Dabei war Petar, auch wenn er gern schwieg, doch sehr gesellig und zu Späßen aufgelegt. Er wirkte in der Musikkapelle mit und spielte des Öfteren Theaterrollen.

 

Erkrankung, Ordensgelübde und Heimgang

Seine Berufswahl nahm er sehr ernst, und er war tief davon durchdrungen, dass der Mensch den ihm von GOTT zugedachten Beruf erkennen und ergreifen muss, um zeitliches und ewiges Glück zu finden. Seit er ins Seminar gekommen war, stand der Priesterberuf vor ihm, und diese Berufung vertiefte sich in den Jahren.

War zunächst das Wirken eines Dorfpfarrers sein Ziel, so begann er in der 7. Gymnasialklasse, sich besonders zum Jesuitenorden hingezogen zu fühlen; während der Exerzitien in dieser Zeit legte er auch für sich schriftlich die Beweggründe nieder. In einer Beschreibung seines Lebens wird übrigens auch betont, dass er dem katholischen Schrifttum, der Presse, eine große Bedeutung zumaß und katholische Zeitschriften verbreitete.

Bei einem Ausflug der Seminaristen am 7. April 1896 gerieten sie in einen Sturm und zog Petar sich eine schlimme Verkühlung zu. Nach langen Wochen wichen Fieber und Husten immer noch nicht. Im Sommer riet ihm der Arzt, nach Hause zurückzukehren, weil er hoffte, dass die Luftveränderung zur Heilung beitragen würde. Es stellte sich heraus, dass ihn die Tuberkulose ergriffen hatte. Vertrauensvoll legte er alles in die Vaterhand GOTTES. Es begann nochmals das Schuljahr, die 8. Gymnasialklasse, doch bald wurde er vom Schulbesuch freigestellt und musste das Krankenbett hüten. Mehr und mehr musste er vom Unterricht Abstand nehmen; noch bis zwei Wochen vor seinem Tod aber schleppte er sich am Stock in die Mathematik- und Physikstunden. Er suchte seine Tagesordnung bis zuletzt, trotz Schwäche, Müdigkeit und Husten, aufrecht zu erhalten; er nahm – sitzend – an zwei (oder, wenn er kommunizierte, an drei) heiligen Messen teil, betete den Rosenkranz, den Kreuzweg und las religiöse Literatur. Man hatte ihm ein altes Harmonium in sein Zimmer gestellt, auf dem er gern zur Erholung fromme Weisen, meist Marienlieder, spielte.

Im März 1897 sagte er zu seinem Beichtvater: „Ich habe eine Novene zum hl. Franz Xaver gehalten, um die Heilung zu erbitten, und morgen beginne ich eine Novene zum Hl. Josef für einen guten Tod.“ Er war bereit für den Willen GOTTES. Am 10. April wurde ihm die Krankensalbung gespendet. In den letzten Lebenstagen empfing er täglich die heilige Kommu­nion und feierte auch bis zum Montag der Karwoche noch die heilige Messe mit, am Palmsonntag, 11. April, mit aller Kraftanstrengung während des langen Passionsevangeliums stehend. Er erkannte, dass es dem Ende zuging, und sagte: „Wie schön wäre es, Ostern schon im Himmel zu feiern!“

Sein Beichtvater wusste, dass er gern als Ordensmitglied sterben wollte, sich aber nicht traute, eine so große Gnade zu erbitten. So hatte er ihn gefragt und an den Jesuitenprovinzial geschrieben. Am 13. April kam das Telegramm mit der Sondererlaubnis. Petar dachte, dass der Gründonnerstag der passende Tag für die Gelübdeablegung wäre, doch der Beichtvater hatte Angst, dass Petar diesen Tag womöglich nicht mehr erleben werde. So legte Petar am Abend des 13. April vor Zeugen die Gelübde der Armut, der ehelosen Keuschheit und des Gehorsams ab und versprach, für den Rest seines Lebens in der Gesellschaft JESU zu bleiben. Am nächsten Tag verfielen seine Kräfte immer mehr. Als seine Mitbrüder ihn abends nochmals besuchen durften, erschraken sie über seinen Zustand. Sie beteten. Petar schaute sie schweigend, voll Liebe und Wehmut an und flüsterte: „Danke!“ Am frühen Gründonnerstag-Morgen empfing er ein letztes Mal die hl. Eucharistie, dann war er nicht mehr in der Lage, etwas zu essen und konnte kaum sprechen. Am Nachmittag gegen 14 Uhr bat er um sein Kreuz, hielt es in der Hand, küsste es und flüstere den Namen JESU. Einige Minuten später seufzte er tief auf und übergab seine Seele GOTT- nicht ganz 23 Jahre alt.

