Was unterscheidet
die christliche Sexualerziehung?
(FMG-INFORMATION
94- Juli 2008)
In der FMG-INFORMATION 14 von 1981 hatten
wir versucht, knapp die Meinungen zur Sexualerziehung zu analysieren und der
Lehre der katholischen Kirche gegenüberzustellen. Wir geben diesen Text von
damals wieder (nur in den Anmerkungen ein wenig aktualisiert), weil er auch
heute noch helfen kann, das Unterscheidende herauszustellen.
Allerdings ist die Entwicklung in diesen
bald drei Jahrzehnten Jahren fortgeschritten - die Praxis der schulischen
Sexual„erziehung“ hat sich mit der sogenannten Aids-Vorsorge noch verschärft,
das Empfinden für sittliche Grenzen ist weiter geschwunden (man denke nur
daran, dass die Kondom-Werbung seit etlichen Jahren immer wieder von
Plakatwänden usw. herunterplatzt). Ferner hat sich mit der aggressiven
Homosexuellen-Lobby und den gesetzlichen Festlegungen gegen sogenannte
Diskriminierung wegen sexueller Orientierung usw. die „Schwulen- und
Lesben-Propaganda“ in den Schulen wesentlich vermehrt (siehe auch die
ideologischen Spektakel von „Christopher-Street-Day“ und dergleichen).
Und nicht zuletzt sind auch im politischen
Raum die Vorstöße zur sexuellen Liberalisierung auch für Kinder erfolgreich
vorangetrieben worden, wenn international als sogenannte „Kinderrechte“
eingefordert werden, den Heranwachsenden den Zugang zu unbeschränkter
Sexualfreiheit, Empfängnisverhütung und Abtreibung einzuräumen, während den
Eltern jede Einflussnahme darauf verweigert wird, ja sie zu virtuellen Feinden
der Kinder erklärt werden. Ferner sind mit der Zeit auch kirchliche
Organisationen wie „Sozialdienst katholischer Frauen“ oder „Caritas“ in
vermeintlich sinnvoller Vorbeugung vor Abtreibung in Schulen tätig geworden,
nicht selten kaum unterschieden von „pro familia“ oder „Donum vitae“ mit
Verhütungsinformationen, Kondom-Üben am männlichen Geschlechtsteil usw. Und
manches mehr.
Diese
Entwicklungen, die – rein innerweltlich gedacht – unaufhaltsam fortzuschreiten
scheinen, sind zu ergänzen, ebenso wie neuere Dokumente des kirchlichen
Lehramtes zu beachten sind wie das Apostolische Schreiben „Familiaris
consortio“ von 1981, die „Charta der Familienrechte“ von 1983 und das Dokument
des „Päpstlichen Rates für die Familie“ von 1995.
Die Einstellungen zur sogenannten
Sexualerziehung (SE) – schulisch und außerschulisch – sind vielfältig. Wir
wollen vier Standpunkte herausstellen:
1. Die emanzipatorische „Sexualerziehung“
Sie sagt: Die Tabuisierung der Sexualität sei
ein Mittel der Unterdrückung durch die Herrschenden (Staat, Kirche) gewesen und
habe Angst und Schuldgefühle hervorgerufen. „Dem unverheirateten
Jugendlichen wird in der Regel nicht erlaubt, seine Sexualtriebe in einer von
der Gesellschaft geduldeten Art und Weise zu befriedigen“ (H. Giese).
Notwendig sei daher eine „Sexualerziehung“, die den Jugendlichen zu einer
repressionsfreien (nicht von Verboten eingeengten) Ausübung seiner sexuellen
Wünsche befähige. Der „Unfall“ einer ungewollten Schwangerschaft könne verhütet
oder gegebenenfalls durch Abtreibung aus der Welt geschafft werden. Das
Schamgefühl sei nur anerzogen und müsse beseitigt werden.
Das ist der Standpunkt von Sexualpädagogen
der marxistischen Schule. Weniger klassenkämpferisch-politisch, aber in den
Auswirkungen nahezu gleich ist die rein hedonistische Sicht, die einfach das
Recht auf die ungehinderte scham-lose Ausübung der Lust will.
