Das Porträt
FMG-INFORMATION
93, April 2008
Am 1. Adventssonntag des
letzten Jahres sprach José Kardinal Saraiva Martins, der Präfekt der
Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen, im Stadion von Salvador do
Bahia, Brasilien, im Auftrag des Hl. Vater eine Schwester der Vinzentinerinnen
selig – als Märtyrin, „ermordet aus Glaubenhass“ vor 15 Jahren, wie es in der
Mitteilung über das vom Hl. Vater am 16.12.2006 promulgierte Dekret über das
Martyrium hieß. Eine österreichische Schwester hat uns nun freundlicherweise
die Ordenszeitschrift zugesandt, in der ein Lebensbild der neuen Seligen
abgedruckt ist. Daraus und aus Internetrecherchen wird nun deutlich, dass sie
aufgrund der Verteidigung ihrer jungfräulichen Keuschheit den Tod erlitten hat:
eine Märtyrin der Reinheit.
Quellen: „Vinzentinische Nachrichten“ Nr. 103, 33. Jahrgang,
A-8600 Bruck a. d. Mur; ferner:
www.vatican.va/roman_curia/.congregations/csaints;
www.vincenziani.com/LINDALVA.htm;
www.santosdobrasil.org/?system=news&eid=294; www.santiebeati.it.http://ppt.wikipedia.org/wiki/Lindalva_Justo_de_Oliveira;
www.cnbb.org/br/documento_geral/Beatificadosem2007.doc. [Bildnachweis: Die Bilder sind aus den
„Vinzentinischen Nachrichten“ und von www. santiebeati.it entnommen.
MÄRTYRIN DER REINHEIT
*20. Oktober 1953 in Sitio Malhada da Areia (Rio
Grande do Norte, Brasilien)
+ 9. April 1993 Salvador do Bahia, Brasilien
Der Vater Lindalvas, João da Fé Justo, war Bauer in der recht armen brasilianischen Region Rio Grande do Norte. Er war verwitwet und hatte eine zweite Ehe mit Maria Lúcia de Oliveira geschlossen. Lindalva war das sechste von dreizehn Kindern dieses Ehepaares. Ihre Familie war nicht wohlhabend, aber reich im Glauben. Der Vater zog mit seiner Familie nach Açu, damit seine Kinder die Schule besuchen konnten. Nach vielen Opfern konnte er ein Haus kaufen, wo die Familie noch heute wohnt.
Am 7. Januar
1954 wurde Lindalva in Açu getauft. Sie
wuchs gläubig auf und hatte das gute Beispiel ihrer Mutter vor Augen. Der Vater
las öfter ihr und ihren Geschwistern aus der Hl. Schrift vor. Lindalva war ein
hochherziges Kind, das mit großer Selbstverständlichkeit der Mutter im Haus
half. Mit natürlicher Neigung zu den Armen verbrachte sie viel Zeit mit armen
Kindern. Es kam vor, dass sie ganz diskret eigene Kleider an sie verschenkte.
Im Alter von 12 Jahren, am 15. Dezember 1965, empfing sie die erste heilige
Kommunion. Die Grundschule besuchte sie auf dem Land, Danach ging sie nach
Natal, wo sie ihre Berufsausbildung machte. Sie lebte dort bei der Familie
ihres Bruders Djalma und half bei der Erziehung ihrer drei Neffen, die sie sehr
liebte. Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie in mehreren Tätigkeiten im Handel
und als Kassiererin einer Tankstelle und sandte Geld nach Hause zur Unterstützung
der Mutter. Sie fand auch jeden Tag nach der Arbeit noch Zeit, Menschen im
Altersheim zu besuchen. Sie las, statt fernzusehen, oft in ihrem Zimmer in der
Hl. Schrift. Wenn ihre Freundinnen und Angehörigen das Thema Heirat ansprachen,
wechselte sie das Thema und sagte, sie hätte schon drei „Söhne“ – ihre Neffen.
Als ihr Vater 1982 durch eine unheilbare
Krebserkrankung auf den Tod zuging, stand sie ihm liebevoll bei. Als er das
Ende nahen fühlte, rief er seine Kinder, die in der Umgebung lebten, zu sich.
Als alle versammelt waren, bat er um einen Priester und empfing die
Krankensalbung, danach segnete er seine Kinder, ermahnte sie, den Glauben zu
bewahren und nach GOTTES Willen zu handeln und ging am selben Tag heim.
Nach dem Tod des Vaters entschied sie sich,
den Armen zu dienen, denn sie begann, CHRISTUS in ihnen zu sehen und zu dienen,
und sie erfuhr dabei eine tiefe Freude. Sie machte einen Pflegekurs, hatte aber
auch Freude daran, Freundschaften zu schließen, Gitarre zu lernen und
kulturelle Interessen zu pflegen.
1987 empfing Lindalva das Sakrament der hl.