 

Nach dem Tod

Am Karsamstag, schon unter dem Klang der Osterglocken – damals wurde die Auferstehungsfeier schon am Karsamstag früh abgehalten – wurde er im Ordensgewand beigesetzt. Jahrzehnte später wurden seine sterblichen Überreste erhoben und vom Travniker Friedhof in die Krypta der Seminarkirche übertragen;  es heißt, dass nicht nur seine Gebeine, sondern auch Teile von Haut und Haaren und sein Ordens­kleid erhalten waren. Nach dem 2. Weltkrieg beschlagnahmten die Kommunisten das Seminar. 1958 wurden die Reliquien von Petar Barbarić weggebracht und waren zunächst verschollen.

Biographien Barbarićs wurden in verschiedenen Sprachen verbreitet. Eine solche kam auch durch die Hand Pater Kentenichs zu Josef Engling, der davon besonders angesprochen wurde. Auch für diesen Schönstätter, 1918 zwanzigjährig gefallen, wird der Seligsprechungsprozess geführt. Engling: „Ich erinnere mich noch ganz gut, wie das Leben von Petar Barbarić mich anregte zur Treue im Kleinen und zu fleißigem Studium und mich aneiferte, ein ganzer Sodale (Mariens) zu werden.“

Bei Renovationsarbeiten – wohl nach dem Bosnienkrieg – wurden die Gebeine wiederentdeckt und fanden 1998 ein neues Grab in der Seminarkirche St. Aloisius in Travnik.

Als der hl. Papst Johannes Paul II. im April 1997 auf seiner apostolischen Reise in Sarajevo war, erinnerte er in der Ansprache in der Vesper besonders die Seminaristen an ihn: „Lasst euch nach dem Vorbild des Dieners GOTTES Petar Barbarić von CHRISTUS faszinieren! Entdeckt wie schön es ist, Ihm euer Leben zu übergeben und den Brüdern das Evangelium des Heils zu bringen. Die Berufung ist ein Abenteuer, das ganz zu erleben sich lohnt. In einer großherzigen und beharrlichen Antwort auf den Ruf des HERRN ist das Geheimnis eines Leben vollkommen verwirklicht.“

Das Seligsprechungsverfahren wurde in der Erzdiözese Sarajevo bereits 1939 -1945 begonnen und 1998 bis 2007 ergänzt und dann in Rom weitergeführt bis zur Erklärung über die heroischen Tugenden 2015, so dass Petar nun „verehrungswürdig“ genannt werden darf.

 

 

FRÜHVOLLENDET

Maria Orsola Bussone

 

*2. Oktober 1954 in Vallo Torinese (Turin)  + 10. Juli 1970 in Ca’Savio / Cavallino-Treporti (Venedig)

 

Die Kindheit

In Vallo Torinese, einem kleinen Bergdorf nördlich von Turin, wurde Maria Orsola in einer einfachen, gläubigen Familie geboren – der Vater führte eine Autowerkstatt, die Mutter arbeitete als Schneiderin. Am 10. Oktober wurde sie getauft; 1957 bekam sie einen Bruder, Giorgio. Als Kind besuchte Maria Orsola den Kindergarten im Nachbarort Monasterolo, den Cottolengo-Schwestern leiteten – eine der Ordensgründungen des hl. Turiner Caritasapostels Don Giuseppe Cottolengo (1786-1842). Sie blieb den Schwestern in guter Erinnerung; Sr. Melchiorina sagte über sie: „Sie war wirklich gut. Sie hatte eine Art, die Sympathie weckte. In den 20 Jahren, in denen ich dort tätig war, habe ich niemand wie sie getroffen.“ Mit sieben Jahren empfing das Mädchen am 23. April 1961 die heilige Erstkommunion. Gefirmt wurde sie als Elfjährige, am 11. Juli 1965, während sie die Mittelschule im Institut „Federico Albert“ in Lanzo Torinese besuchte (benannt nach dem dort wirkenden seliggesprochenen Pfarrer Federico Albert, 1820-1876).

Danach wechselte Maria Orsola an die Oberschule in Ciriè, einer etwa zehn Kilometer entfernten Kleinstadt. Sie war eine ausgezeichnete Schülerin; in einem Aufsatzwettbewerb zum Thema „Die Europäische Union“ gewann sie als Preis eine Reise nach Brüssel, Luxemburg und Straßburg. Sie engagierte sich in den Aktivitäten ihrer Heimatpfarrei, war Mitglied der Katholischen Aktion und der Jugendgruppe „Maria Goretti“. Mit ihrer lebendigen, fröhlichen und spontanen Wesensart war sie immer bereit, Bedürftigen zu helfen. Mit großer Hingabe betrieb sie Sport – Schwimmen, Radfahren, Rollschuhlaufen und Skifahren.

