Das Porträt

FMG-INFORMATION 101, April 2010

 

Zur erweiterten Neuauflage des deutschen Martyrologiums

 

 

l Ende 1999 erschien das zweibändige Werk „Zeugen für CHRISTUS – Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“, herausgegeben von Helmut Moll im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, mit rund 700 kurzen Lebensbildern von Märtyrern – und zwar A) Märtyrer der NS-Zeit (der größte Teil), B) Märtyrer aus der kommunistischen Zeit, C) Reinheitsmartyrien und D) Blut­zeugen aus den Missionsgebieten: eine kostbare und beeindruckende Dokumentation der Glaubenszeugen der Kirche.

In der FMG-INFORMATION 70, April 2000 (S. 33 f) hatten wir eine kurze Inhaltsübersicht gegeben und besonders jüngere Märty­rer (Priester und Laien) der ersten drei Gruppen namentlich genannt. Im Kapitel C) (Band II, S. 995—1083) sind unter I. „Schutzlose weibliche Jugendliche“ aufgeführt: Cäcilia Baumann, Maria Grimm, Maria-Regina Kramer, Margareta Bodensteiner, Klara Wendehals, Brigitte Irrgang und Adelheid Elsberger, die wir in der FMG-INFORMATION meist schon früher - ausführlich oder kurz - vorgestellt hatten. Unter II. „Schutzlose Ordensschwestern und Frauen – gegen Ende des 2. Weltkriegs“ waren in dieser 1. Auflage 55 Frauen angeführt, und unter III. „Getötete Beschützer bzw. Beschützerinnen der bedrohten Frauen“ 18 Beispiele.

l In die 4. Auflage des deutschen Martyrologiums im Jahr 2006 (Band II, S. 1313-1344) wurden weitere Reinheitsmartyrien aufgenommen: die 16-jährige Laura Klinkenberg (1892-1908) aus dem Bistum Aachen; ferner aus der Endzeit des 2. Weltkrieges 14 Ordensfrauen der „Kongregation von der hl. Katharina in Braunsberg (Ostpreußen); zwei Mitglieder der „Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau“ in Oberschlesien, und zwei junge Frauen aus Ostpreußen, sowie fünf „Getötete Beschützer der bedrohten Frauen“: ein Pfarrer und zwei Laien aus Ostpreußen; Pfarrer Hermann Wagner aus Großkarlbach, Bistum Speyer, der in der Verteidigung seiner Haushälterin mit ihr am 2.4.1945 getötet wurde, und ein Ordenspriester aus Oberschlesien.

l In der vor kurzem erschienenen 5., um 76 Lebensbilder erweiterten und aktualisierten Auflage (Paderborn u.a. 2010) konnten nun erneut neun weitere Reinheitsmartyrien aus der Endzeit des Zweiten Weltkriegs ergänzt werden (Band II, S. 1492-1508):

I. Schutzlose weibliche Jugendliche: die Haushaltshilfen Agnes Dabrinski aus Fittigsdorf in Ostpreußen (1922-1945), Gertrud Klimek aus Fittigsdorf (1922-1945) und Hedwig Elisabeth Schnarbach aus Kaplitainen (1923-1945, ferner die Haushaltshilfe Angela Hildegard Berger aus Wolfsdorf in Ostpreußen (1926-1945).

II. (Ordens-)Frauen: die Hausfrauen Anna Fieberg (1893-1945) und Maria Veronica Fischer (1892-1945) beide in Wormditt in Ostpreußen, dazu die österreichische Steyler Missionsschwester Caeliane (Anna Maria) Klaminger (1919-1945) im oberschlesischen Leobschütz.

III. Getötete Beschützer bedrohter Frauen: Abt Michael (Karl Otto) von Witowski OSB (1885-1945) in Paradies (Brandenburg) sowie der Berliner Diözesanpriester Paul Sawatzke (1903-1945) in Hinterpommern.

 

Aus diesen in das deutschen Martyrologium neu aufgenommenen Personen stellen wir vier Personen vor und fassen die jeweiligen, von Prälat Prof. Dr. Helmut Moll selbst verfassten Beschreibungen zusammen:

 

 

          REINHEITSMARTYRIUM

 

Agnes Drabinski

 

*2. Februar 1922 Fittigsdorf (Ostpreußen)    + 22./23. Januar 1945 ebd.

 

 

Gertrud Klimek

 

*12. Februar 1922 Fittigsdorf (Ostpreußen)    + 30. Januar 1945 ebd.

 

 

Hedwig Elisabeth Schnarbach

 

*16. Juli 1923 Kaplitainen (Ostpreußen)    + 23. Januar 1945 ebd.


 

Agnes Drabinski wurde an Mariae Lichtmess 1922 als Tochter von Julius und Klara Drabinski im Ort Fittigsdorf (heute: Wojtowo) geboren, das zur Pfarrei Groß Kleeberg (Klebark Wielki) im Ermland gehört; sie hatte einen älteren Bruder Franz. Nach der Volksschule wurde sie zur Haushaltshilfe im elterlichen Haus.