Firmung. Schon einige Zeit hatte sie Kontakt mit der Berufungspastoral der
Vinzentinerinnen, der „Töchter der christlichen Liebe“. Die Oberin des Klosters
in Natal, Sr. Djanira, war von der geistlichen Berufung der jungen Frau
überzeugt. Am 2. Februar 1988, dem Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes, wurde
sie in das Postulat des Ordens aufgenommen und erbaute ihre Gefährtinnen mit
ihrer Freude und ihrer natürlichen Zuneigung zu den Armen.
Sie schrieb in ihrem Gesuch: „Ich bin...
33 Jahre alt und, GOTT sei Dank, sehr gesund... Schon lange habe ich den Ruf
GOTTES vernommen, aber erst jetzt bin ich frei, darauf zu antworten und mich
Ihm im Dienst an den Armen zu weihen... Ich möchte alle Freude des Himmels
haben, ich möchte überströmen vor Freude und dem Nächsten helfen, ich
möchte unermüdlich Gutes tun.“
Zu ihrem Charakter gehörte diese liebevolle,
aber auch der Wahrheit verpflichtete Art. In einem Brief an ihren dem Alkohol
verfallenen Bruder Antonio schrieb sie: „Denk darüber nach und tu dir selbst
Gutes. Ich bete sehr viel für dich und werde das weiterhin tun, und wenn es
nötig ist, will ich Buße tun, dass du für die Sündenvergebung bereit bist.
Folge JESUS, der bis zum Tod für das Leben der Sünder kämpfte und der Sein eigenes
Leben hingab, nicht als GOTT, sondern als Mensch, für die Vergebung der Sünden.
Wir müssen zu Ihm Zuflucht nehmen; nur in Ihm ist das Leben lebenswert.“
Ein Jahr später hörte ihr Bruder auf zu trinken.
Nach dieser Probezeit des Postulats war sie
im Educandario Santa Teresa in Olinda und im Caritasheim „Unbefleckte
Empfängnis“ in Nazaré de Mata tätig. Am 16. Juli 1989 wurde sie in Recife mit
fünf Mitschwestern ins Noviziat aufgenommen und empfing dankbar das blaue Kleid
der Barmherzigen Schwestern. Die hl. Messe zelebrierte Dom Helder Camara. Nach
ihrer Einkleidung sagte sie: „Ja, jetzt bin ich eine Tochter der christlichen
Liebe.“
Im Januar 1991 wurde Schwester Lindalva in das
kommunale Altenheim Dom Pedro II. nach Salvador, Bahia, gesandt, um dort auf
der Krankenabteilung mit vierzig alten Menschen zu arbeiten. Sie war für den
Männerpavillon verantwortlich und versah diesen Dienst mit Kompetenz und
Festigkeit. Energisch und hilfsbereit strahlte die junge Schwester viel Freude aus.
Man spürte ihr an, dass sie ihre Berufung liebte und sich als Dienerin der
Armen verstand, die jeden liebevoll behandelte und keinen bevorzugte oder
benachteiligte.
Schwester Lindalva machte ihren Dienst bei den
alten Menschen zu einem Apostolat des Wortes, des Zeugnisses, des Zuhörens, des
Betens. Sie bereitete die Kranken auf ein gutes Sterben vor. Sie begeisterte
alle in ihrer Umgebung: ihre Freunde und Verwandten, die Jugendlichen der
Berufungsgruppen und vor allem die Kranken. Ihr bescheidenes, einfaches und
diskretes Auftreten strahlte Liebe und Reinheit aus.
Neben diesen Aufgaben fand sie auch Zeit, mit
Frauen der Caritasgruppen Arme in den Wohnungen zu besuchen und Spenden zu
sammeln, um deren Nöten abhelfen zu können.
Die Triebkraft in ihrem Herzen war die GOTTESliebe,
wie ein Wort von ihr bezeugt: „Wir müssen dem ärmsten Bruder mit Liebe und
ganzer Hingabe dienen, denn GOTT wohnt in Ihm und wartet auf uns.“
In die Männerstation des Altenheimes Dom Pedro II. wurde im Januar 1993 Augusto da Silva Peixoto aufgenommen, erst 46 Jahre alt, aber aufgrund einer Empfehlung hin. Er war jähzornig und stellte bald Schwester Lindalva nach, tat ihr auch seine unsittlichen Absichten kund. Die Schwester suchte, sich von ihm fernzuhalten, wo immer es möglich war. Sie vertraute ihre Angst anderen Schwestern an und nahm ihre Zuflucht zum Gebet. Glaube und Gebet hatten sie zu einer starken Persönlichkeit geformt, die bereit war, die Reinheit des Herzens und des Leibes zu verteidigen. Ihre Liebe und Fürsorge für die alten Menschen aber blieb ungetrübt; dies war es auch, was sie im Altenheim bleiben ließ, wie sie einer Schwester anvertraute: „Ich vergieße lieber mein Blut, als diesen Platz zu verlassen.“
Am 30. März wurden die Nachstellungen Augustos so zudringlich und beängstigend, dass die Schwester bei einem Beamten des Gesundheitsdienstes Hilfe suchte. Obgleich er versprach, sein Verhalten zu ändern, nährte er in seinem Herzen Hass und Rache und plante Schlimmes.