2. Die Sexualtät
verherrlichende „Sexualerziehung“
Infiziert von dieser emanzipatorischen
„Sexualerziehung“ hat sich im kirchlichen Raum eine Ideologie breit gemacht,
die von „neuen Erkenntnissen“ über das „sexuelle Wesen“ Mensch berichtet und
die Lehre der Kirche „hinterfragt“: „Aus der offiziellen kirchlichen
Sexualpädagogik sprechen Jahrhunderte katholischer Leibfeindlichkeit“[1]. Mit
Berufung auf die Hl. Schrift wird der „Leib neu entdeckt“[2],
mit Hinweis auf das Liebesgebot wird ein „neuer Zugang zur Zärtlichkeit“[3]
gefordert. Absolute Normen hinsichtlich des geschlechtlichen Verhaltens leugnet
man; alles sei dem persönlichen Gewissen überlassen, wichtig sei nur, dass
nichts „gegen die Liebe“ geschehe.
Dagegenstehende kirchliche Aussagen werden
nicht beachtet, ja totgeschwiegen. „‚Die’ kirchliche Lehrmeinung gibt es
nämlich gar nicht“[4].
Dokumente, die dem eigenen Standpunkt dienlich sind, werden jedoch häufig
angeführt (z. B. Würzburger Synode, Hirtenbrief von 1973[5]).
3. Die
Sexualerziehung des Kompromisses
Hier treffen sich
verschiedene Ansichten. Häufig wird der pragmatische Standpunkt vertreten:
„Sexualerziehung“ in den Schulen sei nun einmal da, man könne diesen Bereich nicht
aus der Erziehung herausnehmen[6];
die biologischen Darlegungen über Geschlechtsorgane, Zeugung, Empfängnis,
Verhütung und Geburt, über „Vorstufen“ und perverse Formen der Sexualität usw.
seien selbstverständlich. Wichtig sei nur, dass nicht indoktriniert (d. h. eine
bestimmte Meinung eingetrichtert), dass kein bloßes Faktenwissen gelehrt
werden, sondern dass die SchulSE „christlichen Wertvorstellungen“ „Rechnung
trage“[7]. In
diesem Sinn wurden gesetzliche Regelungen der SE befürwortet.
Man tritt für „fächerübergreifende
Sexualerziehung“ ein, um eine Überbetonung dieses Themas zu vermeiden, oder man
setzt sich für ein SE-Fach oder SE-Sonderveranstaltungen ein (was dem
Elternrecht damals zwar entgegenkam, sofern diese Veranstaltungen freiwillig
waren, was aber das Kind oft in unzumutbare Spannungen und Diskriminierungen
bringt).
Vielfach wird auch die
Meinung vertreten, angesichts unserer sexualisierten Öffentlichkeit könne eine
Hilfe für die Kinder und Jugendlichen nur in einer „vorbeugenden“ breiten sexuellen
Aufklärung bestehen.
Der entscheidende
Punkt bei dieser Kompromiss-Haltung zur „Sexualerziehung“ ist, dass man die
stimulierende Wirkung des sexuellen „Faktenwissens“ nicht sieht und glaubt,
diese SE, mit einem christlichen Werte-Mäntelchen behängt, würde schon richtig
laufen.
4. Die christliche Sexualerziehung
Der Standpunkt der
eindeutigen Lehre der katholischen Kirche, vorgelegt vor allem durch das
oberste kirchliche Lehramt, widerspricht der offen verführerischen und die
Sünde leugnenden oder verniedlichenden Sicht der geschlechtlichen Aufklärung.
Und er widerspricht der Ansicht, die heutige „Sexualerziehung“ sei notwendig,
nur müssen sie „christlich“ garniert und gegen „Übertreibungen“ abgegrenzt
sein. Die Lehre der Kirche über eine „christliche Sexualerziehung“ lautet
anders.
Der FREUNDESKREIS
MARIA GORETTI e. V. vertritt diesen kirchlichen Standpunkt, der sich so
zusammenfassen lässt:
Die Kinder und
Jugendlichen müssen durch eine ganzheitliche Erziehung zu einer seelischen ,
affektiven und sittlichen Reife geführt werden, die der GÖTTlichen
Schöpfungsordnung, dem Geist JESU CHRISTI und darum auch der Würde des Menschen
entspricht[8].
Jede Sexualerziehung, die zu unnötiger
Beschäftigung mit sexuellen Dingen führt und nicht Erziehung zu Schamhaftigkeit,
Keuschheit und Selbstbeherrschung ist, ist sexuelle Bedarfsweckung und
Stimulierung (Verlockung). Eine solche „Sexualerziehung“ ist Anleitung oder
Hinführung zu sündhaftem Tun und deshalb abzulehnen.
Sind „wissende Kinder“ geschützte
Kinder?