Gertrud Klimek kam einige Tage später im gleichen Dorf zur Welt. Ihre Eltern waren Theophil und Maria, geb. Röski und verwitwete Grunwald; sie hatte drei Schwestern. Auch sie war nach Abschluss der Volksschulzeit als Haushaltshilfe tätig.

Hedwig Elisabeth Schnarbach lebte in dem kleinen Ort Kaplitainen, das zur Pfarrei St. Anna in Wartenburg im Ermland gehörte. Ihre Eltern waren Franz und Elisabeth, geb. Nerowski. Zwei von ihren elf Geschwistern starben im Kindesalter. Auch sie arbeitete im Haushalt.

Als gegen Ende des 2. Weltkrieges die Rote Armee Ostpreußen besetzte, kam es von Seiten der Soldaten zu zahllosen Vergewaltigungen an Mädchen und Frauen; ihre Abwehr vermochte die Gewalt nicht zu verhindern. Häufig wurden die Opfer gewaltsam getötet. So erging es auch diesen drei 22-/23-jähri­gen jungen Mädchen. Alle drei wurden von Rotarmisten erschossen.

Die kurzen Notizen werden im „Martyrologium“ ergänzt durch den Hinweis, dass der Erzbischof von Warmia 2007 in Rom das Seligsprechungsverfahren einleiten ließ für zahlreiche Glaubenszeugen des Nationalsozialismus und des Kommunismus und für diese drei Reinheitsmärtyrinnen.


 

 

Pfarrer  Paul Sawatzke

 

*31. Juli 1903 Berlin    + 24. Februar 1945 Schönow (Hinterpommern)

 

Der in Berlin geborene Abiturient studierte in Breslau Philosophie und Theologie; am 30.1.1927 wurde er zum Priester geweiht. Er wirkte acht Jahre als Kaplan in St. Pius in Berlin-Ost. Am 15.3.1935 wurde er zum Lokalkaplan in Schönow bei Stargard (heute: Szczecinski) ernannt und hatte rund 400 Katholiken (unter 1500 Nichtkatholiken) zu betreuen. Die CHRISTUS-König-Kirche dort war erst 1932 errichtet worden. – Angesichts der bedrohlichen Lage 1945 hatte Bischof Konrad Graf von Preysing die Priester aufgefordert, für den Fall, dass ihre Pfarreien Kriegsgebiet oder vom Feind besetzt würden, ihren Seelsorgsposten nicht zu verlassen, sondern als Hirt bei ihrer Herde zu bleiben und den Gläubigen Trost und Kraft zu geben.

Über das dramatische Geschehen in Schönow, als die Rote Armee das Dorf im Februar 1945 eroberte, wird in einer von Gerda Günzel, der Gattin des örtlichen katholischen Lehrers, handgeschriebenen Aufzeichnung berichtet. Drei Frauen, Erika Grzenkowski, Ilse Hangebrauck („Schulhelferin“) und Gerda Günzel befanden sich – offenbar ebenso wie Pfarrer Sawatzke - im Haus eines Aug. Schockmann in Schönow, wo durchfahrende russische Kraftwagen immer wieder halt machten. Wiederholt versuchten diese Männer, den Pfarrer aus dem Haus zu bekommen, um ihr Vorhaben, so an die Frauen heranzukommen, besser durchführen zu können“. „In der Nacht vom 24. zum 25. Febr. 1945 wurden wir zum ersten Mal belästigt. Gegen 9 Uhr abends kam der Chauffeur und versuchte, an Frau G. heranzukommen“. Ihre Abwehr „unterstützte der Pfarrer durch ermunternde Zurufe“. Daraufhin schlug der Soldat, „ein riesengroßer, breiter Kerl“, auf den Geistlichen ein. Alle fürchteten, „dass der Pfarrer totgeschlagen würde“. Als aber Pfarrer Sawatzke das Wort „Kommandant“ nannte, ging der Russe plötzlich fort. Nach kurzer Zeit kehrte er mit einem russischen Offizier zurück, der den Anwesenden erklärte, der Pfarrer solle zum Kommandanten mitgehen, „um gegen den Soldaten, der ihn geschlagen hatte, zu zeugen“. Obwohl alle ihm abrieten, ging Pfarrer Sawatzke mit. Er segnete die Frauen „noch einmal mit dem Allerheiligsten, das er bei sich trug“. Später fand man den Priester mit Schüssen in den Hinterkopf getötet in seinem Blut liegen; die mit konsekrierten Hostien gefüllte Burse war blutdurchtränkt. In Eile wurde dem Tote ein roter Vespermantel umgelegt und er in die Decke des Baldachins, den man aus der geplünderten Kirche gerettet hatte, gehüllt und so unter Rosenkranzgebet begraben. Alle Teilnehmer bekräftigten die Richtigkeit des Berichts durch ihre eigenhändige Unterschrift. Obgleich alle Bewohner wenige Tage später ihre Wohnungen verlassen mussten und vertrieben wurden, blieb das Opfer des Priesters, um bedrohte Frauen in ihrer Würde und vor sexueller Gewalt zu schützen sowie den Adel der Keuschheit zu bewahren, unvergessen.

 

 

zurück

..