 

Ein religiöser Aufbruch

1966 nahm sie an dreitägigen Exerzitien bei den Schwestern in Lanzo teil, bei denen Don Vincenzo Chiarle über die Herrlichkeit GOTTES sprach. Maria Orsola war tief bewegt von dieser Botschaft und fühlte, dass ihr Leben ein beständiges „alles tun, um GOTT zu ehren“ sein sollte. Auf Anregung des Priesters nahm sie 1967 am ersten Kongress der Pfarreibewegungen im Mariopoli-Zentrum in Rocca di Papa bei Rom teil, das die von Chiara Lubich (1920-2008) gegründete Fokolarbewegung veranstaltete. Die Spiritualität dieser Gemein­schaft be­eindruckte sie, so dass sie an einem anderen Treffen der Jugendlichen der Fokolarbewegung teilnahm, genannt „Gen“ (für „Generazione Nuova“). Sie lernte Gitarrespielen und Singen, denn sie hatte eine sehr schöne Stimme. Zusammen mit ihren Freunden in der Pfarrei-Band, die der Kaplan lei­tete, hatte, sang sie als Solistin. Sie wollte die Freude am Le­ben des Evangeliums und die Schönheit des Lebens in einer christlichen Gemeinschaft bezeugen und weitergeben.

 

Frucht der familiären Erziehung

Ihre Familie war ihr dabei Fundament und Stütze – die Glau­benspraxis mit Sonntagsmesse, Rosenkranz, eucharistischem Segen, Novenen, Prozessionen. Auf gelegentlich an die Eltern gerichteten Postkarten dankte sie ihnen für ihr beispielhaftes christliches Familienleben. Zum Muttertag 1970 etwa schrieb sie: „Ich möchte dir danken… besonders für das geistliche Leben, das du mir mitgegeben hast; dafür, dass du mich gelehrt und mir gezeigt hast, wie man GOTT liebt – GOTT, der unser Vater ist, der uns liebt, der uns trotz unserer Fehler liebt… GOTT, den du mich lieben gelehrt hast durch die Befolgung Seines Willens und durch die Nächstenliebe.“ Ähnlich schrieb sie am Vatertag 1970: „Danke dafür…, dass du mich erzogen hast, mich unterwiesen hast, aber vor allem danke, dass mich CHRISTUS kennen lehrtest und dass du mir geholfen hast, als Christ zu leben… Ich will heute den hl. Josef bitten, dass er dir hilft wie er zu sein, immer GOTT treu zu sein und Seinen Willen zu tun. Und ich werde JESUS und Maria bitten, unserer Familie zu helfen, immer mehr der Hl. Familie von Nazareth ähnlich zu werden, wo nur der HERR regierte“.

In ihrem Katechismus-Notizheft fand man einige spontane Gebete, z. B.: „Danke, JESUS, dass Du Mensch geworden bist, dass Du Dich selbst geopfert hast und am Kreuz gestorben bist, um uns zu retten und den Himmel für uns aufzuschließen. Mach, dass ich immer gut bin, lass mich Dich nicht durch meine Sünden betrüben, und ich bitte Dich, dass ich mich eines Tages Deiner Glorie erfreuen darf.“ – „Liebe Mutter (Maria), ich bin froh, dass du die Mutter JESU bist, und ich danke GOTT dafür, dass Er dich erwählt hat, die Mutter Seines SOHNES zu sein.“ Für den Marienmonat Mai hatte sie Vorsätze gefasst: „Ich versuche, kleine Opfer zu bringen und gute Taten zu verrichten, indem ich der Mutter helfe oder schlechte Gewohnheiten überwinde; jeden Abend gehe ich zum eucharistischen Segen und bete den Rosen­kranz“.

 

Verstärkte Hinwendung zu CHRISTUS

Die Vertiefung ihres Glaubens war eng verbunden mit der Spiritualität ihrer Pfarrgemeinde und mit dem Vikar Don Vincenzo Chiarle. Sie hatte sich immer mehr für die Fokolar-Bewegung begeistert, so dass sie im Sommer 1968 in einem Dankbrief an die Gründerin Chiara Lubich schrieb, sie habe erkannt, dass „der Schlüssel zum Glück im Kreuz CHRISTI“ liege und dass sie „immer lieben“ wolle, ohne etwas zu erwarten, und sich GOTT zur Verfügung stellen, wie Er es wolle. Sie wuchs in ihrem Innern immer mehr. Ihre Gedanken und geistlichen Überlegungen vertraute sie einem persönlichen Tagebuch an. Darin notierte sie auch ihr vertieftes sakramentales Leben: „Tägliche hl. Messe und Kommunion, wöchentliche Beichte, Morgen- und Abendgebet, Betrachtung, Rosenkranz, ‚Wort des Lebens‘“.