Bei vielen, die nicht eine verführerische
„Sexualerziehung“, sondern eine wirkliche Hilfe für die Jugendlichen wollen,
steht heute die Sexualaufklärung („wertorientierte biologische
Wissensvermittlung“) im Vordergrund. „Wissende Kinder sind geschützte Kinder“,
heißt ein Schlagwort[9],
das inmitten der sexuellen Enttabuisierung unserer Gesellschaft noch
zutreffender geworden zu sein scheint. In Wirklichkeit ist dies eine Verengung
des Problems, eine völlig falsche Akzentsetzung, die in einen Irrweg führt.
Sonst müsste ja heute, angesichts der
diesbezüglichen Wissensflut besonders der letzten vierzig Jahre eine bedeutende
sittliche Verbesserung eingetreten sein. Und dies wird wohl niemand behaupten
wollen.
Was wirklich schützt?
Obzwar der erbsündliche Mensch von CHRISTUS
erlöst wurde, blieben der menschlichen Natur die Folgen der Erbsünde, besonders
die Schwäche des Willens und eine Unordnung der Triebe. Deshalb ist es
beständige Aufgabe des Menschen, seine ungeordneten Neigungen zu verbessern,
die guten zu fördern und zu ordnen, und Gelegenheiten, die zur Sünde führen
können, nach Möglichkeit zu meiden.
Damit dies gelingen kann, ist es nötig, sich
in die Glaubenswahrheiten zu vertiefen und durch die Gnadenmittel die
Willenskraft zu stärken[10].
Papst Pius XI. betonte in seiner
Erziehungsenzyklika „Divini illius magistri“ diese große Bedeutung der
Willensstärkung: „Besonders bei den jungen Menschen entstehen die bösen
Handlungen nicht so sehr aus der intellektuellen Unwissenheit als aus der
Schwäche eines Willens, der gefährlichen Gelegenheiten ausgesetzt und nicht von
den Hilfsmitteln der Gnade unterstützt wird“[11].
Und Papst Pius XII. erklärt:
„Wir spielen hier an auf die geschlechtliche
Aufklärung, die nichts verschweigen und nichts im Dunkeln lassen will. Liegt
denn darin nicht eine schädliche Übertreibung des Wertes des Wissens auf diesem
Gebiet?“[12]
Der FREUNDESKREIS MARIA GORETTI e. V. tritt
daher seit Bestehen ein für eine Sexualerziehung[13],
die eine wirkliche Hilfe für die Heranwachsenden ist, ihre geschlechtliche Kraft
der Würde und Heilsberufung des Menschen entsprechend zu ordnen.
Wie die Kirche lehrt,
muss dabei der Schwerpunkt auf der prägenden Kraft der Keuschheit liegen, die
ein Wesensmerkmal des „neuen Menschen“ in CHRISTUS ist.
Der Förderung und Bewahrung der Keuschheit
dienen[14]
die
„natürlichen Mittel“ (Wahrung des Schamgefühls, Maß im Genuss, gesunde
Ablenkungen, Meiden der Gelegenheiten zur Sünde, Zucht der Sinne) und die
Gnadenmittel (Gebet, Sakramentenempfang, Verehrung Mariens und der Heiligen)
zusammen mit der bereits genannten Stärkung der Willenskraft.
Sind biologische Informationen nötig?
Biologische Informationen haben, wenn es um
das Triebleben des Menschen geht, nicht die gleiche Qualität wie biologische
Informationen über ein Pflanzenblatt oder über das menschliche Herz. Besonders
sexuelle Wissensvermittlung berührt tief das Persönlichste jedes Menschen und
wirkt auf den erbsündlich belasteten Menschen aufreizend.
Je weniger allgemein und umschreibend, je
mehr in die Einzelheiten gehend und ausmalend diese sexuellen biologischen
Informationen sind, umso größer wird die Gefahr der Verlockung und
Stimulierung.
Eine gleichzeitig gegebene Wertvermittlung
(entsprechend der christlichen Ethik) kann diese innewohnende Verlockung nur
zum geringen Teil ausgleichen. Wertvermittlung spricht die Vernunft des
Menschen an, die Sexualinformation jedoch unmittelbar die Triebkräfte.
Daher ist die „Wissensvermittlung“ auf das
„Notwendige“ in möglichst abstrakter, wenig stimulierender Form zu beschränken.
Dieses „Nötige“ wird für den Arzt einen wesentlich größeren Bereich umfassen
(es kommt auch eine Standesgnade hinzu!) als für einen jungen Menschen, der vor
der Eheschließung steht, und wiederum enger wird der Bereich des „Nötigen“ sein
für Jugendliche.