Am 9. April 1993, dem Karfreitag, nahm Schwester Lindalva schon morgens um 4.30 Uhr mit ihren Mitschwestern in der Pfarrei „Boa Viagem“ am Kreuzweg teil, kehrte dann rasch zu ihrer Krankenstation zurück, um gegen sieben Uhr den betagten Leuten das Frühstück zu bereiten. Als sie in der Krankenabteilung an einem Tisch Kaffee ausgab, spürte sie eine Berührung an der Schulter. Sie wandte sich um und blickte in das wutentbrannte Gesicht dieses Mannes, der ein Messer in der Hand trug und ihr sogleich einen Stich in den Hals versetzte, der ihre Schlagader traf. Trotz ihrer abwehrenden Bewegung stach er weiter auf sie ein. Sie rief mehrmals: „GOTT schütze mich!“ und sank zu Boden. Die gerichtsmedizinische Autopsie stellte später neununddreißig tiefe und fünf kleine Stiche fest.
Ein alter Mann, der im Moment des Anschlags in der Nähe war, flehte den Mörder an, von der Schwester zu lassen. Der entgegnete ihm: „Geh weg, sonst tu ich dir das Gleiche an.“
Anderen, die hinzukamen, sagte er: „Ich hätte es schon früher tun sollen.“ Eine Mitschwester, die auf einer anderen Station das Frühstück servierte, eilte auf den Schrei herbei. Sie hatte den Mut, den Arm des Mörders zu packen, konnte aber nichts ausrichten, weil sie in Gefahr war, selber mit dem Messer angegriffen zu werden. Gerade in diesem Augenblick tat Schwester Lindalva ihren letzten Atemzug.
Der Mörder bedrohte auch die alten Leute
der Station, wenn sie ihm nahekämen, und wiederholte mehrmals: „Ich bin froh
über meine Tat!“ Und als eine weitere Schwester nichts ahnend hinzukam und
erschreckt ausrief: „Mein GOTT, wer konnte so etwas tun?“, drohte der
Mörder wieder allen, die in seine Nähe kämen, dasselbe anzutun. Dann wurde er
ruhig, setzte sich auf eine Bank, wischte das Messer an seiner Hose ab, stieß
es in den Tisch und rief: „Sie wollte mich nicht!“ Zum einem Arzt
gewandt, der gerade hinzukam, sagte er: „Sie können die Polizei rufen, ich
werde nicht weglaufen. Ich habe getan, was getan werden musste.“
Die Polizei traf einige Minuten später ein und nahm den Mörder fest. Er erklärte auch vor den staatlichen und kirchlichen Gerichten, er habe sie getötet, weil sie sich ihm verweigert hatte.
So starb Schwester Lindalva an diesem Karfreitag 1993 nach dem Kreuzweggebet auf der Krankenabteilung ihres Altenheims, in Vereinigung mit dem Opfer CHRISTI.
Der Leichnam wurde dann in das rechtsmedizinische Institut gebracht. Gegen Abend brachte man den Sarg in die Kapelle dell’Abrigo, wo die jährliche Karfreitagsprozession vorbeizog. Tausende von Menschen aus allen Teilen der Stadt kamen noch in der Nacht zum Sarg. Am Morgen des Karsamstags hielt dann Kardinal Lucas Moreira Neves OP, Primas von Brasilien, das Begräbnis für die 39-jährige Schwester. Bei der hl. Messe am Weißen Sonntag sagte er: „Ein paar Jahre genügen für Schwester Lindalva, um ihr Ordensleben mit dem Martyrium zu krönen“.
Am 2. Dezember 2007 wurde Schwester Lindalva – deren Reliquien in der Kapelle des Altenheimes Dom Pedro II. ruhen (Av. Luiz Tarquinio, 20 – Boa Viagem, Salvador, BA) dann von Kardinal Saraiva Martins im Beisein ihrer Mutter und Tausender von Gläubigen im Stadion von Salvador seliggesprochen. Er nannte sie „eine Märtyrin unserer Tage, ein Vorbild vor allem für die Jugend, durch ihr Zeugnis der Einfachheit, der Reinheit, der Lebensfreude und der Hingabe an CHRISTUS“. Er zitierte die Selige, die einmal auf die Frage nach ihrer Fröhlichkeit geantwortet hatte: „Das Herz gehört mir und kann leiden, das Gesicht gehört den anderen und soll lächeln.“ Als Gedenktag der Seligen wurde ihr Tauftag (7. Januar) festgesetzt, da der Todestag häufig in die Fastenzeit bzw. Ostertage fallen würde.