Sie schrieb auch verschiedene Briefe an Seminaristen, an Priester, an Jugendliche. Als Vorbild nahm sie Maria, die ihr ganzes Leben GOTT hingegeben hatte. Sie liebte die Freiheit, wie sie es einmal in einem Schulaufsatz zum Ausdruck brachte: „Ich bin davon fest überzeugt, dass kein Mensch das Recht hat, einem anderen die Freiheit zu nehmen. Die Freiheit ist eines der höchsten Güter. Doch muss man sich davor hüten, sie mit Zügellosigkeit zu verwechseln; das wäre Selbstversklavung durch den eigenen Egoismus.“

Die Zuwendung zum „verlassenen“ JESUS war eine weitere Stufe ihrer inneren Entwicklung. Ihre Briefe zeigen das: „Weißt du, was du tun musst, was wir zusammen tun müssen? Wir müssen GOTT wählen, nicht in Seiner Glorie, sondern in Seiner Kreuzigung.“ – „JESUS, ich bin bereit zu leiden und zu opfern für die Kirche, den Papst, den Bischof, die Pfarrei, für N. …“.

„JESUS in den anderen sehen – GOTT den anderen geben – GOTTES Willen tun“, so schrieb sie in ihr Tagebuch am 21.7.1969. Diese drei wichtigen Verpflichtungen waren ihr Lebensprogramm. Als Zukunft sah sie, wenn auch nur umrisshaft, ein ganz GOTT hingegebenes Leben. Offenbar entschied der HERR, das Opfer ihres Lebens anzunehmen, und zog sie an sich.

 

Der tragische Tod

Am 3. Juli 1970 fuhr sie als Betreuerin mit ihrem 12jährigen Bruder Giorgio und etwa vierzig anderen Kindern und Jugendlichen der Pfarrgemeinden von Vallo Torinese, Varisella und Monasterolo in ein Jugendlager in Ca‘ Savio bei Venedig. Am Abend des 10. Juli hatte sie mit der Gitarre und ihren Liedern die Zusammenkunft zum Tagesabschluss am Strand geprägt. Danach wollte sie sich, sich auf die heilige Messe vorbereitend, die Haare mit dem Föhn trocknen. Dabei erlitt sie durch das fehlerhafte Gerät einen tödlichen Stromschlag. Erste Hilfe und künstliche Beatmung waren erfolglos.

Die bekümmerten Eltern, der Pfarrer und der Vikar kamen am Morgen des 11. Juli nach Venedig. Am Montag, 13. Juli, fand in Vallo Torinese unter großer Beteiligung aus vielen Pfarrgemeinden und von zahlreichen Fokolarini die Beisetzung statt, bei aller Trauer ganz von der Auferstehungshoffnung geprägt. Die jungen Leute trugen den Sarg ihrer Freundin hoch über den Köpfen wie im Triumphzug auf den Friedhof. Am Grab sang man ihre Lieblingslieder, die von der Liebe zu JESUS und zu Maria sprachen. Ihr Grab zog in den folgenden Jahren und Jahrzehnten täglich Besucher und Beter an. Ihr „wahres Gesicht“ kam erst nach ihrem Tod richtig ans Licht. Die Mutter drückte es so aus: „Die Tiefe der Seele meiner Tochter habe ich erst nach ihrem Tod richtig verstanden. Auch warum sie jedes Opfer auf sich nahm, um täglich JESUS in der hl. Kommunion zu empfangen.“

 

Der hl. Papst Johannes Paul II. wies bei einem Pastoralbesuch in Turin am 3. September 1988 in der Begegnung mit Jugendlichen auf Maria Orsola hin: „Christsein heute bedeutet, gegen den Strom zu schwimmen. Das heißt gegen die allgemeine Ansicht von sexueller Freizügigkeit, gegen Erfolgsstreben um jeden Preis, gegen die Sucht, alles nach dem äußeren Schein zu beurteilen. Wollt ihr den Stil der Liebe CHRISTI annehmen, dann bereitet euch vor, mit Ihm und wie Er zu leiden. Ich erinnere dabei an Maria Orsola, die ihrem Seelsorger Don Vincenzo ein Geheimnis anvertraut hat: ‚Ich bin bereit, mein Leben hinzugeben, damit die Jugend versteht, wie wunderbar es ist, GOTT zu lieben.‘ Und der HERR hat die 16-jährige tatsächlich beim Wort genommen. Erst jetzt verstehen wir tiefer, wie Maria Orsola wirklich war. Nun begreifen wir das Warum ihrer Heiterkeit und ihres Lächelns.“

1996 wurde der Seligsprechungsprozess eingeleitet. Ihr Leib ruht seit 2004 in der Pfarrkirche S. Secondo Martire in Vallo Torinese. Am 18. März 2015 wurde der heroische Tugendgrad bestätigt und Maria Orsola damit zur verehrungswürdigen Dienerin GOTTES erklärt.

 

 

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