Papst Pius XI. rät in „Divini illius
magistri“ zu großer Vorsicht und Behutsamkeit (Berücksichtigung aller Umstände,
individuelle Belehrung, passende Gelegenheit, Hinweis auf Standesgnade der
Erzieher). Er hebt hervor, dass man nicht auf Einzelheiten eingehen soll, ja
sagt sogar, während des Kindesalter genüge es, die natürlichen und
übernatürlichen Heilmittel der Keuschheitserziehung anzuwenden.[15]
Als Motiv dieser Vorsicht nennt der Papst die
Gefahr, dass – anstatt die sexuelle Begierde zu ordnen – diese erst geweckt und
vermehrt werde[16].
Papst Johannes Paul
II. unterstrich diese Warnung und forderte als Voraussetzung für biologisches
Wissen eine geistig-personale Reife (die im Schulkind sicher noch nicht
vorliegt):
„Die rein biologische Kenntnis der mit dem
Mann- und Frausein der menschlichen Person in Zusammenhang stehenden
organischen Funktionen des Leibes vermag nur dann... hilfreich zu sein, wenn
sie mit einer entsprechenden geistigen Reife der menschlichen Person einhergeht.
Ohne das kann dieses Wissen geradezu gegenteilige Auswirkungen haben, und das
bestätigen vielfache Erfahrungen unserer Zeit.“[17]
Schon das bisher Gesagte verbietet eine
sexuelle Aufklärung in der Schule und Gruppe. Dies betont Papst Pius XI. auch
ganz ausdrücklich, indem er diese „Sexualerziehung“ „unterschiedslos für alle“
und „sogar in der Öffentlichkeit“ einen schlimmen, gefährlichen Irrtum nennt[18].
Damit wird die „Sexualerziehung“ in der
Schule abgelehnt,
weil die unterschiedliche Reife der Kinder
und ihre individuelle Erziehung nicht berücksichtigt werden können,
weil Schamgefühl und Intimsphäre des Kindes
und des Lehrers in der Öffentlichkeit einer Klasse (dazu meist Buben und
Mädchen zusammen) geschädigt oder zerstört werden.
Es gibt eine Tendenz, die die Scham
verächtlich macht, indem sie behauptet, durch die Scham würden die
geschlechtlichen Dinge böse, schlecht und hässlich erklärt[19].
Dagegen ist festzuhalten: Die Schamhaftigkeit muss unterschieden werden vom
Gefühl des Sich-Schämens wegen hässlicher Dinge oder begangener Fehler. Sie ist
eine „heilige Scheu“.
„Jede Enthüllung der Sexualität ist die Offenbarung von etwas Intimem und
Persönlichem, ja die Einweihung eines anderen in unser eigenstes Geheimnis.“[20]
Das Schamgefühl ist also etwas Positives, es „hat die
Wächteraufgabe über die Keuschheit“
[21].
Für SE im authentisch christlichen
Verständnis gilt also:
Das Hauptgewicht liegt
auf einer ganzheitlichen „Erziehung zur Keuschheit“, die vom Kleinkind an die
Erziehung zur GOTTESliebe, zum Gebet, zur Achtung vor dem Gebot GOTTES, zum
Sakramentenempfang, zur Pflege des natürlichen Schamgefühls, zur
Willensformung, zur Opferbereitschaft und Selbstbeherrschung sein muss.
Dies geschieht in der vorgelebten Haltung der
Eltern und Erzieher („Hauskirche“, bewusste Verankerung des Lebens im Glauben,
Schamhaftigkeit in der Familie, in der Kleidung, in der Vorsicht bezüglich
Fernsehen, Illustrierte, Zeitschriften, Video, Internet usw.). Dies geschieht
in der Anleitung zum Verzicht z. B. auf Süßigkeiten, auf Vergnügungen etc.
Dies geschieht – und zwar Tag für Tag, in
vielen kleinen Einzelschritten, gar nicht immer bewusst und betont – in der
religiösen Formung des Kindes, in der Hinführung zum Gebet auch in
Schwierigkeiten und Versuchungen, zum Bußsakrament, zur Marien- und
Heiligenverehrung. Dabei wirken die vorgelebte und im Kind geweckte
Gesamthaltung und begründende, erklärende, anspornende Worte zusammen.
Das Kind muss aus dem Verhalten der Eltern
auch die Ehrfurcht vor dem Geheimnis der Entstehung neuen Lebens spüren und in
einer Haltung des Vertrauens zu den Eltern aufwachsen. (Übrigens wäre es falsch
zu meinen, durch sexuelle Aufklärung könne man sich das Vertrauen des Kindes
sichern.)
Die Eltern sollen sich
von der heute propagierten Aufklärungsmanie nicht beeinträchtigen lassen in der
Überzeugung, dass der Nachdruck der Sexualerziehung auf Selbstbeherrschung und
religiöse Praxis zu legen ist[22],
weil die Natur selber im Kind die nötige
Einsicht in die Zusammenhänge im Wesentlichen nach und nach reifen lässt. Die
Erziehung zur Reinheit muss aber dieses innere Reifen begleiten und veredeln.
Das Beispiel der Hl. Schrift, die die Kinder
ja schon im GOTTESdienst aufnehmen, zeigt die rechte Art des Sprechens an, wenn
sie von geschlechtlichen Vorgängen im Zusammenhang der Heilsgeschichte in
schamhafter und doch natürlicher Selbstverständlichkeit spricht.[23]
Nicht festgesetzte „Stunden der Aufklärung“
sind hilfreich, sondern aus Alltäglichkeiten kann durch Verhalten und knappes
weisendes Wort die sittliche Reife und die Einsicht des Kindes in die
Zusammenhänge organisch wachsen.[24]
Was hier an Lehraussagen in der Theorie
zusammengetragen wurde, sollen Beispiele aus der erfolgreichen
Erziehertätigkeit des hl. Don Bosco im Anhang verdeutlichen: eine
christliche Sexualerziehung, die ganz wesentlich auf Erziehung zur Reinheit und
Willensstärkung ausgerichtet ist.
Viele der zitierten Aussagen von Papst Pius
XI. stammen aus dem Jahr 1929[25];
der hl. Don Bosco hat im vorletzten Jahrhundert gelebt. Besteht nicht der
Einwand zu Recht, dass durch „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ der
Anthropologie und der Theologie diese Aussagen zeitgebunden, überholt, veraltet
sind? Wird nicht allerorten behauptet, die moralischen Normen hätten keine
absolute Gültigkeit, sondern seien von der jeweiligen kulturellen und
gesellschaftlichen Situation abhängig?[26]
(Übrigens werden unsere jungen Menschen heute
vielfach, selbst mitunter in einem verkehrten Religionsunterricht,
indoktriniert, dass sich jeder seine moralischen Normen selber suchen und
entwickeln müsse.[27])
Die Vatikanische „Kongregation für die
Glaubenslehre“ veröffentlichte im Januar 1976 die Erklärung „Persona humana“
„zu einigen Fragen der Sexualethik“, die von Papst Paul VI. gebilligt wurde und
deren Veröffentlichung er angeordnet hat. Sie setzt sich auch mit dem Einwand
der Zeitbedingtheit der Normen auseinander:
Die Kirche bewahrt unter dem Beistand des HL.
GEISTES ununterbrochen und übermittelt ohne Irrtum die Wahrheiten der
sittlichen Ordnung und interpretiert authentisch nicht nur das geoffenbarte
positive Gesetz, sondern auch die Prinzipien der sittlichen Ordnung, die aus
dem Wesen des Menschen hervorgehen und die volle Entfaltung und die Heiligung
des Menschen betreffen...“[29]
„Es gibt [auch im Bereich der Sexualethik]
Prinzipien und Normen, die die Kirche ohne Zögern stets als einen Bestandteil
ihrer Lehre übermittelt hat, wie sehr auch die Meinungen und Sitten in der Welt
zu ihnen im Gegensatz gestanden haben mögen. Diese Prinzipien und Normen haben
ihren Ursprung keineswegs in einer bestimmten Kulturform, sondern in der
Erkenntnis des Gesetzes GOTTES und der menschlichen Natur. Deshalb können sie
auch nicht unter dem Vorwand einer neuen kulturellen Situation als überholt
angesehen oder in Zweifel gezogen werden.“[30]
„Persona humana“ befasst sich dann vor allem
mit schwerwiegenden, schon vor über drei Jahrzehnten propagierten Irrtümern
hinsichtlich vorehelichem Verkehr, Homosexualität und Masturbation
(Selbstbefriedigung) und betont ausdrücklich, dass es sich hierbei objektiv um
schwere Sünde handelt[31].
Weiter heißt es:
„Die Tugend der Keuschheit beschränkt sich
aber nicht nur auf die Vermeidung der erwähnten Verfehlungen. Sie verlangt
vielmehr, auch aufzublicken zu den hohen Zielen, die es zu erreichen gilt. Sie
ist eine Tugend, die die ganze Persönlichkeit in ihrem inneren und äußeren
Verhalten prägt.“[32]
Die Erziehungsmethode der Kirche und der Heiligen
hinsichtlich der Pflege der Keuschheit wird dann zusammengefasst[33]:
„Die Gläubigen müssen auch in unserer Zeit,
ja heute noch mehr als früher, zu den Mitteln greifen, welche die Kirche schon
immer empfohlen hat, um ein keusches Leben zu führen:
Zucht der Sinne und des Geistes,
Wachsamkeit und Klugheit, um die
Gelegenheiten zur Sünde zu meiden,
Wahrung des Schamgefühls,
Maß im Genuss,
gesunde Ablenkungen,
eifriges Gebet
und häufiger Empfang der Sakramente der
Buße und der Eucharistie.
Besonders die Jugend soll die Verehrung der
unbefleckt empfangenen GOTTESmutter eifrig pflegen
und sich ein Beispiel nehmen am Leben der
Heiligen und anderer, besonders junger Glaubensbrüder, die sich durch keusche
Reinheit ausgezeichnet haben.
Vor allem sollen alle die Tugend der
Keuschheit und ihren strahlenden Glanz hochschätzen. Sie erhöht die Würde des
Menschen und macht ihn fähig zu wahrer, hochherziger, selbstloser Liebe, die
den anderen achtet.“
[1] BDKJ-Funktionärin
Barbara Engl
[2] Roman Bleistein SJ, „Junge Zeit“ 11/81
[3] G. Riederer, „Neue Gespräche“, hrsg. von der
AG für kath. Familienbildung, Bonn, Sept./Okt. 1981, S. 11
[4] M. Frauenrath, „Junge Zeit“ 11/81
[5] G. Riederer,
a.a.O. S. 8f zitierte Ausführungen der Synode der bundesdeutschen Bistümer,
Würzburg, über „Vorraum der vollen sexuellen Gemeinschaft“ und über
„Stufenleiter der Zärtlichkeiten“; M. Frauenrath schrieb in der kath.
Jugendzeitschrift „Junge Zeit“ S. 9:
11/81, S.9: „Von dieser Verbotsmoral (cf. dass der Bereich der Sexualität
ausschließlich der Ehe vorbehalten sei) ist im Synoden-Arbeitspapier der
Deutschen Bischöfe (1973) nichts zu spüren.“ Bischof Moser, Rottenburg,
nannte in einem Interview der „Jungen Zeit“ 11/1981 S. 11 an kirchlichen
Stellungnahmen lediglich den „Hirtenbrief der deutschen Bischöfe zu Fragen der
menschlichen Geschlechtlichkeit“ (von 1973) und die „Erklärung zur
Sexualerziehung in Elternhaus und Schule“ von 1979.
[6] Vgl. „Erklärung
der deutschen Bischöfe zur Sexualerziehung in Elternhaus und Schule“ von 1979.
[7] a.a.O.
[8] vgl. Erklärung der
Vatikanischen Glaubenskongregation zu einigen Fragen der Sexualethik „Persona
humana“ von 1975, Nr. 13.
[9] Oder neuerdings: „Nur
was ich schätze, kann ich schützen“ als Schlagwort der MFM-Projekte, vgl.
auf Seite 7.
[10] Vgl. die
Erziehungsenzyklika „Divini illius magistri“ von Papst Pius XI., Nr. 58
[11] „Divini illius magistri“, Nr. 65
In
Erinnerung gerufen sei wieder die vollständige Aussage Pius’ XI.: „Eine weitere sehr ernste Gefahr ist der Naturalismus, der heute in
den Bereich der Erziehung eindringt, und zwar in die überaus sensiblen Fragen
der moralischen Reinheit. Sehr weit verbreitet ist der Irrtum derer, die mit
gefährlicher Dreistigkeit und abstoßender Terminologie eine sogenannte
Sexualerziehung propagieren. Dabei haben sie die falsche Vorstellung, sie
könnten junge Menschen gegen die Gefährdungen der Sinnlichkeit durch rein
natürliche Mittel schützen - wie durch eine verwegene vorbeugende sexuelle
Aufklärung: unterschiedslos für alle, sogar in der Öffentlichkeit. Ja,
schlimmer noch: indem sie die jungen Menschen im frühen Alter den Gelegenheiten
aussetzen, um sie – wie sie sagen – durch Gewöhnung gegen solche Gefahren
abzuhärten.
Diese Personen erliegen
einem schlimmen Irrtum, weil sie sich weigern, die angeborene Schwäche der menschlichen
Natur anzuerkennen... Sie ignorieren die Erfahrungstatsachen, die beweisen,
dass besonders bei den jungen Menschen die bösen Handlungen nicht so sehr aus
der intellektuellen Unwissenheit entstehen als aus der Schwäche eines Willens,
der gefährlichen Gelegenheiten ausgesetzt und nicht von den Hilfsmitteln der
Gnade unterstützt wird.
Wenn auf diesem überaus sensiblen Gebiet –
nachdem alle Umstände in Betracht gezogen sind – eine individuelle
Unterweisung als notwendig und angebracht erscheint, und zwar von Seiten derer,
denen GOTT mit der Erziehungsaufgabe auch die besondere Standesgnade gegeben
hat, dann muss das mit aller Vorsicht geschehen. Solche Zurückhaltung ist in
der traditionellen christlichen Erziehung sehr wohl bekannt und wurde von
Kardinal Silvio Antoniano (in seinem Werk „Über die christliche
Kindererziehung“) angemessen beschrieben. Er sagte: ‚Unsere Armseligkeit und
unsere Neigung zur Sünde ist derart, dass wir oft gerade in den Dingen, die uns
Heilmittel gegen die Sünde sein sollten, Gelegenheit und Anreiz zur Sünde
finden. Deshalb ist es überaus wichtig, dass ein guter Vater, wenn er mit
seinem Sohn eine so sensible Sache bespricht, sehr auf der Hut ist und weder
auf Einzelheiten eingeht noch all die verschiedenen Weisen erwähnt, in denen
der Versucher, die höllische Schlange, einen so großen Teil der Welt
vergiftet. Sonst könnte es geschehen, dass er, anstatt dieses Feuer zu löschen,
es unbeabsichtigt im einfachen und zarten Herzen des Kindes entzündet oder
schürt. Allgemein kann man sagen: Während der Periode der Kindheit genügt es,
die Heilmittel anzuwenden, die zweifach wirken, nämlich der Keuschheit den Weg
bereiten und der Untugend das Tor verschließen’.“ (DIM 64-67)
[12] Ansprache vom
15.4.1953
[13] Vgl. Bischof Roman
Danylak, Vortrag New York 1999: „Es ist wichtig..., zwischen SchulSE und der
öffentlichen Unterweisung in Sexualmoral zu unterscheiden.
Schulsexual‚erziehung’ ... stellt Kinder in die unmittelbare Gelegenheit zur
Sünde und ist vom Lehramt der Kirche verboten. Öffentliche Unterweisung über
die Sexualmoral – das heißt der Unterricht über den Glauben und die Gebote als
Gesetz des moralischen Lebens - ist andererseits nicht nur erlaubt, sondern
schon immer hat das kirchliche Lehramt von den Schulen [bzw. vom kath. Religionsunterricht]
erwartet, dass sie dies der Jugend bieten.“ (Siehe FMG-Sonderdruck „Es
gibt keine Schulsexual‚‚erziehung’ ohne Verletzung des Schamgefühls der Kinder“
oder www. freundeskreis-maria-goretti.de/fmg/menu3/text237. html)
7 Vgl. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zu einigen
Fragen der Sexualethik „Persona humana“ vom 29.12.1975, Nr. 12
[15] Vgl. Bischof Roman
Danylak a. a. O.: „Öffentlicher Unterricht in Sexualmoral geht nicht ins
Detail, liefert keine deutlichen Informationen und geht auf sexuelle Dinge
nicht näher ein, sondern gibt angemessene Unterweisung, wobei abstrakte Normen
und Definitionen benutzt werden.“
[16] Vgl. „Divini illius magistri“ Nr. 66, 67. Der große Pädagoge F. W. Foerster
sagte: „Es gibt eine Sexualpädagogik, die die Naturtriebe durch Aufklärung
beschwören zu können wähnt und nicht sieht, dass die sinnliche Neugierde sich
aus der Aufklärung dreimal mehr Zündstoff holt, als die moralische Rede
[=Mahnung zur Keuschheit]) löschen kann.“
[17] 8. April 1981
[18] Vgl. „Divini illius
magisteri“ Nr. 64
[19] Vgl. M. Fromme,
„Neue Wege der geschlechtlichen Erziehung“, Vortrag für Leiter kath. öffentl.
Büchereien des Erzbistums Köln, in „Unsere Sammlung“ 4/1969: „Man denke z.
B. nur an die Schamerziehung. Die Kinder... wurden förmlich darauf dressiert,
die Geschlechtszonen ihres Körpers als etwas Böses zu betrachten, das man weder
anschaut, noch zeigt, noch berührt, und worüber man auch nicht spricht.“
[20] Dietrich von
Hildebrand, „Sexualerziehung in der Schule?“, FMG-INFORMATION 76, S.3ff oder
www. freundeskreis-maria-goretti.de/fmg/menu3/text235.html
[21] „Persona humana“ Nr. 9
[22] Vgl. Pius XII. am 15.4.1953
[23] z. B. „Sara war
unfruchtbar, es wurde ihr kein Kind zuteil.“ (Gen 11,30) – „Selig der Leib, der
dich getragen, und die Brust, die dich genährt hat.“ (Lk 11,27)
[24] z.B. Erfahren von
der Geburt eines Kinder bei Verwandten/Bekannten; Betroffenheit über den
Fehltritt eines Menschen, verbunden mit dem rechten Hinweis auf Reue und
Vergebung; Gebetsformulierung „Gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes”,
Festgeheimnis Mariae Heimsuchung usw.
[25] Festzuhalten ist:
„Divini illius magistri“ ist als Enzyklika eine sehr hochrangige Lehre des
obersten kirchlichen Lehramtes, deren Aussagen nie widerrufen worden und
folglich noch gültig sind. Das 2. Vatikanische Konzil verpflichtet den
Gläubigen in der Dogmatischen Konstitution „Lumen gentium“ zu besonderem
religiösem Gehorsam gegenüber dem Lehramt des Papstes: „Dieser religiöse
Gehorsam des Willens und Verstandes ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt
des Bischofs von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht,
zu leisten; nämlich so, dass sein oberstes Lehramt ehrfürchtig anerkannt und
den von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit gezollt wird,
entsprechend der von ihm kundgetanen Auffassung und Absicht. Diese lässt sich
vornehmlich erkennen aus der Art der Dokumente, der Häufigkeit der Vorlage ein
und derselben Lehre, und der Sprechweise...“ (LG 25).
Darum sagt auch Bischof Roman Danylak zur
Frage der Verbindlichkeit von „Divini illius magistri“: „Der springende Punkt
ist, dass die Erklärung von Papst Pius XI. die maßgebendste und erschöpfendste
Aussage ist, die jemals zu diesem Thema gemacht wurde; sie ist aufrecht
erhalten und niemals zurückgenommen worden. Im Gegenteil haben seine
Nachfolger, von Papst Pius XII. bis zu Johannes Paul II., seine Lehre
wiederholt..., auch besonders in Ansprachen an einzelne Bischofskonferenzen bei
ihren Ad-limina-Besuchen in Rom. All dies ist zusammengefasst in der kürzlich herausgegebenen,
klaren Lehre des Päpstlichen Rates für die Familie ‚Menschliche Sexualität:
Wahrheit und Bedeutung“ vom 20. Dezember 1995. Dieses Dokument wurde etwa 66
Jahre nach der Enzyklika von Papst Pius XI. über die christliche
Jugenderziehung verfasst.
[26] Vgl. M. Fromme
a.a.O., S.3: „Nun ist es für viele Christen eine Schwierigkeit, die Moral
als wandelbar zu erkennen... Tatsächlich lehrt die Geschichte, dass es nie eine
so verstandene unwandelbare Moral und Sittlichkeit gegeben hat. Sie war immer vom
kulturellen Milieu abhängig, und zwar von der jeweiligen Auffassung vom
Menschen.“
[27] Damit verknüpft
ist auch die falsche Auffassung, das Gewissen schaffe Normen. Das Gewissen ist
jedoch ein „Organ“, das das persönliche Wollen und Verhalten an der objektiven
Norm ausrichtet, als die dem Menschen erkennbare Unterscheidung von Gut und
Böse auf die konkrete, persönliche Situation anwendet. Um die rechte Wahrheit
von Gut und Böse erkennen zu können, muss das Gewissen allerdings geformt sein
und nach der Naturordnung und dem Willen GOTTES fragen, da es durch bewusstes
Handeln gegen den leisen Gewissensspruch verformbar ist und irren kann. (Vgl.
dazu Johannes Paul II:, Enzyklika „Veritatis splendor“ von 1993, bes. Nr.
54-64.).
[28] „Persona humana“ Nr. 3
[29] „Persona humana“ Nr. 4
[30] „Persona humana“ Nr. 5
[31] Vgl. dazu auch den
„Katechismus der Katholischen Kirche“ (Ausgabe 2003), Nr. 2352, 2357, 2390,
2391.
[32] „Persona humana“ Nr. 11